Kein Anspruch auf Ausgleichszahlung der in der Slowakei mit ihrem Kind lebenden Kindesmutter, wenn der Kindesvater (unbekannten Aufenthalts) in Österreich nicht erwerbstätig ist.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri in der Beschwerdesache Bf., Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes FFF vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Ausgleichszahlung ab Jänner 2014 zu Recht erkannt:
I)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bf), slowak. Staatsbürgerin und wohnhaft in der Slowakei, Anspruch auf Ausgleichszahlung betr. Familienbeihilfe für den im Spruch angeführten Streitzeitraum iSd Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 idgF hat.
Der abweisende Bescheid betreffend Ausgleichszahlung zum gegenständlichen Antrag vom wurde begründet wie folgt:
"Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regelt für den Fall, dass für dieselben Familienangehörigen Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind, welcher Staat vorrangig/nachrangig für die Zahlung der Familienleistungen zuständig ist.
Der Begriff des "familienangehörigen Kindes" wird im § 2 Abs. 3 des FLAG 1967 definiert; darunter zu verstehen sindleiblicheKinder, Enkel, Stiefkinder usw., allerdings immer unter der einschränkenden Voraussetzung, dass das Kind mit dem in Frage kommenden Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt oder dieser Elternteil überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trägt (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).
Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom in der Rechtssache C-363/08 und im darauf folgenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 2. Februar 2010, ZI. 2009/15/0204-11 wurde je doch die Rechtsmeinung vertreten, dass ein leiblicher Vater - auch wenn er keinerlei Kontakt zu seinem leiblichen, im Ausland lebenden Kind mehr hat - als Familienangehöriger Vater zu werten sei und eine von ihm in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit einen Anspruch auf die Familienbeihilfe (FB)/Ausgleichszahlung für das Kind im Ausland auslöse. Als Folge dieser Rechtsprechung ist daher als ein familienangehöriges Kind im Sinne des Art. 68 der Verordnung (EG) 883/2004 ein leibliches Kind im Verhältnis zu seinem leiblichen Vater/zu seiner leiblichen Mutter zu werten. Bei der Beurteilung der Frage, nach welchen Rechtsvorschriften ein vorrangiger/nachrangiger Anspruch auf die Familienleistungen eines Landes für dieses Kind besteht, sind der Prüfung beide leiblichen Elternteile zugrunde zu legen."
In der gegen den Abweisungsbescheid eingebrachten Beschwerde führte die Bf aus wie folgt:
Unter der Begründung vom stand es: Da der Kindesvater keinen Unterhalt zahlt, war wie im Spruch zu entscheiden. Der Äußerung kann ich auf keinen Fall zustimmen, das als eine Begründung gelten sollte. Ich bin nicht dafür schuld, dass der Kindesvater nicht den Unterhalt zahlt. Der Kindesvater zahlte nie direkt mirden Unterhalt, sondern ich habe seit dem Jahr 2009 bis 2013 die Unterhaltsvorschüsse bezog en: da ich in die Slowakei umgezogen bin, habe ich seit dem Jahr 2013 keinen Anspruch auf die Unterhaltsvorschüsse. Ich habe imAugust 2016 gegen den Kindesvater eine Exekution beim Bezirksgericht InnereStadt Wien eingebracht (s. Anlage), da er mir und meinem Kind nicht geringe Menge Geld aus Unterhalt schuldet. Da der Kindesvater arbeitslos ist, ist nicht alles leicht für mich, dadurch der Kindesvater irgendwie befreit ist von seinen Pflichten. Aber wie soll ich bitte als alleinerziehende Mutter mit einem schulpflichtigen Kind auskommen, wenn ich für mich und mein Kind ganz alleine sorgen und mit meinem Monatslohn von 400 Euro auskommen muss. Meiner Meinung nach ist für den Kindesvater keine Entschuldigung, dass er arbeitslos ist. Heißt das etwa, wenn der Kindesvater lebenslang arbeitslos wird, werde ich erfolglos meine Rechte und Rechte meines Kindes fordern? Der Kindesvater ist zwar offiziell arbeitslos, im Sozialnetz zeigt sich sehr unternehmend. Arbeitet in einem Pyramide-Netz, an meine privat Email hat mir schon mehrmals eine Einladung in seine Geschäftsnetz geschickt (siehe Anlage); ich denke nicht, dass der Kindesvater nur v. AMS-Geld lebt. In aller Ehre bitte ich Sie um Bearbeitung meines Antrages, da ich fest hoffe, dass Sie sich an die Rechte einer alleinerziehende Mutter und eines wehrloses Kindes wenden, und werden meine Rechte und Rechte meines Kindes verfechten. In Anlage schicke ich Ihnen: 1. Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution 2. Drittschuldnererklärung AMS 3. Emails.
Das Finanzamt erließ nachfolgend angeführte abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE):
"Wie im Beschwerdeschreiben angeführt, sind Sie in die Slowakei verzogen und haben seit dem Kalenderjahr 2013 keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse. Da in Folge von Nichtzuerkennung von Unterhaltsvorschüssen der Kindesvater (namentlich aktenkundig) nicht als Familienangehöriger zu werten ist, ist kein Anspruch auf Ausgleichszahlung gegeben. Betreffend der Schuldfrage bezgl der Gründe für die Nichtzuerkennung der Unterhaltsvorschüsse hat der Gesetzgeber keine diesbezüglichen Ausnahmen geschaffen. Um Wiederholungen zu vermeiden, darf auf die Ausführungen des Abweisungsbescheides vom verwiesen werden. Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."
Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) führte die Bf aus wie folgt:
"Da es bei Begründung zu Behauptungen gekommen ist, die nicht akzeptierbar sind, möchte ich mich zu diese äußern.
Ich zitiere Begründung: Wie im Beschwerdeschreiben angeführt, sind Sie in die Slowakei verzogen und haben seit dem 2013 keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse. Da in Folge von Nichtzuerkennung von Unterhaltsvorschüssen der Kindesvater (namentlich aktenkundig) nicht als Familienangehöriger zu werten ist, ist kein Anspruch auf Ausgleichzahlung gegeben. Das ich Ihre Begründung nicht akzeptieren kann, da ich nicht mehr weiß was ich mir dabei denken soll, fange ich von vorne an. Ich habe mit dem Kindesvater 7 Jahre zusammen gelebt, im Jahr 2006 wird der Sohn geboren, und im Jahr 2008 ist der Kindesvater in sein Heimat (in Iran) verschwunden, wollte sich nicht mehr kümmern und wollte auch keine Alimente zahlen. Also ging ich zum Jugendamt, nach einiger Zeit wird entschieden, dass wir Unterhaltsvorschüsse beziehen werden, da der Kindesvater nicht zu finden war.
Im Jahr 2013 bin ich in die Slowakei mit dem Kind umgezogen, dadurch habe ich den Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse verloren, denn der Anspruch entsteht denjenigen, die:
• ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben,
• Staatsbürgerinnen/Staatsbürger Österreichs oder eines EU-/EWR-Mitgliedstaats oder staatenlos sind und
• keinen gemeinsamen Haushalt mit der Unterhaltsschuldnerin/dem Unterhaltsschuldner haben.
Also wie Sie sehen, ich habe den Anspruch dadurch, dass wir umgezogen sind, verloren, da wir
mit dem Umzug in die Slowakei nicht mehr die Voraussetzungen erfüllten. Der Satz bei dem Begründung : Da in Folge von Nichtzuerkennung von Unterhaltsvorschüssen der Kindesvater nicht als Familienangehöriger zu werten ist, ist kein Anspruch auf Ausgleichzahlung gegeben.Hat mich höchstens verletzt, da Sie es in dem Sinn ausgedrückt haben, dass der namentlich aktenkundige Kindesvater weder der Kindesvater sein sollte, oder nicht Angehöriger ist, der zu unserer Familie gehört. Ich habe ein gültige Geburtsurkunde, wo steht am Platz der Kindesvater (Name aktenkundig). Kann Ihnen eine Kopie der Geburtsurkunde schicken, und bei den Voraussetzungen auf Anspruch von Unterhaltsvorschüssen steht zu "dritt": keinen gemeinsamen Haushalt mit der Unterhaltsschuldnerin/dem Unterhaltsschuldner haben. Also ich bin völlig enttäuscht und widerwillig wie Sie mir überhaupt einen Brief mit so einer Begründung schicken konnten. Die Unterhaltsvorschüsse habe ich bezogen, weil ich die Voraussetzungen so lange ich in Wien gelebt habe, erfüllt habe, da der Kindesvater verschwunden war und sich nicht gekümmert hat.
Da es ein Bescheid vom Unterhalt gibt, sollte mir der Kindesvater Unterhalt zahlen. Da der Kindesvater arbeitslos ist, bei AMS gemeldet, muss ich warten, bis er sich wieder arbeitstätig macht, was kann bei ihm ganzes Leben dauern, da er nicht gewöhnt ist normal zu arbeiten, das heißt ich kann eigentlich nichts machen, damit ich uns momentan den Unterhalt von dem Kindesvater beschaffe. Muss alleine für mich und meinem Kind sorgen.
Und jetzt ein paar Sätze zu Familienangehöriger:
Der Begriff des "familienangehörigen Kindes“ wird im § 2 Abs. 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 definiert; darunter zu verstehen sind leibliche Kinder, Enkel, Stiefkinder usw., allerdings immer unter der einschränkenden Voraussetzung, dass das Kind mit dem in Frage kommenden Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt oder dieser Elternteil überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trägt (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967). Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom in der Rechtssache C-363/08 und im darauf folgenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , ZI. 2009/15/0204-11, wurde jedoch die Rechtsmeinung vertreten, dass ein leiblicher Vater - auch wenn er keinerlei Kontakt zu seinem leiblichen, im Ausland lebenden Kind mehr hat - als Familienangehöriger Vater zu werten sei und eine von ihm in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit einen Anspruch auf die Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung für das Kind im Ausland auslöse. Als Folge dieser Rechtsprechung ist daher als ein familienangehöriges Kind im Sinne des Art. 68 der Verordnung (EG) 883/2004 ein leibliches Kind im Verhältnis zu seinem leiblichen Vater/zu seiner leiblichen Mutter zu werten. Bei der Beurteilung der Frage, nach welchen Rechtsvorschriften ein vorrangiger/nachrangiger Anspruch auf die Familienleistungen eines Landes für dieses Kind besteht, sind der Prüfung beide leiblichen Elternteile zugrunde zu legen.
Ich bin darüber informiert, dass es anhand der Bestimmungen in der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in den Punkten (4) und (5) nötig ist, bei der Koordinierung der Familienbeihilfen die einzelnen nationalen gesetzlichen Bestimmungen zu berücksichtigen. Diese lauten wie folgt:
(4) Es ist notwendig, die Eigenheiten der nationalen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine Koordinierungsregelung vorzusehen.
(5) Es ist erforderlich, bei dieser Koordinierung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen, dass die betreffenden Personen nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften gleich behandelt werden.
Ich beurteile Ihr bisheriges Vorgehen als eine Diskriminierung meiner Person sowie die meines Kindes und zugleich als eine grobe Verletzung der oben genannten Verordnung (EG) Nr 883/2004 der Europäischen Parlaments und des Rates vom . Aufgrund der geschilderten Tatsachen ersuche ich Sie um die ordnungsgerechte Auszahlung sowie die Nachzahlung der vollen Höhe der Beihilfe für meinen Sohn, so wie es verlangt wird im konkreten Fall nach KAPITEL 8 Familienleistungen, Artikel 67 für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen: Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden..."
Im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) führte das Finanzamt aus wie folgt:
"Bezughabende Normen
Verordnung (EG) Nr. 883/2004
Sachverhalt :
Die Antragstellerin - slowakische Staatsbürgerin und mit ihrem Kind in der Slowakei wohnhaft - stellte am den oben im Spruch angeführten Antrag. Mit im Spruch angeführtem Bescheid vom wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass kein Anspruch auf Ausgleichszahlung gegeben sei, da der Kindesvater keinen Unterhalt leiste. Am wurde gegen den gegenständlichen Abweisungsbescheid das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Am wurde eine erneute Beschwerde eingebracht."
Im nachgereichten Antrag an das BFG beantragte das Finanzamt (FA) die Beschwerde iSd Beschwerdevorentscheidung (BVE) abzuweisen. Dies wurde folgendermaßen konkretisiert:
"Gemäß § 2 (1) FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für minderjährige Kinder ……..
Gemäß § 5 (3) FLAG besteht KEIN Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Laut Angaben der Bf hält sie sich seit 2013 mit dem Kind in der Slowakei auf und hat daher nach den zitierten Gesetzesstellen keinen Anspruch auf die FB.
Aus dem EUGH-Urteil ist nach Ansicht des Finanzamtes (FA) auch nichts zu gewinnen, da zwar der leibliche Vater selbst ohne Kontakt zum Kind als familienangehöriger Vater zu werten ist, aber nur eine von ihm in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit einen Anspruch auf FB/Ausgleichszahlung vermitteln würde. Nach Angaben der Bf hält sich der Vater seit 2008 im Iran auf, jedenfalls steht nach allen vorliegenden Unterlagen fest, dass er in Österreich keinesfalls arbeitet."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf ist eine slowakische Staatsbürgerin und lebt laut Aktenlage seit 2013 mit dem beschwerdegegenstdl Kind in der Slowakei, wo sie nach eigenen Angaben einen Monatslohn iHv Euro 400,00 bezieht. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der haushaltsführenden Bf ist in der Slowakei. Unstrittig ist, dass der Kindesvater nicht im gemeinsamen Haushalt von Bf und Kind lebt. Der unterhaltspflichtige Kindesvater geht in Österreich laut Aktenlage keiner Erwerbstätigkeit nach und ist laut Angaben der Bf "in den Iran verschwunden" bzw zumindest zeitweise unbekannten Aufenthalts (s. o. a. Gerichtsbeschluss des zustdig. Bezirksgerichts), und erfüllte auch die Unterhaltsverpflichtungen nicht bzw wollte sie laut Ausführungen der Bf im Beschwerdeverfahren nicht erfüllen, weshalb er auch 2008 (2 Jahre nach Geburt des Kindes) in den Iran (seine Heimat) verschwunden sei. Laut Aktenlage und auch Angaben der Bf bezahlt der Kindesvater für das Kind keinen Unterhalt und werden keine Unterhaltsvorschüsse im Beschwerdezeitraum geleistet. Die Bf gibt an, dass der Kindesvater ihres Wissens keiner geregelten Arbeit nachgeht, bzw beim AMS als arbeitslos gemeldet ist. Wiewohl die Bf nach ihren Angaben nicht glaube, dass der Kindesvater nur vom Arbeitslosengeld lebe, wird diese Vermutung der Bf durch die Aktenlage nicht bestätigt bzw auch nicht durch Nachweise bewiesen.
Rechtslage
Ausgleichszahlung
Die Verwaltungspraxis bezeichnet Differenzzahlungen stets als Ausgleichszahlungen und spricht über sie erst nach Ablauf des Kalenderjahres ab. Auch in Kommentierungen wird daher grds bzw regelmäßig nicht zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden (Lenneis/Csaszar/Wanke in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, Linde, § 4 Rz 2).
§ 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 idgF:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe (FB) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen haben,
a) für mj Kinder,
....
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
§ 4 FLAG 1967 idgF
(1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.
(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.
(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.
(4) Die Ausgleichszahlung ist jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren.
(5) Die in ausländischer Währung gezahlten gleichartigen ausländischen Beihilfen sind nach den vom Bundesministerium für Finanzen auf Grund des § 4 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223/1972, in der „Wiener Zeitung“ kundgemachten jeweiligen Durchschnittskursen in inländische Währung umzurechnen.
(6) Die Ausgleichszahlung gilt als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe finden jedoch auf die Ausgleichszahlung keine Anwendung.
...
(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
...
§ 5 FLAG 1967 idgF
...
(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
(4) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichszahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.
Erwägungen
Grundsätzlich wird auf den Vorhaltscharakter der Beschwerdevorentscheidung, in der auch auf die Begründung des Abweisungsbescheides verwiesen wurde, hingewiesen.
Gemäß § 5 (3) FLAG besteht KEIN Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Aus der o.a. VO (EG) Nr. 883/2004 ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts (BFG) ebenso wie des Finanzamtes (FA) nichts zu gewinnen, da zwar der leibliche Vater auch ohne Kontakt zum Kind als familienangehöriger Vater zu werten ist, aber nur eine von ihm in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit einen Anspruch auf FB/Ausgleichszahlung vermitteln würde. Nach Angaben der Bf ist der Kindesvater im Jahr 2008 in den Iran zurückgegangen bzw ist laut Beschluss des zustdig Bezirksgerichts in der Pflegschaftssache betreffend das Kind der Bf im Jahr 2009 unbekannten Aufenthalts gewesen, jedenfalls steht nach Aktenlage fest, dass der Kindesvater in Österreich im Beschwerdezeitraum keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist bzw nachgeht sowie keine Unterhaltsleistungen für sein Kind leistet bzw geleistet hat.
Die Bf, eine slowakische Staatsbürgerin, lebte bzw lebt im Beschwerdezeitraum mit ihrem Kind in der Slowakei, wo sie auch einen Lohn bezieht. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf mit ihrem Kind ist den gesamten Beschwerdezeitraum betreffend in der Slowakei.
§ 4 Abs 6 normiert, dass die Ausgleichszahlung mit Ausnahme der Bestimmungen über die Höhe der FB als FB iSd FLAG gilt. Letztgenannte Gesetzesdiktion bedeutet, dass sämtliche übrigen Bestimmungen des FLAG, so insbesondere auch § 2 Abs 8 auf das Verfahren betreffend die Gewährung einer Ausgleichszahlung Anwendung zu finden haben.
Komplettierend wird angemerkt, dass - da der Wohnsitz sowie gewöhnliche Aufenthalt und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen der haushaltsführenden Bf (mit ihrem Kind) im Beschwerdezeitraum in der Slowakei (gewesen) sind - aus diesen Tatbeständen des gewöhnlichen Aufenthaltes bzw. Wohnsitzes sowie des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Bf heraus kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen besteht, was jedoch ohnehin nicht strittig ist (Aigner/Lenneis in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 4, II. Gewährung der Ausgleichszahlung [Rz 11 – 17] ; § 4 Rz 9).
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass aufgrund der Aktenlage auch kein allfälliger Anspruch auf Ausgleichszahlung aus dem Titel eines überwiegend Unterhalt leistenden Kindesvaters besteht, zumal laut Aktenlage überhaupt keine Unterhaltsleistungen des Kindesvaters seinem Kind gegenüber erfüllt wurden, was unstrittig ist.
Den Beschwerdeausführungen der Bf im Hinblick auf die VO (EG) Nr. 883/2004 wird weiters entgegnet, dass aus dem Titel eines in Österreich erwerbstätigen Kindesvaters schon aus dem Grund nichts gewonnen werden kann, da der Kindesvater unstrittigerweise den gesamten Beschwerdezeitraum in Österreich keinesfalls erwerbstätig war, und wie angeführt darüber hinaus nach eigenen Angaben der Bf im Zuge des Verfahrens der Kindesvater 2008 in sein Heimatland (Iran) "verschwunden" sei. Damit übereinstimmend wird im Gerichtsbeschluss vom betreffend Unterhaltsverpflichtung des Kindesvater seitens des zustdig. Bezirksgerichts ausgeführt, der Kindesvater sei damals (im Jahr 2009) unbekannten Aufenthalts gewesen.
Aus dem o.a. EUGH-Urteil ist nach Ansicht des BFG sowie des Finanzamtes (FA) ebenfalls nichts zu gewinnen, da, selbst wenn der leibliche Vater auch ohne Kontakt zum Kind als familienangehöriger Vater zu werten ist, nur eine vom Kindesvater in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit einen Anspruch auf FB/Ausgleichszahlung vermitteln würde, diese Voraussetzung jedoch in gegenständlichem Fall wie bereits ausgeführt nicht erfüllt wird.
Insgesamt hat im Beschwerdezeitraum die haushaltsführende Bf mit ihrem Kind ihren Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt sowie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in der Slowakei (gehabt). Unstrittigermaßen leistet(e) der in Österreich im Beschwerdezeitraum nicht erwerbstätige Kindesvater keinen Unterhalt für das Kind und wurden auch keine Unterhaltsvorschüsse im Beschwerdezeitraum gezahlt. Laut Aktenlage hat die Bf aus genannten Gründen in Übereinstimmung mit den angeführten Rechtsnormen und der genannten VO keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung iSd FLAG 1967 id im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung.
Nichtzulassen der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Insgesamt ist daher iS des Legalitätsprinzips entsprechend den angeführten Rechtsnormen spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 4 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105509.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
EAAAC-21385