Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.05.2019, RV/7101499/2016

Verlust aus Konvertierung Fremdwährungskredit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch X, Adresse , über die Beschwerde gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2012 und 2013 zu Recht erkannt:  

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die beschwerdeführende KG (Bf.), an welcher zwei Personen beteiligt sind, erzielte in den Streitjahren 2012 und 2013 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das Finanzamt erließ Erstbescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2012 und 2013, welche in Rechtskraft erwuchsen.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 2015 stellte das Finanzamt fest, dass die Bf. durch die Konvertierung eines betrieblich veranlassten Fremdwährungskredites in den Streitjahren Verluste erlitten hat.

In Tz 1 des Betriebsprüfungsberichtes wird betreffend des am aufgenommenen, am konvertierten Kredites ausgeführt, dass der daraus resultierende Verlust nur zur Hälfte ausgeglichen werden könne. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden infolge Tz 1 2012 um € 13.848,54 und 2013 um € 767,70 korrigiert. Weitere Änderungen der Betriebsprüfung durch Tz 2 bis Tz 5 sind im gegenständlichen Verfahren nicht strittig.

Das Finanzamt stellte fest, dass gemäß § 6 Z 2 lit c EStG 1988 idF BGBL I 112/2012 iVm § 124b Z 192 EStG 1988 ein Verlust aus der Tilgung von Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG, vorrangig mit positiven Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von solchen Wirtschaftsgütern und Derivaten sowie mit Zuschreibung en derartiger Wirtschaftsgüter zu verrechnen sei.

Das Finanzamt hat die Verfahren betreffend Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2012 und 2013 gemäß § 303 BAO wiederaufgenommen und am neue Sachbescheide betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2012 und 2013 erlassen.

Die Höhe der Einkünfte wurde für 2012 mit € 95.254,56 und für 2013 mit € 6.373,84 festgestellt und an die beiden an der Bf. Beteiligten gemäß ihren Anteilen verteilt.

Gegen die Feststellungsbescheide 2012 und 2013 vom , mit welchen Aufwandskürzungen in Höhe von 2012: € 13.848,70 und 2013: € 767,70 verbunden waren, erhob die Bf. Beschwerde und beantragte die Anerkennung der Fremdwährungsverluste in voller Höhe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Zuge der Finanzierung einer Liegenschaft am ein Fremdwährungskredit in Schweizer Franken aufgenommen worden sei und nach Veräußerung des Objektes am konvertiert und getilgt worden sei.

Mit dem BudBG 2011 sei eine Regelung eingeführt worden, nach der Verluste aus Fremdwährungskrediten nur mehr zur Hälfte abzugsfähig sein sollen. Nach Ansicht der Bf. stelle diese Änderung der Gesetzeslage einen schwerwiegenden und überfallsartigen Eingriffe in bestehende Rechtspositionen dar, da verabsäumt worden sei, ausreichende Übergangsregelungen für bestehende Fremdwährungskredite zu schaffen und damit ein Bruch des Vertrauensgrundsatzes begangen worden sei.

Das Finanzamt legte gemäß § 262 Abs. 3 BAO die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall in welcher Höhe die realisierten Verluste aus der Konvertierung eines Fremdwährungskredites im Rahmen der Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Bf. in den Streitjahren 2012 und 2013 als Aufwand anzuerkennen sind.

Das Bundesfinanzgericht geht im gegenständlichen Fall von folgendem entscheidungswesentlichen festgestellten Sachverhalt aus:

Die Bf. beantragte die aus der Konvertierung eines Fremdwährungsdarlehens im Jahr 2012 und 2013 bei der Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 188 BAO in voller Höhe als Aufwand anzuerkennen.

Das Finanzamt kürzte unter Berufung auf § 6 Z 2 lit c. EStG 1988 idF BGBL 112/2012 die Verluste im Jahr 2012 um € 13.848,70 und im Jahr 2013 um € 767,70.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung: 

§ 6 Z 2 lit. c EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 bestimmt für die Bewertung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens:

"Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert (lit. a) und Verluste aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4, auf deren Erträge der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist, sind vorrangig mit positiven Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von solchen Wirtschaftsgütern und Derivaten sowie mit Zuschreibungen derartiger Wirtschaftsgüter desselben Betriebes zu verrechnen. Ein verbleibender negativer Überhang darf nur zur Hälfte ausgeglichen werden."

§ 27 Abs. 2 und 3 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 (in Kraft ab ) lautet:

"(2) Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gehören:

1. a) Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung;

b) Gleichartige Bezüge und Rückvergütungen aus Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;

c) Gleichartige Bezüge aus Genussrechten und Bezüge aus Partizipationskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes;

d) Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften) im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes;

2. Zinsen, und andere Erträgnisse aus Kapitalforderungen jeder Art, beispielsweise aus Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes, ausgenommen Stückzinsen;

3. Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen;

4. Gewinnanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters, soweit sie nicht zur Auffüllung einer durch Verluste herabgeminderten Einlage zu verwenden sind.

(3) Zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gehören Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 sind (einschließlich Nullkuponanleihen)."

Durch das BBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde die Besteuerung von Kapitalvermögen neu geordnet. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen zur Zielsetzung des § 27 EStG 1988 aus, dass erstens "- im Sinne einer Vermögenszuwachsbesteuerung für Finanzvermögen - nicht nur Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, sondern auch Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Wertpapieren sowie aus Derivaten unabhängig von Behaltedauer bzw. Beteiligungsausmaß generell besteuert werden. (...) Zweitens soll künftig der Vermögenszuwachs sowohl im betrieblichen als auch im außerbetrieblichen Bereich grundsätzlich einheitlich erfasst werden" (vgl. 981 BlgNR 24. GP 115).

Hauptzielsetzung der Reform der Besteuerung von Kapitalvermögen war demnach, dass nicht nur wie bisher Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, sondern auch realisierte Wertsteigerungen von Kapitalvermögen generell besteuert werden. Der Vermögenszuwachs aus Kapitalvermögen soll stets erfasst werden, unabhängig davon, ob er aus den Früchten oder der Substanz stammt.

Um dieses Ziel zu erreichen, knüpft § 27 Abs. 3 EStG 1988 an § 27 Abs. 2 EStG 1988 an. Es unterliegen nur realisierte Wertsteigerungen jener Wirtschaftsgüter der Steuerpflicht nach § 27 Abs. 3 EStG 1988, deren Erträge als Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 zu qualifizieren sind. Dabei kommt es nicht auf konkret erzielte Kapitalerträge an. Es genügt vielmehr, wenn laufende Einkünfte aus der betreffenden Kapitalanlage von § 27 Abs. 3 EStG 1988 erfasst würden (vgl. Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 27 Tz 143.) Da fehlende laufende Erträge regelmäßig zu einer Wertsteigerung des Vermögensstammes führen, wäre das Abstellen auf das Vorliegen konkret erzielter Kapitalerträge mit der Zielsetzung der Reform nicht vereinbar.

Strittig ist im vorliegenden Fall ob auch "negative Wirtschaftsgüter" wie Verbindlichkeiten in den Anwendungsfall des § 27 Abs. 3 EStG fallen.

Der Schuldner erzielt aus dem "negativen Wirtschaftsgut" keine Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist der Verweis auf Einkünfte iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 steuersubjektübergreifend zu sehen und hinsichtlich der aus dem gegenständlichen Wirtschaftsgut "Fremdwährungsverbindlichkeit" fließenden Erträge auf deren Erfassung beim Gläubiger der Fremdwährungsverbindlichkeit abzustellen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Kreditgeber Einkünfte iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 nicht aus der "Fremdwährungsverbindlichkeit", sondern aus der mit dieser korrespondierenden "Fremdwährungsforderung" erzielt.

Trotz des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Forderung und Verbindlichkeit unterscheiden sich diese beiden Wirtschaftsgüter insbesondere in Hinblick auf die Besteuerung der aus ihnen erwachsenen - vom Schuldner zu zahlenden und vom Gläubiger zu empfangenden - Zinsen voneinander. Die vom Schuldner zu zahlenden Zinsen stellen aus Sicht des Gläubigers Erträge seiner Kapitalforderung dar, die als Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen zu erfassen sind. Hingegen fallen die Zinsen beim Schuldner nicht als (negative) Erträge aus seiner Verbindlichkeit unter die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Vielmehr stellen Schuldzinsen je nach Lage des Falles entweder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Aufwendungen der privaten Lebensführung dar (vgl. z.B. den auch nach der Neuordnung der Kapitalbesteuerung unverändert gebliebenen § 16 Abs. 1 Z 1 EStG 1988).

Gegen eine Steuerpflicht nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 bei demjenigen, dem Kapital überlassen wird, spricht weiters, dass es damit auch zu einer mit dem eingangs angeführten Sinn und Zweck der Neuordnung der Kapitalbesteuerung nicht vereinbaren Steuerpflicht von Schuldnachlässen gegenüber privaten Schuldnern käme (vgl. Stangl/Widhalm, Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen, in Lechner/Mayr/Tumpel, Handbuch der Besteuerung von Kapitalvermögen (2013) 111 (114 f)).

Nach dem Wortlaut und dem Telos des § 27 Abs. 3 EStG 1988 sind nur "Finanzvermögen" und nicht auch "Finanzschulden" von dieser Bestimmung erfasst. Der Schuldner erzielt keine Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 aus der Verbindlichkeit. Aus diesen Erwägungen erscheint es weder gerechtfertigt noch vom Wortlaut des § 27 Abs. 3 EStG 1988 gedeckt, hinsichtlich der Steuerpflicht einer Fremdwährungsverbindlichkeit auf die aus Sicht des Gläubigers vorliegende Fremdwährungsforderung abzustellen (vgl. in diesem Sinne auch Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 27 Tz 149; Marschner, SWK 2016, 769 ff; Peyerl, SWK 2014, 881ff, sowie Mechtler, ÖStZ 19/2015, 564f.).

Da es sich bei der Fremdwährungsverbindlichkeit um kein Wirtschaftsgut handelt, dessen Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 begründen und ihre Konvertierung daher nicht den Tatbestand des § 27 Abs. 3 EStG 1988 erfüllt, unterliegt die Verrechnung des dadurch entstandenen Kursverlustes nicht den Beschränkungen des § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 in der gegenständlich anzuwendenden Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012.

Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH, Ro 2016/15/0026 vom ) und des Bundesfinanzgerichtshofes RV/7104280/2017 vom , RV/7103159/2015 vom können Verbindlichkeiten mangels Einkünften aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 nicht unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 subsumiert werden.

Unter Bedachtnahme auf die dargelegte Rechtslage ist der Beschwerde Folge zu geben und sind die Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für die Jahre 2012 und 2013 abzuändern. Die entstandenen Konvertierungsverluste sind gewinnmindernd in voller Höhe anzusetzen.

Berechnung:

Feststellung der Einkünfte 2012:


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Einkünfte aus Gw laut FA
95.254,56
zusätzlicher Aufwand
-13.848,70
Einkünfte aus Gw laut BFG
81.405,86
 
 
Beteiligter
 
X
66.052,71
Y
15.353,15

Feststellung der Einkünfte 2013:


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Einkünfte aus Gw laut FA
6.373,84
zusätzlicher Aufwand
-767,70
Einkünfte aus Gw laut BFG
5.606,14
 
 
Beteiligter
 
X
4.569,00
Y
1.037,14

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Ro 2016/15/0026 vom in Einklang steht, welches die strittige Rechtsfrage geklärt hat.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
VwGH, Ro 2016/15/0026
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101499.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at