Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.08.2019, RV/5100337/2019

Berücksichtigung von Privatfahrten trotz mangelhaftem Fahrtenbuch.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde vom (St.Nr.: xxx), betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2016 abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt.
Begründend wurde ausgeführt, dass Fahrtkosten auf Grund der Benutzung eines Kraftfahrzeuges dann steuerlich als Werbungskosten nach § 16 EStG 1988 berücksichtigt werden würden können, wenn ein fortlaufend geführtes Fahrtenbuch oder andere geeignete Aufzeichnungen vorliegen würden, aus denen Datum, Beginn und Ende, Ausgangs- und Zielpunkt, Kilometerstand, Kilometerzahl der beruflich bzw. privaten Fahrten, sowie Zweck jeder einzelnen Fahrt hervorgehe.

Daten lt. Fahrtenbuch:
A - B 98km gefahren. Lt. Google-maps tatsächlich hin und zurück 66km
A - C 123km "   " 82km
A - D 121km "   " 82km
usw.

Die beruflichen Fahrten seien mit dem Renault Trafic durchgeführt worden (Wechselkennzeichen). Der Renault Clio sei am abgemeldet worden. Der VW Touareg sei am abgemeldet worden.
Ab diesem Zeitpunkt sei nur mehr der Renault Trafic angemeldet gewesen. Der Audi sei erst am angemeldet worden.
Es seien keine Privatkilometer ausgeschieden worden. Ein völliger Entfall notwendiger privater Besorgungen und Verrichtungen nach Dienstschluss bzw. an Wochenenden seien jedoch auch bei einem intensiv im Beruf Tätigen nicht wahrscheinlich (vgl. ). Es entspreche vielmehr den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass Privatfahrten, wie z. B. Besuch von Bekannten, den Kindern, von Veranstaltungen, auch Gasthäusern, zum Einkaufen, etc. unternommen werden würden.
Unglaubwürdig sei auch, dass wegen jeder Privatfahrt das Kennzeichen gewechselt werde (wäre nur bis möglich gewesen).
Die beruflich gefahrenen Kilometer seien daher gem. § 184 BAO mit 20.000km geschätzt worden.

Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid vom eingereicht.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit Futtermittelvertreter einen Transporter benötige, da er die Waren gleichzeitig auch liefere.
Mit diesem Transporter würde er keine Privatfahrten zurücklegen. In der Zeit als er keinen privaten PKW gehabt hätte, hätte er die Privatfahrten mit dem PKW seines Sohnes erledigt.

Bezüglich der Wegstrecken z. B. wie angegeben A B 66km, würde dies lediglich die gerade Strecke darstellen und im Fahrtenbuch sei das weit entfernteste Ziel angegeben worden.

Natürlich würden sich auf der Wegstrecke mehrere Kundschaften befinden, die teilweise abseits liegen, darum könne die Kilometeranzahl nie mit denen lt. Google Maps übereinstimmen.
Vor ca. 7-8 Jahren sei durch Frau Dr. E (Anmerkung Richter: Fachvorständin) schon einmal im Zuge einer Berufung die Richtigkeit des Fahrtenbuches bestätigt worden.
Es sei immer das weit entfernteste Ziel angegeben worden. Auf dem Weg dorthin und zurück, würden 10-25 Kunden angefahren, die aber auch weit abseits der Strecke liegen können. Es würde sich um Bauernhöfe handeln.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das vorgelegte Fahrtenbuch insofern Mängel aufweise, als aus diesem Reiseroute und Zweck jeder einzelnen Reise nicht nachvollziehbar sei.
Es bestehe daher keine Veranlassung mehr Kilometer anzuerkennen. Die beruflichen Kilometer seien im Erstbescheid mit 20.000Km geschätzt worden.
Diese Kürzung sei durchaus angemessen.
Die Fahrten würden nur dann zur Gänze anerkannt werden können, wenn Aufzeichnungen vorliegen, aus denen Datum, Beginn und Ende, Ausgangs- und Zielpunkt, Kilometerstand, Kilometerzahl der beruflich bzw. privaten Fahrten, sowie Zweck jeder einzelnen Fahrt hervorgehen würden.

Mit Vorlageantrag vom wurde beantragt, gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Bestritten würden die im Schätzungswege ermittelten Kilometergelder (angeblich privat).
Die beantragten Kilometer seien zur Gänze dienstliche Kilometer, weiters sei ein dementsprechendes Fahrtenbuch vorgelegt worden. Es sei bereits 2006 über dieselbe Sachlage positiv entschieden worden.

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Eingabe vom gab der Beschwerdeführer bekannt, dass sein Sohn in Wien beschäftigt sei und dort ein Firmenfahrzeug gehabt hätte. Sein Privatfahrzeug sei beim Beschwerdeführer gestanden, da es der Sohn in Wien nicht benötigt und er dort auch keinen Parkplatz gehabt hätte.
Das Dienstfahrzeug des Beschwerdeführers sei für Privatfahrten nicht geeignet, da Futtermittel vor und in Tierstallungen geliefert werden würden und das Fahrzeug somit immer staubig und stinkig sei.

Mit Schreiben vom wurde der belangten Behörde diese Eingabe zur Kenntnis- uns allfälligen Stellungnahme übermittelt.
Angemerkt wurde seitens des Richters, dass eine Kürzung der privat gefahrenen Kilometer seines Erachtens durchaus angemessen sei.

Im Antwortschreiben vom wendete die Amtsvertreterin hierzu ein, dass auch im Jahr 2017 eine ähnliche Kürzung vorgenommen und dagegen keine Beschwerde eingebracht worden sei.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer ersucht, seine Angaben (Firmenfahrzeug, gefahrene Kilometer, …) mittels nachprüfbarer Unterlagen nachzuweisen.

Mit Eingabe vom wurden herzu folgende Ausführungen übermittelt:
 < Daten und Aussehen des Fahrzeuges (Fotos)
 < Bestätigung, dass der Sohn ein Firmenfahrzeug hatte
 < Werkstattrechnungen aus denen die Jahreskilometerleistung ersichtlich ist

Diese Eingabe wurde am der Amtsvertreterin zur Kenntnis- und allfälligen Stellungnahme übermittelt.

Im Antwortschreiben vom wurde bekanntgegeben, dass seitens der belangten Behörde keine Stellungnahme erfolgen werde.

ENTSCHEIDUNG

A) Dem Erkenntnis wurde folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Futtermittelvertreter. Für den Transport und die Zustellung der Futtermittel nutzt er einen selbst angeschafften Transporter (Lastkraftwagen, Renault L Trafic).
Die gefahrenen Kilometer hat er in einem „Fahrtenbuch“ festgehalten, welches folgende Daten aufweist:
Datum; Ausgangsort und Zielort, km-Stand bei Abfahrt und Ankunft; gefahrene Kilometer
Privatfahrten wurden nach diesen Aufzeichnungen nicht durchgeführt.

Nach der Art des Fahrzeuges und den glaubhaften Darstellungen des Beschwerdeführers ist jedenfalls davon auszugehen, dass mit diesem Fahrzeug keine umfangreichen Privatfahrten durchgeführt wurden.
Dass allerdings auch gelegentlich Privatfahrten durchgeführt wurden, kann aber nicht ausgeschlossen werden.

B) Beweiswürdigung:

Strittig ist gegenständlich, ob bzw. wie viele Kilometer der Beschwerdeführer an Privatfahrten mit seinem Transporter für Futtermittel durchgeführt hat.
Den vorliegenden Aufzeichnungen (Fahrtaufzeichnungen) folgend, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Privatfahrten durchgeführt wurden. Aus den Zielangaben können die konkrete Fahrtroute und die tatsächlich angefahrenen Kunden nicht überprüft werden.

Tatsache ist aber auch, dass die Art des Fahrzeuges und auch die doch oft intensive Geruchsauswirkung der transportierten Futtermittel auf keine umfassende private Nutzung hinweisen.
Zu berücksichtigen ist auch die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer ein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestanden ist (bis Mai/2016 eigenes Fahrzeug mit Wechselkennzeichen bzw. das Fahrzeug des Sohnes).

Unter diesen Gegebenheiten erachtet es der erkennende Richter jedenfalls als notwendig die von der belangten Behörde zum Ansatz gebrachten Privatkilometer im Schätzungswege zu korrigieren.
Das Argument der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer die Kürzung im Jahr 2017 auch gefallen lassen hat, kann wohl nicht als Nachweis gewertet werden.

Folgende Aufzeichnungen/Nachweise waren bei der Schätzung zu berücksichtigen:
 < Fahrtaufzeichnungen weisen auf weitaus überwiegende berufliche Fahrten hin, wenn auch durch die Art der Aufzeichnungen Privatfahrten nicht ausgeschlossen werden können.
 < Fahrzeug: Die Art des Fahrzeuges (Transporter) lässt nicht darauf schließen, dass damit umfangreiche Privatfahrten vorgenommen wurden (sicherlich nicht geeignet für z. B. Urlaubsfahrten; allerdings schon geeignet auch für kürzere Privatfahrten).
 < Dienstfahrzeug sowie Privatfahrzeug des Sohnes
 < eigenes Fahrzeug (WKZ bis Mai/2016)

C) Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 184 Abs. 3 BAO ist ferner dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Der Beschwerdeführer legte für das Veranlagungsjahr 2016 Aufzeichnungen über beruflich getätigte Fahrten vor.
Diesen Aufzeichnungen folgend, beantragte er Fahrtaufwendungen für 26.532km.

Die belangte Behörde kürzte unter Hinweis auf die nicht ordnungsgemäße Führung des Fahrtenbuches die beruflich gefahrenen Kilometer auf 20.000.

Fahrtkosten anlässlich einer beruflich veranlassten Reise des Arbeitnehmers stellen im tatsächlich angefallenen Umfang Werbungskosten dar. Benützt der Arbeitnehmer dabei sein eigenes Fahrzeug, können die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze (Kilometergeld für Personenkraftwagen je Fahrtkilometer iHv 0,42 €) angesetzt werden.

Der Nachweis der Fahrtkosten (tatsächliche Aufwendungen, Kilometergelder) hat grundsätzlich mit einem Fahrtenbuch zu erfolgen. Das Fahrtenbuch hat die beruflichen und privaten Fahrten zu enthalten (vgl. ); es muss fortlaufend, zeitnah und übersichtlich geführt sein und Datum, Kilometerstrecke, Ausgangs- und Zielpunkt sowie Zweck jeder einzelnen Fahrt zweifelsfrei und klar angeben (vgl. ; ; ; Doralt, EStG13, § 16 Tz 220, Stichwort „Fahrtkosten“; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 4 Tz 330, Stichwort „Fahrtenbuch“). Notwendig ist die Angabe der zurückgelegten Wegstrecke (Anfangs- und Endkilometerstand), Datum, Angabe des Pkws und der dienstliche Zweck (vgl. ; ; Doralt, EStG7, § 26 Tz 75).

Diesen Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch genügt das im gegenständlichen Fall vorgelegte Fahrtenbuch, wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, nicht. Insbesondere ist die genaue Fahrtstrecke jeder einzelnen Fahrt oft nicht zweifelsfrei und klar angegeben.

Allerdings unterliegt auch ein nach den oa. Kriterien mangelhaft geführtes Fahrtenbuch der freien Beweiswürdigung, sodass das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss kommt, dass das geschätzte Ausmaß der getätigten Privatfahren seitens der belangten Behörde keinesfalls der Realität entsprechen kann.

Unter Berücksichtigung der Art (Bauart) des Fahrzeuges, der damit transportierten Waren (Geruchsbelästigung/Schmutz), tw. vorhandenes zusätzliches Fahrzeug für Privatfahrten, erscheint ein Ansatz von 200km/Monat jedenfalls der Realität näher zu kommen, als der Ansatz der belangten Behörde; zumal im Schreiben vom gegen diese Vorgangsweise keine maßgeblichen Gegenargumente vorgebracht wurden, sondern lediglich darauf hingewiesen wurde, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 die Vorgangsweise der belangten Behörde akzeptiert hätte.

Die Werbungskosten sind demnach wie folgt zu berücksichtigen:
 < km lt. Aufzeichnungen: 26.532km
 < km für Privatfahrten im Schätzungswege: 2.400km (200km/Monat)
 < beruflich gefahrene Kilometer: 24.132km à 0,42 €: 10.135,44 €

D) Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Der Beschwerdefall hing von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind aber einer ordentlichen Revision nicht zugänglich.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
Hilber in AFS 2019/5, S. 171
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100337.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at