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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.07.2019, RV/1200043/2016

Haftung der Muttergesellschaft nach § 9a BAO

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerde­sache Bfin, Adr, Schweiz, vertreten durch V., Rechtsanwalt, Adr1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom 15. Sep­tem­ber 2015, Zahl xxxxxxx/xxxxx/2015, betreffend Haftung nach § 9a BAO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Zahl xxxxxxx/xxxxx/2015, nahm das Zollamt die Beschwerdeführerin gemäß § 9a Abs. 2  BAO als Haftende für näher bezeichnete Ab­ga­ben­schuldig­keiten der Xx-GmbH (vormals X-GmbH) in Höhe von insgesamt € 1.890.047,94 in Anspruch. Begründend führte das Zollamt aus, dass die Ab­gaben­schuld­nerin nur als Vehikel zur Abgabe von Zollanmeldungen in Österreich gedient habe. Sie habe über keine Angestellten verfügt, weshalb die Zoll­an­mel­dungen von An­ge­stell­ten der Beschwerdeführerin erstellt worden seien. In den Akten würden sich zahl­reiche Belege finden, aus der hervorgehe, dass die Niederlassung der X-AG in A. die entsprechenden Verzollungs- und gegebenenfalls Trans­port­auf­träge an die Niederlassung in B. weitergereicht und letztere die Kosten an die erstere verrechnet habe, welche sie den Auftraggebern in Rechnung gestellt habe. Da sich die Mutter­ge­sell­schaft offensichtlich weigere, die von der Zollbehörde ge­forder­ten Beträge der Toch­ter­ge­sell­schaft zwecks Entrichtung zur Verfügung zu stellen, hafte sie nach § 9a Abs. 2 BAO für die Abgaben.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit dem mit 20. Sep­tem­ber 2015 datierten und am  eingegangenen Schriftsatz Beschwerde und beantragte die ersatz­lose Aufhebung des Haftungsbescheides.

Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen vor, dass die Tochtergesellschaft X-GmbH bzw. Xx-GmbH ein selbständig geführtes Unter­neh­men mit einem Geschäftsführer gewesen und die faktische Geschäftsführung niemals durch die X-AG bzw. durch die Bfin erfolgt sei. Verzollungs- und Trans­port­auf­träge würden keineswegs belegen, dass die Be­schwer­de­führerin eine fak­tische Geschäftsführungstätigkeit ausgeführt habe. Es sei auch keinesfalls so, dass Ab­ga­ben infolge Einflussnahme der Bfin nicht eingebracht werden hät­ten kön­nen . Zu erwähnen sei auch, dass sich aus den Bescheiden ergebe, dass die Fälligkeiten der Zahlungen aus den Jahren 2004, 2005 und 2006 stammen. § 9a BAO sei erst mit in Kraft getreten und wirke nicht zurück. Zudem beziehe sich die Be­stim­mung des § 9a nicht auf juristische Personen, es könnten nur natürliche Per­so­nen als faktische Ge­schäfts­führer bezeichnet werden. In der Bescheidbegründung werde nicht einmal be­haup­tet , dass die Beschwerdeführerin eine verpönte Einflussnahme vor­ge­nom­men habe, die zu einer Haftung führe.

Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab.  Personen iSd § 9a BAO könnten auch juristische Personen sein. Der Beschwerdeführerin sei zwar zuzustimmen, dass eine Rückwirkung auf Pflichtverletzungen faktischer Macht­haber vor dem mangels gesetzlicher Normierung von Pflichten vom § 9a BAO nicht erfasst seien, dies aber nach der Rechtsprechung des BFG für über den 1. Jän­ner 2013 hinaus nicht entrichteten Abgaben anders zu beurteilen sei.

Im gegenständlichen Fall sei die Zahlungspflicht im Jahr 2015 schlagend geworden. In Gesamtbetrachtung aller Umstände, insbesondere aber dem Faktum, dass die Be­schwer­de­führerin der Abgabenschuldnerin "Mangagement Fees" in erheblicher Höhe in Rechnung gestellt habe, könne es keine vernünftigen Zweifel geben, dass die Beschwerdeführerin 2015 tatsächlichen Einfluss auf die Abgabenpflichtige genommen habe, diesen jedoch nicht dahingehend ausgeübt habe, dass die Pflichten erfüllt werden. Sie hafte somit für die nicht mehr einbringlichen Abgaben.

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte im Wesentlichen ergänzend vor, dass der Geschäftsführer der Xx-GmbH allein für die Erfüllung der ab­ga­ben­recht­lichen Pflichten verantwortlich gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei mit der Erstellung der Zollanmeldungen beauftragt gewesen. Der Geschäftsführer sei in seiner Entscheidung die Zollanmeldungen aus eigenem zu besorgen oder durch Dritte erledigen zu lassen aber vollkommen frei gewesen. Die Management Fees würden die Verrechnung von laufenden Verwaltungsaufgaben belegen, darin könne aber kei­nes­falls eine Ein­fluss­nahme durch die Beschwerdeführerin erblickt werden. Die Be­schwer­de­führerin sei kei­nes­falls zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der Xx-GmbH verpflichtet gewesen. Die Einstellung der Unternehmenstätigkeit bei Vorliegen un­ver­schuldeter Haf­tungs­inan­spruch­nahme könne als folgerichtige unter­nehme­rische Ent­schei­dung gewertet werden. Ein solche sei per se nicht auf die Ver­nich­tung von Vermögen oder Schädigung des Abgabengläubigers gerichtet. 

Mit ergänzendem Schriftsatz vom brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Primärschuldnerin mit Wirkung (richtig ) im Fir­men­buch gelöscht und die Geschäftstätigkeit bereits mit März 2015 eingestellt worden sei. Die Gesellschaft sei seit  nach Abberufung des Geschäftsführers nicht mehr handlungsfähig gewesen. Über ein Bankkonto bei der Raiffeisenbank C. mit einem Guthaben von € 3.394,14 könne seitdem nicht mehr verfügt werden. Außer­dem wurde die finanzielle Situation dargestellt, bei dem die Beschwerdeführerin zum Er­geb­nis gelangte, dass selbst im Falle des Ausspruches einer Haftung diese nur € 4.450,93 betragen könne.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war Alleingesellschafterin der Xx-GmbH (vormals X-GmbH) mit Sitz in Feldkirch als Abgabenschuldnerin. Die Xx-GmbH hat mit Ende März 2015 ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Am 5. Au­gust 2015 legte der Geschäftsführer sei­ne Funktion zurück, womit die Gesellschaft mangels Be­stel­lung eines neuen Ge­schäfts­führers hand­lungs­un­fähig wurde. Am wurde im Firmenbuch vermerkt, dass eine für Zustellungen maßgebliche Ge­schäfts­an­schrift unbekannt sei. Mit Eintrag vom wurde die Gesellschaft schließlich amtswegig gelöscht. Die Gesellschaft hatte selbst über keine Angestellte verfügt und bezahlte für Dienstleistungen der Mutter­ge­sell­schaft so bezeichnete "Management Fees".

Im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme hafteten bei der Xx-GmbH im Zusammenhang mit Einfuhr­um­satz­steuer­nach­forde­rungen fällige Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 1.890.047,94 unberichtigt aus.

Eine haftungsrelevante Einflussnahme der organschaftlichen Vertreter der Be­schwer­de­führerin auf die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten durch den Geschäftsführer der Abgabenschuldnerin oder eine faktische Geschäftsführung durch einen organschaftlichen Vertreter der Muttergesellschaft wurde nicht festgestellt.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Haftungsakt, den Eintragungen im Firmen­B. und der Gebarung auf dem Abgabenkonto ******* der Xx-GmbH.

Die Vereinbarung von so genannten "Management Fees" zwischen Mutter- und Tochter­ge­sell­schaft für Dienstleistungen der Muttergesellschaft berechtigt für sich allein gesehen nicht zur An­nah­me, dass eine Einflussnahme dahingehend vorgelegen hat, dass der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft fällige Abgabenschulden aus Mitteln, die er verwaltete, nicht entrichtete bzw. dass tatsächlich ein Organ der Beschwerdeführerin und nicht der im Firmenbuch ein­ge­tragene Ge­schäfts­führer die Ge­schäf­te geführt und dabei ab­ga­ben­rechtliche Pflichten verletzt hat.

Auch die Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer am vermag angesichts der Tatsache, dass die Geschäftstätigkeit der Abgabenschuldnerin bereits eingestellt wurde und Zollabfertigungen im Namen der Xx-GmbH aufgrund des Widerrufs des Aufschubkontos bzw. Beanspruchung der hierfür hinterlegten Bankgarantie durch das Zollamt nicht mehr im erforderlichen Umfang möglich waren, eine Einflussnahme der Beschwerdeführerin in Bezug auf die abgabenrechtlichen Pflichten nicht darzustellen.

Damit ist den Feststellungen des Zollamtes nicht zu entnehmen, dass der Be­schwer­de­führerin bzw. einer ihrer organschaftlichen Vertreter ein haftungsrelevantes Verhalten in Form einer verpönten Einflussnahme auf den Vertreter der Ab­gaben­schuld­nerin im Zusammenhang mit seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen vor­ge­wor­fen werden könnte. Die grundsätzliche Möglichkeit der Einflussnahme auf den Geschäftsführer durch die Beschwerdeführerin als Allein­gesell­schaf­te­rin (zB durch die Herbeiführung von entsprechenden Be­schlüs­sen in der Generalversammlung), genügt nicht eine derartige Einflussnahme anzunehmen.

Andere konkrete Anhaltspunkte für eine unzulässige Einflussnahme in Bezug auf die abgabenrechtlichen Pflichten wurden vom Zollamt weder in ihrem Verfahren, noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung angeführt.

Rechtslage:

§ 9a BAO lautet:

"§ 9a. (1) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(2) Die in Abs. 1 bezeichneten Personen haften für Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden können. § 9 Abs. 2 gilt sinngemäß."

Rechtliche Erwägungen:

Die in Rede stehenden Abgaben haben sind im Jahr 2015 fällig geworden. § 9a BAO ist am in Kraft getreten und daher entgegen dem Vorbringen der Be­schwer­de­führerin grundsätzlich auf die bestehenden Abgabenschulden anzuwenden, mögen auch die ihnen zugrunde liegenden Einfuhren bereits früher getätigt worden sein.

Mit § 9a BAO wird der Personenkreis, den die Ausfallshaftung des § 9 BAO trifft, auf Personen erweitert, die entweder faktische Geschäftsführer sind oder die den Vertreter dahin­ge­hend beeinflussen, dass abgabenrechtliche Pflichten durch den Vertreter verletzt werden (vgl. Ritz, BAO6, § 9a Tz 1).

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Vertreters gehört es insbesondere, dafür zu sorgen, dass die (fälligen) Abgaben aus den vorhandenen liquiden Mittel entrichtet werden (vgl. Ritz, aaO, § 9 Tz 10)

Eine abgabenrechtliche Verpflichtung der Muttergesellschaft ihrer Tochter­gesell­schaft entsprechende zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn diese ihren Zahlungs­ver­pflich­tungen nicht oder nicht mehr in voller Höhe nachkommen kann, ist den Ab­gaben­vor­schrif­ten nicht zu entnehmen. Ein Vertreter muss zur Entrichtung fälliger Abgaben auch keine Kredite aufnehmen (vgl. ).

Mangels Vorliegens einer festgestellten Einflussnahme durch die Beschwerdeführerin betreffend die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten durch den Geschäftsführer, als derjenigen Person, die zur Vertretung der Xx-GmbH berufen war, war spruch­ge­mäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung war nicht von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhängig, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt. Tatsachenfragen sind im Allgemeinen einer ordentlichen Revision ohnehin nicht zugänglich. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 9a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1200043.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at