Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 04.06.2019, RV/7102195/2013

Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Senat, über die Beschwerde des Bf., vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA vom betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 2008 und 2009 in der Sitzung am zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Der Beschwerdeführer (Bf.) erbringt Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik. Für die Jahre 2008 und 2009 reichte der Bf. keine Abgabenerklärungen ein. Ab Jänner 2011 führte die belangte Behörde eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Zusammenfassende Meldung und Kammerumlage für diesen Zeitraum durch. Der Bericht der Außenprüfung vom , zugestellt durch Hinterlegung am , enthielt diverse Feststellungen (fehlende Empfängernennung gem. § 162 BAO, Privatanteil Wohnkosten, Angemessenheitsprüfung Pkw, Zinsaufwand, Privataufwendungen etc.) Pkw. Unter „Tz 1. Allgemeines zum Prüfungsverfahren“ wurde festgehalten: „Vom Finanzamt wurde seit Juni 2010 versucht, den Abgabepflichtigen zur Abgabe der Steuererklärungen 2008 und 2009 sowie zur laufenden Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für 2010 zu bewegen. Zu diesem Zweck wurde nach mehreren vom Abgabepflichtigen verursachten Terminverschiebungen am eine Umsatzsteuerprüfung für die Monate Jänner bis Oktober 2010 durchgeführt. Am wurde eine Betriebsprüfung für die Jahre 2008 und 2009 begonnen. Dabei wurden vom Abgabepflichtigen Buchungsauflistungen in Form von Excel-Dateien und Belegordner jeweils für 2008 und 2009 vorgelegt. Vom Betriebsprüfer wurden diese Unterlagen überprüft und in mehreren Vorhalten diverse Unklarheiten aufgeworfen. Unter anderem wurde mit Schreiben des Finanzamts vom eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung zu den ausstehenden Veranlagungen Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2008 und 2009 an den Abgabepflichtigen übermittelt. Auf dieses Schreiben wurden vom Abgabepflichtigen bis zum vereinbarten Termin keine begründeten Einwendungen vorgebracht. Auf die mittels RSb-Brief und E-mail am an den Abgabepflichtigen gesandte Niederschrift mit ausführlicher Darstellung der Prüfungsfeststellungen wurde vom Abgabepflichtigen überhaupt nicht reagiert. Die Veranlagungen der Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2008 und 2009 erfolgen daher unter Anwendung des § 184 Bundesabgabenordnung (BAO) auf Basis folgender Ermittlungsergebnisse.

Am ergingen diesen Feststellungen Rechnung tragende Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 und wurden rechtskräftig.

2. Mit Schreiben vom wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer sowie Umsatzsteuer für die Jahre 2008 und 2009 beantragt. Der steuerliche Vertreter führte im Antrag aus, dass der Bf. aufgrund privater und geschäftlicher Probleme im Rahmen der Betriebsprüfung nicht ausreichend mitgewirkt habe, kein Rechtsmittel gegen die gegenständlichen Bescheide ergriffen habe und diese dadurch rechtskräftig wurden. Es sei leider unterlassen worden, die angeforderten Unterlagen und Informationen an den Betriebsprüfer weiterzuleiten, da der Bf. angenommen habe durch die Kanzlei A. vertreten zu werden. Die Betriebsprüfung sei daher ohne ausreichende Klarstellung der Sachverhalte und nur aufgrund der Annahmen des Betriebsprüfers abgeschlossen worden.

Aufgrund der am an die Kanzlei A. erteilten Vollmacht, hätten der Betriebsprüfungsbericht vom und die neu ergangenen Bescheide vom richtigerweise an die steuerliche Vertretung adressiert werden müssen. Diese seien daher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, da die Zustellung an den Bf. selbst erfolgte. Auf die Bescheide wurde nicht reagiert, da der Bf. davon ausgegangen ist, dass seine damalige steuerliche Vertretung die erforderlichen Schritte unternehmen würde.

Im Zuge der nachträglichen Erstellung von korrekten Aufzeichnungen, Jahresabrechnungen und Steuererklärungen seien neue Beweismittel hervorgekommen, welche zu anderen Sprüchen in den jeweiligen Bescheiden führen würden. Die Wiederaufnahme des jeweiligen Verfahrens sei somit gerechtfertigt.

In weiterer Folge wurden inhaltliche Einwendungen und Anmerkungen gegen die Feststellungen der Betriebsprüfung vorgebracht.

3. Mit Mängelbehebungsauftrag vom wurde der Bf. auf bestehende inhaltliche Mängel des Wiederaufnahmeantrags hingewiesen und die Behebung bis zum aufgetragen. Im Antrag nicht enthalten seien einerseits die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind (3-Monatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO) sowie jene, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Nichtgeltendmachung im abgeschlossenen Verfahren notwendig sind. Weiters wurde angemerkt, dass aus dem Antrag vom aus Sicht der Behörde keine neuen Beweismittel erkenntlich seien, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würden und dargelegt, was unter neuen Tatsachen oder neuen Beweismitteln im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO zu verstehen sei.

Die Zustellung der Bescheide und des Betriebsprüfungsberichtes an den Bf. selbst sei zu Recht erfolgt, da der Behörde keine Zustellvollmacht bekannt gegeben worden sei.

4. Mit Schriftsatz vom teilte der nunmehrige steuerliche Vertreter des Bf. innerhalb verlängerter Frist mit, dass er im Oktober 2011 die Vertretung des Bf. übernommen habe und beauftragt worden sei, dessen steuerliche Angelegenheiten wieder in Ordnung zu bringen. Es habe länger gedauert, bis alle erforderlichen Unterlagen vorgelegen seien, um eine ordnungsgemäße Buchhaltung, Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie Steuererklärungen für die gegenständlichen Jahre zu erstellen. Nach Erstellung der Unterlagen und Freigabe durch den Bf. am habe man rechtzeitig innerhalb der 3-Monats-Frist nach Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes, welcher ausführlich im Antrag erläutert sei, den Antrag auf Wiederaufnahme gestellt.

Hinsichtlich des Nichtvorliegens eines groben Verschuldens des Bf. an der Nichtgeltendmachung werde auf den Tatbestand verwiesen, dass der Bf. einen steuerlichen Vertreter mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Interessen beauftragt habe und somit der Meinung war, dass dieser sich um die Einhaltung sämtlicher Fristen kümmern werde und ihn in allen Belangen gegenüber dem Finanzamt vertreten sowie notwendige Maßnahmen ergreifen würde. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass die Kanzlei A. die erteilte Vollmacht nicht beim Finanzamt vorgelegt habe und er habe daher fälschlicherweise angenommen, dass die Kanzlei sämtliche steuerlichen Belange für ihn erledigen würde. Aufgrund der Urlaubszeit habe sich die Aufklärung der Sachlage verzögert und sei kein Rechtsmittel gegen die nach der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide ergriffen worden. Die besonderen Umstände würden eindeutig aufzeigen, dass es sich nicht um vorsätzliches Handeln bzw. Nichttätigwerden des Bf. gehandelt habe. Aufgrund des Zusammentreffens mehrerer privater und betrieblicher Probleme treffe ihn kein grobes Verschulden.

Es werde außerdem darauf hingewiesen, dass eine amtswegige Wiederaufnahme (allenfalls über Parteianregung) zu erfolgen habe, wenn neue Tatsachen durch die nachträgliche Erstellung einer Buchhaltung und Steuererklärungen hervorkommen.

5. Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme ab. Zunächst wurde der Verfahrensgang dargestellt und festgehalten, dass die Zustellung an den Bf. selbst ordnungsgemäß erfolgt sei. Im Wesentlichen wurde die Abweisung mit der Nichtwahrung der 3-Monats-Frist nach Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes sowie mit Vorliegen von grobem Verschulden begründet.

Der Bf. habe weder auf die Schreiben (, ) hinsichtlich der beabsichtigten Prüfungsfeststellungen noch auf die Zusendung des Prüfungsberichts reagiert. Dem Vorbringen, der Bf. habe nicht auf die Bescheide reagiert, weil er sich steuerlich durch die Kanzlei A. vertreten fühlte, werde entgegnet, dass es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass sich ein Abgabepflichtiger über einen Zeitraum von mehreren Monaten nicht mit seinem steuerlichen Vertreter, insbesondere über die weitere Vorgangsweise in Bezug auf ein einzubringendes Rechtsmittel, abspreche. Weiters sei davon auszugehen, dass die im Antrag auf Wiederaufnahme angeführten Argumente dem Abgabepflichtigen bereits im Juni 2011 bekannt gewesen seien.

Im Anschluss nahm die Behörde Stellung zu den im Antrag geäußerten inhaltlichen Einwendungen hinsichtlich der Feststellungen der Betriebsprüfung und sah im Vorbringen des Bf. keinen Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens.

6. Dagegen wurde mit Schreiben vom die nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung erhoben und begründend zunächst auf das bisherige Vorbringen in den Schriftsätzen vom und verwiesen. Ergänzend wurde festgehalten:

„Das Vorliegen neuer Tatsachen in Form der ordnungsgemäß erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie der Überschussrechnung für die Jahre 2008 und 2009 samt Steuererklärungen hat sich erst nach Abschluss der Aufbuchung der Geschäftsunterlagen, welche bis dahin nur in Form einer vom Mandanten unzureichend erstellten Excelaufstellung vorgelegen haben, ergeben. Gemäß VwGH Rechtsprechung sowie den Richtlinien zu § 303 BAO unter Hinweis auf Entscheidungen des VwGH 93/14/0233 vom sowie 88/13/0075 + 88/13/0077 vom stellen dies neue Tatsachen im Sinne des § 303 BAO dar und sind somit taugliche Wiederaufnahmegründe. Die dem zu Grunde liegenden Tatsachen waren zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existent, mangels ordnungsgemäßer Aufzeichnungen jedoch unserem Mandanten nicht bekannt. Die Annahme der Abgabenbehörde, dass die Tatsachen unserem Mandanten durch die Ausfertigung der Steuerbescheide sowie des Prüfungsberichtes bekannt geworden sind, ist falsch, da die Ausführungen im Bericht aus den Annahmen und Schätzungen des Prüfers resultieren. Diese stellen jedoch nicht die tatsächlichen, bereits existenten Tatsachen aufgrund der bestehenden Abgabenansprüche an Umsatzsteuer und Einkommensteuer dar, welche bei der Umsatzsteuer mit Ablauf des Monats entstehen, in welchem die umsatzsteuerrelevanten Sachverhalte realisiert werden und den Abgabenanspruch hinsichtlich der Umsatzsteuer begründen. Der Abgabenanspruch ergibt sich für die Einkommensteuer mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Die Höhe des daraus resultierenden Einkommens und der sich daraus ergebenden Einkommensteuer sowie der Umsatzsteuer hier insbesonders für die Jahre 2008 und 2009 war unserem Mandanten aber erst nach Vorliegen der ordnungsgemäß erstellten Buchhaltung bekannt, welche erheblich vom Ergebnis der Betriebsprüfung abweichen. Der eingebrachte Antrag war somit innerhalb der gesetzlichen Frist von 3 Monaten ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes durch unseren Mandanten rechtzeitig erfolgt. Die Abweisung unseres Antrages vom mit der Begründung der Fristversäumnis ist daher rechtswidrig erfolgt. Warum unserem Mandanten kein grobes Verschulden vorzuwerfen ist, haben wir bereits in unseren bisherigen Schreiben ausreichend erläutert.“

Im Anschluss bringt der Bf. erneut inhaltliche Einwendungen gegen die Feststellungen der BP vor und weist auf den Umstand hin, dass eine amtswegige Wiederaufnahme zu verfügen sei, wenn neue Tatsachen aufgrund der Erstellung einer Buchhaltung sowie von Steuererklärungen hervorgekommen sind.

7. Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung abgewiesen und diese im Wesentlichen damit begründet, dass weder im Wiederaufnahmeantrag noch in der Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages vom eine konkrete, neu hervorgekommene Tatsache bzw. ein konkretes, neu hervorgekommenes Beweismittel genannt wurde, um den Ausgangspunkt für die Berechnung der 3-Monats-Frist festlegen zu können. Der Umstand, erstmals die längst in der Sphäre des Bf. befindlichen eigenen Unterlagen selbst oder von einem beauftragten Steuerberater zu sichten und in einer Buchhaltung erfassen zu lassen, stelle weder eine neu hervorgekommene Tatsache noch ein neu hervorgekommenes Beweismittel dar. Dass es der Bf. über über einen langen Zeitraum unterlassen habe, selbst nach mehrmaliger Aufforderung der Betriebsprüfung, zu konkreten Fragen Stellung zu beziehen und Unterlagen vorzulegen oder sonst an der Ermittlung mitzuwirken, sei von ihm zu verantworten und ist darin ein grobes Verschulden zu sehen, das ursächlich für die Nichtgeltendmachung entscheidungsrelevanter Umstände ist. Mangels dargelegter neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel sei die beantragte Wiederaufnahme daher als unbegründet abzuweisen.

8. Der Vorlageantrag wurde ohne Erstattung eines weiteren Vorbringens eingebracht. Es wurde lediglich auf die Ausführungen des Wiederaufnahmeantrags sowie der Beantwortung des Mängelbehebungsauftrags verwiesen.

Es wurde erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die am bei dem unabhängigen Finanzsenats als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind. 

Feststehender Sachverhalt:

Der Bf. erzielte in den gegenständlichen Zeiträumen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (EDV-Dienstleistungen) und aus Vermietung und Verpachtung. Die belangte Behörde führte ab dem eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO und eine Nachschau gemäß § 144 BAO beim Bf. durch. Bis zu Beginn der Außenprüfung wurden keine Steuererklärungen für die Zeiträume 2008 und 2009 eingereicht.

Im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung wurden dem Betriebsprüfer die vorhandenen Buchhaltungsunterlagen übergeben. Diese bestanden aus detaillierten „Buchungsauflistungen“ in Form von Excel-Tabellen und dem dazugehörigen Belegmaterial. Die Tabellen enthalten folgende Positionen: Periode, Belegnummer, Zahlungsdatum, Rechnungsdatum, Kunde/Lieferant, Belegtext, Netto, Umsatzsteuer 10/20%, Brutto, Kennzahl der Steuererklärung.

Aus dem Arbeitsbogen der Betriebsprüfung ist ersichtlich, dass der Betriebsprüfer die vom Bf. vorgelegten Unterlagen und Belege zunächst überprüft hat, dann die steuerlichen Bemessungsgrundlagen auf Basis dieser vorgelegten Unterlagen ermittelt und im weiteren die angeführten Feststellungen (fehlende Empfängernennung gem. § 162 BAO, Privatanteil Wohnkosten, Angemessenheitsprüfung Pkw, Zinsaufwand, Privataufwendungen etc.) getroffen hat. Mit Schreiben vom legte die bel. Behörde die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Prüfungsfeststellungen dar und gab dem Bf. Gelegenheit bis zum Stellung zu beziehen. Von der Möglichkeit zur Stellungnahme wurde kein Gebrauch gemacht. In weiterer Folge übermittelte die bel. Behörde die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom , nachweislich zugestellt durch Hinterlegung am , und wies den Bf. darauf hin, dass er im Rahmen eines Besprechungstermins am begründete und durch Belege nachgewiesene Einwendungen erbringen könne. Da keine Reaktion des Abgabepflichtigen erfolgte, wurde die Außenprüfung abgeschlossen. Der Betriebsprüfungsbericht vom wurde nachweislich am durch Hinterlegung zugestellt. Eine Zustellvollmacht eines steuerlichen Vertreters bestand zum damaligen Zeitpunkt nicht. Es ist unstrittig, dass die vom Bf. an die Kanzlei A. erteilte Vollmacht vom nie ausgeübt und gegenüber dem Finanzamt nicht offengelegt wurde.

Innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist wurde kein Rechtsmittel erhoben, die nach der Betriebsprüfung ergangenen Erstbescheide betreffend Einkommensteuer- und Umsatzsteuer für 2008 und 2009 wurden rechtskräftig.

Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 und 2009 eingebracht. Durch die Erstellung korrekter Aufzeichnungen, Jahresabrechnungen sowie Steuererklärungen seien neue Beweismittel hervorgekommen, welche zu anderen Sprüchen in den jeweiligen Bescheiden führen würden. In weiterer Folge wurden zu den Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts inhaltliche Einwendungen vorgebracht.

Die bel. Behörde wies den Bf. mit Mängelbehebungsauftrag vom auf das Fehlen von Inhaltserfordernissen im Sinne des § 303a BAO idF BGBl I 2009/20 hin (Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags sowie zur Beurteilung des fehlenden Verschuldens notwendig sind). Darüber hinaus teilte die bel. Behörde mit, dass aufgrund ihres bisherigen Kenntnisstandes keine neuen Beweismittel vorliegen, die zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen könnten.

In der Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages vom wurde erneut (allgemein) auf das Hervorkommen neuer Beweismittel im Zuge der Erstellung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung, der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie der Steuererklärungen verwiesen. Es sei weiters eine amtswegige Wiederaufnahme durchzuführen, wenn durch die Erstellung einer Buchhaltung sowie nachfolgender Steuererklärungen neue Tatsachen hervorgekommen sind.

Strittig ist somit, ob Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 Abs. 1 lit b im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verfügen ist.

Rechtslage und rechtliche Erwägungen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der ab anzuwendenden neuen Rechtslage ist die Drei-Monats-Frist, innerhalb der ein Wiederaufnahmeantrag einzubringen war, nicht mehr in Geltung. Der Antrag auf Wiederaufnahme der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 2008 und 2009 ist am und somit innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist beim Finanzamt eingelangt. Es ist daher zu prüfen, ob die Wiederaufnahme zu verfügen ist.

Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl ; , 96/13/0185). Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (zB , , 96/15/0221).

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens  zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden  Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck  gebracht) geführt hätten.

Keine Tatsachen sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche  Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse  durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender  Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden.

Unter einem Beweismittel versteht man ein Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen wie beispielsweise Urkunden oder Zeugenaussage.

Der VwGH hat in seiner neueren Rechtsprechung () aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO abgeleitet, „dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist“ und diese Ansicht in der Folgeentscheidung ( ) bekräftigt. Auch nach Fischerlehner (Abgabenverfahren, 2. Auflage, § 303 Anm 6) bilden Umstände, die der Partei bekannt waren, keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei.

Hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit des gestellten Wiederaufnahmeantrages ist es folglich maßgeblich, ob aus Sicht des Bf. Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden sollen, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei (). Nur dieser solcherart festgelegte Tatsachenkomplex bildet die „Sache“, dh den Gegenstand des Wiederaufnahmsverfahrens. Ein Austausch von Wiederaufnahmsgründen im Beschwerdeverfahren (also eine Bestätigung der Wiederaufnahme aus anderen Gründen) ist unzulässig. (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 Anmerkung 10)

Nach der Judikatur des VwGH ist der Wiederaufnahmswerber behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes (vgl ; , 2006/13/0146; , 2010/15/0144). Dieser ist in seinem Antrag konkretisiert und schlüssig darzulegen ().

Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hat daher - ggf. im Wege eines Verweises auf geeignete Schriftstücke - eine wenngleich knappe, nach Lage des Falles aber ausreichende Darstellung zur Beurteilung der Fragen zu enthalten, dass (in diesem Verfahren) aus Sicht des Antragstellers Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, worin genau diese bestanden haben, wann sie hervorgekommen sind (nova reperta) sowie, dass die Tatsachen oder Beweismittel geeignet waren, den Spruch des neuen Sachbescheides zu beeinflussen (es muss sich um entscheidungserhebliche Sachverhaltselemente handeln) (vgl. -I/07).

Im Rahmen der Betriebsprüfung wurden dem Betriebsprüfer die vorhandenen Buchhaltungsunterlagen in Form von Excel-Tabellen sowie die zugrundeliegende Belegsammlung vorgelegt.

In seinem Antrag auf Wiederaufnahme vom behauptet der Bf., dass im Zuge der nachträglichen Erstellung von korrekten Aufzeichnungen, Jahresabrechnungen und Steuererklärungen neue Beweismittel hervorgekommen seien. Eine konkrete Benennung dieser neu hervorgekommenen Beweismittel wurde unterlassen. In keinem der eingebrachten Schriftsätze, insbesondere nicht im Antrag auf Wiederaufnahme oder der Beantwortung des Mängelbehebungsauftrags, wurde ein konkretes Beweismittel benannt. Auch den, gegen die Feststellungen der Betriebsprüfung gerichteten, inhaltlichen Einwendungen in den Schriftsätzen ist kein, aus Sicht des Bf., neu hervorgekommenes Beweismittel zu entnehmen. Entsprechend der vorher zitierten Judikatur und den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Darlegung eines behaupteten Wiederaufnahmegrundes, wäre es Aufgabe des Wiederaufnahmewerbers gewesen, diesen konkret und schlüssig darzulegen.

Das im Mängelbehebungsauftrag geäußerte Vorbringen, wonach die Behörde bei Hervorkommen neuer Tatsachen durch die Erstellung einer Buchhaltung und Steuererklärungen eine amtswegige Wiederaufnahme durchzuführen habe, könnte im Rahmen einer parteienfreundlichen Auslegung dahingehend verstanden werden, dass die neu hervorgekommenen Tatsachen in den neu erstellten Unterlagen selbst zu sehen sind und dies einen vom Bf. behaupteten Wiederaufnahmegrund darstellt. Bei den genannten Unterlagen handelt es sich jedoch weder um neu hervorgekommene Tatsachen noch um neue Beweismittel im Sinne des § 303 BAO, da diese nämlich erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstanden sind (vgl. ).

Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (; , 2008/15/0215). Die nachträgliche Erstellung von steuerlichen Unterlagen unter Zugrundelegung der bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung existenten und bekannten Tatsachen oder Beweismittel und Vornahme anderer rechtlicher Würdigungen als die Betriebsprüfung, ist nicht mit dem Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 BAO gleichzusetzen.

Soweit der Bf. beanstandet, dass die belangte Behörde die  Wiederaufnahme von Amts wegen abgelehnt habe, ist er darauf hinzuweisen, dass ihm nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein subjektives Recht auf eine amtswegige Wiederaufnahme zusteht. Eine Verletzung von Rechten des Abgabepflichtigen durch das Unterbleiben der amtswegigen Wiederaufnahme der Verfahren kommt demnach schon deswegen nicht in Betracht (; ).

Aufgrund der genannten Umstände war die Beschwerde abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die zu beurteilende Rechtsfrage, ob die vom Bf. bekanntgegebenen Umstände eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag des Bf. rechtfertigen, im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102195.2013

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