Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2019, RV/7104083/2014

Negative Einkünfte aus Indexzertifikaten, die auf dem Depot einer ausländischen Bank gehalten und über dem Emissionswert realisiert wurden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Am Heumarkt 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Waldviertel vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2009 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Im Zuge einer die Jahre 2003 bis 2012 betreffenden Betriebsprüfung wurden die vom Beschwerdeführer (Bf.) in den Jahren 2007 bis 2009 aus der Veräußerung von - in der Schweiz verwalteten - Indexzertifikaten erzielten negativen Einkünfte als steuerlich unbeachtliche Substanzverluste behandelt und bei der Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ausgeschieden (Tz 2 Bp-Bericht).

Gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2007 bis 2009 vom , die den Prüfungsfeststellungen folgten, wurde - innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist - mit Eingabe vom Beschwerde eingebracht und wie folgt ausgeführt:

Herr Bf hat in den Jahren 2007, 2008 und 2009 negative Einkünfte aus Indexzertifikaten erzielt (siehe dazu die dieser Beschwerde angeschlossene Beilage 6 der Selbstanzeige über die betreffenden Einkünfte).

Unstrittig ist,

- dass die - diesen Einkünften zugrundeliegenden - Zertifikate als Forderungswertpapiere iSd §§ 27 und 93 EStG idF vor BBG 2011 und nicht als ausländische Investmentfondsanteile iSd § 42 InvFG 1993 zu qualifizieren sind und
- dass § 124b Z 85 EStG nicht zum Tragen kommt.

Die beschwerdegegenständlichen Indexzertifikate vermitteln (endbesteuerungsfähige) Einkünfte aus Kapitalvermögen. Mangels kuponauszahlender Stelle im Inland werden die betreffenden Einkünfte gem § 37 Abs 8 Z 3 EStG iVm § 37 Abs 8 letzter Absatz EStG idF BBG 2003, BGBI 2003/71 „veranlagungsendbesteuert“; dh im Rahmen der Veranlagung kommt der besondere Steuersatz von 25% sowie die (sonstigen) Prinzipien der Endbesteuerung zum Tragen.

Nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 kommen bei der Besteuerung von Indexzertifikaten folgende - allgemeine - Grundsätze zum Tragen (vgl überblicksmäßig EStR 2000 Rz 6192ff idF vor Wartungserlass 2013 und Schuchter, taxlex 2007, 291 ff mwH):

Der positive Unterschiedsbetrag zwischen dem Emissionskurs und dem Einlösungskurs oder dem Veräußerungserlös ist als Kapitalertrag iSd § 27 Abs 2 Z 2 EStG idF vor BBG 2011 und § 93 Abs 4 Z 2 EStG idF vor BBG 2011 zu qualifizieren (vgl ). Wird ein Zertifikat unter dem Emissionskurs veräußert, liegt ein Substanzverlust vor, der — nach Maßgabe der allgemeinen Voraussetzungen — als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften iSd § 30 EStG idF vor BBG 2011 zu erfassen ist (in diesem Sinne auch Zorn, ÖStZ 2003, 164). Wie aus der Beilage 6 ersichtlich, wurden im vorliegenden Fall jene Verluste, die „unterhalb“ des Emissionskurses realisiert wurden, im Rahmen der strittigen (negativen) Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erfasst.

Wenn eine kuponauszahlende Stelle im Inland bestehen würde, würden sich — ebenfalls unstrittig — folgende steuerlichen Konsequenzen ergeben (vgl EStR 2000 Rz 6192ff idF vor Wartungserlass 2013):

Bei Kauf eines Zertifikates (während der Laufzeit) zu einem Kurs über dem Emissionskurs wäre — nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 — in Höhe der Differenz zwischen tatsächlichen Anschaffungskosten und Emissionskurs eine KESt—Gutschrift, die sich aus dieser Differenz ableitet, zu erteilen gewesen. Im Fall der späteren Einlösung oder Veräußerung des betreffenden Zertifikates (über dem Emissionskurs, aber unabhängig von den Anschaffungskosten) wäre in der Folge der gesamte Differenzbetrag zwischen Veräußerungserlös/Einlösungskurs und Emissionskurs der KESt zu unterwerfen gewesen (vgl EStR 2000 Rz 6192ff idF vor Wartungserlass 2013; Schuchter, taxlex 2007, 291ff).

Die KESt-Gutschrift im Erwerbszeitpunkt (abgeleitet von der Differenz zwischen Anschaffungskosten und Emissionskurs des Zertifikates) wäre unabhängig von der weiteren Wertentwicklung des Zertifikates zum Tragen gekommen. Dh, zu einer KESt-Gutschrift wäre es auch im Fall von „Verlusten“, dh Veräußerungserlösen unter den Anschaffungskosten, gekommen.

Die Rechtsgrundlage für KESt-Gutschriften ergibt sich aus § 95 Abs 6 EStG idF vor BBG 2011, wonach für rückgängig gemachte Kapitalerträge eine Gutschrift zu erteilen ist. Diese Regelung fand insbesondere für Stückzinsen und sonstige vergleichbare, bis zum Anschaffungszeitpunkt angelaufene Kapitalerträge (zB aus Nullkuponanleihen oder Indexzertifikaten) aus Forderungswertpapieren Anwendung. Rückgängig gemachte Kapitalerträge sind — nach allgemeinen steuerlichen Vorschriften — als negative Einnahmen zu qualifizieren (vgl § 16 Abs 2 EStG idF vor BBG 2011), die aufgrund der ausdrücklichen Verankerung in § 95 Abs 6 EStG idF vor BBG 2011 auch im Rahmen der Kapitalertragsteuer und der Endbesteuerung zu berücksichtigen sind. Die KESt-Gutschrift iSd § 95 Abs 6 EStG idF vor BBG 2011 „strahlt“ auch auf die nachfolgende KESt—Belastung im Veräußerungs- oder Einlösungsfall aus, weil hier der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen Emissionskurs und Veräußerungserlös oder Einlösungskurs der KESt unterliegt und nicht auf die tatsächlichen Anschaffungskosten abgestellt wird.

Die angeführte Finanzverwaltungspraxis wurde durch das Erkenntnis des (betreffend Nullkuponanleihen), in Frage gestellt. Bei der Anschaffung der Nullkuponanleihe seien die „mitangeschafften" Ansprüche auf Kapitalerträge als Forderung zu qualifizieren, die am Ende der Laufzeit steuerneutral einzuziehen sei. Dem folgend liege keine Berechtigung zu einer KESt-Gutschrift im Zeitpunkt des Erwerbs eines Forderungswertpapiers vor, vielmehr müssten die Kapitalerträge im Zeitpunkt der Veräußerung oder Einlösung entsprechend gekürzt werden.

Mit BGBl 2008/65 hat der Gesetzgeber auf die angeführte Rechtsprechung reagiert und durch § 95 Abs 7 EStG idF BGBI 2008/65 die Beibehaltung der bisherigen Verwaltungspraxis sowohl für die Vergangenheit (innerhalb des Verjährungszeitraumes) als auch pro futuro abgesichert (so ausdrücklich die Erläuterungen zum Initiativantrag betreffend § 95 Abs 4 Z 3 und Abs 7 und § 124b Z 144 und 145 EStG, BIgNR 674/A XXIII. GP). Durch diese „Rechtsprechungsreparaturgesetzgebung" wurde die - durch die VwGH-Rechtsprechnung - „ausgehebelte“ Verwaltungspraxis zur KESt-mäßigen Behandlung von Stückzinsen und sonstigen vergleichbaren Ansprüchen gesetzlich abgesichert.

Die - in dieser Beschwerde streitgegenständlichen - Zertifikate wurden in der Schweiz verwaltet; es lag daher keine inländische kuponauszahlende Stelle iSd § 93 Abs 3 EStG idF vor BBG 2011 vor. Dementsprechend wurden die Erträge auch nicht mit KESt belastet und waren nicht endbesteuert. Die betreffenden Erträge unterliegen vielmehr § 37 Abs 8 Z 3 EStG idF BBG 2003, BGBI 2003/71. Die Bestimmung ist als „Veranlagungsendbesteuerung" konzipiert und sollte zur steuerlichen Gleichbehandlung in- und ausländischer Kapitalerträge führen. Diese Gleichbehandlung war einerseits im Hinblick auf das Erkenntnis des , sowie massiver Zweifel an der EU-Konformität der bis dahin geltenden unterschiedlichen Besteuerung von in- und ausländischen Kapitalerträgen im Bereich der Direktveranlagung notwendig (vgl dazu ausdrücklich EB zur RV zum BBG 2003, 59 BIgNR XXII. GP, 268, die auf die Schlussanträge des Generalanwaltes in der Rs C—516/99, Walter Schmid gegen Finanzamt für den 8., 16. Und 17. Bezirk verweisen, den inhaltlichen Bedenken ist der EuGH in dem Urteil vom , Anneliese Lenz vs Finanzlandesdirektion für Tirol gefolgt).

Die durchgängige Gleichbehandlung der im Ausland verwalteten Kapitalerträge mit inländischen Kapitalerträgen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 37 Abs 8 EStG idF BBG 2003, der die ausländischen Kapitalerträge - KEStmäßig negativ - als „nicht im Inland bezogene Kapitalerträge iSd 5 93 Abs 2 Z 3 sowie des § 93 Abs 3 EStG“ beschreibt. Die für die vorliegenden Zertifikate anwendbare Regelung stellt somit unmittelbar auf die kapitalertragsteuerliche Regelung des § 93 Abs 3 EStG idF vor BBG 2011 ab und zeigt bereits im Wortlaut den - auch in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich verankerten - Grundsatz der Gleichbehandlung von in- und ausländischen Kapitalerträgen auf. Der Verweis auf § 93 EStG idF vor BBG 2011 ist - wie bei anderen Verweisen im EStG - dynamisch zu verstehen; ein statischer Verweis müsste durch einen ausdrücklichen Verweis auf eine gesetzliche Fassung verankert sein.

Sowohl der Gesetzeswortlaut des - im vorliegenden Fall einschlägigen — § 37 Abs 8 Z 3 EStG idF BBG 2003, der ausdrücklich auf § 93 Abs 3 EStG idF vor BBG 2011 verweist, als auch der Gesetzeszweck lassen darauf schließen, dass im vorliegenden Fall die angeführten KESt-Grundsätze für Zertifikate auch im Veranlagungsweg zum Tragen kommen: Stückzinsen und vergleichbar „mitangeschaffte“ Ansprüche auf Kapitalerträge sind als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren, die - ebenso wie in der Endbesteuerung - ausnahmsweise in Abzug gebracht werden können; auch in § 20 Abs 2 EStG idF vor BBG 2011 spiegelt sich der Gleichklang von endbesteuerten (iSd § 97 EStG idF vor BBG 2011) und veranlagungsendbesteuerten (iSd § 37 Abs 8 EStG idF vor BBG 2011) Einkünften wider.

Die Gleichbehandlung der Besteuerung von Forderungswertpapieren unabhängig vom Ort der kuponauszahlenden Stelle ergibt sich auch zwingend aus der Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art 63 AEUV (Art 56 EG). Art 65 Abs 1 lit a AEUV (Art 58 Abs 1 lit a EG) erlaubt zwar steuerliche Differenzierungen nach Maßgabe des Kapitalanlageortes, gemäß Art 65 Abs 3 AEUV (Art 58 Abs 3 EG) dürfen diese Vorschriften aber keine willkürlichen Diskriminierungen darstellen. Im vorliegenden Fall führt die Auffassung des Finanzamtes zu einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Zertifikaten, die auf in- und ausländischen Depots verwaltet werden. Bei im Ausland verwalteten Depots verneint das Finanzamt die Anwendung der KESt-Grundsätze von Stückzinsen im Rahmen der Veranlagung. Die daraus resultierende steuerliche Schlechterstellung bedeutet eine Diskriminierung des ausländischen Veranlagungsortes, die nicht durch einen zwingenden Grund des allgemeinen Interesses gerechtfertigt werden kann (vgl dazu auch , Anneliese Lenz vs Finanzlandesdirektion für Tirol; Tumpel in Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, 88 ff). Die Kapitalverkehrsfreiheit kommt auch in Bezug auf Drittstaaten zur Anwendung (zB Winfried L. Holböck vs Finanzamt Salzburg Land, C-157/05). Die Stillstandsklausel gemäß Art 64 AEUV (Art 57 EG) kommt allein deswegen schon nicht zum Tragen, weil die maßgebende Rechtslage auf dem BBG 2003, BGBI 2003/71, und einer Novelle im Jahr 2008, BGBI 2008/65, basiert.

Im Ergebnis bedeutet die Gleichbehandlung von Zertifikaten auf in- und ausländischen Depots die Berücksichtigung negativer Kapitalerträge, wenn sie über dem Emissionswert realisiert werden. In diesen Fällen liegen negative Einkünfte aus Kapitalvermögen (und keine Substanzverluste) vor. Die betreffenden negativen Erträge sind daher im vorliegenden Fall im Rahmen der Veranlagung für die Jahre 2007, 2008 und 2009 im Rahmen der Einkünfte iSd § 93 Abs 3 EStG idF vor BBG 2011 (in Verbindung mit § 37 Abs 8 EStG idF BBG 2003) in Abzug zu bringen.

Der Vollständigkeit halber möchten wir anmerken, dass die in dieser Beschwerde angesprochenen Rechtsfragen in der Judikatur der Höchstgerichte nicht geklärt sind und grundsätzliche Bedeutung haben.

Abschließend wurde der Antrag gestellt, die angefochtenen Bescheide entsprechend abzuändern und erklärungsgemäß die negativen Einkünfte aus den Zertifikaten in Abzug zu bringen. Sollte das Bundesfinanzgericht nicht schon aufgrund der dargelegten Argumente der Beschwerde stattgeben, sei die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der aufgeworfenen Frage bleibe. Es wurde daher angeregt, die streitgegenständlichen Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2009 als unbegründet abgewiesen.

Nach Darstellung der vom Bf. aus der Veräußerung von Indexzertifikaten bekannt gegebenen negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen und Wiedergabe der Bestimmungen des § 27 Abs. 2 Z 2 und 5 EStG 1988 wurde ausgeführt:

Indexpapiere sind Forderungswertpapiere, deren Einlösungswert sich nach der Wertentwicklung eines vereinbarten Indexes richtet. Bei Indexpapieren erhält der Anleger für das hingegebene Kapital keine Zinsen im herkömmlichen Sinn, sondern einen - bei positiver Indexentwicklung - das hingegebene Kapital übersteigenden Kapitalbetrag (Einlösungswert). Bei dem bei der Einlösung des Wertpapieres vereinnahmten Differenzbetrag handelt es sich um Zinserträge gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988.

Sinkt hingegen der Wert des Indexpapieres aufgrund einer negativen Indexentwicklung unter den ursprünglichen Ausgabewert (Emissionswert), führt dies bei der Einlösung zu einem steuerlich unbeachtlichen Verlust am Kapitalstamm (Zorn, ÖStZ 2003, 164).

Erwirbt ein Abgabepflichtiger ein Indexpapier von einem Dritten - aufgrund der positiven Entwicklung des Indexes bis zum Erwerbszeitpunkt- über dem Ausgabepreis, so setzt sich der zu bezahlende Betrag aus dem Ausgabepreis des Wertpapieres (Anschaffungskosten der Kapitalforderung) und dem nach dem aktuellen Indexstand eingetretenen Wertzuwachs (Zinsen) zusammen. Beim Erwerber des Indexpapieres bilden die gezahlten Zinsen den Preis für die neben der Kapitalforderung erworbene Zinsforderung (Anschaffungskosten der Zinsforderung).

Entwickelt sich der Index in weiterer Folge negativ, führt dies vorrangig zu einer Verminderung dieser Zinsforderung. Es liegt aber auch beim (teilweisen) Verlust der Zinsforderung- wie im Beschwerdefall-ein im Privatvermögen steuerlich unbeachtlicher Vermögensverlust vor.

Der in der Literatur teilweise vertretenen Rechtsansicht (zB Doralt/Kirchmayr, EStG8, § 27 Tz 171/4), wonach Verluste, die sich durch eine negative Wertentwicklung in Relation zu den tatsächlichen Anschaffungskosten ergeben, bis zum Emissionskurs als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gelten, kann nicht gefolgt werden, würde dies doch zu einer sachlich nicht zu rechtfertigten Ungleichbehandlung von in wirtschaftlicher Betrachtungsweise identen Sachverhalten führen:

Je nachdem, ob das gleiche Wertpapier am gleichen Tag zum gleichen Preis am Sekundärmarkt von einem Dritten, oder, im Rahmen einer Daueremission vom Emittenten zu einem an die geänderte Indexsituation angepassten (mit dem Preis am Sekundärmarkt identen) Ausgabepreis erworben wurde, führte diese Rechtsansicht - bei anschließender negativer Wertentwicklung des Indexpapieres - im ersten Fall zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen, im zweiten Fall zu einem steuerlich unbeachtlichen Verlust am Kapitalstamm.

Als maßgebliche Größe für die Beurteilung des Vorliegens von steuerlich unbeachtlichen Vermögensverlusten können daher im Sinne einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung nur die Anschaffungskosten für die Kapital- u. Zinsforderung und nicht der historische Ausgabepreis für die Kapitalforderung herangezogen werden. Erfolgt - wie im Beschwerdefall - die Veräußerung eines Indexpapieres unter den Anschaffungskosten, liegen demnach im Privatbereich steuerlich unbeachtliche Vermögensverluste vor. IL

Der (teilweise) Verlust der gleichzeitig mit den Indexpapieren erworbenen Zinsforderungen wird in der Beschwerde grundsätzlich nicht in Abrede gestellt, es wird jedoch eigewendet, dass § 95 Abs. 7 EStG 1988 idF vor BBG 2011 bei Anschaffung der Indexpapiere über dem Ausgabewert bei einer inländischen depotführenden Stelle zu einer KESt-Gutschrift in Höhe von 25% des Differenzbetrages zwischen Anschaffungskosten und Ausgabewert geführt hätte, was im Ergebnis negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe des Differenzbetrages gleichkomme.

Bei einer ausländischen depotführenden Stelle sei daher der (teilweise) Verlust der Zinsforderung aufgrund der zu beachtenden Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art. 63 AEUV (Art. 56 EG), im Sinne der Gleichbehandlung von Zertifikaten auf in- und ausländischen Depots, als negative Kapitalerträge zu berücksichtigen.

Nun unterscheidet sich die Situation, in welcher ein Anleger Indexzertifikate auf dem Depot einer ausländischen Bank hält, grundlegend von jener, in welcher ein Anleger ein solches Zertifikat auf dem Depot einer inländischen Bank hält. Nur im letzteren Fall kann es bei Fälligkeit der Zinsen zu einer KESt-Belastung (des gesamten Unterschiedsbetrages) kommen. Da der Erwerber eines Indexzertifikats, für welches keine inländische kuponauszahlende Stelle besteht, bei Fälligkeit der Zinsen keine solche KESt-Belastung zu gewärtigen hat, ist es auch nicht geboten, diesem eine KESt-Gutschrift zu erteilen.

Dass das KESt-Regime idF vor BBG 2011 bei Käufern eines Indexpapieres mit inländischem KESt-Abzugsverpflichteten in bestimmten Fällen (zB bei negativer Index- bzw. Ertragsentwicklung nach der Wertpapieranschaffung über dem Ausgabepreis) zu einem für den Abgabepflichtigen vorteilhafteren Ergebnis führen konnte, war Folge der aus verwaltungsökonomischen Gründen gerechtfertigten wertpapierbezogenen Betrachtungsweise, die es den abzugsverpflichteten Banken erlaubte, auf die im EDV-System eingespeisten Emissionswerte zurückzugreifen, ohne die jeweiligen Anschaffungskosten evident halten zu müssen und so die Erhebung der KESt technisch vereinfachte (vgl. Marschner, ÖStZ 2005, 451).

Eine EU-Rechtswidrigkeit kann darin nicht erblickt werden. Das Finanzamt folgt vielmehr der seitens des Unabhängigen Finanzsenates in seiner Entscheidung vom , RV /2146-W/11, vertretenen, im Folgenden wörtlich widergegebenen Rechtsansicht:

"Eine - allenfalls unionsrechtswidrige - Bevorzugung inländischer Banken gegenüber ausländischen Banken kann in dieser wertpapierbezogenen KESt-Abrechnung ebenfalls nicht erblickt werden. Wie bereits erwähnt, konnte das Halten von Indexpapieren auf dem Depot einer inländischen Bank für den Anleger insgesamt gesehen zu einer KESt-Zahlung oder zu einem KEStGuthaben führen, somit für diesen in Bezug auf die KESt-Belastung von Vorteil oder von Nachteil sein. Auch werden solche Wertpapiere wohl eher in der Hoffnung auf eine positive Indexentwicklung, also darauf, aus der Transaktion einen Gewinn zu erzielen, erworben und nicht in der Hoffnung, KESt-Guthaben aus Verlusten zu lukrieren. Für die Entscheidung eines Anlegers, seine Indexpapiere bei einer inländischen oder einer ausländischen Bank zu halten, konnte daher nicht das für den Fall einer negativen Indexentwicklung zu erwartende KESt-Guthaben ausschlaggebend gewesen sein, weshalb insoweit auch keine tendenzielle Bevorzugung inländischer Banken bestanden haben kann.

Eine Beschränkung des Kapitalverkehrs liegt ebenfalls nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den Maßnahmen, die Art 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (Urteile vom , Festersen c- 370/05, Sig. 2007, 1-1129, Randnr. 24, und vom , A, C-101/05, Sig. 2007,1-11531, Randnr. 40). Die Vorschriften überden KESt-Abzug bzw. die KESt-Gutschrift durch inländische kuponauszahlende Stellen sind unterschiedslos auf Indexzertifikate inländischer und ausländischer Emittenten anzuwenden. Für im Inland Ansässige machen es diese Vorschriften daher nicht weniger attraktiv, ihr Kapital in einem anderen Mitgliedstaat zu investieren. Außerdem berührt Art 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln, sofern dies nicht eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Kapital- oder Zahlungsverkehrs darstellt (Art. 65 AEUV). Da die Vorgangsweise bei der Erhebung der KESt von Indexzertifikaten, wie gesagt, je nach Entwicklung des Index unterschiedliche KESt-Auswirkungen mit sich bringen konnte und daher tendenziell nicht geeignet war, einen inländischen Anleger davor abzuschrecken, sich bei Abwicklung seiner Wertpapiertransaktionen des Depots einer ausländischen Bank zu bedienen, liegt bzw. lag eine spezifische Belastung bzw. willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung nicht vor.''

Im Vorlageantrag vom wurde eingewandt, dass die Auffassung des Finanzamtes nicht zu überzeugen vermöge:

Die identen Einkünfte hätten bei einer inländischen depotführenden Stelle zu einer KESt-Gutschrift geführt. Dieser KESt-Gutschrift liegt zwingend die Annahme negativer Kapitalerträge zugrunde. Würde man derartige Verluste als Substanzverluste qualifizieren, wäre eine KESt-Gutschrift auch bei inländischer Depotführung nicht möglich gewesen.

Die grundsätzliche Qualifikation als negativer Kapitalertrag oder als Substanzverlust kann nicht vom Ort der kuponauszahlenden Stelle abhängen, sondern ist primär eine Frage der Abgrenzung von § 27 EStG und § 30 EStG. idF vor BBG 2011. Diese Frage ist Vorfrage einer allfälligen KESt-Pflicht nach § 93 EStG idF vor BBG 2011.

Die Einkünfte aus Indexzertifikaten werden in § 27 Abs 2 Z 2 EStG idF vor BBG 2011 erfasst: der auf den Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabewert und Einlösungskurs eines Wertpapiers abstellt; dieser „Wertebereich“ definiert die Einkünfte aUs Kapitalvermögen, die selbstverständlich auch negativ sein können (zB bei einem festverzinslichen Wertpapier mit vereinbartem negativen Unterschiedsbetrag). Wenn nun die Anschaffungskosten eines Indexzertifikates über dem Emissionskurs liegen und in der Folge die Einlösung unter den Anschaffungskosten (aber über dem Emissionskurs) erfolgt, liegen negative Einkünfte aus Kapitalvermögen vor. Die in der Beschwerdevorentscheidung aufgezeigten „ungleichen“ steuerlichen Konsequenzen verschiedener Fallgestaltungen ergeben sich aus dem bis zum BBG 2011 geltenden dualistisehen Besteuerungssystem für Kapitalanlagen. Danach war zwischen quellenorientiert definierten Kapitalerträgen und idR steuerneutralen Substanzgewinnen zu differenzieren. Dieses Besteuerungssystem hat in verschiedensten Bereichen der Kapitalbesteuerung zu problematischen Ergebnissen geführt und wurde letztendlich durch das BBG 2011 abgeschafft (zum dualistischen Besteuerungssystem vgl auch Fuchs in Beiser et al, FS Doralt, 81 ff; Kirchmayr in Beiser et al, FS Doralt, 185. ff; plakativ auch Baiser, ÖStZ 2000, 390 f).

Da die Frage der Abgrenzung von § 27 EStG und § 30 EStG idF vor BBG 2011 allgemein steuerrechtlicher Natur und Vorfrage für die KESt-Pflicht nach § 93 EStG ist, muss sie für in- und ausländische kuponauszahlende Stellen gleichermaßen beantwortet werden. Die Argumentation der Beschwerdevorentscheidung ist insoweit jedenfalls in sich widersprüchlich, als sie nach der Beurteilung der negativen Einkünfte aus den Indexzertifikaten als Substanzverluste auf die steuerliche Situation bei einem Inlandsdepot eingeht und hier negative Kapitaleinkünfte und eine KESt-Gutschrift bejaht. Bei der Annahme von Substanzverlusten könnte auch im Inlandsfall keine KESt-Gutschrift nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 erteilt werden.

Die steuerliche Gleichbehandlung von in- und ausländischen kuponauszahlenden Stellen ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zum BBG 2003 (59. BlgNR XXII GP), das bewusst und gewollt die steuerrechtliche Gleichbehandlung der In- und Auslandsveranlagung herbeiführen wollte. Darüber hinaus bedeutet die steuerliche Diskriminierung nach Maßgabe der kuponauszahlenden Stelle auch eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art 63 AEUV (Art 56 EG), die (auch) gegenüber dem Drittland wirkt (vgl zB Tumpel in Lecnner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, 88 ff). Anzumerken ist, dass die Argumentation in der Beschwerdevorentscheidung in Bezug auf die Investition in in- oder ausländische Indexzertifikate ins Leere geht, weil es im vorliegenden Fall um die Diskriminierung in Bezug auf die kuponauszahlende Stelle, nicht jedoch um in- oder ausländische Emittenten, geht.

Bei inländischen kuponauszahlenden Stellen kommt es - nach der Rechtslage vor dem BBG 2011- bei der Anschaffung eines Indexzertifikates während der Laufzeit zu einer KESt-Gutschrift in Höhe der Differenz zwischen Anschaffungskosten und Emissionskurs. Es liegen in dieser Höhe (vorweg realisierte) negative Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, die aufgrund der Steuer-(KESt-)Gutschrift sofort ausgeglichen werden. Dem Steuerpflichtigen kommt die Entlastungswirkung dieser (vorweg angenommen) negativen Einkünfte aufgrund der KESt-Gutschrift unmittelbar zu Gute. Bei der späteren Einlösung oder Veräußerung des Indexzertifikates wird aber der gesamte Differenzbetrag zwischen Emissionskurs und Veräußerungserlös der KESt unterworfen; dh es fällt auch dann KESt an, wenn der Veräußerungserlös unter den Anschaffungskosten (aber über dem Emissionswert) liegt (vgl die Skizze in unserer Berufung vom ). Dieses System stellt sicher, dass in Höhe der Differenz zwischen (tatsächlichen) Anschaffungskosten und Emissionskurs jedenfalls (vorab!) negative Einkünfte samt unmittelbarem Steuerentlastungseffekt (KESt-Gutschrift) vorliegen.

Im Gegensatz dazu verweigert das Finanzamt die steuerliche Entlastung der negativen Einkünfte aus den verfahrensgegenständlichen Indexzertifikaten zur Gänze, weil sie auf einem ausländischen Depot verwaltet werden und daher die KESt-Regelungen nicht unmittelbar zum Tragen kommen (nach Maßgabe der Beschwerdevorentscheidung soll ein Substanzverlust vorliegen).

Der europarechtliche Blickwinkel vergleicht im vorliegenden Fall in- und ausländische kuponauszahlende Stellen, die von der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst sind (ausführlich vgl Tumpel in Lechner/Staringer/Tumpel‚ Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, 88 ff). Die Diskriminierung ist augenscheinlich:

  • Bei inländischen kuponauszahlenden Stellen gibt es eine steuerliche  Sofortentlastung in Höhe der (positiven) Differenz zwischen Anschaffungskosten und Emissionskurs, die liquiditätsmäßigen einer teilweisen Refundierung des Kaufpreises (in Höhe der Stückzinsen) gleichkommt.

  • Bei ausländischen kuponauszahlenden Stellen gibt es - nach Auffassung des Finanzamtes - diese Entlastung überhaupt nicht; auch nicht im Rahmen der Veranlagung, obwohl das anzuwendende Veranlagungsendbesteuerungssystem das KESt/Endbesteuerungssystem nachbilden soll.

In Bezug auf die europarechtlichen Diskriminierungsüberlegungen verweist die Beschwerdevorentscheidung auf die Entscheidung des . In der zitierten Passage stellt der UFS darauf ab, dass das Halten von Indexpapieren auf dem Depot einer inländischen Bank für den Anleger insgesamt gesehen zu einer KESt-Zahlung oder zu einem KESt-Guthaben führen konnte; für den Anleger konnte die KESt-mäßige BehandIung von Vorteil oder Nachteil sein. "[...] Da die Vorgangsweise bei der Erhebung der KESt von Indexzertifikaten, wie gesagt, je nach Entwicklung des Index unterschiedliche KESt-Auswirkungen mit sich bringen konnte und daher tendenziell nicht geeignet war, einen inländischen Anleger davor abzuschrecken, sich bei der Abwicklung seiner Wertpapiertransaktionen des Depots einer ausländischen Bank zu bedienen, liegt bzw lag eine spezifische Belastung bzw willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung nicht vor [...]“

Die angeführten Passagen sind - aus dem Blickwinkel des Vergleiches in- und ausländischer Depots - unverständlich: bei inländischen kuponauszahlenden Stellen wirkt der Sofortentlastungseffekt der KESt-Gutschrift, der zu einer teilweisen cashmäßigen Refundierung des Kaufpreises (in Höhe der Stückzinsen) führt (!!), immer günstiger als bei ausländischen kuponauszahlenden Stellen, wenn die Weiterentwicklung des Indexzertifikates (bezogen auf die Anschaffungskosten des Steuerpflichtigen) negativ ist und die Anschaffungskosten über dem Emissionskurs liegen. Bei Indexzertifikaten ist - da sie spekulative Papiere sind - das Verlustrisiko und die damit verbundenen Verlustszenarien von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Die Diskriminierung der ausländischen kuponauszahlenden Stelle in allen diesen Szenarien ist eine unionsrechtswidrige Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit.

Zusammenfassend wurde festgehalten, dass die Beschwerde auf die steuerliche Gleichbehandlung von Indexzertifikaten abziele - unabhängig davon, ob sie auf einem inländischen oder ausländischen Depot verwaltet werden. Diese Gleichstellung ergebe sich aus nationalen Vorschriften, aber auch aus der Kapitalverkehrsfreiheit‚ die auch gegenüber Drittstaaten gelte.

Mit Vorlagebericht vom  legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin wurde nachstehende Stellungnahme abgegeben:

"1. Vorliegen negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen

Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers (Bf.) leitet das Vorliegen von negativen Einkünften aus der Veräußerung der Indexzertifikate aus dem Umstand ab, dass die identen Einkünfte bei einer inländischen depotführenden Stelle zu einer KESt-Gutschrift geführt hätten.

Dazu ist festzustellen, dass die Frage des Vorliegens von Einkünften, der Qualifikation von Einkünften, sowie der Ermittlung der Höhe dieser Einkünfte, nicht nach den Bestimmungen der §§ 93 ff EStG 1988, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen des Ertragsteuerrechtes und, im konkreten Fall, insbesondere nach den §§ 15, 16 und 27 EStG 1988 zu beantworten ist, wobei anzumerken ist, dass Aufwendungen und Ausgaben, die gemäß § 37 Abs. 8 EStG 1988 mit dem besonderen Steuersatz versteuert werden, unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG 1988 fallen.

Die §§ 93 ff EStG 1988 regeln nämlich, als Bestimmungen über den Steuerabzug vom Kapitalertrag, lediglich die Einhebung der nach den obigen Grundsätzen zu ermittelnden Einkünften. Der Hinweis auf eine allfällige (theoretische) KESt-Pflicht der Wertpapiererträge im Inland und einer damit verbundenen KESt-Gutschrift beim Erwerb der Wertpapiere im Falle der Verwahrung in einem inländischen Wertpapierdepot ist daher nicht geeignet, das Vorliegen von bestimmten Einkünften aufzuzeigen bzw. zu verneinen.

Aus diesem Grund kann der Rechtsansicht des steuerlichen Vertreters, wonach aufgrund des Umstandes, dass die identen Einkünfte bei einer inländischen depotführenden Stelle zu einer KESt-Gutschrift geführt hätten und dieser KESt-Gutschrift zwingend die Annahme negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen zugrunde liegen müsste, nicht gefolgt werden.

Vielmehr wäre ein allfälliger Widerspruch zwischen den rechtskonform ermittelten Einkünften aus Kapitalvermögen und einer allfälligen KESt-Belastung/KESt-Gutschrift, im Wege einer Berichtigung des KESt-Abzuges/der KESt-Gutschrift und nicht im Wege der Berichtigung der gesetzeskonform ermittelten Einkünfte zu bereinigen.

Dieser KESt-Gutschrift liegt darüber hinaus nicht der Gedanke des Vorliegens von negativen Einkünften, sondern vielmehr der des Erwerbes einer Zinsforderung zugrunde, deren späterer Einzug steuerneutral belassen werden soll.

Der Umstand, dass der von den kuponauszahlenden Stellen vorgenommene KESt-Abzug bzw. die erteilte KESt-Gutschrift in bestimmten Fällen nicht der tatsächlichen steuerlichen Bemessungsgrundlage entsprechen kann ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der historische Gesetzgeber bei der Fassung des § 95 Abs. 6 EStG 1988 - aufgrund der damals auf dem Kapitalmarkt angebotenen Produkte - von der Annahme ausging, dass nach dem Erwerb eines Forderungswertpapieres jedenfalls (positive) Zinserträge zufließen, die höher sind als die beim Erwerb des Wertpapiere; gleichzeitig erworbene Zinsforderung (Anm: die Begebung erster Indexzertifikate erfolgte erst im Jahr 1989, also nach der Kundmachung des EStG 1988) und durch BGBl. 65/2008 im § 95 Abs. 7 EStG 1988 lediglich eine gesetzliche Verankerung der bisherigen Verwaltungspraxis erfolgte (Erl IA 674/A, XXIII. GP).

Die Behauptung, die Abgabenbehörde habe in ihrer Beschwerdevorentscheidung das Vorliegen negativer Einkünfte bejaht ist unrichtig. Die Abgabenbehörde hat in ihrer Beschwerdevorentscheidung das Vorliegen negativer Einkünfte nicht bejaht, sondern lediglich die vom steuerlichen Vertreter des Bf. vertretene Rechtsansicht wiedergeben (BVE, Seite 3, letzter Absatz).

2. Im § 27 Abs. 2 Z 2 u. 5 EStG 1988 definierter „Wertebereich"

Richtig ist, dass § 27 Abs. 2 Z 2 u. 5 EStG 1988 grundsätzlich den der Steuerpflicht unterliegenden „Wertebereich” (Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabewert und Einlösungswert bzw. Veräußerungserlös) definiert. Inwieweit innerhalb dieses „Wertebereiches” (negative) Einkünfte vorliegen bzw. in welcher Höhe Einkünfte vorliegen, ist aber - wie schon oben ausgeführt - nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen und der für die Einkünfteermittlung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen (siehe oben) zu beurteilen.

So dürfte unbestritten sein, dass ein Abgabepflichtiger, der ein um 100 begebenes Zertifikat um 140 von einem Dritten erwirbt und anschießend um 160 veräußert, nur die Differenz zwischen dem Veräußerungserlös (160) und den Anschaffungskosten (140) in Höhe von 20, und nicht die Differenz zwischen dem Veräußerungserlös (160) und dem Ausgabewert (100) in Höhe von 60, zu versteuern hat.

Wird, bei sonst gleichem Sachverhalt, das Zertifikat um 110 veräußert, dürfte unstrittig sein, dass der Veräußerer nicht steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 10 (Differenz zwischen dem Veräußerungserlös und dem Ausgabewert) erzielt. Vielmehr liegt ein nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen ein im Privatvermögen steuerneutraler Vermögensverlust in Höhe von 30 (Differenz zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten) vor.

Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom ausgeführt, setzt sich der beim Erwerb der streitgegenständlichen Indexzertifikate zu bezahlende Betrag, aus den Kosten für die Kapitalforderung und dem eingetretenen Wertzuwachs (Zinsen) zusammen (vgl. auch Doralt/Kirchmayr, EStGB, § 27 T2 171/1).

Der (teilweise) Verlust dieser dem Privatvermögen zugehörigen Zinsforderung stellt aber nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen keine negativen Einkünfte, sondern einen steuerlich unbeachtlichen Vermögenverlust dar.

Die gleichen Rechtsfolgen treten ein, wenn - wie im Vorlageantrag ausgeführt - vereinbart wird, dass der Wertpapierinhaber auf Teile seiner (festverzinslichen) Kapitalforderung vereinbarungsgemäß verzichtet (negativer Unterschiedsbetrag, zB Begebung einer Anleihe zum Nennwert 100, Einlösung um 97).

Ertragsteuerrechtlich macht es nämlich keinen Unterschied, ob eine dem Privatvermögen zugehörige Kapitalforderung aufgrund vom Gläubiger nicht beeinflussbarer äußerer Umstände (zB Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, negative Indexentwicklung) oder aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung mit dem Schuldner der Kapitalforderung (teilweise) verloren geht.

Bei Indexzertiflkaten, die üblicherweise ohne Kupon begeben werden, würde sich darüber hinaus die grundsätzliche Frage des Vorliegens einer Einkunftsquelle iSd § 2 EStG 1988 stellen.

3. Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art. 63 AEUV (Art 56 EG) in Bezug auf die ausländische kuponauszahlende Stelle

Grundsätzlich ist dazu festzustellen, dass Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechtes (zB Steuerabzug vorn Kapitalertrag) anzuwenden, sofern dies nicht eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Kapital- oder Zahlungsverkehrs darstellt (Art. 65 AEUV).

Wie bereits in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, verbietet Art. 63 Abs. 1 AEUV nach ständiger Rechtsprechung des EUGH solche Maßnahmen als Beschränkungen des Kapitalverkehrs, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedsstaat oder dort Ansässige von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten.

Die steuerliche Gleichstellung der in- und ausländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen durch das BBG 2003 (BGBl. 2003/71) wurde im Wesentlichen durch die Angleichung des Steuersatzes (25 %) für in- und ausländische Kapitalerträge verwirklicht. Die unterschiedliche Steuereinhebungsform bei in- und ausländischen Kapitalerträgen (Steuerabzug vorn Kapitalertrag bzw. Veranlagung) resultiert aus der fehlenden rechtlichen Möglichkeit, ausländische kuponauszahlende Stellen zur Anwendung der §§ 93ff EStG zu verpflichten.

Richtig ist, dass der Erwerb eines Forderungswertpapieres über dem Emissionskurs über eine inländische kuponauszahlende Stelle zu einer sofortigen KESt-Gutschrift auf die Differenz zwischen Anschaffungskosten und Emissionskurs führt. Dem steht aber der sofortige KESt-Abzug bei der Veräußerung des Wertpapieres gegenüber. Bei einer Veräußerung durch eine ausländische kuponauszahlende Stelle erfolgt (auch) die Steuererhebung erst zeitverzögert im Rahmen des Veranlagungsverfahrens.

Die behauptete EU-Rechtswidrigkeit kann zudem nicht isoliert anhand der Bestimmung des § 95 Abs. 7 EStG 1988 (KESt-Gutschrift) beurteilt werden, weil für inländische kuponauszahlende Stellen kein Wahlrecht zur Anwendung einzelner Bestimmungen betreffend den Steuerabzug vom Kapitalertrag, sondern eine Verpflichtung zur Anwendung sämtlicher Bestimmungen betreffend den Steuerabzug vom Kapitalertrag (§§ 93 ff EStG) besteht. Wie schon oben ausgeführt, ist die inländische kuponauszahlende Stelle beispielsweise nicht nur zur Erteilung einer KESt-Gutschrift, sondern gleichzeitig auch zum KESt-Einbehalt hinsichtlich des vom Verkäufer des Zertifikates erzielten Kapitalertrags verpflichtet. Eine gleichartige Verpflichtung für ausländische kuponauszahlende Stellen besteht nicht.

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die nicht bestehende Verpflichtung zur Anwendung der Bestimmungen über den Steuerabzug vom Kapitalertrag in ihrer Gesamtheit (ein Optionsrecht zur Anwendung einzelner Bestimmungen besteht für inländische kuponauszahlende Stellen nicht), für ausländische kuponauszahlende Stellen eine EU-rechtswidrige Diskriminierung darstellen sollte. Dies insbesondere im Hinblick auf den aus der Abzugsverpflichtung resultierenden Verwaltungsaufwand und dem damit verbundenen Haftungsrisiko.

Nicht zuletzt sprechen die zahlreichen höchstgerichtlichen Beschwerden im Zusammenhang mit der Vollziehung der Bestimmungen der §§ 93 ff EStG 1988 durch inländische Banken gegen eine - aus der fehlenden Abzugsverpflichtung resultierende - willkürliche Diskriminierung ausländischer kuponauszahlenden Stellen.

Nun ist zwar zuzustimmen, dass der Steuerabzug vom Kapitalertrag in bestimmten Fällen zu unrichtigen Ergebnissen führt. Die vermeintlich aus der fehlenden Möglichkeit der Anwendung der Bestimmungen der §§ 93 ff EStG 1988 für ausländische kuponauszahlende Stellen resultierende EU-Rechtswidrigkeit, kann die Abgabenbehörde aber nicht durch eine nicht dem Gesetz entsprechende Einkünfteermittlung - die im Übrigen bei in- und ausländische Kapitaleinkünfte gleich ist - beseitigen.

Sollten daher die Anwendung der Bestimmungen der §§ 93 ff EStG 1988 tatsächlich EU-rechtswidrig gewesen sein, wäre diese Rechtswidrigkeit nur durch eine Änderung der - im gegenständlichen Beschwerdefall nicht angewendeten - Bestimmungen über den Steuerabzug vorn Kapitalertrag (zB Abkehr vom wertpapierbezogenen Besteuerungsweise, Option zum KESt-Abzug für ausländische kuponauszahlende Stellen) zu beseitigen gewesen.

Aus der Sicht der Abgabenbehörde ist die im Veranlagungsweg erfolgte Besteuerung der streitgegenständlichen Indexzertifikate ohne jeden Zweifel EU-rechtskonform, weshalb die Abweisung der Beschwerde beantragt wird."

Mit Eingabe vom wurden die Anträge auf Durchführung  einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurückgenommen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt ist unstrittig und wird dem gegenständlichen Erkenntnis zu Grunde gelegt:

Der Bf. machte bei der Ermittlung seiner im Rahmen einer Selbstanzeige gem. § 29 FinStrG offen gelegten Einkünfte aus Kapitalvermögen folgende in den Jahren 2007 bis 2009 aus der Veräußerung von Indexzertifikaten erzielte negative Differenzbeträge geltend:


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Ursprünglicher
Ausgabebetrag
Anschaffungs-
kosten Bf.
Veräußerungs-
erlös Bf.
Differenz-
betrag
2007
 
 
 
 
RBS RIC ind.Cert. 04 o.E. 
100.000,00
110.320,00
104.120,00
-6.200,00
2008
 
 
 
 
CB DivDAX Ind.Cert. 05 o.E.
148.460,00
197.210,00
190.897,20
-6.312,80
CB DivDAX Ind.Cert. 05 o.E.
79.940,00
106.050,00
102.790,80
-3.259,20
RBS DJ Asia Ind.Cert. 06 o.E.
114.180,00
181.713,00
122.511,00
-59.202,00
2009
 
 
 
 
RBS RIMC Ind.Cert. 05 o.E.
55.000,00
103.658,50
95.868,03
-7.790,47

Die gegenständlichen Zertifikate wurden in der Schweiz verwaltet und hatten daher eine ausländische kuponauszahlende Stelle.

Die erklärten negativen Einkünfte wurden von der Abgabenbehörde im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als steuerlich unbeachtliche Substanzverluste nicht anerkannt.

Rechtslage:

Gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG idF vor BBG 2011 gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert eines Wertpapiers und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert, wenn diese 2% des Wertpapiernominales übersteigen. Die Freigrenze von 2% gilt nur für Wertpapiere, bei denen die übrigen Zinsen laufend ausbezahlt werden. Im Falle des vorzeitigen Rückkaufes tritt an die Stelle des Einlösungswertes der Rückkaufspreis.

Die anteiligen Kapitalerträge gehören gemäß § 27 Abs. 2 Z 5 bei Kapitalvermögen im Sinne des Abs. 2 Z 2 auch insoweit zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, als sie im Erlös aus der Veräußerung oder der Einlösung eines Wertpapiers berücksichtigt werden.

Gem. § 37 Abs. 8 Z 3 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung sind nicht im Inland bezogene Kapitalerträge iSd § 93 Abs. 2 Z 3 sowie des § 93 Abs. 3 bei der Berechnung der Einkommensteuer desselben Einkommensteuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen(§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen und mit einem besonderen Steuersatz von 25% zu versteuern.

Gemäß § 93 Abs. 1 EStG wird bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer). Gemäß § 93 Abs. 3 letzter Satz sind Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren im Inland bezogen, wenn sich die kuponauszahlende Stelle im Inland befindet. Gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 ist bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren die kuponauszahlende Stelle zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet; kuponauszahlende Stelle ist u.a. das Kreditinstitut, das an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt.

Gemäß § 95 Abs. 4 Z 3 EStG gelten Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt der Fälligkeit und im Zeitpunkt des Zufließens anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons als zugeflossen.

gem. § 95 Abs. 6 EStG sind von dem zum Abzug Verpflichteten die entsprechenden Beträge an Kapitalertragsteuer gutzuschreiben, wenn Kapitalerträge rückgängig gemacht werden. Die gutgeschriebene Kapitalertragsteuer darf die von den rückgängig gemachten Kapitalerträgen erhobene oder zu erhebende Kapitalertragsteuer nicht übersteigen.

Gemäß § 95 Abs. 7 Z 1EStG hat bei Übernahme eines Wertpapiers durch eine in Abs. 3 Z 2 genannte Institution zur Verwahrung und Verwaltung durch die kuponauszahlende Stelle (Abs. 3 Z 2) eine Gutschrift von Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge im Sinne des Abs. 4 Z 3 zu erfolgen, wenn für die Kapitalerträge ein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen ist.

Erwägungen:

Bei Indexzertifikaten handelt es sich um Schuldverschreibungen, deren Wertentwicklung von einem zugrunde liegenden Basiswert (sog. Underlying) abhängig ist. Basiswerte können Aktien- oder Branchenindices, künstlich geschaffene Indices, Rohstoffe, Währungen, Fonds, Aktienbaskets etc. sein (Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, Tz 178 zu § 27). Die Differenz zwischen Ausgabewert (Emissionswert) und Einlösungswert stellt Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in der zitierten Fassung dar, die der Kapitalertragsteuerpflicht unterliegen ( Jakom/Marschner, EStG, 2008, § 93 Rz 66). Bei vorzeitigem Rückkauf durch den Emittenten stellt der Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabewert und Rückkaufswert Einkünfte aus Kapitalvermögen dar ( Jakom/Marschner, a.a.O., § 27 Rz 82).

Der Erwerb von Indexzertifikaten dient  einem ähnlichen wirtschaftlichen Zweck wie der Direkterwerb von Aktien, weil diese Zertifikate die Möglichkeit eröffnen, an der Kursentwicklung des Index teilzunehmen, ohne alle in den Index aufgenommenen Aktien einzeln erwerben zu müssen (BGH-Urteil, XI ZR 178/03, in BGHZ 160, 58).

Unstrittig handelt es sich bei den gegenständlichen Indexzertifikaten um Forderungswertpapiere iSd §§ 27 und 93 EStG idF vor BBG 2011.

Der positive Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen Ausgabewert (Emissionswert) und dem Einlösungswert bzw. Veräußerungserlös ist als Kapitalertrag iSd § 27 Abs. 2 Z 2 EStG idF vor dem BBG 2011 zu qualifizieren.

Wird hingegen ein Indexpapier auf Grund einer negativen Indexentwicklung unter dem Emissionswert veräußert, führt dies zu einem steuerlich unbeachtlichen Verlust am Kapitalstamm (vgl. Zorn, ÖStZ 2003, 164).    

Da hinsichtlich der vorliegenden Indexzertifikate keine inländische kuponauszahlende Stelle vorlag, unterliegen die Erträge der Bestimmung des § 37 Abs. 8 Z 3 EStG idF bis zum , d.h. es gelangt der besondere Steuersatz von 25% zur Anwendung. 

Zum besseren Verständnis wird auf den rechtspolitischen und historischen Hintergrund verwiesen. Demnach unterlagen ursprünglich ausländische Kapitalerträge, auf die die Endbesteuerung nicht anzuwenden war, dem Normalsteuersatz. Die Regelung betreffend die Nichtendbesteuerung von Erträgen aus ausländischen Investmentfonds wurde dann aber vom VfGH mit Erkenntnis vom , G 278/01, als verfassungsrechtlich relevante Verletzung des Endbesteuerungsgesetzes qualifiziert und aufgehoben. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, erfolgte - in Reaktion auf dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, aber auch im Hinblick auf Zweifel an der EU-Konformität der bisherigen unterschiedlichen Besteuerung von in- und ausländischen Kapitalerträgen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 59 BlgNR 22. GP, 268) - eine Neuregelung der Besteuerung ausländischer Kapitalerträge. Für ausländische Kapitalerträge wurde eine der Endbesteuerung vergleichbare Besteuerung mit einem "besonderen Steuersatz von 25%" eingeführt ("Veranlagungsendbesteuerung"; Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 71/2003).

Bereits die dargestellte Genesis des § 37 Abs. 8 Z 3 ESTG idF vor dem BBG 2011 zeigt deutlich, dass mit dieser Bestimmung die steuerliche Gleichbehandlung in- und ausländischer Kapitalerträge herbeigeführt werden sollte.

Den vom Bf. geltend gemachten negativen Einkünften liegen solche veräußerten Indexzertifikate zugrunde, bei denen die Anschaffungskosten über dem Emissionskurs lagen und bei denen in der Folge eine negative Entwicklung eingetreten ist.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass Verluste aus Indexpapieren auch über dem Emissionskurs als steuerneutrale Substanzverluste zu qualifizieren sind, vermag aus nachstehenden Erwägungen nicht zu überzeugen:

Würde eine inländische kuponauszahlende Stelle vorliegen, käme es - nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 - bei Anschaffung eines Indexzertifikates zu einem Kurs über dem Emissionskurs gemäß § 95 Abs 6 EStG zu einer KESt-Gutschrift in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlichen Anschaffungskosten und dem Emissionskurs, und zwar auch dann, wenn in der Folge eine Veräußerung unter den Anschaffungskosten (aber über dem Emissionswert) erfolgt. Im Fall der späteren Einlösung oder Veräußerung fällt in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Erlös und dem Emissionskurs Kapitalertragsteuer an.

Zutreffend hat der Bf. im Vorlageantrag eingewendet, dass - folgt man der Argumentation des Finanzamtes und qualifiziert die negativen Einkünfte als Substanzverluste - eine KESt-Gutschrift auch bei inländischer Depotführung nicht erteilt werden könnte. Diesem Einwand treten auch die Ausführungen im Vorlagebericht vom nicht entgegen.

Dem Einwand im Vorlagebericht an das BFG, dass die KESt-Gutschrift nicht auf negative Einkünfte zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf den Erwerb einer Zinsforderung, ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der KESt-Gutschrift gem. § 95 Abs. 6 EStG um rückgängig gemachte Kapitalerträge handelt. Rückgängig gemachte Kapitalerträge sind - nach den allgemeinen Grundsätzen des Ertragsteuerrechtes (siehe auch die Ausführungen der Abgabenbehörde im Vorlagebericht) - als negative Einnahmen zu qualifizieren. 

Ob der Gesetzgeber bei der Fassung des § 95 Abs. 6 EStG tatsächlich davon ausgegangen ist, dass mit der Anschaffung eines Forderungswertpapieres jedenfalls positive Zinserträge erzielt werden, kann dahingestellt bleiben, weil Einkünfte aus Kapitalvermögen freilich auch negativ sein können.  

Werden Indexzertifikate im Ausland verwaltet und liegt daher keine inländische kuponauszahlende Stelle vor, darf dies am grundsätzlichen Besteuerungsregime nichts ändern (vgl. Papst, RdW 2011/379, 366 ff.).

Bei ausländischen Depots besteht die Möglichkeit einer KESt-Gutschrift gem. § 95 Abs. 6 EStG nicht. Um das gleiche steuerliche Ergebnis zu erreichen wie bei Vorliegen einer inländischen kuponauszahlenden Stelle, erscheint daher die Berücksichtigung negativer Kapitalerträge, wenn sie über dem Emissionswert realisiert werden, geboten.

Die steuerliche Gleichbehandlung von Indexzertifikaten unabhängig vom Ort der kuponauszahlenden Stelle ergibt sich zwingend aus der Kapitalsverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV:

Der Europäische Gerichtshof sprach mit seinem Urteil vom , C-315/02, Lenz, (betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1996) aus, dass die Artikel 73b und 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 63 und 65 Abs. 1 und 3 AEUV) einer Regelung entgegenstehen, die nur den Beziehern österreichischer Kapitalerträge erlaubt, zwischen einer Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25% und der normalen Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes zu wählen, während sie vorsieht, dass Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat zwingend der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes unterliegen.

Nach ständiger Rspr des EuGH gehören zu den Maßnahmen, die Art 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten ( und C-437/08, Rn 50, Haribo/Saline).

Zwar können nach Art 65 AEUV (vormals Art 58 EGV) Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandelt werden, nach Abs 3 dürfen die Maßnahmen und Verfahren aber weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art 63 AEUV (vormals Art 56 EGV) darstellen.

Die vom Finanzamt vertretene Auffassung führt - bedingt durch die Unterscheidung zwischen in- und ausländischer kuponauszahlender Stelle - zu unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen. Durch die daraus resultierende steuerliche Schlechterstellung von Investmentzertifikaten, die im Ausland verwaltet werden, könnte eine Investition in solche für die Anleger weniger attraktiv sein, als in solche mit einem inländischem Depot. Die steuerliche Diskriminierung des ausländischen Veranlagungsortes stellt daher eine Verletzung des freien Kapitalverkehrs dar.

Die Ungleichbehandlung könnte nur gerechtfertigt sein, wenn sie Situationen betreffen würde, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind ( und C-437/08, Rn 58, Haribo/Saline). Investmentzertifikate mit einer inländischen kuponauszahlenden Stelle sind zweifellos mit Investmentzertifikaten, die auf einem ausländischen Depot hinterlegt sind, vergleichbar. Insofern kann der Auffassung des Finanzamtes, dass keine vergleichbaren Situationen vorlägen, nicht gefolgt werden. Unter dem unionsrechtlichen Blickwinkel geht die von der Abgabenbehörde in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argumentation, dass es nicht geboten sei, einem Anleger mit ausländischen Depot eine KESt-Gutschrift zu erteilen, weil er bei Fälligkeit der Zinsen keine KESt-Belastung zu gewärtigen hat, ins Leere.

Die unterschiedliche Besteuerung der Investmentzertifikate, je nachdem ob sie auf einem ausländischen oder inländischer Depot verwaltet werden, stellt jedenfalls einen Verstoß gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs, dar.

Einen maßgeblichen Rechtfertigungsgrund kann das Bundesfinanzgericht nicht erkennen, noch wurde ein solcher Grund vom Finanzamt nachvollziehbar dargelegt.

Auch der Hinweis auf die Entscheidung des , vermag insbesondere im Hinblick darauf, dass ausländische Kapitalerträge aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht ungünstiger besteuert werden dürfen als die vergleichbaren inländischen Kapitalerträge, nicht zu überzeugen. In der angesprochenen Entscheidung bringt der UFS zum Ausdruck, dass für den Halter von Indexpapieren auf dem Depot einer inländischen Bank die KESt-mäßige Behandlung je nach Entwicklung des Index insgesamt von Vorteil oder Nachteil sein könne, weshalb eine willkürliche Diskriminierung nicht vorliege. Besteht im Inland eine kuponauszahlende Stelle, werden auf Grund der KESt-Gutschrift negative Einkünfte aus Kapitalvermögen sofort ausgeglichen. Nach der Auffassung der Abgabenbehörde gibt es bei ausländischen Depots diesen Entlastungseffekt nicht. Die steuerliche Diskriminierung des ausländischen Veranlagungsortes ist somit evident.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Einkünfte aus Kapitalvermögen errechnen sich wie folgt:


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2007
2008
2009
Einkünfte aus Kapitalvermögen lt.BP
146.331,17
17.859,41
90.275,41
negative Differenzbeträge aus der Veräußerung von Indexzertifikaten
-6.200,00
-68.774,00
-7.790,47
Einkünfte aus Kapitalvermögen lt.BFG
140.131,17
-50.914,59
82.484,94

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständlich war die Frage der steuerlichen Behandlung von negativen Einkünften aus Indexzertifikaten, die über dem Emissionswert realisiert wurden und die - mangels kuponauszahlender Stelle im Inland - der Veranlagungsendbesteuerung nach § 37 Abs. 8 Z 3 EStG idF BBG 2003 unterliegen, strittig. Da z u dieser Frage bislang keine Rechtsprechung des VwGH existiert, ist die Revision an den VwGH zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
negative Kapitaleinkünfte
Indexzertifikate
Foderungswertpapiere
ausländische kuponauszahlende Stelle
Verweise
Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, Tz 178 zu § 27
Zorn, ÖStZ 2003, 164
, C-437-08
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104083.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at