Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.05.2019, RV/7103261/2017

Unionsrechtskonforme Auslegung § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 für das Jahr 2015

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., Adresse1 vertreten durch Vertreter , über die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2015 vom , zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) ein ungarischer Staatsbürger übte im Streitjahr 2015 seine selbständige Tätigkeit als Maler und Anstreicher in Österreich aus.

Seitens des Finanzamtes wurde die Tätigkeit des Bf. einer USO Prüfung unterzogen. Im Rahmen dieser Prüfung wurde festgestellt, dass der Bf. keine Einkünfte in Ungarn erzielt hat. 

Laut TZ 1 der steuerlichen Feststellungen der Betriebsprüfung hatte der Bf. im Streitzeitraum seinen Wohnsitz in Ungarn und in Österreich verfügte er über keinen Wohnsitz. Sein Unternehmen betrieb er laut Betriebsprüfung in Adresse1 und erzielte 2015 Umsätze aus Malerbetrieb in Höhe von € 37.316,-. Rechnungen wurden ohne Umsatzsteuer ausgestellt unter Hinweis auf die Kleinunternehmerregelung.

Die Betriebsprüfung führte aus, dass nach ihrer Ansicht die Umsätze des Jahres 2015 der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, da der Bf. keinen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO in Österreich  gehabt habe und die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 daher nicht zur Anwendung komme. Der gewöhnliche Aufenthalt sei ebenso wie eine Betriebsstätte nicht ausreichend, bei natürlichen Personen sei der Wohnsitz gemäß § 26 BAO maßgeblich. Laut EUGH Urteil vom , C-97/09, Schmelz verstossen die Mehrwertsteuerrichtlinien nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit, wenn nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige von der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ausgeschlossen werden.

Im Jahr 2016 wurden Rechnungen mit Umsatzsteuer ausgestellt.

Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung wurde seitens des Finanzamtes am ein Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate 7-12/2015 erlassen und für die vom Bf. getätigten Umsätze eine Umsatzsteuerabgabennachforderung in Höhe von € 6.219,33 festgesetzt.

Der Bf. erhob Beschwerde gegen diesen Bescheid vom und beantragte die Aufhebung desselben und die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994.

Zur Begründung führte der Bf. aus, dass sich das Finanzamt auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der Fassung vor Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes BGBL I 2016/117 gestützt habe, in welcher für die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung ein inländischer Wohnsitz verlangt werde. Art 283 Abs. 1 lit c MwStSystRL stelle jedoch auf die Ansässigkeit des Unternehmens ab. In ständiger Rechtsprechung des EUGH  (z.b EUGH , C-421/10, Stoppelkamp) werde die Ansässigkeit nicht mit dem (Privat)Wohnsitz gleichgestellt, sondern mit dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit, das ist der Ort, von welchem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe.

Nach Ansicht des Bf. müsse in unisonsrechtskonformer Interpretation der Befreiungsbestimmung diese daher für den Bf. zur Anwendung kommen. Der österreichische Gesetzgeber habe die Unvereinbarkeit des Wortlautes des § 6 Abs. 1 Z 27 USTG idF vor dem AbgÄG 2016 mit dem Unionsrecht erkannt und die Bestimmung in der aktuellen Fassung abgeändert. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage gehe hervor, dass die unionsrechtlichen Vorgaben der Grund für die Abänderung gewesen seien.

Die Inkraftretensbestimmung des § 28 Abs. 44 Z 1 UStG könne der Anwendung auf den vorhandenen Fall nicht entgegenstehen, da sie nur für jene Fälle Anwendung finden könne, für welche aufgrund des Vorliegens eines inländischen Wohnsitzes bei Fehlen eines Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit in Österreich die Befreiung entgegen dem Gemeinschaftsrecht gewährt wurde.

Das Finanzamt erließ am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und führte zu deren Begründung aus, dass der Bf. seinen Wohnsitz 2015 in Ungarn gehabt habe und sein Unternehmen in Adresse1 betrieben habe.

Da das Einzelunternehmen kein von der physischen Person abgetrenntes Steuersubjekt sei, könne es nur einen Wohnsitz im Sinn des § 26 BAO  und keinen Sitz im Sinn des § 27 BAO haben ().

Die abgeänderte Rechtslage des § 6 Abs .1 Z 27 UStG 1994, wonach das Betreiben des Unternehmens im Inland entscheidend sei, sei erst mit 2017 in Kraft getreten. Auf den gegenständlichen Fall sei diese nicht anzuwenden und die Beschwerde sei daher abzuweisen.

Der Bf. stellte den Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, Aufhebung des bekämpften Bescheides und Anerkennung der Kleinunternehmerbefreiung für das Jahr 2015.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt.

Am erließ das Finanzamt den Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2015, mit welchem betreffend den Bf. eine Umsatzsteuernachforderung in Höhe von € 6.219,33 festgesetzt wurde. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob für die vom Bf. im Jahr 2015 getätigten Umsätze die Kleinunternehmerregelung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 anzuwenden ist.

Das Bundesfinanzgericht geht im vorliegenden Fall von folgendem entscheidungswesentlichen festgestellten Sachverhalt aus: 

Der Bf. hatte im Streitjahr 2015 seinen Wohnsitz gemäß § 26 BAO in Ungarn.

Der Bf. hat im Jahr 2015 sein Unternehmen (Malerbetrieb) vom Standort Adresse1 aus betrieben und Umsätze erwirtschaftet. Im Rahmen der Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass der Bf. monatlich Miete für den Standort des Unternehmens bezahlt hat und Personalkosten erwachsen sind. Rechnungen wurden unter Hinwies auf die Kleinunternehmerregelung ohne Umsatzsteuer gelegt.

Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass der Bf. sein Unternehmen von dem Standort in Adresse1 aus unter Verwendung der eigenen Arbeitskraft, von Personal und Sachmitteln betrieben und auch die unternehmerischen Entscheidungen am Standort getroffen hat. Die Unternehmenstätigkeit war auf Dauer geplant und wurde auch in den Folgejahren in Österreich weitergeführt. Der Bf. führte 2015 nur in Österreich die Umsätze aus. Die Ansässigkeit im Sinne des Unionsrechtes lag 2015 vor.

Der Bf. beruft sich in der Beschwerde auf die unionsrechtlichen Bestimmungen, wonach es auch im Streitjahr 2015 auf die Ansässigkeit in Österreich ankomme.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung:

§ 253 BAO regelt, dass eine Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Beschied gerichtet gilt, wenn ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, auch wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid erfasst. 

Im vorliegenden Fall wurde vorerst der Umsatzsteuerfeststellungsbescheid für die Monate 7-12/2015 vom  mit Bescheidbeschwerde bekämpft und am der Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2015 erlassen.

Das Bundesfinanzgericht ist daher infolge Weitergeltung der ursprünglichen  Beschwerde gemäß § 253 BAO zuständig über die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2015 zu entscheiden.

Nach Artikel 283 Abs. 1 lit. c der MwStSystRl  dürfen die Mitgliedstaaten eine Kleinunternehmerbefreiung für Unternehmer  normieren, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die MwSt geschuldet wird.

UStG 1994

§ 6 Abs. 1 Z 27  idF vor AbgÄG 2016: Befreit sind die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen die Umsätze, die nach § 20 Abs. 4 und 5 besteuert werden;

§ 6 Abs. 1 Z 27  idF AbgÄG 2016: Befreit sind die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30 000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen sowie Umsätze, die nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d und j, Z 9 lit. b und d, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 steuerfrei sind, außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich;

EB zum BGBL I Nr. 117/2016 (AbgÄG 2016)mit dem im § 6 Abs.1 Z 27 UStG 1994 die Voraussetzung der Ansässigkeit im Inland für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung insofern geändert wurde, als nicht mehr auf den Wohnsitz oder Sitz im Inland sondern darauf abgestellt wird, ob im Inland das Unternehmen betrieben wird.

Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben soll hinsichtlich der Ansässigkeit im Inland, die Voraussetzung für die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung ist, eine Anpassung erfolgen, dass nur Unternehmer, die ihr Unternehmen im Inland betreiben, die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen können. Folglich kann aufgrund des Innehabens eines Wohnsitzes in Österreich, wenn das Unternehmen im Ausland betrieben wird, § 6 Abs .1 Z 27 UStG 1994 nicht angewendet werden (vgl. , Schmelz und , Stoppelkamp).

Nach der unionsrechtlichen Judikatur zählen zu den Anknüpfungstatbeständen für eine Ansässigkeit im jeweiligen Land in erster Linie der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und das Vorhandensein einer festen Niederlassung von wo aus die Umsätze bewirkt werden.

Der Ort von dem aus das Unternehmen betrieben wird gilt als der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit, der Ort, an dem die Handlungen der Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden.

Im vorliegenden Fall ist dieser Ort der auch vom Finanzamt anlässlich der Betriebsprüfung (Tz 1 des Berichtes) festgestellte Standort Adresse1.

Wenn auch § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 im hier strittigen Zeitraum 2015 darauf abstellte, dass die Kleinunternehmerregelung nur für Unternehmer mit Wohnsitz oder Sitz im Inland anwendbar war, kann sich ein Unternehmer, der sein Unternehmen im Inland betreibt, hier also iSd Unionsrechtes ansässig ist, unmittelbar darauf berufen, dass nach Art 283 Abs. 1 lit. c der MwStSystRl von der Kleinunternehmerregelung nur jene Unternehmer ausgeschlossen werden dürfen, die nicht im Mitgliedstaat des Steueranfalles ansässig sind. Ansässig ist ein Unternehmen im Inland, wenn hier der Ort ist, an dem die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden bzw. sich hier eine Niederlassung befindet, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind.

Dies ergibt sich auch aus den EB zum AbgÄG 2016, nach denen es durch die Novellierung der Kleinunternehmerregelung (abzustellen ist demnach nicht mehr auf den Wohnsitz oder Sitz, sondern auf jenen Ort, an dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt) zu einer Anpassung an die unionsrechtlichen Vorgaben kommt.

Verwiesen wird auf die seitens des Bundesfinanzgerichtes ergangenen Erkenntnisse RV/5101435/2014 vom und RV/7100460/2017 vom .

Wenn das Finanzamt im Rahmen der Betriebsprüfung zum Ergebnis kam, dass der Bf. sein Unternehmen von der Betriebsstätte Adresse1 aus betrieben hat, lag 2015 zumindest eine feste Niederlassung im Inland vor, der Bf. war im Jahr 2015  im Inland im Sinne der angeführten Bestimmungen des Unionsrechtes im Inland ansässig.

Da der Bf. im Veranlagungszeitraum 2015 nur Umsätze tätigte, die unter die Kleinunternehmerreglung fielen und die Kleinunternehmerreglung aufgrund der unionsrechtlichen Auslegung des Gesetzes auf ihn anzuwenden war, hat der Bf. keine Umsatzsteuer für 2015 zu entrichten. Die Veranlagung zur Umsatzsteuer war nicht durchzuführen, der Umsatzsteuerbescheid 2015 vom ist ersatzlos aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist zulässig, da es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der unmittelbaren Anwendung der unionsrechtlichen Voraussetzung der Ansässigkeit (im Sinn des Vorhandenseins eines Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit bzw einer festen Niederlassung) für die Kleinunternehmerbefreiung bzw der richtlinienkonformen Interpretation des § 6 Abs. 1 Zi 27 UStG 1994  für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des AbgÄG 2016 gibt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
EuGH, Rs C-97/09
EuGH, C-421/10
BFG, RV/5101435/2014
BFG, RV/7100460/2017
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103261.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at