Familienbeíhilfe bei Besuch eines Gymnasiums in der Türkei?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Armin Treichl in der Beschwerdesache a b, c, d e, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamts Feldkirch vom , betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum September 2015 bis Dezember 2017 zu Recht erkannt:
1.) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Tochter der Beschwerdeführerin besuchte bis die Vorarlberger Mittelschule in e g, im Schuljahr 2014/2015 die Polytechnische Schule in h und ist seit bis voraussichtlich Juni 2019 Schülerin an einem Privatgymnasium in der Türkei.
Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum vom bis wurden mit Bescheid vom zurückgefordert, da sich die Tochter ständig in der Türkei aufhalte.
In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe im August 2015 dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Tochter ab September 2015 das Gymnasium in der Türkei besuchen werden. Im Infocenter habe man ihr erklärt, die Tochter müsse nicht abgemeldet werden, die Familienbeihilfe werde nur anders berechnet. Sie solle dem Finanzamt eine Schulbestätigung vorlegen. Dies habe sie gemacht. Ihre Tochter sei vier Monate pro Jahr in Vorarlberg.
Weiters sei es ihr aus finanziellen Gründen nicht den rückgeforderten Betrag zurückzuzahlen, da sie auf Grund eines Dauerkrankenstandes gekündigt worden sei.
Diese Eingabe wurde vom Finanzamt lediglich als Beschwerde gewertet.
Die Beschwerde wurde vom Finanzamt Feldkirch mittels Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:
„§ 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz lautet:
(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Ein vorübergehender Auslandsaufenthalt steht dem Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht entgegen, ein ständiger schon (§ 5 Abs. 3 FLAG 1967).
Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa : : ).
Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 5 Rz 9).
Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. ).
Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. )
Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich bzw. fallweise kurze Besuche in Österreich während des Schuljahres/Studienjahres sind jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch ein ständiger Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (vgl. : : : : ).
Auch wenn der Auslandsaufenthalt zu Ausbildungszwecken erfolgte, ändert dies nichts daran, dass sich das Kind während der Auslandsausbildung ständig i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Ausland, also einem Drittland, aufhält (vgl. : : : : ).
Der VwGH hat eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als einen vorübergehenden Aufenthalt angesehen (vgl. ).
Im gegenständlichen Fall kann nicht von einem bloß vorübergehenden Auslandsaufenthalt von f gesprochen werden. Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, im gegenständlichen Fall ab Beginn des Auslandsaufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (vgl. )."(siehe Erkenntnis des ).
Gemäß § 25 FLAG sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, innerhalb eines Monats ab dem Bekanntwerden, beim zuständigen Finanzamt zu melden.
Die im § 26 FLAG 1967 geregelte Rückzahlungsverpflichtung ist so weitgehend, dass sie auf subjektive Momente wie Verschulden und Gutgläubigkeit keine Rücksicht nimmt und die von der Finanzverwaltung zu Unrecht ausbezahlten Familienbeihilfenbeträge auch dann zurück zu zahlen sind, wenn der Überbezug ausschließlich auf eine Fehlleistung der Abgabenbehörde zurückzuführen ist. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag.
Rechtlich folgt daraus :
Aufgrund der vorliegenden Informationen wird der Familienbeihilfenanspruch wie folgt beurteilt:
Im Schuljahr 2014/2015 hat f die Polytechnische Schule in h besucht und am abgeschlossen. Die Tochter hat die Berufsausbildung ab dem Schuljahr 2015/16 nicht im Inland fortgesetzt, laut Ihren Angaben besucht f ab dem Schuljahr 2015/16 ein Gymnasium in der Türkei.
Vorgelegt wurden folgende Unterlagen:
Eine Bestätigung der Anmeldung am am Gymnasium in der Türkei j
Teilnahmebestätigungen für das SJ 2015/16, SJ 2016/17
Schulbestätigungen vom , vom
Schülerzertifikat vom der Schuldirektion
Ein Schulzeugnis für die Sekundarschule in der Türkei für das Unterrichtsjahr 2016/2017,
1. Semester.
Bestätigungen, Rechnungen für Schulgeld, Essensgeld, Wohnheimgebühren für f für 2015/2016 vom . Rechnung vom
Schülerzertifikat vom Privatgymnasium k
Schulzeugnis vom Unterrichtsjahr 2017/2018, 1. Semester
Bestätigung Bareinzahlung Schulkosten vom für f
Einzahlungsbestätigung für Kurstage (tägliche Zeiteinheiten) vom mit Bedingungen für Kursteilnehmer
Schulzeugnis vom Schuljahr 2017/18 (Privatgymnasium)
In der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom geben Sie an, dass f das Gymnasium in der Türkei im Juni 2019 beenden wird. f verbringt laut Ihren Angaben nur die Ferienzeiten im Inland.
Aufgrund der Sachlage ist somit davon auszugehen, dass f sich ab 9/2015 ständig in der Türkei aufhält, weshalb aufgrund der angeführten Rechtsprechung kein Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich besteht.
Die Fehlinformation bei der Vorsprache im Infocenter und Ihre finanzielle Lage sind für die Beurteilung des Sachverhaltes nicht maßgeblich.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.“
Im Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:
„Ich und meine Tochter sind seit Jahren österreichische Staatsbürger. Die Tochter f, geb. tt.mm.2000, ist in Österreich geboren, Wohnort d e, c (wir beide siehe Meldeamt e) sind dort mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Ich persönlich habe Ende August beim Finanzamt Feldkirch vorgesprochen und wollte die Tochter abmelden. Die Dame am Schalter hat mit erklärt, dass dies nicht notwendig wäre.
Ich sollte nur eine Schulbestätigung bringen. Das habe ich befolgt (Fehlinformation - Amtshaftung). Es handelt sich nicht um einen ständigen Auslandsaufenthalt. Nach Schulabschluss kommt meine Tochter zurück. Der Mittelpunkt der Familie ist e.
Es handelt sich um eine schulische Ausbildung im Ausland einer österreichischen Staatsbürgerin.“
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Die Tochter der Beschwerdeführerin besuchte bis die Vorarlberger Mittelschule in e g, im Schuljahr 2014/2015 die Polytechnische Schule in h und ist seit bis voraussichtlich Juni 2019 Schülerin an einem Privatgymnasium in der Türkei. Die Tochter der Beschwerdeführerin verbringt ihre Ferien in Österreich.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Sie sind nicht strittig.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hat nach § 2 Abs. 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
§ 2 Abs. 5 FLAG lautet:
„(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn ...
Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Nach § 26 Abs. 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0133, mwN, sowie Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, Rz 9 zweiter Absatz zu § 5).
Die Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs. 3 FLAG ist nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach den objektiven Kriterien der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit zu beantworten (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom , mwN, sowie Nowotny, aaO, Rz 9 erster Absatz zu § 5).
Ein Aufenthalt ist nicht schon dann vorübergehend im Sinne der hg. Rechtsprechung zu § 5 Abs. 3 FLAG, wenn er zeitlich begrenzt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/13/0072), weshalb auch bei der im Zuge der vorzunehmenden ex-ante Betrachtung des Auslandsaufenthaltes der Tochter der Beschwerdeführerin die auch nach objektiven Gesichtspunkten als annähernd gewiss anzunehmende Rückkehr nach Österreich nach dem Auslandsstudium nicht entscheidend ist.
Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (zum Wechsel eines zunächst vorübergehenden Aufenthaltes zu einem ständigen Aufenthalt nach Hervorkommen solcher Umstände vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).
Im erwähnten Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof bei den in jenem Beschwerdefall gegebenen Rahmenbedingungen eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als vorübergehenden Aufenthalt angesehen. Bei einem Aufenthalt zum Zwecke des Schulbesuches vom Herbst 1991 bis zum Jänner 1993 ging der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 98/15/0016, von einem ständigen Aufenthalt im Ausland aus. Ein einjähriger Auslandsaufenthalt etwa zum Zwecke eines einjährigen Schulbesuches im Ausland ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen (vgl. auch Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland", in UFS Journal 2011/10, 371).
Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. ).
Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich bzw. fallweise kurze Besuche in Österreich während des Schuljahres sind jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch ein ständiger Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (vgl. ; ; ; ; ).
Auch wenn der Auslandsaufenthalt zu Ausbildungszwecken erfolgte, ändert dies nichts daran, dass sich das Kind während der Auslandsausbildung ständig i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Ausland, also einem Drittland, aufhält (vgl. ; ; ; ; ).
Da im gegenständlichen Fall der Schulbesuch in der Türkei voraussichtlich vier Jahre dauert, hat die Tochter der Beschwerdeführerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt während des Schulbesuchs in der Türkei.
Die Tatsache, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihre Tochter österreichische Staatsbürger sind, ist für die Beurteilung des Falles irrelevant.
Auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung wird verwiesen.
Das FLAG sieht in § 26 Abs. 4 die Möglichkeit der Oberbehörde vor, das Absehen von einer Rückforderung der unrechtmäßig bezogenen Beträge anzuordnen, wenn die Rückforderung als unbillig anzusehen wäre. Dazu wird ausgeführt, dass das Bundesfinanzgericht nicht die dafür zuständige Behörde ist und diesbezüglich keine Entscheidungskompetenz besitzt (UFS Feldkirch, , GZ RV/0379-F/02). Die dafür zuständige Behörde ist das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend; ein Antrag wäre dort zu stellen. Ein Rechtsanspruch auf eine Anordnung des Ministeriums besteht aber nicht.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfragen wurden vom Verwaltungsgerichtshof bereits behandelt. Das Bundesfinanzgericht ist im gegenständlichen Fall von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100507.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at