Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2019, RV/7501000/2018

Geringfügige Korrektur des Beanstandungszeitpunktes um drei Minuten verletzt Identität der Tat nicht

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7501000/2018-RS1
Der im Tatvorwurf ausgesprochene Beanstandungszeitpunkt hat die Vermutung für sich, dem Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung zu entsprechen, doch ist die Vermutung widerleglich.
RV/7501000/2018-RS2
Eine Korrektur der Tatzeit hat der Verwaltungsgerichtshof in Einzelfällen als unschädlich angesehen (Lewisch/Fister/Weilguni § 44a VStG 1991 (Fister) Tz 2). Gleiches muss auch für eine geringfügige Korrektur des Beanstandungszeitpunktes von 12:17 Uhr auf 12:14 Uhr gelten. Damit wird die Sache des Verfahrens nicht verlassen und die Gefahr einer Doppelbestrafung besteht nicht.
RV/7501000/2018-RS3
Unter den Begriff „alle Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung“ gemäß Art 6 Abs 3 lit a EMRK fällt auch die Tatsache, dass Beanstandungszeitpunkt und Zeitpunkt der ersten dienstlichen Wahrnehmung um vier Minuten auseinanderfallen. Sinn und Zweck des das faire Verfahren regelnden Grundrechts besteht darin, dem Rechtsunterworfenen die Ergreifung umfassender Rechtsschutzmaßnahmen zu ermöglichen. Der umfassende Rechtsschutz umfasst auch, zeitgerecht aufgrund der Einzelheiten des Tatvorwurfs die Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittelverfahrens zu erkennen.
RV/7501000/2018-RS4
So wie ein Bescheid erst mit Bekanntgabe rechtswirksam wird, verlangt die Organstrafverfügung für ihr rechtliches Wirksamwerden den Eintritt in die Rechtssphäre des Beanstandeten wie Aushändigen oder Hinterlassen am Tatort.
RV/7501000/2018-RS5
Es zählt zu den Aufgaben des Kontrollorgans, den Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung festzuhalten. Durch elektronische Kontrollabfragen, ob ein neuer Parkschein aktiviert wurde, wird dieser Zeitpunkt jedoch nicht verschoben. Wird dem Kontrollorgan durch technische Hilfsmittel die Feststellung des Zeitpunktes der dienstlichen Wahrnehmung abgenommen, so hat das System die Unverrückbarkeit des Zeitpunktes der dienstlichen Wahrnehmung zu beachten. Dadurch muss dem Kontrollorgan die bürgerfreundliche Möglichkeit des Abwartens ja nicht genommen werden. Kommt es nach einer Wartezeit zur Ausstellung einer Organstrafverfügung, so sollte das System auf die erste dienstliche Wahrnehmung zurückgreifen oder Wahrnehmungs- und Beanstandungszeitpunkt in die Organstrafverfügung übernehmen. Es sollte dem Organ als ultima ratio auch möglich sein, für besonders gelagerte Fälle die Auswahl des Wahrnehmungszeitpunktes selbst zu bestimmen, denn das vom Gesetz bestimmte Vollzugsorgan ist das menschliche Kontrollorgan, und nicht das System. Eine verfassungskonforme Interpretation des Begriffs der "dienstlichen Wahrnehmung durch besonders geschulte Organe der öffentlichen Aufsicht" gebietet, dass das System Arbeitsmittel des Organs bleibt und das Organ seine Wahrnehmungspflicht auch selbstbestimmt ausüben und dokumentieren kann.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Verwaltungsstrafsache gegen den Beschuldigten DI Dr B wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der Fassung ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 24/2012, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, Parkraumüberwachung, vom , Zahl: MA 6700, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am  zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde im eingeschränkten Umfang vom stattgegeben.

II. Das angefochtene Straferkenntnis wird in folgenden Punkten abgeändert:

a) strafbare Handlung:

An die Stelle der Wortfolge "Abstellen des Fahrzeuges ohne dieses bei Beginn der Abstellung mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben."

tritt die Wortfolge: "Abstellen des Fahrzeugs, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben."

b) Uhrzeit:

An die Stelle von "12:17 Uhr" tritt "12:14 Uhr".

c) Höhe der Strafe:

Die Geldstrafe wird auf EUR 36,00 herabgesetzt und für den Fall deren Uneinbringlichkeit wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 6 Stunden bestimmt.

III. Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahren gemäß § 64 Abs. 2 VStG in Höhe von 10,00 Euro bleiben unverändert.

IV. Der Magistrat der Stadt wird gemäß § 25 Abs. 2 BFGG als Vollstreckungsbehörde bestimmt.

Die Geldstrafe (36,00 Euro) samt Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens (10,00 Euro), gesamt daher 46,00 Euro, sind an den Magistrat der Stadt Wien zu entrichten.

V. Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG entfallen aufgrund der teilweisen Stattgabe die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens.

VI. a) Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

b) Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien als belangte Behörde vom , Zl. 6700, wurde der Beschuldigte ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens schuldig erkannt, ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug im Bereich einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien abgestellt zu haben, ohne dieses bei Beginn der Abstellung mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichneten oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben. Als Datum/Zeit sind der , 12:17 Uhr, ausgewiesen. Dadurch habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt, weshalb über den Bf gemäß § 5 Abs 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl der Stadt Wien Nr 51/2005, idgF, iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 idgF eine Geldstrafe von € 60,00 verhängt, und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 14 Stunden bestimmt wurde. Der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens wurde mit € 10,00 festgesetzt.

Zu den im Bescheidspruch angeführten verletzten Verwaltungsvorschriften ist zu sagen, dass zur Bezeichnung derselben auch die Anführung der Fundstelle gehört und die Zitierung "in der geltenden Fassung" und "idgF" nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nicht ausreicht (Lewisch(Fister/Weilguni § 44a VStG Tz 5 mwN). Dieser Mangel ist im Rechtsmittelverfahren sanierbar.

Sinn und Zweck des Einspruch ist es, ex lege das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten (vgl § 40 VStG). Kennzeichen des ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens ist, dass der Beschuldigte Parteistellung hat und die damit verbundenen Rechte erlangt und die Behörde ihm die Beweise von Amts wegen zur Kenntnis zu bringen hat. Auch dieser Mangel ist im Rechtsmittelverfahren sanierbar.

Zu Spruchpunkt II.a) wird ausgeführt, dass die Beschreibung der Tathandlung im Straferkenntnis nicht jener der Strafverfügung entspricht. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm die als erweisen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird. Eine Strafe darf nur für jene Tat verhängt werden, auf die sich die - das Strafverfahren einleitende - erste Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG bezogen hat (Lewisch(Fister/Weilguni § 44a VStG Tz 2 mwN). Die im gegenständlichen Verfahren erste Verfolgungshandlung wurde mit der Strafverfügung vom , Zl. MA 6700, gesetzt. Mangels Konkretisierung und Individualisierung eines Beschuldigten stellen demgegenüber Organmandat und Anonymverfügung keine Verfolgungshandlungen dar. Die angesprochenen Tatbeschreibungen stellen einerseits auf unterschiedliche Zeitpunkte (Beginn der Abstellung lt Straferkenntnis vs Beanstandungszeitpunkt lt Strafverfügung) ab und reichen andererseits unterschiedlich weit, weil die im Straferkenntnis beschriebene Tathandlung auch die Nichtaktivierung eines elektronischen Parkscheines umfasst. Beide Abweichungen gemeinsam lassen es fraglich erscheinen, ob darin bereits ein unzulässiger Austausch der Tat zu erblicken ist (Lewisch(Fister/Weilguni § 44a VStG Tz 1 mwN). Vielmehr könnte in der im Straferkenntnis angeführten Handlung eine Reaktion auf das im Einspruch erstattete Vorbringen erblickt werden, das im Beanstandungszeitpunkt die Bestätigungs-SMS für einen gültigen elektronischen Parkschein ins Treffen geführt hat. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren baut daher auf der ersten Verfolgungshandlung laut Strafverfügung auf.

Zu Spruchpunkt II.b) wird ausgeführt, dass das vom BFG durchgeführte Beweisverfahren ergeben hat, dass drei Zeitpunkte festgestellt wurden, die das Handyparksystem als Beanstandungszeitpunkt registriert hat. Entgegen der geübten Verwaltungspraxis ist nicht die letzte, sondern die früheste Beanstandungszeitpunkt maßgeblich, weil diese auch dem Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung durch das Kontrollorgan iSv §§ 50 Abs 1, 49a Abs 2 VStG 1991 entspricht. Auf die unten stehenden Ausführungen zur Handlung und zur Strafbemessung wird verwiesen.

Dem Straferkenntnis liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zu Grunde:

Zunächst wurde über den Beschuldigten mit einer Organstrafverfügung eine Geldstrafe in Höhe von 36,00 Euro verhängt. Der Organstrafverfügung war ein Zahlschein mit sämtlichen notwendigen Angaben beigefügt, insbesondere enthielt er auf der Rückseite eine Belehrung. Das Kontrollorgan fertigte anlässlich der Fahrzeugkontrolle drei Fotos von Fahrzeug an, die dem vorgelegten Verwaltungsakt einliegen. Dem vorgelegten Verwaltungsakt liegt die Organstrafverfügung nicht ein, doch sagte der Beschuldigte selbst aus, dass er sie erhalten habe.

Der Beschuldigte bezahlte den Strafbetrag nicht ein. Dadurch wurde die Organstrafverfügung ex lege gegenstandslos und Anzeige gemäß § 49a Abs 2 VStG 1991 gegen den Beschuldigten erstattet, weshalb die belangte Behörde am die Anonymverfügung gemäß § 49a VStG 1991 über 48,00 Euro erlassen hat.

Auch diesen Strafbetrag zahlte der Beschuldigte nicht ein, weshalb die belangte Behörde am die Strafverfügung, Zl. MA 6700, mit der eine Geldstrafe in Höhe von 60,00 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt wurde, erließ. Dabei änderte sie die Tatbeschreibung ab.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschuldigte mit E-Mail vom Einspruch und führte aus, die Aufsässigkeit der belangten Behörde gehe ihm schön langsam auf die Nerven. Er habe am gleichen Tag noch Kontakt mit der belangten Behörde aufgenommen und dieser später als Beweismittel seine Handybuchung übermittelt. Er habe zu dem beanstandeten Zeitraum eine gültige Parkscheinbuchung gehabt. Damit sei die Strafverfügung hinfällig. Wenn die belangte Behörde das noch immer nicht akzeptieren wolle, könne er den Fall bis in die obersten Instanzen spielen.

Dem Einspruch waren Auszüge von Handyparken beigelegt, auf denen zu erkennen ist, dass ihm am um 12:17 Uhr (Beanstandungszeitpunkt) die Bestätigung zu einem elektronischen Parkschein von 30 Minuten mit der Gültigkeit ab 12:30 Uhr zugegangen war.

Aufgrund des Einspruchs wurde ex lege das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Die belangte Behörde erließ das eingangs dargestellte Straferkenntnis, ohne jedoch dem Beschuldigten zuvor die Beweismittel (Fotos, Anzeige) zur Gelegenheit zur Gegenäußerung gebracht oder diese dem Straferkenntnis beigelegt zu haben.

Begründend führte der Magistrat nach Schilderung des erwiesenen und unstrittig gebliebenen Sachverhalts sowie nach Zitierung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen aus:

"Das Fahrzeug wurde beanstandet, weil es ohne gültigen Parkschein abgestellt war.
Dieser Sachverhalt gründet sich auf die aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung ausgestellte Organstrafverfügung eines Überwachungsorganes und drei zum Tatzeitpunkt
angefertigte Fotos als auch durch die Einsichtnahme in das Handy-parken-Programm.

Im Einspruch wendeten Sie im Wesentlichen ein, dass Sie am um 12:17 Uhr einen Parkschein von 30 Minuten gelöst hätten. Als Beweise fügten Sie die Handybuchung als auch den Auszug aus dem Parkkonto dem Einspruch bei.

Dazu wird Folgendes festgestellt:

Unbestritten blieb, dass sich besagtes Kraftfahrzeug zur Tatzeit am Tatort in der dort kundgemachten Kurzparkzone befand und von Ihnen dort abgestellt worden ist.

Die Aktivierung eines elektronischen Parkscheines erfolgt durch Übermittlung einer SMS an das elektronische System. Über das Mobiltelefon ist die beabsichtigte Parkdauer einzugeben (Abstellanmeldung).

Danach ist die Rückmeldung des elektronischen Systems durch SMS oder im Wege einer vom Systembetreiber zur Verfügung gestellten Internet-Applikation über das Internet Protokoll (IP) über die durchgeführte Transaktion abzuwarten (Bestätigung).

Wird die Abstellanmeldung durch das elektronische System bestätigt, gilt die Abgabe als entrichtet oder darf das mehrspurige Kraftfahrzeug für einen fünfzehn Minuten nicht
übersteigenden Zeitraum abgestellt werden (§ 7 Abs. 2 und 3 der Kontrolleinrichtungenverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 29/2013, in der geltenden
Fassung).

Der dem Verwaltungsstrafverfahren zu Grunde liegenden Organstrafverfügung des eingeschrittenen Kontrollorgans zufolge wurde die Kontrolle des von Ihnen abgestellten
Kraftfahrzeuges um 12:17 Uhr des genannten Tages durchgeführt. Diese Zeitangabe ist deshalb glaubwürdig, weil den Kontrollorganen des Magistrats der Stadt Wien als Hilfsmittel für die Erfüllung der übertragenen Aufgaben elektronische Überwachungsgeräte (sog. PDA's) zur Verfügung stehen, welche die zum Beanstandungszeitpunkt aktuelle Uhrzeit über einen Server beziehen und vorgeben.

Mittels einer Online-Verbindung kann die Aktivierung des elektronischen Parkscheins überprüft werden. Zum Zeitpunkt der Überprüfung mittels dieser Online-Verbindung war kein Parkschein gebucht, weshalb die Beanstandung erfolgte.

Ihre offensichtliche Annahme, die Gültigkeit des elektronischen Parkscheins beginne mit der Sekunde 00 der Minute des Einlangens der Bestätigung - womit Sie gleichsam eine
Rückwirkung unterstellen, sodass beispielsweise bei Erhalt der Bestätigungs-SMS um 17:21:50 Uhr die Gültigkeit des Parkscheins um 17:21:00 Uhr beginnen würde - findet im
Parkometergesetz und den dazu ergangenen Verordnungen keine Deckung.

Entscheidend ist, ob sich der Lenker von seinem Fahrzeug entfernt, bevor er die Bestätigung der Abstellanmeldung erhält (die Parkometerabgabe nur dann zu entrichten, wenn man ein Parkraumüberwachungsorgan bemerkt, wäre andernfalls nicht ausgeschlossen).

Dies war gegenständlich nach den Feststellungen des Parkraumüberwachungsorgans, gegen deren Richtigkeit im Hinblick darauf, dass dieses zur Wahrheit verpflichtet ist sowie dessen Eingaben in das elektronische Überwachungsgerät zeitgleich in der zentralen Datenbank erfasst werden und damit einer ständigen Kontrolle unterliegen, keine Bedenken bestehen, der Fall.

Dass die Parkscheinaktivierung in derselben Minute wie die Beanstandung erfolgt ist, ändert daher nach den vorliegenden Verhältnissen an der nicht zeitgerechten Aktivierung nichts.

Da die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges (also unverzüglich, bevor sich der Lenker vom Fahrzeug entfernt) zu entrichten ist und die Abgabe bei Verwendung elektronischer Parkscheine (erst) als entrichtet gilt, wenn die Abstellanmeldung durch das elektronische System bestätigt wird, haben Sie den Tatbestand der Abgabenverkürzung nach § 4 Parkometergesetz 2006 verwirklicht, die objektive Tatseite ist daher gegeben (vgl. ).

Ihre Einwendungen waren sohin nicht geeignet Sie vom angelasteten Tatvorhalt zu entlasten.

Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstellt, muss bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 5 Abs. 2 der
Parkometerabgabeverordnung).

Die Abgabe ist mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung bei Verwendung eines elektronischen Parkscheines entrichtet (§ 5 Abs. 1 Parkometerabgabeverordnung kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien vom , Heft Nr. 51).

Dieser Verpflichtung sind Sie nicht nachgekommen.

Sie haben daher die Parkometerabgabe nicht entrichtet und somit fahrlässig verkürzt.

Nach § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 genügt zur Strafbarkeit des dort umschriebenen
Verhaltens Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außeracht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könnte, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 6 StGB).

Auf Grund der Aktenlage war Fahrlässigkeit anzunehmen.

Somit sind sowohl die objektiven, als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben.

Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 365,00 zu bestrafen (§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006).

Gemäß § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat Grundlage für die Bemessung der Strafe.

Jedes fahrlässige Verkürzen der Parkometerabgabe, d.h. jedes Abstellen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, ohne dass hierfür die nach der Parkometerabgabeverordnung vorgeschriebene Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet wird, schädigt in nicht unerheblichem Maße das an der Erleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes bestehende öffentliche Interesse, dem die Strafdrohung dient.

Dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen. Ihr Verschulden kann daher nicht als ganz geringfügig angesehen werden.

Als mildernd war das Fehlen von Vormerkungen nach dem Wiener Parkometergesetz zu werten.

Betreffend Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten sind dem Amt keine Umstände bekannt, die annehmen ließen, dass Sie durch die verhängte Strafe in Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen übermäßig hart getroffen werden.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis zu EUR 365,00 reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden ist die verhängte
Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.

Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Verfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs. 2 des VStG 1991."

Die Zustellung dieses Straferkenntnisses erfolgte am durch Hinterlegung und es wurde am durch persönliche Übernahme an den Beschuldigten ausgefolgt.

Mit an die Magistratsabteilung 67 per E-Mail vom gerichteten und als Beschwerde zu beurteilenden Schriftsatz führte der Beschuldigte aus:

"Sehr geehrte Mitarbeiter der MA67, offensichtlich lesen Sie meine Stellungnahme nicht genau und schauen sich auch nicht die übermittelten Bilder aus meinem Einspruch an. Mit der weiteren Verfolgung des Falles trotz der von mir vorgebrachten Beweise ist eigentlich schon Amtsmissbrauch gegeben.

Ich hatte zum beanstandeten Zeitpunkt eine bestätigte, gültige Buchung eines Parkscheines und habe daher auch keine fahrlässige Verkürzung der Parkometerabgabe verursacht!

Das Gesetz werden Sie ja kennen, nach welchem sowohl bei Parkscheinen wie auch bei Handybuchungen die Parkdauer erst mit der vollen 1/4, 1/2‚ 3/4 und ganzen Stunde beginnt, die auf den Buchungszeitpunkt folgt. Ausnahmen sind kostenlose 15-Minuten-Buchungen, die minutengenau nach 15 Minuten ablaufen.

Ich weiß nicht, wozu Sie da seitenlange Begründungen für Ihre fehlerhafte Erkenntnis formulieren mit anderen Zeitangaben und 15-Minuten-Belehrung (2. Absatz Seite 3), was im gegenständlichen Fall überhaupt nicht relevant ist.

Faktum ist:

Die Buchung erfolgte unmittelbar beim Verlassen des Fahrzeuges. Aufgrund der großen Hitze im Auto stellte ich mich in kurzer Distanz (2- 3 Meter) von der Fahrerseite des Autos entfernt in den Schatten der angrenzenden Mauer und buchte eine 30-Minuten Parkschein. Das erfolgte um 12:17h und in der gleichen Minute erhielt ich die Gültigkeitsbestätigung. Völlig korrekt, ich war auch neben dem Fahrzeug, ich muss nicht bei der Buchung im Fahrzeug sitzen! Dieses Gesetz gibt es nicht! Damit hatte ich ab 12:17 h eine gültige Buchung für die Parkdauer von 12:30h bis 13:00h, verdammt noch einmal! Es wäre der gleiche Betrag bei Buchungen um 12:15+ h bis 12:30- h für den gleichen Parkzeitraum von meinem Konto abgebucht worden - von wegen Verkürzung der Parkometerabgabe! Die Buchung erfolgte elektronisch ebenfalls online und in Realzeit, systembedingte, kurze Verzögerungen können da wie dort immer vorkommen. Ich hatte jedenfalls damals auf Knopfdruck sofort die Buchungsbestätigung, was wollen Sie mir da mit Erklärungen zu Ihrem elektronischen Online-System beweisen? Haben Sie’s ohne systembedingte Verzögerungen sekundengenau? Dann hätten Sie es ja in Ihre Straferkenntnis geschrieben, oder?

Ich ging nach Bestätigungsempfang sofort Richtung stadteinwärts vom Auto weg. Auch völlig korrekt, ich muss nach der schriftlichen Buchungsbestätigung nicht eine Inkubationszeit beim Auto verbringen. Ich habe beim Weggehen auch kein Überwachungsorgan von Ihnen wahrgenommen, muss ich auch nicht (!)‚ habe mich aber auch nicht um eines gekümmert oder umgesehen, sonst hätte ich es sofort zur Rede gestellt, wenn ich da jemanden bei meinem Auto wahrgenommen hätte. Wahrscheinlich hatte sich die Person hinter einem Lieferwagen, der vor mir stand, versteckt. Schräg vis-a-vis gab es auch damals noch eine Baustelle mit Containern zum Verstecken.

Die Glaubwürdigkeit Ihrer Organe wurde ja bei den jüngst in den Medien berichteten Vorkommnissen in Ihrer Magistratsabteilung unter Beweis gestellt...

Ich lehne Ihre Strafe ab und werde sie nicht bezahlen.

Ich hoffe, dass Sie jetzt das Verfahren aufgrund der oben gegeben Faktenlage einstellen. Sollten Sie wider Erwarten weiter stur auf Ihrem Standpunkt beharren, fordere ich eine mündliche Verhandlung."

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vorgelegt.

Mit E-Mail vom machte der Beschuldigte Frau Zeugin, AdresseZeugin, als Zeugin namhaft.  Sie könne bestätigen, dass er ihr um zirka 12:00 Uhr Noten zurückgebracht habe. Während dieser Zeit sei das Fahrzeug in der Weyringerstraße etwa 4 bis 5 Autolängen vor der Hauseingangstür mit dem 15-Minuten-Ticket geparkt gewesen.

Das BFG hat ein Protokoll des Handyparksystems, in dem die hier interessierenden Einlogg-Daten des Organs und des Beschuldigten aufscheinen bei der belangten Behörde beauftragt (in der Folge kurz: Systemauskunft). Die Systemauskunft wurde von der Firma Atos IT Solutions and Services GmbH erstellt und von einem Techniker mit Überschriften, was die Einträge bedeuten, versehen sowie dem BFG mit E-Mail vom übermittelt

Die mündliche Verhandlung fand plangemäß in Anwesenheit des Beschuldigten und des Schriftführers am  von 09.55 Uhr bis 12:25 Uhr im Verhandlungssaal 1H16 des Bundesfinanzgerichtes in Anwesenheit zweier Zuschauer statt. Der Volksöffentlichkeit hat der Beschuldigte vor Verhandlungsbeginn zugestimmt.

Zunächst wurden dem Beschuldigten Kopien der Tatortfotos überreicht.

In der mündlichen Verhandlung rügte der Beschuldigte, dass die von ihm namhaft gemachte Zeugin nicht geladen worden sei, und präzisierte sein bisheriges Beschwerdevorbringen durch schätzungsweise angenommene Zeitangaben wie folgt:

Der Gratisparkschein mit der Gültigkeit 11:58-12:13 Uhr sei beim Besuch seiner Bekannten verwendet worden. Der Aufenthalt bei ihr habe maximal 10 Minuten gedauert. Die Fahrt von dort bis zum Ort der Beanstandungen habe zirka 5-7 Minuten gedauert. Ein Parkplatz sei leicht zu finden gewesen, der Parkvorgang habe unwesentlich Zeit beansprucht. Um ca 12:15 bis 12:16 Uhr habe er im KFZ sitzend versucht die Handyapp aufzurufen. Wegen der Hitze sei die Autotür offen gewesen. Die Meldung von der App lautete in etwa: "Die Buchung ist derzeit aus technischen Gründen nicht möglich". Wegen der Hitze im Fahrzeug sei er ausgestiegen und habe sich in den Schattenbereich der Plakatwand gestellt und von dort aus versucht, über die Handy-SMS ins System einzusteigen. Handy SMS habe prompt funktioniert, die Rückmeldung sei 10 bis max. 20 Sekunden später am Handy eingelangt, die Buchungsdauer habe seiner Erfahrung entsprochen. Die SMS habe ihn in einer Entfernung vom PKW in zwei bis drei Metern erreicht. Zum Foto auf Seite 3 gebe er an, dass er auf dem Gehweg schräg vor der Kühlerhaube an der Plakatwand gestanden sei. Die Aufnahme sei von der Fahrbahnseite aus gemacht worden. Unter der Annahme, dass die Meldungslegerin noch während seiner Anwesenheit am Tatort die Fotos gemacht habe, wäre zwischen ihr und ihm ein Kastenwagen gestanden. Das Foto auf Seite 3 sei stadtauswärts fotografiert worden, während er stadteinwärts gegangen sei. Er habe die Meldungslegerin jedenfalls nicht wahrgenommen.

Sodann wurde dem Beschuldigten eine Kopie der Systemauskunft übergeben.

Der verlesene Teil der Systemauskunft lautet:


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Uhrzeit
Vorgang
1) 11:58:44
Gebuchter 15 min-Parkschein 11:58 bis 12:13 Uhr
2) 12:14:16
Kontrollorgan (KO) hat das KfZ kontrolliert
3) 12:14:20
KO beginnt die Abfrage der Historie der bestehenden Parktickets
4) 12:14:34
KO fragt nochmals bestehende Parktickets ab
5) 12:17:04
KO fragt nochmals bestehende Parktickets ab
6) 12:17:06
KO fragt nochmals Historie der bestehende Parktickets ab
7) 12:17:26
Beschuldigter aktiviert einen 30 min-Parkschein
8) 12:18:45
KO hat die Beanstandung angelegt mit Delikttext: Parkschein/gültiger Parkschein fehlte

Die Richterin wies darauf hin, dass dieses Beweismittel belege, dass die Meldungslegerin das Fahrzeug bereits um 12:14 Uhr ohne Parkschein vorgefunden habe, und nicht erst um 12:17 Uhr.

Der Beschuldigte äußerte sich dahingehend, dass er nicht wisse, was die Meldungslegerin um 12:14 Uhr gemacht habe. Er habe jedenfalls um 12:17 Uhr einen gültigen elektronischen Parkschein gehabt (Bestätigung abgewartet).

Dann wurden die Meldungslegerin und der Sachverständige zur Verhandlung hereingeholt und gemeinsam befragt.

Die Meldungslegerin führte aus: Als sie das Fahrzeug angetroffen habe, sei der Beschuldigte als Lenker nicht im Fahrzeug gewesen. Sie sei die Fahrzeuge auf der Fahrbahnseite entlang abgegangen. Die Argentinierstraße sei sie stadtauswärts gegangen. Sie habe den Beschuldigten während der Dauer ihrer Amtshandlung weder im Fahrzeug noch in dessen unmittelbarer Umgebung wahrgenommen. Sie erledige die Fahrzeugkontrolle stets gleich; zuerst kontrolliere sie das Parkpickerl, dann schaue sie nach einem Papierparkschein, dann tätige sie die Abfrage am Kontrollgerät (PDA). Die in den amtlichen Schriftstücken aufscheinende Zeitangabe von 12:17 Uhr werde vom Handyparksystem vorgegeben. Darauf habe sie keinen Einfluss. Den Beginn ihrer Amtshandlung schätzte sie mit 12:16 Uhr.

Nach ihrer Aussage wurde ihr und dem Sachverständigen eine Ablichtung der Systemauskunft überreicht. Die Meldungslegerin ergänzte ihre Aussage dahin, dass sie zwischen 12:14:34 bis 12:17:04 wahrscheinlich mit der Kontrolle des nächsten Fahrzeuges begonnen habe.

Der Sachverständige erläuterte die oben verlesenen Punkte der Systemauskunft wie folgt:

ad 1) Die Zeit sei jene, in der dieser Text vom System abgesendet werde. Wann dieser Text am Handy ankomme, könne nicht gesagt werden (SMS können verloren gehen oder gar nicht ankommen).

ad 2) Der Text bedeute die Abfrage, ob überhaupt elektronische Parkscheine vorhanden sind. Das System habe mit "JA" ge antwortet und angezeigt, wann der letzte Parkschein abgelaufen sei und um welchen Parkschein es sich gehandelt habe (durch Minutenangabe 15). Zu sehen auf der unterlegten Zeile Seite 3 des Protokolls. Diese Abfrage habe das Kontrollorgan um 12:14:34 und um 12:17:04 wiederholt. Die Tatzeit 12:17 Uhr habe sich durch die letzte Abfrage dieser Art ergeben, die aufgrund ihrer Wiederholung die vorangegangenen Abfragen verdrängt habe.

ad 3) Mit Berühren des Feldes "Historie" a, Touchscreen könne das Organ sämtliche Parkscheine des Beanstandungstages abrufen. Diese Abfrage habe das Organ im konkreten Fall vier Mal getätigt. 

ad 4) sie ad 2)

ad 5) sie ad 2)

ad 6) sie ad 2)

ad 7) Das sei die Zeit des Ankommens im System.

ad 8) Das Organmandat sei zum ausgewiesenen Zeitpunkt fertig im System angekommen.

Die Frage der Richterin, ob das System Aufzeichnungen dahingehend gemacht habe, dass sich der Beschuldigte in der Zeit ab ca 12:13 bis ca 12:16 Uhr vergebens bemühte, einen elektronischen Parkschein zu aktivieren, verneinte der Sachverständige. Solche Aufzeichnungen würden zwar aufgezeichnet, hätten im konkreten Fall jedoch nicht festgestellt werden können.

Im konkreten Fall sei der Zeitpunkt der Beanstandung mit 12:17 Uhr vom System ausgewiesen worden, weil zum Zeitpunkt 12:17:04 das letzte Mal nach bestehenden Parkscheinen des Tages abgefragt worden sei. Diese spezifische Abfrage sei zu erkennen an dem Programmierwortlaut "4711". Die Abfragen um 12:14:16, um 12:14:34 und um 12:17:06 würden diesen Code ausweisen. Die Abfragen nach der Historie um 12:14:20 und 12:17:06 hingegen hätten keinen Einfluss auf den Beanstandungszeitpunkt. Der Magistrat der Stadt Wien habe sich im Fall von mehreren Abfragen als für den Beanstandungszeitpunkt maßgebliche Zeit für die letzte einschlägige Abfrage entschieden. Es sei für die Lenker der in der Regel günstigere Zeitpunkt, wenn das Kontrollorgan nicht sofort das Organmandat ausstelle, sondern noch ein paar Minuten zuwarte.

Der Beschuldigte hatte an die Zeugen keine Fragen. Er rechtfertigte sich dahingehend, dass alle ihm bisher zugegangenen behördlichen Schriftstücke die Uhrzeit "12:17" ausgewiesen hätten. Diese Zeit sei unverrückbar.

Die Richterin präzisierte aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die gegenständlich vorwerfbare Verwaltungsübertretung dahingehend, dass maßgelicher Zeitpunkt 12:14 Uhr sei.

Dem Beschuldigten wird gemäß § 47 Abs. 3 VwGVG Gelegenheit zu seinen Schlussausführungen gegeben: Die Tatzeit 12:14 Uhr sei für ihn irrelevant, weil in sämtlichen bisherigen amtlichen Schriftstücken die Zeitangabe mit 12:17 Uhr erfolgt sei. "Wenn um 12:14 Uhr etwas zu beanstanden gewesen wäre, hätte sie [Anm. die Meldungslegerin] es auch gemacht, hat sie aber nicht." Dass der Beschuldigte nach seiner eingangs getätigten Aussage bis längstens 12:16 Uhr im KFZ gesessen sei und darin ein Widerspruch zum Beanstandungszeitpunkt 12:14 Uhr sei, kläre er wie folgt auf: "Ich verweise auf mein bisheriges Vorbringen und ersuche um Verständnis, dass ich mich nicht auf Sekunden festlegen kann."

Dem Hinweis der Richterin, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFG und des VwGH für solche Notfälle vorsorglich ein Papierparkschein mitzuführen sei, entgegnete der Beschuldigte: "Zunächst ist zu sagen, dass in keinem Gesetz steht, dass ein Papierparkschein vorsorglich mitzuführen ist. Ich berufe mich auf den Vertrauensgrundsatz und auf "in dubio pro reo". Wäre von Anfang an der Zeitpunkt der Beanstandung 12:14 Uhr in den amtlichen Schriftstücken gestanden, hätte ich mir enorm viele Stunden Arbeit erspart (Ausfertigung des Einspruchs und der Beschwerde, Zeit bei Gericht in der mündlichen Verhandlung), denn dann hätte ich den Organstrafbetrag sofort bezahlt. Mit einer Strafbemessung iHv € 36,00 zuzüglich Kosten des Magistrats iHv € 10,00 erkläre ich mich einverstanden."

Die Verhandlung wird um 12:25 Uhr mit Verkündung des Erkenntnisses geschlossen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beschuldigte mit einer Geldstrafe iHv EUR 36,00, wie sie dem Organmandat entspricht, einverstanden erklärt und auch die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verwaltungsstrafverfahrens iHv EUR 10,00 angenommen. Zu entscheiden ist daher über die Bescheidbeschwerde in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einschränkung.

Die Bescheidbeschwerde ist zulässig und begründet. Die beantragte mündliche Verhandlung fand antragskonform statt.

Abweisung Beweisantrag

Der Antrag auf Ladung der Zeugin wird abgewiesen. Von der Ladung der vom Beschuldigten namhaft gemachten Zeugen konnte Abstand genommen werden, weil sie nichts zur Wahrheitsfindung dahingehend hätte beitragen können, wann der Beschuldigte am Ort der Beanstandung tatsächlich angekommen ist.

Aufgrund des vom Bundesfinanzgerichts durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

Am hat der Beschuldigte als Lenker das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-*** zunächst in der Kurzparkzone 1040 Wien, Weyringergasse 38, abgestellt und dafür einen elektronischen Gratisparkschein für die Dauer 11:58 bis 12:13 aktiviert. Die Dauer des Gratisparkscheins schöpfte er jedoch an diesem Abstellort nicht aus. Der Abfahrtszeitpunkt vom Abstellort in der Weyringergasse konnte in der Verhandlung nicht ermittelt werden. Noch während der Gültigkeit des Gratisparkscheins fuhr der Beschuldigte den Abstellort, an dem das Fahrzeug dann beanstandet wurde, und zwar Wien 4, Argentinierstraße 35 gegenüber, an und stellte das Fahrzeug unverzüglich ab. Die Fahrzeit vom ersten Abstellort zum Beanstandungsort gab der Beschuldigte mit zirka 5 bis 7 Minuten an. Wann der Beschuldigte am Beanstandungsort angekommen ist, konnte in der Verhandlung ebenfalls nicht festgestellt werden.

Um 12:14 (und 16 Sekunden) Uhr hat die Meldungslegerin das erste Mal Papierparkscheine und elektronische Parkscheine überprüft und das erste Mal wahrgenommen, dass diese fehlen. Sie hat das beanstandete Fahrzeug ohne den Beschuldigten in diesem sitzend vorgefunden. Den Beschuldigten konnte sie in der Nähe des Fahrzeuges nicht ausmachen. Da der Beschuldigte nach etwa zweieinhalb Minuten des Zuwartens nicht zum Fahrzeug gekommen ist, hat sie die Organstrafverfügung mit der vom System vergebenen Zeit 12:17 (und 4 Sekunden)  Uhr ausgestellt. Um 12:18 (und 45 Sekunden) Uhr war die Beanstandung abgeschlossen. Die Beweisfotos hat die Meldungslegerin nach Fertigstellung der Beanstandung angefertigt.

Aufgrund der Schnelligkeit der Abfragen und Antworten durch das System ist auszuschließen, dass die Meldungslegerin die Amtshandlung noch um 12:13 Uhr begonnen hat.

Aufgrund er zeitlichen Nähe zum Zeitpunkt des Auslaufens des Gratisparkscheins hat sich ihr die Sachlage so dargestellt, als ob dieser zum Beanstandungsort gehörte und dort ausgelaufen ist. Das entsprach nicht dem Willen des Beschuldigten, denn dieser wollte am Beanstandungsort einen neuen Abstellvorgang für längere Dauer auslösen. Ob er das nach 12:13 Uhr tat oder noch während der Gültigkeit des Gratisparkscheins lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen.

Um die Kombination eines elektronischen Gratisparkscheines mit einem elektronischen entgeltlichen Parkschein zu verhindern, blockiert das System nach Ablaufen des elektronischen Gratisparkscheines die Aktivierung des zweiten elektronischen Parkscheines für exakt eine Minute. Der Beschuldigte war im System bis 12:14 Uhr für die Aktivierung eines neuen elektronischen Parkscheines blockiert.

Die Bestimmung des Zeitpunktes der Beanstandung für die Organstrafverfügung erfolgt durch das System, wenn nach bestehenden Parkscheinen des Beanstandungstages abgefragt wird. Diese Abfrage ist durch den Code "4711" im Protokoll ausgewiesen. Das Kontrollorgan hat zu dieser Abfrage vom System die Rückmeldung erhalten, dass ein 15-Minuten-Parkschein um 12:13 Uhr abgelaufen ist. Diese Abfrage hat das Kontrollorgan drei Mal getätigt, und zwar konkret um: 12:14:16, 12:14:34 und 12:17:06 Uhr.

Die Abfrage nach bestehenden Parkscheinen ist für das System jener Trigger, der die Bestimmung des Beanstandungszeitpunktes auslöst. Da es nur einen Beanstandungszeitpunkt geben kann, war für die Programmierung zu entscheiden, welche Abfrage im Falle mehrerer Abfrage den Beanstandungszeitpunkt für die Organstrafverfügung auslösen soll. Der Magistrat der Stadt Wien hat entschieden, dass die zuletzt getätigte Abfrage für den im Organmandat ausgewiesenen Beanstandungszeitpunkt herangezogen werde. Es sei in der Regel günstiger für die Lenker, wenn das Organ ein paar Minuten zuwarte.

Das System hat keine Aufzeichnungen darüber, dass der Beschuldigte nach Ablauf des Gratisparkscheins vergeblich versucht hat, einen 30-Minuten-Parkschein zu aktivieren. Dazu verwies der Beschuldigte darauf, dass die App von A1 am technische Probleme gehabt habe.

Es lassen sich zu drei rechtserheblichen Zeitpunkten zweifelsfrei folgende Aussagen treffen:

  • Die Tatzeit ist nicht feststellbar.

  • Der Zeitpunkt der Wahrnehmung durch das dienstliche Organ ist 12:14 Uhr.

  • Der Zeitpunkt der Beanstandung ist 12:18 Uhr.

In letzter Konsequenz wird die Zeit des Handyparksystems von der Atomzeit abgeleitet. Auch die Zeitanzeigen von Handys beruhen auf dieser Zeitangabe.

Beweismittel:

Verwaltungsakt samt Schriftsätzen des Beschuldigten, drei Fotos der Meldungslegerin, Systemauskunft vom , Aussage der Meldungslegerin, des technischen Sachverständigen und des Beschuldigten in der Verhandlung.

Beweiswürdigung:

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich schlüssig aus den angeführten Beweismitteln.

Für das Bundesfinanzgericht gibt es keinen Grund, den Angaben des behördlichen Parkraumüberwachungsorganes nicht zu folgen, zumal einerseits kein Grund einsichtig ist, weshalb dieses wahrheitswidrige Angaben machen hätte sollen und andererseits sich aus dem Akt kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass es den Beschuldigten durch seine Angaben wahrheitswidrig belasten hätte wollen (vgl. ). Im Übrigen unterliegt ein behördliches Organ aufgrund des von ihm abgelegten Diensteides der Wahrheitspflicht, sodass dieses im Fall der Verletzung dieser Pflicht straf- und dienstrechtliche Sanktionen treffen würden.

Die auf der Systemauskunft und der Aussage des Organs beruhende Sachverhaltsfeststellung ergab zweifelsfrei, dass die Meldungslegerin die Fotos etwa eineinhalb Minuten nach dem Zeitpunkt angefertigt hat, zu dem sich der Beschuldigte bereits vom Beanstandungsort entfernt hatte. Die Annahme der belangte Behörde, der Beschuldigte habe nicht in der Nähe des Fahrzeugs gewartet, kann daher nicht auf die Fotos gestützt werden.

Feststellungen dahingehend, ob der Beschuldigte tatsächlich bis zum Einlangen der Bestätigungs-SMS am Beanstandungsort in einer korrekten Distanz zu seinem Fahrzeug abgewartet hat, erübrigen sich, weil im konkreten die Entrichtung der Parkometerabgabe ausschließlich durch Entwertung eines Papierparkscheines in Frage kam.

Darüber hinaus wird jedoch bemerkt, dass das Warten auf die Bestätigungs-SMS schräg vor dem eigenen Fahrzeug und daher neben einem anderen Fahrzeug nicht mehr vom Wortlaut des § 7 Abs 2 letzter Satz Wr Kontrolleinrichtungsverordnung umfasst wird. Diesfalls wird der Lenker nämlich nach dem erweckten Anschein nicht mehr mit seinem Fahrzeug in Verbindung gebracht, sondern mit einem anderen. Wenn sich der Beschuldigte durch den geparkten Kleinlastkraftwagen, neben dem der seinem Vorbringen nach stand, die Sicht auf das eigene Fahrzeug genommen hat und die - schlanke und zierliche - Meldungslegerin, die ab 12:14 Uhr nachweislich sein Fahrzeug kontrollierte, deshalb nicht wahrgenommen hat, so gibt er selber zu erkennen, dass er sich nicht hinreichend nah bei seinem Fahrzeug aufgehalten hat.

Tatbild des Delikts der Parkometerabgabeverkürzung, Tatzeit

Gemäß § 48 Z 3 VStG 1991 hat die Strafverfügung und gemäß § 44a Z 1 VStG 1991 das Straferkenntnis die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Zur Tat gehören im konkreten Fall grundsätzlich: Täter, Tatort, Tatzeit, Tatgeschehen (Tathandlungen) und der Taterfolg (Lewisch/Fister/Weilguni § 44a Tz 2 und 3). Im konkreten Fall ist die Tatzeit aufgrund deren unterschiedliche Bezeichnung im Laufe des verwaltungsbehördlichen Verfahrens problematisch, denn 12:17 Uhr kann nicht Tatzeit, Beanstandungszeitpunkt und Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung zugleich und sein.

ad Tatzeit:

Bei Verwendung eines Papierparkscheins bleiben der Zeitpunkt der Abstellung und der Entwertung des Papierparkscheines, also die Tatzeit naturgemäß im Dunkeln. Auch im gegenständlichen Fall konnte durch das Beweisverfahren die Tatzeit nicht bestimmt werden. Die Anzeige und das Straferkenntnis bezeichnen den Zeitpunkt 12:17 Uhr daher zu Unrecht als Tatzeit.

ad Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung

§ 50 VStG (Verwaltungsstrafgesetz) 1991 regelt die Organstrafverfügung und lautet auszugsweise:

„(1) Die Behörde kann besonders geschulte Organe der öffentlichen Aufsicht ermächtigen, wegen bestimmter von ihnen dienstlich wahrgenommener oder vor ihnen eingestandener Verwaltungsübertretungen mit Organstrafverfügung Geldstrafen einzuheben. Das oberste Organ kann, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, durch Verordnung zur Verfahrensbeschleunigung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmen, für die durch Organstrafverfügung eine unter Bedachtnahme auf § 19 Abs. 1 im Vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu 90 Euro eingehoben werden darf.

(4) Eine Organstrafverfügung hat die Tat, die Zeit und den Ort ihrer Begehung, den Strafbetrag und die Behörde, in deren Namen eingeschritten wurde, anzugeben. ..."

Auch der die Anonymverfügung regelnde § 49a Abs 2 VStG 1991 spricht von der "dienstlichen Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht".

Es lässt sich daher unmittelbar vom Verwaltungsstrafrecht ableiten, dass die dienstliche Wahrnehmung die Grundlage der Verfügungen des verkürzten Verwaltungsstrafverfahrens bildet. Die moderne Technik ist weiters in der Lage, den Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung zu erfassen und das elektronische Handyparksystem hat Bedarf an dieser Präzisierung erzeugt, weil auch die Aktivierung des elektronischen Parkscheins nunmehr mit einem konkreten Zeitpunkt nachweislich verbunden wird.

Das Kontrollorgan nimmt den Papierparkschein gleich zu Beginn des Kontrollvorgangs wahr. Analoge Anforderungen sind an den elektronisch aktivierten Parkschein zu stellen. Auch dieser muss - neben anderen Voraussetzungen - zu Beginn der Amtshandlung für das Kontrollorgan – durch Abruf im System - wahrnehmbar sein. Die dienstliche Wahrnehmung des Fehlens eines gültigen elektronischen Parkscheins erfolgte im konkreten Fall um 12:14(:16) Uhr, jene zum Fehlen eines gültigen Papierparkscheines unmittelbar zuvor. Damit steht der Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung iSd § 50 Abs 1 VStG 1991 aufgrund des Systemberichts und der Aussage der Meldungslegerin objektiv und zweifelsfrei fest: 12:14 Uhr.

ad Zeitpunkt der Beanstandung:

Der Beanstandung geht eine Amtshandlung voran, die nicht in einem Augenblick abgeschlossen ist. Die gesamte Amtshandlung des Meldungslegers umfasst: Nachschau nach Parkkleber und Papierparkscheinen, Umrundung des Fahrzeuges, Eingabe der KFZ Daten, Abfrage im System nach elektronischen Parkscheinen, Abwarten der Rückmeldung des Systems, Drücken des Beanstandungsknopfes am PDA Gerät, Eingabe des Tatortes, der Ordnungsnummer und des Deliktcodes, Ausdrucken der Beanstandung, Verpacken und Anbringen am Fahrzeug und letztlich die Anfertigung von Fotos. Im System ist die tatsächliche Dauer der Beanstandung mit 12:17:04 bis 12:18:45 erfasst. Erst mit Fertigstellung und Anbringen am Fahrzeug liegt die Beanstandung rechtlich vor. So wie ein Bescheid erst mit Bekanntgabe rechtswirksam wird, verlangt die Organstrafverfügung für ihr rechtliches Wirksamwerden den Eintritt in die Rechtssphäre des Beanstandeten wie Aushändigen oder Hinterlassen am Tatort, das war im gegenständlichen Fall um 12:18 Uhr der Fall. Das anschließende Anfertigen von Fotos gehört nicht mehr zum Beanstandungsvorgang selbst, sondern dient zur Beweismittelsicherung in einem eventuell nachfolgenden Rechtsmittelverfahren.

Auch wenn vielfach die Tatzeit nach herrschender Lehre und Rechtsprechung zur Tat gehört, so ist bezüglich Parkometervergehen auszuführen, dass bei diesen Delikten die Tatzeit naturgemäß im Dunkeln bleibt. Bei Parkometervergehen spricht auch der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom "Beanstandungszeitpunkt".

Im konkreten Fall wurde aber erwiesen, dass als potentielle Beanstandungszeitpunkte im Systembericht drei Zeitpunkte registriert sind, weil die entsprechende Abfrage wiederholt wurde.

Der Lenker hat kein subjektives Recht darauf, dass das Kontrollorgan zuwartet. Es wäre daher rechtskonform gewesen, wenn das Organ anlässlich seiner ersten Wahrnehmung die Organstrafverfügung mit der Zeit 12:14 Uhr ausgestellt hätte. Diesfalls wären Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung und Zeitpunkt der Beanstandung zusammengefallen.

Es zählt zu den Aufgaben des Kontrollorgans, den Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung festzuhalten. Durch elektronische Kontrollabfragen, ob ein neuer Parkschein aktiviert wurde, wird dieser Zeitpunkt jedoch nicht verschoben. Wird dem Kontrollorgan durch technische Hilfsmittel die Feststellung des Zeitpunktes der dienstlichen Wahrnehmung abgenommen, so hat das System die Unverrückbarkeit des Zeitpunktes der dienstlichen Wahrnehmung zu beachten. Dadurch muss dem Kontrollorgan die bürgerfreundliche Möglichkeit des Abwartens ja nicht genommen werden. Kommt es nach einer Wartezeit zur Ausstellung einer Organstrafverfügung, so sollte das System auf die erste dienstliche Wahrnehmung zurückgreifen oder Wahrnehmungs- und Beanstandungszeitpunkt gemeinsam als verschiedene Zeitpunkte in die Organstrafverfügung übernehmen. Es sollte dem Organ als ultima ratio auch möglich sein, für besonders gelagerte Fälle die Auswahl des Wahrnehmungszeitpunktes selbst zu bestimmen, denn das vom Gesetz bestimmte Vollzugsorgan ist das menschliche Kontrollorgan, und nicht das System. Eine verfassungskonforme Interpretation des Begriffs der "dienstlichen Wahrnehmung durch besonders geschulte Organe der öffentlichen Aufsicht" gebietet, dass das System Arbeitsmittel des Organs bleibt und das Organ seine Wahrnehmungspflicht auch selbstbestimmt ausüben und dokumentieren kann.

Die zum Beanstandungszeitpunkt entwickelte Judikatur des VwGH stammt aus einer Zeit, als es ausschließlich Papierparkscheine gab und ein elektronisches Datenerfassungssystem wie Handyparken nicht bestand. Es ist davon auszugehen, dass die Begriffe "Beanstandungszeitpunkt" und "Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung" gleichgesetzt wurden oder das Organ den Zeitpunkt der Wahrnehmung festgehalten hat. Zusammenfassend ist zu sagen: Der Beanstandungszeitpunkt hat die Vermutung für sich, dem Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung zu entsprechen, doch ist die Vermutung widerleglich.

Der Beschuldigte hat am als Lenker das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-*** in der Kurzparkzone Wien 4, Argentinierstraße 35 gegenüber, abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem ordnungsgemäß entwerteten Papierparkschein gesorgt zu haben, sodass es erstmals um 12:14 Uhr von der besonders geschulten Meldungslegerin dienstlich wahrgenommen und um 12:18 Uhr beanstandet wurde.

Tatvorwurf ist folglich, dass das Fahrzeug um 12:14 Uhr nicht mit einem ordnungsgemäß entwerteten Papierparkschein gekennzeichnet war. Im Sinn der bisher in der tradierten Judikatur erfolgten Gleichsetzung von Beanstandungszeitpunkt und Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung ist die vorwerfbare Tathandlung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wie in der Strafverfügung beschrieben zu übernehmen und lediglich im Zeitpunkt von 12:17 Uhr auf 12:14 Uhr zu korrigieren.

Eine Korrektur der Tatzeit um wenige Minuten hat der Verwaltungsgerichtshof in Einzelfällen als unschädlich angesehen ( Verfolgungshandlung Lewisch/Fister/Weilguni § 44a VStG (Fister) Tz 2). Gleiches muss auch für eine geringfügige Korrektur des Beanstandungszeitpunktes von 12:17 Uhr auf 12:14 Uhr gelten. Damit wird die Sache des Verfahrens nicht verlassen und die Gefahr einer Doppelbestrafung besteht nicht.

objektive Tatseite:

Erfolg:

Nach § 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung ist für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) eine Abgabe zu entrichten.

Nach § 5 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung gilt die Abgabe mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheines (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.

Zur Entrichtung sind nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.

§ 3 der Verordnung des Wiener Gemeinderates über die Art der zu verwendenden Kontrolleinrichtungen in Kurzparkzonen (Kontrolleinrichtungenverordnung) lautet auszugsweise:

"(1) Abgabepflichtige, die ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer Kurzparkzone abstellen, haben dafür zu sorgen, dass es während der Dauer seiner Abstellung mit einem richtig angebrachten und richtig entwerteten Parkschein gekennzeichnet ist.

(2) Die Entwertung der Parkscheine nach Anlage II hat durch deutlich sichtbares und haltbares Ankreuzen des Beginnes der Abstellzeit (Monat, Tag, Stunde, Minute) und Eintragen des Jahres zu erfolgen, wobei angefangene Viertelstunden unberücksichtigt gelassen werden können. Bei Verwendung mehrerer Parkscheine sind auf jedem Parkschein die gleichen, der Ankunftszeit entsprechenden Daten zu bezeichnen.

Gemäß § 4 Abs 2 Kontrolleinrichtungenverordnung ist die Kombination eines gebührenpflichtigen Parkscheines mit einem Gratisparkschein in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge ist unzulässig.

Der Abgabenanspruch an der Parkometerabgabe und deren Fälligkeit entstehen mit Beginn des Abstellens (vgl ). Mit dem Erkenntnis erkannte der Verwaltungsgerichtshof zu Recht, „ daß unverzüglich nach dem "Abstellen" des Fahrzeuges die Parkometerabgabe durch Ausfüllen des Parkscheines zu entrichten [sei ] . Entfernt sich der Lenker, ohne diese Pflicht zu erfüllen vom "abgestellten" Fahrzeug (auch nur zur Besorgung von Parkscheinen), so verwirklicht er bereits den Tatbestand der Abgabenverkürzung nach § 4 des (Wiener) Parkometergesetzes (Hervorhebung durch BFG).Zu ergänzen ist, dass der Begriff „Abstellen“ gemäß § 1 Abs 2 leg.cit. sowohl das Halten im Sinne der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 27 der StVO 1960, als auch das Parken im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 28 der StVO 1960 von mehrspurigen Kraftfahrzeugen umfasst.

Der Abstellzeitpunkt ist bei einem Parkometerabgabedelikt die Tatzeit. Sie wird zwar in der Anzeige und im Straferkenntnis mit 12:17 Uhr angegeben, ist jedoch nach der Systemauskunft und dem übrigen Ergebnis des Beweisverfahrens im Dunkeln geblieben.

Fest steht und ist damit als Tat vorwerfbar, dass das Fahrzeug um 12:14 Uhr nicht mit einem ordnungsgemäß entwerteten Papierparkschein gekennzeichnet war.

Dadurch sind der abgaberechtliche Erfolg in Form der Verkürzung der Parkometerabgabe und Strafbarkeit im Zeitpunkt der Abstellung eingetreten. Ein erst um 12:17 Uhr aktivierter Parkschein lässt den eingetretenen Abgabenerfolg wie auch den Eintritt der Strafbarkeit unberührt (vgl. etwa ).

Handlung, Kausalität, objektive Zurechnung:

Der Beschuldigte hat es unterlassen, das angesprochene Fahrzeug im Zeitpunkt der Abstellung mit einem ordnungsgemäß entwerteten Papierparkschein zu kennzeichnen, sodass es um 12:14 Uhr von der Meldungslegerin iSd § 10 Abs 1 VStG 1991 wahrgenommen wurde. Ein ordnungsgemäß entwerteter Papierparkschein wäre im konkreten Fall ein solcher, den der Beschuldigte unmittelbar bei Erkennen der technischen Probleme mit der App vor 12:14 Uhr und vor Verlassen des Fahrzeugs durch Ankreuzen entwertet hätte.

Ein elektronischer Parkschein kam im konkreten Fall am Beanstandungsort bereits aufgrund der technischen Probleme nicht in Betracht. Für das Kontrollorgan stellte sich der auslaufende Gratisparkschein so dar, als ob er zum Abstellvorgang am Beanstandungsort gehörte. Davon ging auch die belangte Behörde mit dem angefochtenen Straferkenntnis aus. Nach Ablauf eines (Gratis)Parkscheins sieht das Gesetz nur ein einziges rechtskonformes Verhalten vor: Der Lenker muss die Kurzparkzone verlassen. Diese Möglichkeit hat die Meldungslegerin dem Beschuldigten durch ihr Zuwarten auch eingeräumt.

Der Beschuldigte wollte am Beanstandungsort jedoch mit einem neuen Parkschein von längerer Gültigkeit einen neuen Abstellvorgang beginnen. Um für ein Kontrollorgan diesen Willen nach außen hin zweifelsfrei erkennbar zu machen, gibt es nur die Möglichkeit der Verwendung eines Papierparkscheines. Nur ein Papierparkschein hätte beispielsweise bereits um 12:12 oder 12:13 Uhr entwertet werden können. Einen für ihn nutzlos gewordenen Gratisparkschein in Papierform hätte der Beschuldigte vernichten und einen 30-Minuten-Parkschein mit der Zeitangabe 12:15 Uhr anbringen können. Eine solche Vernichtung ist für elektronische Parkscheine derzeit technisch nicht vorgesehen. Fraglich ist, wie missbrauchsanfällig das wäre.

Der Abstellvorgang war für den Eintritt des Abgabenerfolgs kausal, denn er kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg in der konkreten Gestalt entfiele. Schließlich ist die der Eintritt des Erfolgs dem Beschuldigten objektiv zuzurechnen, weil der Erfolgseintritt nicht gänzlich außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung lag.

Die objektive Tatseite ist erfüllt.

subjektive Tatseite:

§ 5 Abs 1 VStG normiert, dass wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt.

Da zum Tatbestand gegenständlicher Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens (Abgabenverkürzung) gehört, ist der Fahrlässigkeitsbegriff des Strafgesetzbuches (StGB) heranzuziehen.

§ 6 (1) StGB lautet: "Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht."

Auf der Website der Stadt Wien (wien.gv.at/Verkehr und Stadtentwicklung/Parken/Kurzparkzonen und Parkgebühren/Parkgebühren bezahlen/HANDY Parken) finden sich zum Handy-Parken folgende Informationen:

"…. Als HANDY Parken-NutzerIn ist man an dieselben abgabenrechtlichen Bestimmungen gebunden wie andere VerkehrsteilnehmerInnen, die das herkömmliche Parkscheinsystem verwenden. Die Parkgebühr wird in der gleichen Höhe, wie sie für Papierparkscheine gilt, bezahlt. Die Parkgebühr gilt erst dann als bezahlt, wenn nach der Parkscheinbuchung die Bestätigung via SMS oder HANDY Parken App erhalten wurde. Erst dann wird der entsprechende Betrag vom Parkkonto abgebucht.

Es wird empfohlen, bis zum Einlangen der jeweiligen Bestätigung (via SMS oder HANDY Parken App) beim Fahrzeug zu bleiben. Aufgrund der dann möglichen, eventuellen Kontaktaufnahme mit dem Kontrollorgan kann vermieden werden, dass während des Weggehens vom Fahrzeug eine Abfrage des Kennzeichens und die darauf folgende Beanstandung wegen fehlendem Parkschein vorgenommen wird.

Sollte die jeweilige Bestätigung (via SMS oder HANDY Parken App) nicht einlangen, muss ein Papierparkschein ausgefüllt werden…"

Zusätzlich besteht eine umfassende Rechtsprechung des BFG zur Thematik "Handyparken, SMS in selber Minute", die einhellig in Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes , die Rechtsansicht vertritt, dass bei einer Zeitgleichheit der Bestätigungsmeldung und der Beanstandung durch ein Parkraumüberwachungsorgan eine fahrlässige Abgabenverkürzung vorliegt (stellvertretend für viele: ; ; ; ; ; ).

Die Rechtsprechung des BFG wird im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (https://findok.bmf.gv.at/).

Im Fall fahrlässigen Verhaltens geht es um die Verletzung von Sorgfaltspflichten.

Hinsichtlich der objektiven Sorgfaltswidrigkeit der Handlung ist die Frage zu beantworten, ob sich ein einsichtiger und besonnener Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters, ausgestattet mit dessen Sonderwissen, in der konkreten Situation anders verhalten hätte. Diese Frage ist zu bejahen, weil ein einsichtiger und besonnener Mensch erkannt hätte, dass der Ausfall der Technik bloß als Ausrede anzusehen ist, wenn neben dem elektronischen Parkscheinsystem das grundsätzliche System in Papierform besteht.

Hinsichtlich der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit der Handlung ist die Frage zu beantworten, ob auch „ein anderer“, ausgestattet mit den geistigen und körperlichen Verhältnissen des Täters, in dessen Situation fähig gewesen wäre, den objektiven Sorgfaltsanforderungen zu genügen.

Der Akteninhalt und das Vorbringen des Beschuldigten sowie der von ihm in der Verhandlung gewonnene persönliche Eindruck bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass er nach seinen persönlichen Verhältnissen zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt nicht fähig gewesen wäre, die objektiv gebotene Sorgfalt einzuhalten oder den von ihm verursachten Erfolg vorauszusehen, oder dass ihm rechtmäßiges Verhalten in der konkreten Situation unzumutbar gewesen wäre.

Die subjektive Tatseite ist erfüllt.

Rechtfertigung, Entschuldigungsgründe Strafausschließungsgründe:

§ 6 VStG 1991 lautet: " Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist."

Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt gemäß § 5 Abs. 2 VStG nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Die Erfüllung des Tatbestandes indiziert Rechtswidrigkeit; Rechtswidrigkeit der Handlung indiziert Schuld.

Der Beschuldigte entgegnete in der Verhandlung dem Hinweis der Richterin, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFG und des VwGH für solche Notfälle vorsorglich ein Papierparkschein mitzuführen sei, dahingehend, dass das in keinem Gesetz stehe.

Dazu ist zu sagen, dass keine Rechtsordnung sämtliche Verbote oder Anordnungen ausdrücklich auflisten kann. Die Unkenntnis eines Gesetzes kann nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn einer Person die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach den Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist ().

Die Berufung auf den Vertrauensgrundsatz, weil er darauf vertraut habe, dass es im konkreten Fall um den Beanstandungszeit 12:17 Uhr gehe, verhilft nicht zu Erfolg, weil es darum beim Vertrauensgrundssatz nicht geht. Der Vertrauensgrundsatz greift dann, wenn ein Rechtsunterworfener auf eine bestehende Rechtslage oder behördliche Auskunft vertraut, danach disponiert und dann dennoch bestraft wird. Im konkreten Fall ist die Rechtslage eindeutig und die Behörde hat die bei der Fahrlässigkeit dargestellte Information öffentlich abrufbar gemacht.

So hat das BFG die behördliche Auskunft, bei Wechselkennzeichen den Parkkleber gemäß § 5 Abs 3 Pauschalierungsverordnung nicht in die obere rechte Ecke kleben zu müssen, sondern stattdessen zu folieren und auf dem Armaturenbrett abzulegen, um ihn in beiden Fahrzeugen verwenden zu können, als tauglichen Rechtfertigungsgrund iSd § 6 VStG 1991 in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen eines Parkometervergehens angesehen ().

Auch die Berufung auf den Zweifelssatz "in dubio pro reo" geht fehl, weil keine Zweifel an der Schuld des Beschuldigten bestehen. Im Zweifel wurde zu Gunsten des Beschuldigten Fahrlässigkeit angenommen, weil Vorsatz auf der Tatsachenebene nicht gedeckt wäre. Hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung der fahrlässigen Verkürzung der Parkometerabgabe besteht jedoch vielmehr Sicherheit.

Die Tat ist strafbar.

Strafbemessung:

Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 365,00 zu bestrafen.

Gemäß § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Bemessung der Strafe ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, allerdings muss die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheinen (vgl. und ).

Das Tatbestandsmerkmal der "Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes" und der "Intensität seiner Beeinträchtigung" bilden ein zentrales Anknüpfungskriterium für die Strafbemessung (Thienel/ Zeleny, Verwaltungsstrafverfahren 19, C2 19). Hält man sich vor Augen, dass die Bestimmungen des Parkometergesetzes nicht primär der Erzielung von Einnahmen der Gebietskörperschaft, sondern der zweckmäßigen Rationierung der Möglichkeiten, Fahrzeuge abzustellen, also der besseren Aufteilung des zunehmend knapper werdenden Parkraumes auf eine größere Anzahl von Fahrzeugen während des Verbotszeitraumes, dienen, so ist die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes evident. Angesichts der Wichtigkeit einer effizienten Parkraumbewirtschaftung ist daher der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht unerheblich.

Da der Beschuldigte zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Angaben gemacht hat, war von durchschnittlichen Verhältnissen auszugehen.

Dem Beschuldigten kommt nach der Aktenlage der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute, welcher von der belangten Behörde bei der Strafbemessung bereits berücksichtigt wurde.

Gemäß Art 6 Abs 3 lit a EMRK hat jeder Angeklagte mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) das Recht, in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden.

Unter den Begriff „alle Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung“ gemäß Art 6 Abs 3 lit a EMRK fällt auch die Tatsache, dass Beanstandungszeitpunkt und Zeitpunkt der ersten dienstlichen Wahrnehmung um vier Minuten auseinanderfallen. Sinn und Zweck des das faire Verfahren regelnden Grundrechts besteht darin, dem Rechtsunterworfene die Ergreifung umfassender Rechtsschutzmaßnahmen zu ermöglichen. Der umfassende Rechtsschutz umfasst auch, zeitgerecht aufgrund der Einzelheiten des Tatvorwurfs die Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittelverfahrens zu erkennen. Im konkreten Fall hätte Rechtsfriede zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt – nämlich bei Ausstellung der Organstrafverfügung - erreicht werden können.

Die Vermeidung eines Rechtsmittelverfahrens liegt darüber hinaus auch im Interesse der Verwaltungsbehörde, die verpflichtet ist, den Grundsatz einer ökonomischen Verwaltung zu beachten.

Aus diesen Gründen erscheint bei einem bis zu 365 Euro reichenden gesetzlichen Strafrahmen die verhängte Geldstrafe von 36 Euro wie in der Organstrafverfügung in general- und spezialpräventiver Hinsicht als schuld- und tatangemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Kostenentscheidung

Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gemäß § 52 Abs. 2 ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.

Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 54b Abs. 1 VStG idF BGBl l 2013/33 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat. Unter Vollstreckung ist auch die mit gegenständlichem Erkenntnis ausgesprochene Herabsetzung der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe zu subsumieren, weshalb die belangte Behörde die bisher verhängte Geldstrafe teilweise abzuschreiben haben wird.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision zulässig, da das Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Falllösung hatte das BFG zwischen Tatzeit, Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung und Beanstandungszeitpunkt zu differenzieren. Weiters hat es das BFG als rechtswidrig angesehen, dass nicht das Organ den Zeitpunkt der Wahrnehmung bestimmt. Zu beiden Rechtsfragen fehlt bislang eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

Im konkreten Fall wurde vom Handyparksystem als Beanstandungszeitpunkt für die Organstrafverfügung die letzte Abfrage des Organs um 12:17 Uhr herangezogen. Das BFG hat demgegenüber die erste Abfrage um 12:14 Uhr als maßgeblich angesehen, weil dieser Zeitpunkt dem Zeitpunkt der dienstlichen Wahrnehmung iSd § 50 Abs 1, § 49 Abs 2 VStG 1991 entspricht und daher eine rechtliche Grundlage hat, sowie das angefochtene Straferkenntnis insoweit abgeändert. Der wahre Tatvorwurf war für den Beschuldigten, der einen mit dem Zeitpunkt 12:17 Uhr aktivierten, elektronischen Parkschein nachgewiesen hatte, durch den ursprünglichen Beanstandungszeitpunkt 12:17 Uhr nicht erkennbar.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 50 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
Art. 6 Abs. 3 EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 210/1958
§ 48 Z 3 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 44a Z 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 49a Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 5 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 3 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung, ABl. Nr. 33/2008
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7501000.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at