zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.07.2019, RV/7103460/2012

Ermessensentscheidung bei der Haftung nach § 9 Abs. 2 KVG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache BF, ADR, vertreten durch WT Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG, ADR2, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr***, Team 13, StNr*** betreffend Gesellschaftsteuer zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid – ersatzlos – aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf

Selbstanzeige - Gesellschaftsteuererklärung

Mit Schreiben vom zeigte die WT Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG als der steuerliche Vertreter der GMBH dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (nunmehr Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, kurz FA) an, dass für einzelne atypisch stille Gesellschafter bzw Zusammenschlussverträge die Gesellschaftsteuererklärungen nicht fristgerecht eingereicht worden seien. Der sich nach ihren Berechnungen ergebende verkürzte Abgabenbetrag betrage € 31.995,67 (Tranche I/2007 und Tranche II/2007).

Als Anlage wurde dem Finanzamt eine Aufstellung über die Tranche I/2007 und II/2007 sowie Gesellschafterlisten übersandt. Auf der Gesellschafterliste zur Tranche II/2007 findet sich ua unter Nr. 85 Herr BF (= der nunmehrige Beschwerdeführer, kurz Bf.) und daneben unter der Spalte "Einzahlungsbetrag inklusive Agio laut Zeichnungsschein" ein Betrag iHv von € 60.000,00.

Ermittlungen des Finanzamtes

In der Folge übermittelte die WT Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG als steuerliche Vertreter der GMBH über Ersuchen des Finanzamtes mit Schreiben vom noch weitere Unterlagen. Darunter eine den Bf. betreffende Zahlungsbestätigung vom über den Erhalt eines Betrages von € 60.000,00 für dessen atypisch stille Beteiligung an der GMBH.

Gesellschaftsteuerbescheid vom

Am erließ das FA zu ErfNr***, StNr*** einen an die GMBH zu Handen der WT Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG adressierten Gesellschaftsteuerbescheid mit dem Betreff: "Atypisch stille Gesellschaftseinlagen samt Agio in der Gesamthöhe von € 3.199.566,50 der Tranchen 2007/I und 2007/II laut Selbstanzeige vom " und setzte hierfür Gesellschaftsteuer iHv € 31.995,67, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage iHv € 3.199.566,50, fest. Eine nähere Begründung oder Aufschlüsselung enthält der Bescheid nicht.

Mit Begleitschreiben vom sandte die WT Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG den Gesellschaftsteuerbescheid im Original ans Finanzamt mit dem Bemerken, dass sie keine steuerliche Vollmacht mehr für die Gesellschaft habe (Zurückziehung der Vollmacht sei im März 2009 erfolgt) und die an sie getätigte Zustellung daher keine Rechtswirksamkeit entfalte, zurück.

Nach einem im Finanzamtsakt befindlichen Ausdruck einer Abfrage im Abgabeninformationssystem des Bundes (kurz AIS) zur StNr 10 *** vom war zu diesem Zeitpunkt im AIS nach wie vor als gewillkürter Vertreter der GMBH die WT Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG mit dem Zusatz "Zustellungsbevollmächtiger" eingetragen. Nach einem Aktenvermerk vom wurde die Zustellvollmacht sodann am auf Grund des Schreibens vom von einem Mitarbeiter des Finanzamtes im AIS gelöscht.

Nach der Aktenlage liegt daher kein Hinweis dafür vor, dass vor Erlassung des Gesellschaftsteuerbescheides vom eine Mitteilung ans FA über die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses erfolgt wäre.

Am führte das FA eine Abfrage im Firmenbuch durch und sandte sodann am den Gesellschaftsteuerbescheid vom direkt an die GMBH an die im Firmenbuch ausgewiesene Geschäftsanschrift in PLZ X, STR. Der Bescheid wurde dem FA von der Post mit dem Vermerk "verzogen" retourniert.

Am führte das FA abermals eine Abfrage im Firmenbuch durch, die ergab, dass am im Firmenbuch eingetragen wurde, dass mit Beschluss des Landesgerichtes X vom Datum1, **S** ein Konkursantrag mangels Vermögen abgewiesen wurde und die Gesellschaft infolge rechtskräftigen Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 39 FBG aufgelöst ist. Als Abwickler, Liquidator wurde im Firmenbuch Herr NN eingetragen.

In der Folge versuchte das FA den Gesellschaftsteuerbescheid an den Liquidator der GMBH zuzustellen. Nach Einholung einer Meldeauskunft, die ua ergab, dass Herr NN seinen Familiennamen auf NN-neu geändert hat, versuchte das FA zuletzt am den Gesellschaftsteuerbescheid an den Liquidator der GMBH an die Meldeadresse ADRESSE, zuzustellen. Am langte das Poststück mit dem Gesellschaftsteuerbescheid und den Buchungsmitteilungen mit dem Postvermerk "unbekannt" wieder ans Finanzamt retour.

Haftungsbescheid vom

Am erließ das FA sodann (ua) an den Bf. einen Haftungsbescheid gemäß § 9 Abs. 2 KVG mit folgendem Inhalt:

"Betreff:
Zusammenschlussvertrag (atypisch stille Gesellschaftseinlage) vom mit GMBH, Gesellschaftsteuerbescheid vom

Gemäß § 9 Abs. 2 KVG in Verbindung mit § 224 Abs. 1 BAO werden Sie als Haftungspflichte(r) für die nachstehend angeführte Abgabe in Anspruch genommen.

Sie werden aufgefordert, diese Abgabe innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Zu entrichtende Abgabenschuldigkeit:
Gesellschaftsteuer gemäß § 2 Z 1 KVG mit 1,0 % von der Bemessungsgrundlage in Höhe von € 60.000,00 (gerundet gemäß § 204 BAO) € 600,00.

Begründung:
Da die Gesellschaftsteuer von GMBH nicht entrichtet wurde, werden Sie als Haftungspflichtig(r) gemäß § 9 Abs. 1 KVG in Verbindung mit § 224 BAO in Anspruch genommen.

Infolge Uneinbringlichkeit/Gefährdung der Einbringlichkeit bei der obgenannten GmbH hatte die Heranziehung zur Haftung zu erfolgen.

Die Bemessungsgrundlage wurde wie folgt ermittelt:

€ 60.000,00 = Höhe der von Ihnen erbrachten Einlage."

Beschwerde

Die vom Bf. am eingebrachte Berufung (nunmehr als Beschwerde zu behandeln) richte sich ausdrücklich sowohl gegen den Haftungsbescheid gemäß § 9 Abs. 2 KVG vom als auch gegen den Gesellschaftsteuerbescheid vom . Beantragt wurde, eine ersatzlose Aufhebung der Bescheide sowie eine Entscheidung durch den gesamten Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die Begründung der Beschwerde lautet wie folgt:

Die Haftung sei akzessorisch zur Steuerschuld des Primärschuldners, daher setze sie das Bestehen der Steuerschuld voraus (vgl. z. B. ; 21.11.1698, 857/67).

Nach der nunmehr auch im Bereich der Kapitalverkehrsteuern vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§§ 21 ff BAO) sei in der Hingabe des gegenständlichen Kapitalbetrages von EUR 60.000,00 durch den nunmehr als Haftpflichtigen in Anspruch genommenen Anleger kein gesellschaftsteuerbarer Vorgang vorgelegen.

Nach den Feststellungen der beim Primärschuldner zur Steuernummer  ***** durchgeführten Außenprüfung sei jedenfalls zum Zeitpunkt der gegenständlichen Kapitalhingabe keine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr und keine einkommensteuerrelevante atypische stille Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft vorgelegen. Demgemäß sei von der Abgabenbehörde mit Nichtfeststellungsbescheid vom das Vorliegen einer Einkunftsquelle verneint und selbst der eingetretene Verlust des gesamten Kapitals sei nicht als steuerlicher Aufwand anerkannt worden.

Gegen die Geschäftsführer der Gesellschaft werde zur Zeit am Landesgericht X wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs verhandelt ("***-Prozess"). Nach dem Anklagevorwurf sei den Anlegern das Anlagekapital betrügerisch herausgelockt worden, ohne dass es je zu einer bestimmungsmäßigen Verwendung im Sinne der vom Anleger intendierten atypisch stillen Beteiligung am Vermögen und Gewinn der Gesellschaft gekommen wäre.

Der Anleger habe demgemäß das gesamte hingegebene Kapital verloren. Eine auf Betrugshandlunge basierende Herauslockung von Anlegerkapital in Form einer "stillen Beteiligung" sei rechtswidrig erfolgt und habe jedenfalls zu keiner Verstärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft geführt (vgl. z.B. EuGH Dansk Sparinvest), da der Vorgang iSd § 879 ABGB nichtig sei und einem zumindest gleichhohen Anspruch des Anlegers auf unverzügliche Rückerstattung der ungerechtfertigten Bereicherung gegenüberstehe. Der Beteiligung somit im gegenständlichen Fall kein gültiges Rechtsgeschäft zugrunde gelegen, sodass dadurch kein gesellschaftsteuerbarer Vorgang verwirklicht worden sei.

Darüber hinaus habe die Abgabenbehörde nach der am eingebrachten Selbstanzeige der Gesellschaft entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Entscheidung ohne unnötigen Aufschub (§ 311 BAO) fast zwei Jahre verstreichen lassen, bis sie am erstmals eine als Gesellschaftsteuerbescheid intendierte Erledigung an die bereits aufgrund Konkursabweisung aufgelöste Gesellschaft (Beschluss des Landesgerichtes X vom Datum1, **S**) ausfertigte.

Dies erscheint umso unverständlicher, als die geschuldeten Beträge offenbar trotz erfolgter Selbstanzeige von der Gesellschaft nicht unverzüglich beglichen wurden.

Eine wirksame Zustellung dieses Bescheides erscheine nach der bereits im März 2009 erfolgten Zurücklegung der Vollmacht durch die steuerliche Vertretung und nach Auflösung der Gesellschaft nicht nachvollziehbar, sodass er nach Lage der Dinge nicht dem Rechtsbestand angehören dürfte.

Fast weitere zwei Jahre seien vergangen bis zur Erlassung des verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheides vom . Eine Haftungsinanspruchnahme liege im gesetzlich gebundenen Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. Ritz4, § 7 Rz 5 ff). Aufgrund des von der Abgabenbehörde verursachen Verstreichenlassens einer Frist von fast vier Jahren bis zur Erlassung des Haftungsbescheides habe sich zwischenzeitig jedenfallls der aufgrund der Kapitalleistung ursprünglich vorhandene Haftungsfonds bereits nachhaltig und endgültig verflüchtigt, sodass Regressansprüche des betrogenen Anlegers zum nunmehrigen Zeitpunkt jedenfalls aussichtslos geworden seien.

Die gesetzlich gebotene Ermessensübung sei von der Abgabenbehörde nicht begründet worden. Bei richtiger Ermessensübung iSd § 20 BAO wäre die durch die lange verstrichene Zeit (vgl. z.B. , 0038; , 2006/13/0159) versursachte Gefährdung bzw Unmöglichkeit der Einbringung beim Hauptschuldner (vgl. z.B. Arnold, AnwBl 1987, 470, Stoll, Ermessen2, 394) zu berücksichtigen, sodass die Haftungsinanspruchnahme auch aus diesem Grund rechtswidrig erfolgt sei.

Vorlage an den UFS

Ohne zuvor eine BVE zu erlassen legte das FA mit Vorlagebericht vom (nur) die Berufung vom gegen den Bescheid vom dem UFS zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht (eine Ausfertigung davon wurde auch dem Bf. übermittelt) wurde der Streitpunkt mit " Wurde der Haftungsbescheid gem. § 9 Abs. 2 KVG zu Recht erlassen?" umschrieben. Weiters gab das FA eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab:

"Die Erlassung von Haftungsbescheiden ist eine Einhebungsmaßnahme. Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen. Bei der Ermessensübung ist vor allem der Zweck der Haftungsbestimmung zu berücksichtigen. Das Ermessen ist bei der Haftung nach § 9 Abs. 2 KVG im Sinne einer Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme zu üben. Daher darf der Haftende idR nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert ist. Im Hinblick darauf, dass die Eigenschuldnerin die Abgabe nicht entrichtet hat und laut HR-Auszug v. die Gesellschaft infolge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrages mangels Vermögens aufgelöst war, sind die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme wegen Uneinbringlichkeit bei der Eigenschuldnerin jedenfalls gegeben.

Die Einwendungen gegen die Richtigkeit des Abgabenanspruches sind im gegenständlichen Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid unbeachtlich, da dem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid an die Eigenschuldnerin vorausgegangen ist, welcher nach wie vor dem Rechtsbestand angehört."

Übergang der Zuständigkeit auf das BFG und die Gerichtsabteilung 1062

Am war die gegenständliche Berufung gegen den Haftungsbescheid vom beim unabhängigen Finanzsenat anhängig und ist daher die Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 323 Abs. 38 BAO auf das Bundesfinanzgericht übergegangen und ist die Rechtssache als Beschwerde im Sinne des Art 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom nahm der Geschäftsverteilungsausschuss (ua) die gegenständliche Rechtssache gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der Gerichtsabteilung 1080 ab und wurde diese der Gerichtsabteilung 1062 zur Erledigung zugewiesen.

Beweisaufnahme durch das BFG

Die nunmehr als Berichterstatterin zuständige Richterin nahm Einsicht in den vom Finanzamt vorgelegten Bemessungsakt ErfNr*** und ergibt sich dadurch der oben dargestellte Verfahrensablauf.

Weiters wurde noch Beweis erhoben durch Firmenbuchabfrage zu FN*** und durch Abfragen im AIS zu StNr 10 ***.

Vorbereitungsvorhalt

Mit Schreiben vom teilte die Berichterstatterin den Parteien zur Vorbereitung auf die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat mit, wie sich zum damaligen Zeitpunkt die Sach- und Rechtslage für sie darstellte.

Stellungnahme Bf.

Dazu gab der Bf. mit Schriftsatz vom eine Stellungnahme ab, in der ua  vorgebracht wurde, dass die Gesellschaftsteueranzeige bereits am erfolgt sei und die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt noch zahlungsfähig gewesen sei. Die Erlassung des Gesellschaftsteuerbescheides am  sei nach über zwei Jahren und nach Verlust der Parteifähigkeit der Gesellschaft erfolgt. Die Vollmacht sei jedenfalls bereits zuvor gemäß § 1023 und § 1024 ABGB mit Datum2 erloschen, da die Veröffentlichung des Gerichtsbeschlusses in der Ediktsdatei am Datum1 erfolgt sei. Das Erlöschen der Vollmacht wirke hier unabhängig vom Kenntnisstand der Behörde (vgl. Ritz6, BAO, § 83 Rz 24 mwN).

Die Zahlungen des Bf. seien durch Täuschungshandlungen betrügerisch herausgelockt worden und liege daher kein gültiges Rechtsgeschäft vor und sei keine gesellschaftsteuerbare Erhöhung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft erfolgt. Dazu wurde als Beilage ein Auszug des Urteiles des Landesgerichtes X zur Zl. **Hv** vorgelegt.

Auf Grund der materiellen Akzessorität sei die Frage der Gesellschaftsteuerbarkeit jedenfalls im Haftungsverfahren als Vorfrage zu berücksichtigen. Beim gesetzlich gebotenen Ermessen sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass schon aufgrund der pflichtwidrigen extrem verspäteten Steuerfestsetzung nicht mehr auf den Haftenden zurückgegriffen werden dürfe.

Abschließend wurde noch eingewandt, dass die Vermutungen zum Stand und zur Zuordnung der Gesellschaftsteuerschuld in Bezug auf angebliche Verrechnungsweisungen anderer stiller Gesellschafter schon eine gesetzlich gebotene Zuordnung zu Zahlungen zum gegenständlichen Haftungsbetrag vermissen, insbesondere da nach über siebenjähriger Verfahrensdauer offenbar noch immer ein Teilbetrag iHv € 15.164,49 aushaftet, die letzte Buchung aber bereits am erfolgt sei. Damit sei offenkundig nicht einmal nachvollziehbar, von wem tatsächlich Zahlungen auf den aushaftenden Betrag geleistet wurden.

Die Stellungnahme samt Beilagen wurde am vom BFG auch dem FA zur Kenntnis gebracht.

Säumnisbeschwerdeverfahren betreffend Abgabenbescheid

Mit Schreiben vom , beim BFG eingelangt am brachte der Bf. eine Säumnisbeschwerde ein und brachte dazu vor, dass das FA über seine Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Gesellschaftsteuerbescheid vom weder eine Beschwerdevorentscheidung erlassen noch die Beschwerde dem UFS bzw dem BFG zur Entscheidung vorgelegt habe.

Mit Beschluss vom wurde dem FA vom BFG gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, bis spätestens zu entscheiden und eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Am übermittelte das FA dem BFG eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung vom sowie am eine Kopie des Zustellnachweises vom .

Mit Beschluss vom stellte das BFG das Säumnisbeschwerdeverfahren ein.

Stellungnahme FA  

Mit Schreiben vom teilte das FA zu den Ausführungen des Bf. im letzten Absatz der Stellungnahme vom (wonach nicht nachvollziehbar sei, von wem tatsächlich Zahlungen auf den aushaftenden Betrag geleistet wurden) Folgendes mit:

"Auf dem Abgabekonto der GmbH, StNr***, bestand zum Stichtag der Erlassung der Haftungsbescheide () ein Rückstand iHv € 34.195,36.

Nach Ergehen der Haftungsbescheide erfolgten im Zeitraum zwischen und diverse Zahlungen.

Aus der Datenbank konnten folgende Zahlungen zugeordnet werden:

[...
Anm BFG: es folgt eine Aufzählung von 10 konkreten Zahlungen mit Hinweis auf die der Stellungnahme als Beilagen angeschlossenen Zahlungsbelege sowie der Details der Verbuchung]

Weitere Zahlungseingänge sind auf dem Abgabenkonto nicht verzeichnet.

Von den 11 zur Haftung Herangezogenen haben bislang 10 Haftende die Abgabe entrichtet.

Auf Grund der gezielten Entrichtung zu einer bestimmten Steuernummer und für einen bestimmten Zeitraum können die jeweiligen Zahlungen den mit Haftungsbescheiden Angesprochenen zugeordnet werden."

Zurücknahme Senat und mündliche Verhandlung

Mit Telefax vom nahm der Bf. die Anträge auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück

II. Sachverhalt

Die GMBH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und am im Firmenbuch eingetragen.

Die GMBH hat nie eine tatsächliche Geschäftstätigkeit entfaltet.

Zwischen 2006 und 2008 wurden in insgesamt 251 Fällen Anleger (darunter der Bf.) zur Zeichnung von atypisch stillen Beteiligungen an der GMBH mit einem Investitionsvolumen von insgesamt € 5.578.822,50 (in insgesamt 5 Tranchen, davon jeweils zwei 2007 und 2008) verleitet. Die den Anlegern präsentierten "Modellberechnungen" sowie die "Investitionsgrundlagen" hatten keinerlei Bezug zur Realität. Entgegen den Zusicherungen in der Anlegerinformation existierte kein marktfähiges oder bereits auf dem Markt befindliches Produkt und fand keinerlei Entwicklung beziehungsweise Weiterentwicklung statt.

Auf Grund der betrügerischen Täuschungshandlungen leistete der Bf. am einen Betrag iHv € 60.000,00 an die GMBH für eine atypisch stille Beteiligung an der genannten GmbH und wurde er dadurch in seinem Vermögen geschädigt.

Mit Beschlüssen des Landesgerichtes X vom Datum1, **S** und **S** (veröffentlicht in der Insolvenzdatenbank am Datum1) wurden Konkursanträge betreffend die GMBH mangels Vermögens abgewiesen.

Am wurde im Firmenbuch eingetragen, dass die Gesellschaft infolge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrages gemäß § 39 FBG aufgelöst ist.

Am erfolgte die amtswegige Löschung der Firma im Firmenbuch.

Am Abgabenkonto der GMBH beim FA GVG mit der StNr 10 *** besteht nach wie vor ein Rückstand von insgesamt € 16.444,32. Die letzte Buchung auf diesem Konto erfolgte am . Vom Gesamtrückstand entfällt ein Teilbetrag iHv € 15.164,49 auf die Gesellschaftsteuerfestsetzung vom .

Die Gesellschaftsteuerschuld von ursprünglich insgesamt € 31.995,67 wurde durch insgesamt 10 Zahlungen bzw. Übertragungen mit Verrechnungsweisung zum Teil getilgt. Neben dem Bf. sind 10 weitere stille Gesellschafter der  GMBH mittels Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden und haben diese jeweils gezielt ihre Haftungsschuld beglichen und hat sich dadurch die auf dem Steuerkonto der GMBH, StNr. 10 ***  gebuchte Gesellschaftsteuerschuld auf Grund des Bescheides vom von insgesamt € 31.995,67 auf € 15.164,49 verringert.

Der Abgabenbetrag iHv € 600,00 für den Vorgang, an dem der Bf. beteiligt war und für den er als Haftender in Anspruch genommen wurde, ist nach wie vor zur Gänze offen (zumal ihm mit Bescheid vom gemäß § 212a BAO eine Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde).

III. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Bemessungsakt des Finanzamtes befindlichen Unterlagen und den durchgeführten Datenbankabfragen sowie dem damit im Einklang stehenden Vorbringen des Bf. in seinen Schriftsätzen.

Da die Abgabenbehörde an jene Sachverhaltsfeststellungen eines Gerichts gebunden ist, welche einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde gelegt wurden (vgl. unter Hinweis auf ; ) ist für das gegenständliche Verfahren von den Feststellungen des Landesgerichtes X im Urteil vom , GZ **Hv** (das hinsichtlich des hier relevanten Schuldspruches E - Faktum 1885 - durch das **Os**) unberührt blieb) auszugehen.

Die Feststellungen hinsichtlich des restlichen offenen Abgabenbetrages auf dem Steuerkonto der Gesellschaft ergeben sich aus den getätigten Datenbankabfragen. Aus den vom Finanzamt mit der Stellungnahme vom vorgelegten Belegen ist deutlich ersichtlich durch welche konkreten 10 Zahlungen/Überrechnungen sich die Gesellschaftsteuerschuld verringert hat. Die Anzahl 10 bei den Tilgungen deckt sich mit dem  Aktenvermerk des Finanzamtes vom auf dem Aktendeckel, wonach 11 Haftungsbescheide (dh neben dem Bf. noch 10 weitere) erlassen wurden. Auch das Finanzamt ist in seiner Stellungnahme vom von 11 Haftungsbescheiden ausgegangen und steht daher fest, dass von den Anlegern, deren Beteiligung an der GMBH mit dem Gesellschafteuerbescheid vom der Gesellschaftsteuer unterzogen werden sollten, nur insgesamt 11 (darunter der Bf.) als Haftende herangezogen wurden.

IV. Rechtslage und Erwägungen

Rechtslage

Gemäß § 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVG) unterlagen der Gesellschaftsteuer bis zum (siehe § 38 Abs. 3e KVG idF BGBl. I Nr. 13/2014) ua. folgende Vorgänge

1. der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber.

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 KVG galten als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös der Gesellschaft gewähren.

Als Gesellschafter galten nach § 5 Abs. 2 KVG die Personen, denen die im Abs. 1 leg. cit bezeichneten Gesellschaftsrechte zustehen.

Gemäß § 9 Abs. 1 KVG ist Steuerschuldner die Kapitalgesellschaft.

Gemäß § 9 Abs 2 Z 1. KVG haftet für die Steuer beim Erwerb von Gesellschaftsrechten: der Erwerber.

Gemäß § 10 Abs. 1 KVG war über Rechtsvorgänge, die der Gesellschaftsteuer unterliegen, bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat, in dem der Rechtsvorgang stattgefunden hat, zweitfolgenden Monats, beim FA eine Abgabenerklärung vorzulegen.

Diese Verpflichtung entfiel bei Rechtsvorgängen, für die gemäß § 10a KVG eine Selbstberechnung der Steuer erfolgte.

Gemäß § 10 Abs. 2 KVG waren die am Rechtsvorgang Beteiligten zur Vorlage der Abgabenerklärung verpflichtet.

Gemäß § 7 Abs. 1 BAO werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1) zu Gesamtschuldnern.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

Erwägungen

Vorliegen eines rechtswirksamen Abgabenbescheides

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht (vgl ).

Im gegenständlichen Fall wurde der Bf. im Haftungsbescheid darüber informiert, dass am ein Gesellschaftsteuerbescheid erlassen worden ist und wurde ihm auch mitgeteilt, für welchen Rechtsvorgang (Zusammenschlussvertrag vom ) und von welcher Bemessungsgrundlage (€ 60.000,00) er für die Gesellschaftsteuerschuld der GMBH mit einem Abgabenbetrag iHv € 600,00 in Anspruch genommen wird. Der Bf. hat ausdrücklich sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den der Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegenden Abgabenbescheid (Gesellschaftsteuerbescheid vom ) Beschwerde erhoben. Das zeigt, dass dem Bf. ausreichend Kenntnis über den Abgabenanspruch verschafft wurde und ihm auch eine effektive Beschwerdeerhebung ermöglicht wurde (vgl dazu ).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zuerst über die gegen den Haftungsbescheid erhobene Beschwerde zu entscheiden, weil von der Erledigung dieses Rechtsmittels die Frage der Rechtsmittellegitimation gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängig ist (vgl. mit Hinweise auf Ritz, BAO-Kommentar Rz 16 zu § 248 BAO bzw. Stoll, BAO-Kommentar III, S. 2556).

Im vorliegenden Fall wird die Haftungspflicht des Bf. durch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KVG begründet und enthält der angefochtene Haftungsbescheid auch den erforderlichen Hinweis auf diese Bestimmung. Gemäß § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG haftet für die Steuer beim Erwerb von Gesellschaftsrechten: der Erwerber. Daraus ergibt sich, dass ein Gesellschafter (iSd KVG) für die Gesellschaftsteuer nur insofern haftet, als er als Erwerber am jeweiligen Rechtsvorgang iSd 2 Z. 1 KVG beteiligt ist (er also nicht für die Gesellschaftsteuer, die andere Erwerber/Gesellschafter betreffen, haftet).

Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt mit Bescheid vom einen Abgabenbescheid erlassen, mit dem Gesellschaftsteuer in Höhe von insgesamt € 31.995,67 (1 % von € 3.199.566,50) festgesetzt wurde. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können mehrere Besteuerungsfälle formularmäßig in einem (Sammel-)Steuerbescheid zusammengefasst werden (vgl. ). Durch den Verweis auf die Selbstanzeige vom (in der vom Steuerpflichtigen mehrere Vorgänge zusammengefasst wurden und der Aufstellungen über die Höhe der Kapitalzufuhr der einzelnen Gesellschafter beigelegt waren) ist ersichtlich, für welche konkreten Vorgänge (ua den Erwerb eines Gesellschaftsrechtes iSd § 2 Z. 1 KVG des Bf. am mit einer Bemessungsgrundlage iHv € 60.000,00, ergibt Abgabenbetrag IHv € 600,00) das Finanzamt Gesellschaftsteuer festsetzen wollte.

Gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.

Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen durch Zustellung.

Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen, soweit in der BAO - für den Beschwerdefall unerheblich - nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 ZustG, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.

Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Die Berufung auf die erteilte (allgemeine) Vollmacht schließt auch eine Zustellvollmacht ein (vgl. ua. ).

Zustellbevollmächtigungen sind grundsätzlich so lange zu beachten, als der Behörde nicht der Widerruf, die Kündigung bzw. die einvernehmliche Aufhebung bekannt wird (vgl. Ritz, BAO6, § 9 ZustG Tz 21 und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Im gegenständlichen Fall ist allerdings die Vollmacht gemäß § 1024 ABGB durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens lebt sie nicht wieder auf. Unabhängig vom Kenntnisstand der Behörde wirkt das Erlöschen von Vollmachten etwa bei Erlöschen durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach § 2 Abs. 1 IO treten die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Kundmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt (vgl. Ritz, BAO6, Rz 21 und Rz 24 zu § 83 BAO).

Dem Bf. ist daher zu folgen, dass durch die Veröffentlichung des Gerichtsbeschlusses in der Ediktsdatei am Datum1 die Vollmacht mit Datum2 erloschen ist. Die Übermittlung des an die  GMBH als Steuerschuldnerin adressierten Gesellschaftsteuerbescheides vom an die WT Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG stellt daher keine rechtswirksame Zustellung dar.

Dem gegenständlichen Haftungsbescheid liegt daher kein wirksamer Abgabenbescheid zu Grunde und ist die Frage der Gesellschaftsteuerpflicht daher im Haftungsverfahren als Vorfrage zu klären.

Uneinbringlichkeit bei der Abgabepflichtigen

Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Aus der Konkursabweisung mangels Vermögens konnte das Finanzamt zu Recht darauf schließen, dass der Abgabenbetrag iHv € 600,00 im Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides bei der GMBH uneinbringlich war.

In der Zwischenzeit wurde die Firma auch bereits amtswegig im Firmenbuch gelöscht und wird dadurch erhärtet, dass keine Einbringungsmöglichkeiten bei der Primärschuldnerin bestehen.

Ermessensentscheidung

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. ; ).

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" insbesondere die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einhebung der Abgaben" beizumessen (vgl. ; ).

Die Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (vgl. ).

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Die, die Gesellschafterhaftung nach § 9 Abs. 2 Z 2 KVG sachlich rechtfertigende Rechtsbeziehung zwischen der Kapitalgesellschaft als Eigenschuldner und dem leistenden Gesellschafter als Haftungspflichtigen ergibt sich aus ihrer gemeinsamen Beteiligung an der die Gesellschaftsteuerpflicht begründenden Leistung. Daneben ist im Besonderen zu berücksichtigen, dass sich aus § 10 Abs. 2 KVG eine gemeinsame Verpflichtung zur Gesellschaftsteuererklärung ergibt (vgl. ).

Tatsache ist, dass auch vom Bf. keine Gesellschaftsteuererklärung beim FA eingereicht hat, obwohl auch er als am Rechtsvorgang Beteiligter nach § 10 Abs. 2 KVG dazu verpflichtet gewesen wäre. Nach der Selbstanzeige war vom FA eine Vielzahl von Vorgängen dahingehend zu überprüfen, ob bereits eine Selbstberechnung der Gesellschaftsteuer erfolgt ist bzw eine Abgabenerklärung eingereicht wurde und für welche Vorgänge eine bescheidmäßige Festsetzung der Gesellschaftsteuer zu erfolgen hat (in der Selbstanzeige heißt es einleitend nur: "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass für einzelne atypisch stille Gesellschafter bzw Zusammenschlussverträge die Gesellschaftsteuererklärung nicht fristgerecht eingereicht wurde"). Nach der Erlassung des Gesellschaftsteuerbescheides war es durchaus angebracht, dass das Finanzamt zunächst die Einbringungsmöglichkeiten gegenüber der Gesellschaft (bzw deren handelsrechtlichen Gesellschaftern) geprüft hat und erst sodann Haftungsbescheide an die "stillen" Gesellschafter (darunter ua. der Bf.) gerichtet hat.

Das Rechtsinstitut der Haftung dient der Verstärkung und Sicherung des Abgabenanspruchs (vgl. , 0010, 0011). Abgabenrechtlichen Haftungen gehen in den meisten Fällen eine schuldhaften Pflichtverletzung des Abgabepflichtigen am Abgabenausfall bzw. der Gefährdung der Einbringung voran. Die Haftung gemäß § 9 Abs. 2 KVG ist verschuldensunabhängig und wäre bei einer  Nichtinanspruchnahme des Haftenden bei Verschulden des Abgabepflichtigen der Haftung der Besicherungszweck entzogen (vgl. dazu ).

Zu einem Fall bei dem der Beschwerdeführer von einem Dritten in betrügerischer Absicht zum Eintritt in die Primärschuldnerin in die Stellung eines Komplementärs verleitet wurde und dem Beschwerdeführer seitens dieses Dritten unrichtigerweise zugesichert wurde, dass er keine finanziellen Risiken eingehen und auch nicht für vergangene Verbindlichkeiten der KG haften würde, hat das BFG allerdings entschieden, dass das Interesse des Beschwerdeführers daran, aus einer durch betrügerische Handlungen eines Dritten herbeigeführten persönlichen Haftung dem Grunde nach nicht (weitere) finanzielle Nachteile erleiden zu müssen, als größer einzustufen als das öffentliche Interesse an der Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgaben (vgl. ).

Selbst bei Gesamtschuldverhältnissen ist im Rahmen der Bedachtnahme auf die "Billigkeit", das ist die "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei", bei der Schuldnerwahl auch das Ausmaß der Vorteile, die aus den die Gesamtschuld auslösenden Gemeinsamkeiten oder den beiderseitigen Rechtsbeziehungen von den einzelnen Schuldnern geschöpft wurden, von Bedeutung (vgl. unter Hinweis auf Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, S 218).

Bei der für die Haftungsinanspruchnahme zu treffenden Ermessensentscheidung ist daher zu berücksichtigen, dass dem Bf. gar keine Vorteile aus dem gegenständlichen Vorgang zugekommen sind, da ihm das Anlagekapital betrügerisch heraus gelockt wurde und ihm durch die Beteiligung ein  Vermögensschaden entstanden ist. Dazu kommt noch, dass vom Finanzamt zu den atypisch stillen Gesellschaftereinlagen der Tranchen 2007/I und 2007/II (die mit dem - unwirksamen - Gesellschaftsteuerbescheid vom besteuert werden sollten) lediglich 11 Haftungsbescheide  (gegenüber dem Bf. und 10 weiteren Anlegern) erlassen hat.

Nach der Aktenlage dürfte das FA von der Vielzahl von Anlegern nur jene Personen als Haftende herangezogen haben, die sich mit einem Betrag von mindestens € 50.000,00 (ergibt Gesellschaftsteuerschuld von € 500,00) an der  GMBH beteiligt haben. Es ist zwar grundsätzlich ermessenskonform auch verfahrensökonomische Momente zu berücksichtigen. D er Aufwand, der durch die Erlassung einer Vielzahl händischer Bescheide entsteht, spricht daher dafür, dass bei - im Einzelfall betrachtet - geringen Steuerbeträgen von der Erlassung eines Haftungsbescheides abgesehen wird. Es erscheint dem BFG allerdings unbillig, wenn das Finanzamt einerseits aus Zweckmäßigkeitsgründen für rund die Hälfte des gesamten Abgabenbetrages einen Abgabenausfall in Kauf nimmt, andererseits aber einzelne Anleger (die prinzipiell alle in der selben Situation waren) nur weil deren Beteiligung (und damit die Gesellschaftsteuerschuld) geringfügig höher war, als Haftende für die Gesellschaftsteuerschuld (beim Bf. € 600,00) in Anspruch nimmt.

Die Inanspruchnahme des Bf. für einen Abgabenbetrag iHv € 600,00 ist daher unbillig und kann somit die Frage, ob durch die Betrugshandlungen überhaupt ein gültiges Rechtsgeschäft zwischen dem Bf. und der GMBH zustande gekommen ist oder ob es bloß anfechtbar war, dahingestellt bleiben.

Der Bescheidbeschwerde ist somit Folge zu geben und der angefochtene Haftungsbescheid aufzuheben.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgte in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und war daher die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 2 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103460.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at