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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2019, RV/7100374/2017

Vergütung der Elektrizitätsabgabe für eine Biogasanlage zur Stromerzeugung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf vertreten durch ABG Wirtschaftsprüfungs & Steuerberatungs GmbH, Tegetthoffstraße 7, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt X vom betreffend Vergütung der Elektrizitätsabgabe 1 - 12/2014 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Vergütung der Elektrizitätsabgabe wird in Höhe von 7.550,33 Euro  festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf) betreibt in Form einer GmbH eine Biogasanlage zur Erzeugung von Strom. Für den Betrieb der Anlage benötigt die Bf elektrische Energie.

Im Antrag vom auf Vergütung von Elektrizitätsabgabe für 1-12/2014 bezifferte die Bf die an das Unternehmen gelieferte bzw im Unternehmen verbrauchte Energie mit 529.848 kWh und den Vergütungsbetrag mit 7.947,72 Euro.

Mit Vorhalt vom führte dass Finanzamt unter Hinweis auf Rz 21 und 22 EnAbgR aus, dass nur jene Elektrizitätsabgabe vergütet werden könne, die unmittelbar im technischen Sinn für die Erzeugung elektrischer Energie verwendet werde. Aus Vereinfachungsgründen könne bei Biogasanlagen, die ausschließlich Strom erzeugen, ohne weiteren Nachweis eine begünstigte Verwendung im Ausmaß von 5% der erzeugten elektrischen Energie angenommen werden. Werde für einen höheren Anteil eine Befreiung von der Elektrizitätsabgabe beantragt, sei ein entsprechender Nachweis zu erbringen.

Die Bf gab mit Antwortschreiben vom bekannt, dass die Biogasanlage zu 100% der Produktion von Ökostrom diene. Der von der Bf bezogene Strom diene somit ebenfalls ausschließlich der Produktion von Ökostrom, weshalb die Erstattung der Elektrizitätsabgabe beantragt worden sei. Außerdem entspreche das von der Bf erzeugte und aufbereitete Biogas in seiner chemischen Zusammensetzung (CH4) Erdgas, weshalb auch aus diesem Grund eine Befreiung von der Elektrizitätsabgabe gem. § 2 Abs. 2 EIAbgG erfolgen müsste.

Das Finanzamt gewährte mit Bescheid vom eine Vergütung der Elektrizitätsabgabe von 3.980,34 Euro für eine Bemessungsgrundlage von 265.356,18 kWh.

In der Begründung führte das Finanzamt an, dass für den Betrieb von Biogasanlagen zur Erzeugung und Einspeisung von Strom ein Anspruch auf Elektrizitätsabgabenbefreiung bestehe, soweit dabei elektrische Energie unmittelbar im technischen Sinn zur Strom­erzeugung verwendet wird. Bei Anlagen, in denen aus Biogas, Müll, Hackschnitzeln oder Ähnlichem ausschließlich Strom erzeugt wird, könne aus Vereinfachungsgründen ohne weiteren Nachweis (z.B. Gutachten) davon ausgegangen werden, dass eine begünstigte Verwendung im Ausmaß von 5% der erzeugten elektrischen Energie gegeben und insoweit eine Befreiung von der Elektrizitätsabgabe zulässig sei. Es seien 5% der von der Bf mit Schreiben vom bekanntgegebenen eingespeisten kWh als Bemessungsgrundlage herangezogen worden.

In der Beschwerde vom erstattete die Bf folgendes Vorbringen:

Die Bf betreibe eine Standard-Biogasanlage, welche ausschließlich Strom erzeuge. Zur Erzeugung und Einspeisung des Stroms beziehe die Bf ihrerseits Strom von der EVN AG. Für die Monate 01-12/2014 sei daher ein Antrag auf Vergütung der in diesem Zeitraum entrichteten Elektrizitätsabgabe gestellt worden. Die ausgeübte Tätigkeit sei dem Finanzamt im Zuge der Antragstellung offengelegt und erklärt worden.

Mit Bescheid vom habe das Finanzamt lediglich 5% der von der Bf erzeugten Energie als Bemessungsgrundlage für die Erstattung der Elektrizitätsabgabe herangezogen. Die angeführte Begründung entspreche dem Wortlaut von Rz 22 der Energieabgaben-Richtlinie 2011 des BMF idgF.

Wie bereits Eingangs geschrieben, betreibe die Bf eine sogenannte „NAWARO"-Biogasanlage, in der aus nachwachsenden Rohstoffen Biogas (= CH4, also Erdgas) gewonnen werde, welches in weiterer Folge ausschließlich zur Stromerzeugung verwendet werde. Das gewonnene Biogas diene dabei als Treibstoff für einen 4-Takt-Ottomotor, der über eine Welle mit einem Generator verbunden sei, welcher schließlich den Strom erzeuge. Um das Biogas aus der „Grünmasse" (dem Rohmaterial) zu gewinnen, werde dieses in einen sogenannten Fermenter eingefüllt, wo es zur Vergärung komme. In diesem Prozessschritt entstehe das notwendige Biogas. Um die Vergärung zu fördern, sorge in jedem Fermenter ein Rührwerk für eine ständige Durchmischung der Grünmasse. Der Großteil des von der Bf bezogenen Stroms fließe dabei in den Betrieb dieser Rührwerke. Ein vernachlässigbar geringer Teil der bezogenen elektrischen Energie werde selbstverständlich auch für den Betrieb der Beleuchtung der Gebäude benötigt.

Die Befreiung von der Elektrizitätsabgabe zu 100% gründe sich in zweifacher Hinsicht auf § 2 Z 2 EIAbgG:

1. Die bezogene elektrische Energie werde zuerst ausschließlich zur Erzeugung von Biogas (das in seiner Struktur dem Erdgas entspreche) verwendet. Elektrische Energie, die für diese Tätigkeit verwendet werde, sei gemäß dem Wortlaut von § 2 Z 2 EIAbgG steuerfrei.

2. In weiterer Folge werde mittels Biogas Strom erzeugt, der in das allgemeine Stromnetz eingespeist werde. Insofern liege also auch auf dieser Stufe eine begünstigte Tätigkeit vor, die von der Elektrizitätsabgabe zu befreien ist.

Auch die Beurteilung des Sachverhalts aus systematischer und historischer Sicht führe zum selben Ergebnis:

§ 1 Abs 1 EIAbgG normiere die für die Elektrizitätsabgabe steuerbaren Vorgänge. Die Lieferung von elektrischer Energie unterliege dabei im Allgemeinen der Elektrizitätsabgabe. Ausgenommen davon sei die Lieferung an Elektrizitätsunternehmen iSd § 7 Abs 1 Z 11 des Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetzes 2010 (EIWOG). In Abs 2 finde sich die Regelung, dass der Eigenverbrauch von elektrischer Energie durch Elektrizitätsunternehmen (unabhängig, ob diese fremdbezogen oder selbst hergestellt wurde) ebenfalls steuerbar ist. Die Elektrizitätsabgabe als Verbrauchsteuer ziele also gemäß den vorstehenden Ausführungen darauf ab, den Verbrauch elektrischer Energie beim Endverbraucher zu besteuern.

§ 2 Z 1 lit a und b EIAbgG normieren in weiterer Folge gewisse Steuerbefreiungen für Elektrizitätserzeuger. Unstrittig handle es sich dabei um allgemeine „Output'-bezogene Steuerbefreiungen gewisser Unternehmen, also um die Steuerbefreiung der selbst erzeugten elektrischen Energie, die in weiterer Folge entweder ins Netz eingespeist oder selbst verbraucht werde. Ganz anders verhalte es sich hingegen bei § 2 Z 2 EIAbgG, welcher eindeutig eine „Input-bezogene Steuerbefreiung, also eine reine Steuerbefreiung der bezogenen Energie, die für bestimmte begünstigte Tätigkeiten (alle in Zusammenhang mit der Erzeugung von Energie) verwendet wird, darstelle. Historisch gesehen sei die Befreiung von der Elektrizitätsabgabe für die Erzeugung und Weiterleitung von Erdgas und Mineralöl erst mit dem Steuerreformgesetz 2000, BGBl I 1999/106 eingeführt worden, wobei in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage folgende Begründung für die Erweiterung angeführt worden sei: „Auf Grund des Gesamtkonzeptes der Energiebesteuerung soll der Energieverbrauch innerhalb der Energieerzeugung und der Energieverteilung nicht mit Energiesteuern belastet sein. Die Befreiung von der Elektrizitätsabgabe wird daher an die Befreiung von der Erdgasabgabe angeglichen." Die Erläuterung lasse ebenfalls erkennen, dass es der Wunsch des Gesetzgebers gewesen sei, mit dieser Steuerbefreiung den Energieinput innerhalb der Energieerzeugung zu entlasten. Der Beurteilung sei somit eine inputbezogene, zweckorientierte Betrachtung zugrunde zu legen. Insofern ist es umso verwunderlicher, dass sich die in den Energieabgaben-Richtlinien 2011 dargestellte Meinung des BMF hinsichtlich der gegenständlichen Steuerbefreiung auf eine Output-Größe beziehe, obwohl dies in offensichtlichem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes sowie zur Absicht des Gesetzgebers stehe.

Abschließend beantragte die Bf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die erklärungsgemäße Gutschrift der Elektrizitätsabgabe in Höhe von 7.947,72 Euro.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Das Finanzamt stellte in der Bescheidbegründung den bisherigen Verfahrensverlauf dar und verwies darauf, dass die Neuberechnung des Vergütungsbetrages aufgrund der mit Mail vom über telefonisches Ersuchen von der Bf bekanntgegebenen Menge der eingespeisten elektrischen Energie für die Jahre 2012 – 2014 erfolgt sei.

Die Bf habe die Ansicht vertreten, dass die Steuerbefreiung gem. § 2 Abs. 2 EIAbgG eine Input-Größe und keine Output-Größe sei und habe dazu auf die Entscheidung des verwiesen. In dieser Entscheidung werde unter Verweis auf , eine outputbezogene Betrachtung als unzulässig erachtet. Für das gegenständliche Beschwerdeverfahren sei diese UFS-Entscheidung nach Ansicht des Finanzamtes nicht relevant. Sowohl in dem der UFS-Entscheidung als auch in dem dem VwGH-Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahren sei seitens der bescheiderlassenden Finanzämter der vergütungsfähige Anteil der eingesetzten elektrischen Energie bzw. des eingesetzten Erdgases im Verhältnis erzeugte elektrische Energie zu anfallender Wärme ermittelt worden. Diese am Output orientierte Ermittlung des vergütungsfähigen Anteiles an den Energieabgaben sei als unzulässig erachtet worden.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren habe das Finanzamt keine am Output orientierte Ermittlung des vergütungsfähigen Anteiles an der Elektrizitätsabgabe vorgenommen. Es sei vielmehr eine inputorientierte Betrachtung angewendet worden. Die Zuordnung sei nach der Art der Verwendung der bezogenen elektrischen Energie im gesamten Produktionsprozess vorgenommen worden. Laut Beschwerdebegründung werde die bezogene elektrische Energie in verschiedenen Prozessstadien verwendet - überwiegend zur Aufbereitung des Primärenergieträgers und zur Erzeugung von Biogas. Dieser Prozess diene nicht unmittelbar im technischen Sinn zur Erzeugung elektrischer Energie, womit die in diesem Prozess eingesetzte elektrische Energie nicht unter den Befreiungstatbestand des § 2 Abs. 2 EIAbgG falle.

Im Schreiben vom merke die Bf ergänzend an, dass gem. § 2 Abs. 2 EIAbgG elektrische Energie, soweit sie für die Erzeugung und Fortleitung von Erdgas verwendet wird, ebenfalls von der Elektrizitätsabgabe befreit ist. Das erzeugte und aufbereitete Biogas entspreche in seiner chemischen Zusammensetzung Erdgas, weshalb auch aus diesem Grund eine Befreiung von der Elektrizitätsabgabe erfolgen müsse.

Zu diesem Einwand erwiderte das Finanzamt, dass das Elektrizitätsabgabegesetz keine genaue Definition des verwendeten Begriffes Erdgas enthalte. Jedoch würden das Erdgasabgabegesetz und das Energieabgabevergütungsgesetz eine übereinstimmende Definition des Begriffes Erdgas enthalten, der auch auf den im § 2 Abs. 2 EIAbgG verwendeten Begriff Erdgas anzuwenden sei. Erdgas im Sinn der genannten Bestimmungen seien Waren der Unterposition 2711 21 00 der Kombinierten Normenklatur. Nach der Entscheidung des , sei ausschließliches (oder überwiegendes) Biogas unter die Position 2711 29 00 einzureihen. Biogas sei somit kein Erdgas im Sinn des Elektrizitäts­abgabegesetzes, womit die von der Bf angeführte Befreiungsbestimmung nicht zur Anwendung kommen könne.

Im Vorlageantrag vom verwies die Bf ergänzend darauf, dass nach Rz 21 der EnAbgR 2011 für jene elektrische Energie, die von Biogasanlagen unmittelbar für den Betrieb von Elektromotoren verwendet werde, ein Anspruch auf Elektrizitätsabgabenbefreiung bestehe. Bei der Bf werde der Großteil der bezogenen Energie unmittelbar für den Betrieb der Elektromotoren benötigt, die die Rührwerke in den sog. Fermentern antreiben. Rz 21 stehe also im Widerspruch zu Rz 22 der EnAbgR, wobei Rz 21 aus teleologischer Sicht (die bereits in der Beschwerde ausführlich erläutert worden sei) Vorrang gegenüber Rz 22 zukomme.

Eine Aufforderung des Bundesfinanzgerichts zur Stellungnahme beantwortete die Bf mit E-Mail vom wie folgt:

1.Zum Vorhalt, dass laut Homepage der Bf das Blockheizkraftwerk der Bf zu annähernd gleichen Teilen Strom und Wärme erzeugt:

Die gegenständliche Biogasanlage betreibe mit dem produzierten Rohbiogas einen 625kW Motor, der – zunächst und in erster Linie – zur Erzeugung von Ökostrom diene. Die dabei anfallende Wärme sei nicht bezweckt, sondern ein Abfallprodukt bei der Erzeugung von Strom  –  so wie jeder Verbrennungsmotor naturgemäß nur unter Erzeugung von Wärme den Brennstoff (in diesem Fall: Rohbiogas) verbrenne. Üblicherweise sei die Abwärme in kWh gemessen immer etwas mehr als die erzeugte Strommenge.

2. Zur Frage nach der wirtschaftlichen Nutzung der Wärme:

Die Wärme werde zur Trocknung von Materialien (Holz etc.) genutzt.

Es habe sich die gesetzliche Regelung aufgrund der Vorgaben der EU immer mehr Richtung gesamthafter Energienutzung verschoben – dies sei grundsätzlich zu begrüßen. Die ersten Biogasanlagen seien wegen der befürchteten Geruchsentwicklung und Lärmentfaltung meist möglichst weit von Ortschaften errichtet worden, weshalb eine sinnvolle Wärmenutzung in einem Nahwärmenetz (Lieferung von Warmwasser für die angrenzenden Haushalte) bei diesen Anlagen in der Regel nicht möglich sei. Das treffe auch auf die Anlage der Bf zu.

3.Zur Frage, ob das erzeugte Biogas auch in das Erdgasnetz eingespeist wird:

Das erzeugte (Roh-) Biogas werde  ausschließlich zum Betrieb des Motors zur Ökostromerzeugung verwendet, deren Abfallprodukt eben auch Wärme sei. Die Ausführungen im Antrag vom „dass das Biogas auch weitergeleitet wird“, seien insoferne nicht richtig. Es erfolge (noch) keine Einspeisung in das Erdgasnetz.

4. Zum Verweis auf :

Die Wärmenutzung sei bei der Bf  mit keinem zusätzlichen Stromverbrauch verbunden, weil die Wärme ein Abfallprodukt aus der Stromerzeugung sei.

5. Zum Vorhalt, dass der Anteil der für begünstigte Zwecke eingesetzten elektrischen Energie nachzuweisen sei:

Wie oben ausgeführt gebe es keinen erhöhten Strombedarf für die Erzeugung der Wärme. Das von der Bf  erzeugte Biogas werde zur Gänze zur Stromerzeugung verwendet; es könne gar nicht weitergeleitet werden, weil es nicht zu Biomethan aufbereitet werde und daher in das Erdgasnetz nicht eingespeist werden dürfe.

Richtig sei aber, dass geringfügige Anteile für Beleuchtung benötigt werden. Die Beleuchtung habe eine Anschlussleistung von ca. 10 kW, die Motoren für die Rohbiogasproduktion (Motor, Rührwerke, Einbringsystem, Separator) gesamt ca. 100 kW., wobei anzumerken sei, dass zB die Rührwerke 24 Stunden am Tag laufen, die Beleuchtung aber durchschnittlich nur maximal 12 Stunden pro Tag. Es errechne sich daraus ein Verhältnis von rd. 5% Stromanteil für die Beleuchtung und rd. 95% für die zur Stromproduktion notwendigen Aggregate.

Eine gänzliche Befreiung von der Elektrizitätsabgabe sei daher gerechtfertigt.

6. Zur Anmerkung, dass das Bundesfinanzgericht bezüglich der Nichtanwendbarkeit der Befreiungsbestimmung für die Erdgaserzeugung die Ansicht des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung teile:

Diese Ansicht sei richtig, weil die Bf derzeit überhaupt keine Biogaseinspeisung vornehme.

Wie kompliziert Definitionen seien, habe man beim Entstehen der neuen EU-Richtlinie RED (Renewable Energy Directive) u.a. bei der Definition des Begriffs „Biokraftstoffe“ (Begriffsbestimmung 33) mitverfolgen können:

Im Entwurf habe die Definition gelautet: "Biokraftstoffe" flüssige Kraftstoffe für den Verkehr, die aus Biomasse hergestellt werden.

In der Stellungnahme des Rates der EU lt. Abänderungsantrag Nr. 90 sollte die Definition (zu recht) wie folgt lauten: „Biokraftstoffe“ flüssige oder gasförmige Kraftstoffe für den Verkehr, die aus oder durch Biomasse hergestellt werden.

Im finalen Text heiße es dann aber wieder: "Biokraftstoffe" flüssige Kraftstoffe für den Verkehr, die aus Biomasse hergestellt werden.

„Gasförmig“ sei also wieder weggelassen worden, was allerdings nichts daran ändere, dass Biogas sachlich trotzdem ein Biokraftstoff sei, weil es aus Biomasse hergestellt werde und in Definition 28 „Biogas“ als gasförmige Kraft-und Brennstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden, definiert sei.

Es habe der VwGH in seinem Erkenntnis vom (Gz. 2013/15/0240) auf die Definitionen Biogas (KN 2711 29 00) und Erdgas (KN 2711 21 00) Bezug genommen. Aus der Sicht als kleiner Biogasproduzent sei anzumerken:

Biogas (oder auch Rohbiogas) habe üblicherweise einen CH4-Gehalt von etwas über 50% (Rest CO2 und kleinere Spurenelemente) und könne bereits verbrannt werden in sogenannten BHKWs (Blockheizkraftwerken) zur (Öko-)Stromeinspeisung (mit entsprechendem Abwärmeanfall) trotz eines Brennwertes von rd. 5,5.

Um Biogas in das Erdgasnetz einspeisen zu dürfen, müsse es zuvor gereinigt werden, d.h. der CH4 Anteil müsse von rd. 50% auf zumindest 97% CH4 gebracht werden (um damit einen Brennwert von zumindest 10,7 zu erreichen); damit sei es dann chemisch/physikalisch gesehen ident mit Erdgas, allerdings dennoch sauberer als zB russisches Erdgas.

Biogas müsse also, wenn es eingespeist werden soll, aus gesetzlichen Gründen Erdgasqualität haben (dann werde es auch Biomethan oder Bio-CNG genannt). Das ändere aber nichts daran, dass es nach wie vor Biogas sei (aber eben nicht fossil, sondern aus Biomasse produziert). Der wesentliche Unterschied zwischen Erdgas und Biogas bei gleicher chemischer und physikalischer Eigenschaft bestehe darin, dass Erdgas Im Laufe von mehreren Millionen Jahren entstanden sei, Biogas aber innerhalb von wenigen Tagen.

Die seit dem Beginn des industriellen Zeitalters enorm gesteigerte Freisetzung des im Erdgas gebundenen CO2 sei ja bekanntlich Hauptverursacher des Klimawandels. Biogas setze nur das CO2 frei, das zuvor in der Biomasse gebunden wurde, es sei also CO2 neutral.

Ob daher die Gleichsetzung von auf Erdgasqualität aufbereitetem Biogas (KN 2711 29 00) mit fossilem Erdgas (KN 2711 21 00) so einfach möglich sei, sei hier zwar irrelevant, aber dennoch überlegenswert. Nicht nur Gesetze, sondern wohl auch die darin enthaltenen Definitionen sollten doch dem Sachlichkeitsgebot Folge leisten.

Der VwGH habe die vom damaligen Beschwerdeführer argumentativ vorgebrachte teleologische Interpretation nicht berücksichtigt, und sich auf den rein formalen Standpunkt zurückgezogen, dass der Gesetzgeber eine explizite Regelung vornehmen hätte können.

Bedenkend, dass der Gesetzgeber naturgemäß immer zu spät komme, d.h. gesetzliche Bestimmungen nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern immer erst auf konkrete Probleme reagieren, könne es nicht überraschen, dass er auch niemals alle möglichen Fälle im Vorhinein berücksichtigen könne. Es bleibe daher gar nichts anderes übrig, als teleologisch die Absichten des Gesetzgebers zu erforschen und zu vergleichen, ob bei Anwendung der jeweiligen Gesetzesbestimmung auf den Einzelfall die Absichten noch berücksichtigt werden.

Dass die Befreiung offenbar aber beabsichtigt gewesen sei, erhelle sich aus dem druckfrischen Entwurf zum Erdgasabgabegesetz, der nun vorsehe bzw. klar stelle, dass Biogas von der Erdgasabgabe befreit sein soll, wenn es unvermischt oder „soweit es Erdgas beigemischt“ werde (also anteilig - wie vom VwGH angemerkt).

7. Zum Verweis auf EnAbgR 2011 Rz 21:

In Rz. 21 komme das Wort „unmittelbar“ nicht vor, d.h. also, dass sehr wohl Strom zum Betrieb der Elektromotoren der Rührwerke davon mitumfasst sein müsse. Ohne Rührwerke könne gar kein Biogas produziert werden. Rührwerke seien unumgänglich notwendig für die Erzeugung des Rohbiogases; die Fermenter kämen sonst zum Stillstand. Aber auch alle anderen Aggregate – außer die Beleuchtung – seien für die Produktion von Rohbiogas unverzichtbar.

Das Finanzamt verzichtete nach Übermittlung der Stellungnahme vom auf eine Gegenäußerung (Mail vom ).

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Die Bf ist ein Elektrizitätserzeugungsbetrieb. Im Erzeugungsprozess der Biogasanlage der Bf wird vorerst Grünmasse in einem Fermenter zur Gärung gebracht. Zur Förderung der Gärung sorgt ein elektrisch betriebenes Rührwerk für eine ständige Durchmischung der Grünmasse. Das bei diesem Vorgang gewonnene Biogas dient als Treibstoff für einen Gasmotor, mit dem durch einen Generator Strom erzeugt wird. Eine Weiterleitung von Biogas in das Gasnetz erfolgt nicht. Der erzeugte Strom wird in das allgemeine Stromnetz eingespeist. Beim Betrieb des Gasmotors fällt auch Wärme an, eine Lieferung von Wärme zB an angrenzende Haushalte erfolgt nicht. 5% des bezogenen Stroms entfallen auf Beleuchtung.

Diese unbestrittenen Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen seitens der Bf sowie auf Angaben der Homepage.

Strittig ist, ob der von der Bf für den Erzeugungsprozess bezogene Strom (vorwiegend für die Rührwerke in den Fermentern, aber auch andere Aggregate im Erzeugungsprozess) nach § 2 Z 2 Elektrizitätsabgabegesetz zur Gänze von der Elektrizitätsabgabe befreit ist.

Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 Elektrizitätsabgabegesetz (ElAbgG) unterliegt der Elektrizitätsabgabe die Lieferung von elektrischer Energie im Steuergebiet.

Nach § 2 Z 2 ElAbgG ist elektrische Energie, soweit sie für die Erzeugung und Fortleitung elektrischer Energie, von Erdgas oder von Mineralöl verwendet wird, von der Abgabe befreit.

a. Erzeugung von Biogas

Die in der Beschwerde geäußerte Ansicht, dass die Erzeugung von Biogas eine Steuerbefreiung nach § 2 Z 2 ElAbgG rechtfertige, da Biogas in der Struktur Erdgas entspreche, wurde vom steuerlichen Vertreter in seiner E-Mail vom insofern nicht mehr aufrecht erhalten, als die Bf kein Biogas weiterleitet.

Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung sind mangels Weiterleitung von Biogas eindeutig nicht erfüllt („Erzeugung und Fortleitung … von Erdgas“), sodass der Frage nicht mehr nachgegangen werden muss, ob Biogas vom Begriff „Erdgas“ erfasst ist.

b. Erzeugung von Strom

Das Finanzamt gewährte im angefochtenen Bescheid eine Befreiung von der Elektrizitäts­abgabe im Ausmaß von 5% der erzeugten elektrischen Energie, wobei sich diese Schätzung auf die Regelung in Rz 22 EnAbgR zu Biogasanlagen, die ausschließlich Strom erzeugen, stützt. Die übrige gelieferte elektrische Energie wurde nach Ansicht des Finanzamtes nicht unmittelbar für die Stromerzeugung verwendet und greife daher die Steuerbefreiung des § 2 Z 2 ElAbgG nicht.

Fest steht, dass in der Anlage der Bf nach Aufbereitung der Grünmasse in einem Zwischenschritt zunächst Biogas hergestellt wird und die gelieferte elektrische Energie im Wesentlichen für den Antrieb der Rührwerke in den Fermentern und damit für die Herstellung von Biogas eingesetzt wird. Erst im nächsten Schritt dient das Biogas (zur Gänze) der Erzeugung von Strom.

Nach dem Wortlaut des § 2 Z 2 ElAbgG ist Voraussetzung für die Befreiung von der Abgabe die Verwendung „für die Erzeugung und Fortleitung elektrischer Energie“. Dass nur eine unmittelbare Verwendung die Voraussetzungen erfüllt, ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen.

In diesem Sinne führen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 2000 (1766 der Beilagen zu den Stenographischen Protkollen XX.GP) zur Änderung des § 2 Z 2 des ElAbgG aus: „Auf Grund des Gesamtkonzeptes der Energiebesteuerung soll der Energieverbrauch innerhalb der Energieerzeugung nicht mit Energiesteuern belastet sein. Die Befreiung von der Elektrizitätsabgabe wird daher an die Befreiung von der Erdgasabgabe angeglichen."

Damit kommt zum Ausdruck, dass das Ziel einer Entlastung die Vermeidung einer Doppelbelastung mit Energieabgaben ist, da die Stromerzeugung wiederum zur Elektrizitätsabgabepflicht führt. Die vom Finanzamt vorgenommene Einschränkung der Befreiung auf die von der Bf bezogene elektrische Energie, die unmittelbar der Stromerzeugung dient, lässt sich mit dem Normzweck nicht in Einklang bringen.

Fest steht auch, dass es sich von der Anlieferung der Grünmasse bis zur Einspeisung in das Stromnetz um einen einheitlichen Erzeugungsprozess – wenn auch mit Zwischenschritten - handelt. Die in diesem Erzeugungsprozess aufgewendete elektrische Energie ist somit zur Gänze von der Elektrizitätsabgabe zu entlasten.

c. Erzeugung von Wärme

Was den Umstand betrifft, dass die Anlage der Bf neben Strom auch Wärme produziert, ist ergänzend anzumerken:

Nach dem Vorbringen Seitens der Bf handelt es sich bei der entstehenden Wärme um ein Abfallprodukt aus der Stromerzeugung und ist die Wärmenutzung mit keinem zusätzlichen Stromverbrauch verbunden.

Der Verwaltungsgerichtshof kam in einer Entscheidung zur inhaltsgleichen Befreiungs­bestimmung des § 3 Abs. 2 Z 2 Erdgasabgabegesetz zu dem Ergebnis, dass bei gleichzeitiger Produktion von Strom und Wärme die Vergütung der Erdgasabgabe in vollem Umfang nur dann in Frage kommt, wenn die Wärmenutzung mit keinem zusätzlichen Gasbedarf verbunden ist, es sich also bei der Wärmeerzeugung um die technisch unvermeidbare „Abwärme“ handelt. Für einen allfälligen Brennstoffmehraufwand zur Wärmeerzeugung ist hingegen insoweit keine Vergütung der Erdgasabgabe zulässig ().

Nichts anderes kann im Bereich der Elektrizitätsabgabe gelten. Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte für einen Strommehraufwand zur Wärmeerzeugung. Auch die Abgabenbehörde hat die diesbezüglichen Angaben seitens der Bf nicht in Zweifel gezogen. Eine Kürzung der Vergütung ist daher nicht vorzunehmen.

d. Beleuchtung

Ohne Zweifel ist die elektrische Energie, die zur Beleuchtung der Betriebsanlage dient, durch die Befreiungsbestimmung des § 2 Z 2 ElAbgG nicht erfasst. Seitens der Bf wurde der Stromanteil für Beleuchtung nachvollziehbar mit 5% angegeben. Für diesen Anteil der bezogenen elektrischen Energie ist keine Vergütung vorzunehmen.

Berechnung für 1 – 12/2014:


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An die Bf gelieferte elektrische Energie lt. Antrag vom
529.848 kWh
Abzüglich 5%
-26.492,40 kWh
vergütungsfähig
503.355,60 kWh
503.355,60 kWh x 0,015
7.550,33 Euro

Die Vergütung der Elektrizitätsabgabe hat in Höhe von 7.550,33 Euro zu erfolgen.

Der Beschwerde war daher teilweise Folge zu geben.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 3 B-VG i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG die Revision zulässig, da zu der im Erwägungspunkt b. angesprochenen Rechtsfrage, ob auch eine mittelbare Verwendung der bezogenen elektrischen Energie für die Erzeugung und Fortleitung elektrischer Energie zu einer Befreiung von der Elektrizitätsabgabe führt, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - soweit im Rechtsinformationssystem des Bundes ersichtlich – fehlt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100374.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at