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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.05.2019, RV/7100203/2019

1. Keine Wiederaufnahme des Verfahrens mangels Wiederaufnahmsgrundes; 2. Keine nachträglichen Betriebsausgaben bei USt-Zahlungen für Scheinrechnungen;

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013 sowie die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde vom betreffend Einkommensteuer 2016 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

I. zu Recht erkannt: 

  • Die Beschwerde gegen die Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme § 303 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2011 und Einkommensteuer 2013 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Der angefochtene Bescheid Einkommensteuer 2016 wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
    Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. den Beschluss gefasst:

  • Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2010 wird gemäß § 278 Abs. 1 lit. a iVm. 260 Abs. 1 lit. b BAO zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrenslauf

A. Wiederaufnahme des Verfahrens - Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) neuerliche Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010, 2011 und 2013 ein.

Diese enthielten - abweichend von den veranlagten Erstbescheiden - Betriebseinnahmen in Höhe von 250 Euro (2010), 500 Euro (2011) und 875,01 Euro (2013). Zusätzlich wurden (nachträgliche) Betriebsausgaben in Höhe von 9.901,11 Euro (2010), 11.890,29 Euro (2011) und 15.844,84 Euro (2013) erklärt, welche sich aus Lohnpfändungen für eine im Jahr 2005 zu Unrecht (Scheinrechnungen) in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zusammen setzen. Darüber hinaus wurde für das Jahr 2013 eine Zahlung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Höhe von 1.431,73 Euro als Betriebsausgaben geltend gemacht.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die als Wiederaufnahmsanträge für die Einkommensteuerveranlagungsverfahren 2010, 2011 und 2013 gewerteten Schreiben als unbegründet ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Berücksichtigung der angesetzten Beträge der Jahre 2010 und 2011 bereits mit Schreiben vom begehrt worden seien. Die belangte Behörde habe dieses Schreiben als Anregung auf amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO interpretiert und sei dieser Anregung nicht gefolgt. Die erneute Eingabe der Einkommensteuererklärungen 2010, 2011 und 2013 werde als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gewertet und mangels Wiederaufnahmsgrund abgewiesen.

Mit Schreiben vom brachte der Bf. Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid mit der Begründung ein, der Umsatzsteuerbescheid 2005 enthalte keine Ausführungen zu Scheinrechnungen und daher sei die auf das Jahr 2005 entfallende Umsatzsteuer abziehbar.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die Feststellung der Scheingeschäfte im Jahr 2004 auch für die gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 vorgeschriebenen Umsatzsteuerbeträge des Jahres 2005 gelte. Zudem sei der Wiederaufnahmsantrag für das Jahr 2010 verspätet.

Mit Schreiben vom begehrte der Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht. Der Bf. führt darin aus, dass sein Antrag nicht das Jahr 2004, sondern 2005 betreffe. Sein Antrag vom sei bislang nicht erledigt worden. Er sei verwundert, dass man die von ihm gemeldeten Erträge nicht besteuern wolle. Die Bescheide 2010 und 2011 seien nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, da er erst im Jahr 2013 ein Schreiben betreffend elektronische Zustellungen erhalten habe.

B. Einkommensteuer 2016

Mit Bericht gemäß § 150 BAO vom  über das Ergebnis einer Außenprüfung beim Bf. wurden unter anderem betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2004 sowie im Zuge der Nachschau für 01-03/2005 Feststellungen wegen behaupteter Silberwarengeschäfte unter Ausstellung von Scheinrechnungen durch den Bf. getroffen. In Tz 1 letzter Absatz wurde ausgeführt: "Gem. § 11 Abs. 14 UStG schuldet jemand, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt, diesen Betrag. Die von Bf. an die Ges verrechnete Umsatzsteuer erfüllt den Tatbestand des § 11 Abs. 14 UStG, es erfolgt die Festsetzung lt. den nachstehenden Berechnungen für 2004 und 1-3/2005."

Mit rechtskräftiger Berufungsentscheidung betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2004 GZ1 erkannte der Unabhängige Finanzsenat, dass die vom Bf. behaupteten Silberwarengeschäfte in der Realität tatsächlich nicht stattgefunden haben, es sich hierbei somit um (absolute) Scheingeschäfte handelt. Auf der Betriebseinnahmenseite wurden die Beträge ausgeschieden, welche sich auf die behaupteten, aber tatsächlich nicht stattgefundenen, Silberwarengeschäfte bezogen. Auf der Betriebsausgabenseite wurde der damit zusammenhängende erklärte Wareneinkauf zur Gänze eliminiert.

Mit Bescheid vom über die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 01-03/2005 wurde die Umsatzsteuer für diesen Zeitraum gemäß § 21 Abs. 3 UStG 1994 mit 33.421,49 Euro festgesetzt.

Die genannten, vom Bf. gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 geschuldeten Steuerbeträge, liegen den streitgegenständlich im Wege der Lohnpfändung einbehaltenen Beträgen zu Grunde, deren Berücksichtigung, soweit sie auf das Jahr 2005 entfallen, als nachträgliche Betriebsausgaben im Zuge der Einkommensteuerveranlagung 2016 begehrt wird.

Mit Bescheid vom wurde der Bf. zur Einkommensteuer 2016 veranlagt. Die belangte Behörde wich in besagtem Bescheid vom Antrag des Bf. mit folgender Begründung ab:

„Die als Betriebsausgabe geltend gemachte Umsatzsteuer (Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung, Zahlung aufgrund der Lohnpfändung und dadurch als nachträgl. Betriebsausgabe beantragt, lt UFS-Entscheidung betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2004 GZ1 liegt eine Scheinrechnungslegung vor) wird nicht anerkannt.

Gemäß § 4 Abs 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Gemäß § 19 Abs 2 EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Jedoch berechtigen Aufwendungen (und daher auch die Umsatzsteuer) aus Scheingeschäften nicht zum Betriebsausgabenabzug (siehe zB. Erkenntnis des ).“

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. mit Schreiben vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Begründet wird dieses wie folgt:

Ich gehe mit der Meinung des Finanzamtes insoferne konform, als ich diese bezgl. der Mehrwertsteuer 2004 akzeptiere. Es wird aber auch die mittels Bescheid vom vorgeschriebene Umsatzsteuer 2005 zwangsweise eingebracht. Diese entspringt aber nicht aus behaupteten Scheingeschäften und es wird weder in dem Bescheid selbst noch in der Entscheidung des behauptet, dass dieser Teil der zwangsweise eingebrachten Umsatzsteuer 2005 aus angeblichen Scheingeschäften stammen könnte.

Ich beantrage daher den Teil der zwangsweise eingebrachten Umsatzsteuer 2005 welcher auf das Jahr 2016 entfällt - und zwar € 4.609,92 als Betriebsausgaben laut § 4 EStG 1988 zu berücksichtigen und die Vorschreibung entsprechend anzupassen.“

Die belangten Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Mit Vorlageantrag vom begehrte der Bf. die Entscheidung durch das Verwaltungsgericht.

II. Sachverhalt

A. Wiederaufnahme des Verfahrens Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013

Siehe oben zum Verfahrenslauf.

A. Einkommensteuer 2016

Das Bundesfinanzgericht geht auf Basis des geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen und der durchgeführten mündlichen Verhandlung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus: Der Bf. bezog im Streitjahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (2 bezugsauszahlende Stellen). Daneben erzielte er Einnahmen aus einer selbständigen beratenden Tätigkeit in Höhe von 1.410 Euro.

Beim Bf. wurden im Jahr 2016 im Wege der Lohnpfändung Umsatzsteuerbeträge (4.609,92 Euro) eingehoben, die er aufgrund der Ausstellung von Scheinrechnungen im Jahr 2005 gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 schuldet.

Diese Umsatzsteuerbeträge stehen nicht im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit des Bf.

III. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere dem Bericht der Betriebsprüfung vom , dem Bescheid des UFS (GZ1) sowie dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts zu den - im wesentlichen gleich gelagerten Streitjahren 2014 und 2015 (GZ2).

Hinsichtlich der Zustellung der Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2013 über FinanzOnline folgt das Verwaltungsgericht den Angaben der belangten Behörde, die mit den über FinanzOnline abrufbaren Daten übereinstimmen, und geht vom Zugang der jeweiligen Bescheide beim Bf. aus. Der Bf. hat diesbezüglich auch nicht in Abrede gestellt, dass die Bescheide in seiner Databox eingelangt seien, sondern lediglich angegeben, dass er hiervon keine Kenntnis hatte.

Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (z.B. Öffnen, Lesen, oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es aber nicht an (vgl. Ritz, BAO6, § 98 Rz 4 mwN).

Die geschuldeten Umsatzsteuerbeträge des Jahres 2005 stammen, wie jene aus dem Jahr 2004, aus der Scheinrechnungsausstellung in Zusammenhang mit vom Bf. vorgetäuschten Silberwarengeschäften (siehe GZ1). Da der Streitgegenstand der Scheinrechnungsausstellung zeitraumübergreifend ident war, sind diese ebenso zu beurteilen, wie jene Beträge, die auf das Jahr 2004 entfallen. Weil nicht verfahrensgegenständlich wurde in der angeführten Berufungsentscheidung des UFS GZ1 betreffend 2004 nicht über die Umsatzsteuerfestsetzung 2005 abgesprochen, dementsprechend finden sich dort auch keine Ausführungen, wonach diese aus Scheingeschäften stammen. Das betreffende Vorbringen des Bf. ist somit angesichts der dargestellten Umstände nicht geeignet, betreffend das Jahr 2005 der Scheinrechnungsausstellung aus absoluten Scheingeschäften entgegenzutreten.   

Die im Jahr 2016 berücksichtigten Betriebseinnahmen sind den vom Bf. vorgelegten Belegen entnommen. Zumal der Bf. hinsichtlich dieser Beträge Umsatzsteuer weder (ordnungsgemäß) nach § 11 UStG 1994 ausgewiesen, noch Umsatzsteuer erklärt oder abgeführt hat und der Bf. überdies unter die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 fallen müsste, waren die Beträge in vollem Umfang (brutto) anzusetzen. Diese Beträge wurden vom Bf. im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung bestätigt.

IV. Rechtslage

A. Wiederaufnahme des Verfahrens

Die §§ 303 und 304 BAO lauten:

§ 303. (1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen.

§ 304. Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie

a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder

b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

§ 207 BAO Abs. 1 und Abs. 2 lautet:

§ 207. (1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Nach Eintritt der Verjährung ist nach § 304 BAO eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

B. Einkommensteuer 2016

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind nach § 23 Abs. 1 BAO für die Erhebung von Abgaben ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Abgabenerhebung maßgebend.

V. Erwägungen

A. Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 274 Abs. 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird. Ebenso, wenn es der Einzelrichter für erforderlich hält.

Im Verfahren betreffend die Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO für die Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013 beantragte der Bf. im Vorlageantrag vom die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und seine persönliche Ladung. Dieser Antrag ist als ein solcher gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 lit. b BAO zu werten.

Im Beschwerdeverfahren zur Einkommensteuer 2016 führte der Bf. in der Beschwerde vom aus: "Ich beantrage die Vorlage gegenständlicher Beschwerde vor dem Bundesfinanzgericht zur gefälligen Klärung und meine persönliche Anhörung in diesem Verfahren." Im Vorlageantrag vom  heißt es: "Ich beantrage die Vorlage vor dem Bundesfinanzgericht mit meiner persönlichen Ladung zu allen Verhandlungen."

Zwar ist, siehe das (ebenfalls an den Bf. ergangene) Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom GZ2, eine persönliche Anhörung im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht rechtlich nicht vorgesehen, doch erachtet es der Einzelrichter vor dem Hintergrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren um die Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO gestellten Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung als zweckmäßig und erforderlich, diese Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 Z 2 BAO auf die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 zu erstrecken. In diesem Sinne wird auch der vom Bf. geäußerte Wunsch nach "persönlicher Ladung zu allen Verhandlungen" zu verstehen sein.

B. Wiederaufnahme des Verfahrens

1. Wiederaufnahme Einkommensteuer 2010

Der Einkommensteuerbescheid 2010, gegen den sich der Antrag auf Wiederaufnahme richtet, datiert mit .

Gemäß § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Dieser ist nach § 4 Abs. 2 Z 2 BAO mit Ablauf des Jahres 2010 entstanden. Unter Einbeziehung des § 209 Abs. 1 BAO - mit dem Abgabenbescheid vom liegt eine Amtshandlung im Sinne dieser Bestimmung vor - ergibt sich demnach, dass die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres 2016 endet. Weitere, die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen im Jahr 2016 sind nicht feststellbar.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Einkommensteuer 2010 stammt vom . Damit wurde er nicht innerhalb der Verjährungsfrist gestellt. Da eine Antragstellung innerhalb von drei Jahren ab Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids 2010 vom nicht vorliegt, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 304 BAO nicht zulässig.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Einkommensteuer 2010 war daher als verspätet zurückzuweisen.

2. Wiederaufnahme Einkommensteuer 2011 und 2013

Gemäß § 303 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind.

Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ergibt sich, dass bei einem derartigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist.

Aktenkundig ist, dass der Bf. die als Begründung für den Wiederaufnahmsantrag geltend gemachten Ausgaben für das Jahr 2011 bereits im Jahr 2013 gegenüber der belangten Behörde angegeben hat. Auch für die übrigen Ausgaben bzw. Einnahmen, die im Wiederaufnahmsantrag genannt wurden, fehlt der Nachweis, dass diese für den Bf. erst im Jahr der Antragstellung (2017) hervorgekommen sind. Hinsichtlich der durch Lohnpfändung eingebrachten Beträge ist dies nach der allgemeinen Lebenserfahren auszuschließen, da eine solche Lohnpfändung für den Bf. nicht unbemerkt geblieben sein kann. Gleiches gilt für die Zahlungen an die SVA, deren Bestätigung aus dem Oktober 2013 stammt und dem Bf. demnach in diesem Zeitraum bereits bekannt sein mussten.

Nichts anderes liegt hinsichtlich der behaupteten geringfügigen Betriebseinnahmen der Jahre 2011 und 2013 vor. Deren tatsächliche Vereinnahmung hat der Bf. trotzt beschlussmäßiger Aufforderung (Beschluss vom ) durch das Verwaltungsgericht nicht nachgewiesen. Dass eine Vereinnahmung dieser Beträge in den Streitjahren erst im Jahr 2017 für den Bf. hervorgekommen sei, kann angesichts dieser Beweislage nicht angenommen werden. Vielmehr ist dem Vorlageantrag zu entnehmen, dass sich der Bf. dieser Einnahmen stets bewusst war und diese, nur aufgrund der Annahme, sie wären nicht zu besteuern, in den Jahren 2011 bzw. 2013 im Rahmen der Veranlagung nicht gemeldet hat.

Mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmsgrundes war die Beschwerde, soweit sie die Wiederaufnahme des Verfahrens für die Einkommensteuer der Jahre 2011 und 2013 betrifft, als unbegründet abzuweisen.

C. Einkommensteuer 2016

Gemäß § 23 Abs. 1 BAO sind Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen für die Erhebung von Abgaben ohne Bedeutung. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes mit bestimmtem Inhalt hervorriefen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht oder nicht so wie vertraglich vereinbart eintreten lassen wollen (vgl. Ritz, BAO6, § 23 Rz 1).

Gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 schuldet, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, diesen Betrag.

Nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Für einen vorgetäuschten Leistungsaustausch, über den Scheinrechnungen gelegt wurden und der tatsächlich nicht stattgefunden hat, steht ein Betriebsausgabenabzug nicht zu (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20 § 4 EStG Tz 231 mVa ​2002/15/0037, ​2013/15/0166). Hinsichtlich der tatsächlich nicht durchgeführten Silberwarengeschäfte wurden auf der Betriebseinnahmenseite sämtliche Beträge (einschließlich der ausgewiesenen Umsatzsteuer) ausgeschieden und auf der Betriebsausgabenseite der erklärte Wareneinkauf zur Gänze eliminiert. Somit fanden diese Beträge bereits im Ursprungsjahr keinen Eingang in die Einkommenbesteuerung des Bf.

Da die gegenständlichen Zahlungen der aufgrund der Ausstellung von Scheinrechnungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge schon den Grunde nach keine Betriebsausgaben sind, können sie auch keine nachträglichen Betriebsausgaben darstellen.

Aufgrund der erst im Beschwerdeverfahren hervorgetretenen Betriebseinnahmen, die im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erzielt wurden, war der angefochtene Bescheid in jedoch entsprechendem Umfang (siehe Berechnungsblatt) abzuändern.

VI. Zulässigkeit einer Revision

Gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zurückweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 ergibt sich unmittelbar aus den genannten gesetzlichen Bestimmungen. Eine darüber hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wurde nicht aufgeworfen, weshalb die Revision unzulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 23 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100203.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at