Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.07.2019, RV/5100516/2018

Berücksichtigung ausländischer Pensionseinkünfte mittels Progressionsvorbehaltes

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2957/2019 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.; Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0111. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri.in in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch Stb., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt XY vom betreffend Einkommensteuer 2016 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom wurden ausländische Einkünfte in Höhe von 4.486,20 € mittels Progressionsvorbehalt berücksichtigt.

Mit Schreiben vom wurde gegen oben angeführten Bescheid Beschwerde erhoben wie folgt:
Der Beschwerdeführer beziehe aus Deutschland eine kleine Rente in der Höhe von 4.486,20 € jährlich. Diese Rente werde in Deutschland versteuert. Außerdem würden in Deutschland seine österreichischen Einkünfte dazugerechnet und deswegen komme er dort in eine höhere Progression. Das gleiche passiere in Österreich. Dies sei eine Doppelbesteuerung, gegen die er Einspruch erhebe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:
Natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich seien gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasse das gesamte Welteinkommen.
Nach Art 4 DBA Deutschland sei eine in einem Vertragsstaat ansässige Person eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes steuerpflichtig sei. Aufgrund der Aktenlage liege nur ein Wohnsitz in Österreich vor. Die Ansässigkeit sei somit in Österreich gegeben.
Art 18 DBA Deutschland
Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen
Abs. 2: Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Staates erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.
Der Beschwerdeführer sei in Österreich wohnhaft und unbeschränkt steuerpflichtig. Neben einer inländischen Rente (Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) und Einkünften aus einem Angestelltenverhältnis bei der A. GmbH hätte er im Beschwerdejahr eine Rente der "Versicherung" bezogen.
Diese Zahlungen seien unbestritten als "Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung" Deutschlands anzusehen und dürften gemäß Art. 18 DBA Deutschland nur in Deutschland besteuert werden.
Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen seien, dürften gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbezogen werden (Progressionsvorbehalt).

Mit Vorlageantrag vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht gestellt und wie folgt begründet:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland/Österreich würden den EU-rechtlichen Vorgaben widersprechen, insbesondere der EU Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Es werde daher die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH angeregt.

Mit Vorlagebericht vom wurde obige Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und unter anderem wie folgt ausgeführt:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hätte im Jahr 2016 Pensionsauszahlungen von einer deutschen Rentenversicherung in Höhe von 4.486,20 € erhalten. Diese wären im Erstbescheid vom erklärungsgemäß als unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt worden.
In der Beschwerde hätte der Beschwerdeführer vorgebracht, dass die bezogenen ausländischen Pensionseinkünfte in Deutschland besteuert worden seien. Außerdem seien die österreichischen Einkünfte in Deutschland dazugerechnet worden, der Beschwerdeführer komme deshalb in Deutschland in eine höhere Progression. Da das gleiche in Österreich passiere, würde eine Doppelbesteuerung vorliegen.
In der Beschwerdevorentscheidung sei ausgeführt worden, dass gemäß Art 18 DBA Deutschland die gegenständlichen Pensionseinkünfte nur in Deutschland besteuert werden dürften, jedoch in Österreich einem Progressionsvorbehalt unterliegen würden.
Im Vorlageantrag wurde unter anderem die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH angeregt.
Beweismittel
: Erklärung gescannt
: Erstbescheid
: Beschwerde gegen Bescheid vom eingelangt
: BVE mit Abweisung der Beschwerde
: Vorlageantrag eingelangt
Stellungnahme
Natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich seien gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasse das gesamte Welteinkommen.
Nach Art 4 DBA Deutschland sei eine in einem Vertragsstaat ansässige Person eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes steuerpflichtig sei. Aufgrund der Aktenlage liege nur ein Wohnsitz in Österreich vor. Die Ansässigkeit sei somit in Österreich gegeben.
Art 18 DBA Deutschland
Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen
Abs. 2: Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Staates erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.
Der Beschwerdeführer sei in Österreich wohnhaft und unbeschränkt steuerpflichtig. Neben einer inländischen Rente (Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) und Einkünften aus einem Angestelltenverhältnis bei der A. GmbH hätte er im Beschwerdejahr eine Rente der "Versicherung" bezogen.
Diese Zahlungen seien unbestritten als "Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung" Deutschlands anzusehen und dürften gemäß Art. 18 DBA Deutschland nur in Deutschland besteuert werden.
Gemäß Art 23 DBA Deutschland dürften die Einkünfte einer in Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung on Österreich auszunehmen sind, gleichwohl in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbezogen werden (Progressionsvorbehalt).
Es werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat unstrittig in Österreich seinen Wohnsitz und ist auch in Österreich ansässig.
Er bezog im gegenständlichen Jahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form einer Pension und im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses. Zudem bezog er ein Pension aus Deutschland in Höhe von 4.486,20 €. Diese wurde ausbezahlt von der Versicherung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden diese ausländischen Einkünfte als unter Progressionsvorbehalt fallende steuerbefreite Auslandseinkünfte berücksichtigt.

Rechtliche Begründung

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuertarif nach § 33 EStG 1988 bemisst sich nach dem Gesamteinkommen, worin der Progressionsvorbehalt innerstaatlich - unbeschadet der Regelung des § 33 Abs. 11 EStG 1988 - seine Rechtsgrundlage findet.
Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird (vgl. ).
Ein Doppelbesteuerungsabkommen vermag also den sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebenden Besteuerungsanspruch einzuschränken, nicht aber einen im innerstaatlichen Steuerrecht nicht bestehenden Besteuerungsanspruch zu begründen (; , 99/14/0217; , 2012/15/0035).

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Unstrittig fallen die gegenständlichen deutschen Bezüge unter Artikel 18 Abs. 2 DBA Deutschland, der wie folgt lautet:
"Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen
Abs. 1
Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.
Abs. 2
Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Staates erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden."

Artikel 23 Abs. 2 lit. a DBA Deutschland lautete wie folgt:
"Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus."

Strittig ist die Berücksichtigung der deutschen Pensionsbezüge im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes.

Im Hinblick auf die bloße Schrankenwirkung des DBA scheiden die ausländischen Pensionseinkünfte aus dem Einkommen aus, sodass nur das verbleibende Einkommen - unter Beibehaltung des Progressionssatzes - zu besteuern ist.
Das DBA verbietet lediglich die Besteuerung der gegenständlichen Einkünfte in Österreich, nicht aber die Heranziehung dieser Einkünfte bei Ermittlung des Steuersatzes.
Das österreichische Steuerrecht behandelt die aus anderen Mitgliedstaaten bezogenen Pensionen nicht schlechter als solche aus Österreich.

Eingewendet wird die EU-Rechtswidrigkeit der angewandten Bestimmungen des DBA Deutschland. Insbesondere sei die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit verletzt.

"Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Geltungsbereich des Vertrages unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen. Zu den Situationen, die in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, gehören diejenigen, die sich auf die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beziehen, und insbesondere auch die, in denen es um das durch Artikel 18 EG verliehene Recht geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats hat, die sich in der gleichen Situation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn ein Mitgliedstaat ihn weniger günstig behandelte, als wenn er nicht von den Erleichterungen Gebrauch gemacht hätte, die ihm der Vertrag in Bezug auf die Freizügigkeit gewährt. Allerdings garantiert der EG-Vertrag einem Unionsbürger nicht, dass die Verlagerung seiner Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat als demjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, hinsichtlich der Besteuerung neutral ist. Auf Grund der Unterschiede im Steuerrecht der Mitgliedstaaten kann eine solche Verlagerung je nach dem Einzelfall auch Vor- oder Nachteile bei der Besteuerung haben ( C-403/03, Schempp)." ()

Im Sinne der zitierten Judikatur war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Da im Hinblick auf die angeführten Entscheidungen Zweifel an der Beurteilung der gemeinschaftsrechtlichen Frage nicht bestehen, wurde im Sinne der Rechtsprechung C.I.L.F.I.T. (, Slg. 1982, S. 3415 ff) von einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 EGV abgesehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Durch die ständige Rechtsprechung (; , 99/14/0217; , 2012/15/0035; , 2005/14/0099) ist geklärt, dass der Ansatz von ausländischen Rentenbezügen im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes weder gegen das österreichische Steuerrecht, noch gegen Unionsrecht verstößt. Die Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist folglich nicht zu erwarten.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 18 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100516.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at