Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2019, RV/5100742/2019

Orchestermusiker hat Tätigkeit mit Mittelpunkt außerhalb eines Arbeitszimmers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin A in der Beschwerdesache B, vertreten durch C , über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 und 2016 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

2015

zu versteuerndes Einkommen: 28.270,81 €

Einkommensteuer:  6.476,97 €

festgesetzte Einkommensteuer: -972,00 €

Abgabengutschrift: 93,00 €

2016

zu versteuerndes Einkommen: 37.823,39 €

Einkommensteuer: 9.124,93 €

festgesetzte Einkommensteuer: 423,00 €

Abgabengutschrift: 93,00 €

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der nunmehrige Bf ist seit April 2011 als Orchestermusiker beschäftigt; aus dieser Tätigkeit bezog er im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus nsA. Er hat in Vollbeschäftigung an einem Theater monatlich 31 Dienste von 2,5 bis 3 Stunden zu leisten. In der Stadt, in der auch sein Arbeitsplatz ist, besitzt er seit 2011 eine Eigentumswohnung im Ausmaß von  ca 80 m2. Die Strecke zwischen Theater und Eigentumswohnung beträgt lt. Google-maps 700m und ist fußläufig in 9 Minuten zurückzulegen. In dieser Wohnung hatte er von   bis seinen Hauptwohnsitz, im Anschluss seinen Nebenwohnsitz – seinen Hauptwohnsitz hatte er ab im Nachbarbundesland, Unterkunftgeberin ist seine Schwägerin (Gattin seines Bruders). Die Strecke zwischen Theater und Wohnsitz im Nachbarbundesland beträgt 68 km und ist lt. Google-maps mit dem Auto in 55 Minuten, mit dem Regio-Jet in 1 Stunde und 19 Minuten zurückzulegen. - Die Gattin des Bf hat seit bis laufend in der Eigentumswohnung des Bf ihren Hauptwohnsitz.

In rechtzeitig gegen die ESt-Bescheide 2015 und 2016 eingebrachten Beschwerden wurde beantragt, „sonstige Werbungskosten“ anzuerkennen. Diese gliedern sich auf in Betriebsratsumlage (120 €) , Telefonkosten (100 €) und Betriebskostenanteil/Übungszimmer  an seinem Hauptwohnsitz im Nachbarbundesland/2015 bzw Übungszimmer  an seinem Nebenwohnsitz in der Eigentumswohnung/2016  (690 €): 2015 sei er noch nicht verheiratet gewesen und sei an mehr als 10 Tagen zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz gependelt. Er brauchte diesen Übungsraum, um sich auf Proben und Aufführungen vorzubereiten. Die Eigentumswohnung hingegen wurde genutzt, wenn Vorstellungen bis spätabends dauerten und am nächsten Tag vormittags Proben angesetzt waren bzw Proben für vormittags und nachmittags angesetzt waren, um zu üben. Für die Eigentumswohnung habe er 2015 keine Kosten beantragt.

In den dazu ergangenen teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidungen wurden Betriebsratsumlage und Telefonkosten lt.Antrag anerkannt; 2015 wurde das Pendlerpauschale für die Strecke Theater/Wohnsitz im Nachbarbundesland nicht anerkannt; 2015 wurden die beantragten Kosten/Übungsraum an seinem Hauptwohnsitz im Nachbarbundesland und 2016 wurden die beantragten Kosten/im Wohnungsverband (Eigentumswohnung) gelegenes Arbeitszimmer nicht anerkannt.

In rechtzeitig dagegen als Vorlageanträge qualifizierten schreiben wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf Berufsmusiker für Violine sei und woa monatlich 31 Dienste von 2,5 bis 3 Stunden zu leisten habe. Die verbleibende Zeit  von 84 bis 88 Stunden werde vom Arbeitgeber als Übe- und Vorbereitungszeit bezahlt, weshalb er einen Überaum für Vorbereitung auf Proben und Aufführungen und Erhaltung und Verbesserung seines technischen Niveaus brauche. Dieser Überaum befinde sich in seiner Eigentumswohnung. Dieser stelle den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit dar und sei unabdingbar notwendig. Er beantrage dafür anteilige Afa und anteilige Betriebskosten IHv 1.106,40 € jährlich.

Im Zuge der Vorlage der Beschwerden an das BFG beantragte das Finanzamt eine Verminderung der Afa für eine Violine „Grands Freres“(sic !),- gemeint wohl Gand & Bernardel Freres,  Bj. 1866, Paris (Anschaffungskosten 55.000 €) von 1/35 auf 1/100 : begründend bezog es sich dazu iw auf , wonach Antiquitäten grundsätzlich nicht abnutzbar sind, da die technische Abnutzung so geringfügig ist, dass sie steuerlich vernachlässigt werden kann, sowie auf BFH , Zl. VI R 26/98, wonach für eine 300 Jahre alte Meistergeige, die im Konzertalltag regelmäßig bespielt wird, die Restnutzungsdauer mit 100 Jahren angesetzt werden kann, sofern der Steuerpflichtige keine kürzere Nutzungsdauer darlegt und nachweist bzw zumindest glaubhaft macht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gem. § 20 Abs.1 Z 2  lit.d  EStG 1988 dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes  Arbeitszimmer  und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

Lt. Jakom/Peyerl EStG 2018, § 20 Rz 52 ist eine Tätigkeit mit Mittelpunkt außerhalb eines Arbeitszimmers die eines Musikers und Lehrbeauftragten (/00779), da Mittelpunkt der Ort ist, an dem die Vermittlung von (Wissen und) technischem Können selbst erfolgt. – Dass dies bei einem Berufsmusiker im Orchester eines Theaters anlässlich der entsprechend stattfinden Aufführungen am jeweiligen Spielort  erfolgt, ist evident. Es ist zwar durchaus glaubhaft, dass der Bf auch außerhalb der Orchesterproben  sein Instrument ua zur Erhaltung und Verbesserung seines technischen Niveaus bespielt; doch wird der Ort, an dem diese Übungen erfolgen, nicht zu dem Ort, an dem die Vermittlung seines  technischem Können selbst erfolgt, und zwar anlässlich seiner künstlerischen Auftritte vor Publikum. Es ist der Beschwerde idF hinsichtlich der Kosten iZm Arbeitsräumen nicht stattzugeben und ist die Erläuterung hinsichtlich der Umstände zum Wechsel von Haupt- auf Nebenwohnsitz, der Entfernung des jeweiligen Haupt- und Nebenwohnsitzes zum Arbeitsplatz und der Hauptwohnsitzeigenschaft der Eigentumswohnung für die Gattin des Bf obsolet.

Da der Bf  die Nichtgewährung des Pendlerpauschales lt.BVE akzeptiert hat, ist der Beschwerdepunkt nicht weiter zu behandeln.

Gem. § 115 Abs.1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der abgaben wesentlich sind. – Gem. § 115 Abs.3 BAO haben die Abgabenbehörden...amtsbekannte Umstände auch zu Gunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.

 Gem. § 7 Abs.1 EStG 1988 sind Anschaffungskosten gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt. Lt. Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2018, § 7 Rz 13 sind Antiquitäten grundsätzlich nicht abnutzbar, wobei lt. Jakom/Peyerl EStG 2018, § 20 Rz 90 eine Ausnahme hinsichtlich Musikinstrumenten von Berufsmusikern besteht : Lt. ist die Violine eines Berufsmusikers grundsätzlich abnutzbar: bejaht wird darin die Afa einer Violine aus dem 18.Jh.(period 1705-1710) mit angenommener Nutzungsdauer von 35 Jahren bei Nutzung durch einen Berufsmusiker. Die Anwendung des Erkenntnisses des (wie auch im beschwerdegegenständlichen Fall vom Finanzamt erfolgt) hinsichtlich einer Bücherwand mit historischem Wert auf eine Violine, könne nur erfolgen, wenn die Intensität der Nutzung der Violine beachtet wird und der zeitlichen Begrenztheit  der Möglichkeit einer solchen Nutzung Bedeutung beigemessen wird. – Angewendet auf den beschwerdegegenständlichen Fall ist grundsätzlich festzuhalten, dass die beschwerdegegenständliche Violine aus dem 19.Jahrhundert (Bj. 1866) stammt, also ihre Wertigkeit als Antiquität doch um einen Zeitabschnitt von mehr als  150 Jahren gemindert ist, dh sie mehr einem musikalischen Gebrauchsgegenstand als  einer reinen Antiquität gleichkommt. Weiters  hat das Finanzamt nicht beachtet, dass diese Violine im Konzertalltag bespielt wird, auf ihr geübt wird, sie im Transport wechselnden Klimabedingungen ausgesetzt ist – alles Umstände, die bei einer historischen Bücherwand in dieser Fallkonstellation vergleichbar nicht gegeben sind. Da Erhebungen des Finanzamts gem. § 115 Abs.1 BAO, die zur Untermauerung der Ansicht des Finanzamts geführt hätten, nicht erfolgten, und eine Würdigung amtsbekannter Umstände zu Gunsten des Abgabepflichtigen gem. § 115 Abs.3 BAO nicht erfolgte, ist bei Beachtung der oa amtsbekannten Umstände (wie ua Baujahr 1866, Bespielung im Konzertalltag, Übungsinstrument, Transport bei wechselnden Klimabedingungen) von einer Nutzungsdauer der beschwerdegegenständlichen Violine von 35 Jahren auszugehen.

Es war idF teilweise stattgebend wie in den Beschwerdevorentscheidungen zu entscheiden.

Eine Revision an den VwGH ist nicht zulässig. Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt.

Das gegenständliche Erkenntnis gründet auf der herrschenden VwGH-Judikatur zur Tätigkeit mit Mittelpunkt außerhalb eines Arbeitszimmers sowie zur Nutzungsdauer einer  als Antiquität qualifizierten und im Konzertalltag bespielten Violine eines Berufsmusikers. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Orchestermusiker
Tätigkeit
Mittelpunkt
außerhalb Arbeitszimmer
Antiquität
Violine
Afa
Bespielung im Konzertalltag
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100742.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at