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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2019, RV/7105858/2017

Kosten eines Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 EheG außergewöhnliche Belastung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri über die Beschwerde der Bf., vertreten durchVertretung, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Einkommensteuer 2016 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2016 wird auf Grundlage der Beschwerdevorentscheidung vom festgesetzt und lautet diese auf den Betrag von Euro 14.336,89.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin, in der Folge als Bf. bezeichnet, erzielte im Jahre 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und brachte die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung dieses Jahres am auf elektronischem Weg beim Finanzamt ein. In dieser machte die Bf. u. a. Aufwendungen für Anwalts und Gerichtskosten iHv Euro 22.114,00, die ihr im Zusammenhang mit ihrer Scheidung entstanden, als außergewöhnliche Belastungen sowie die Kinderfreibeträge für ihre beiden nicht haushaltszugehörige Kinder sowie die Unterhaltsabsetzbeträge für diese geltend.

Mittels Vorhaltes vom forderte das Finanzamt die Bf. u. a. um Vorlage des Scheidungsurteiles sowie des Gerichtsurteiles betreffend des in der Folge gemäß den §§ 81 ff EheG abgeführten Aufteilungsverfahrens auf. 

In Beantwortung dieses Vorhaltes übermittelte die Bf. dem Finanzamt die im vorigen Absatz erwähnten Dokumente und gab mit Schreiben vom bekannt, dass die erkennende Richterin sowohl im Scheidungsverfahren als auch im Aufteilungsverfahren keine langen und aufwendigen Verfahren führen habe wollen. Die Bf. sei teilschuldig geschieden worden, da die Richterin gemeint habe, dass anderenfalls keine Scheidung zustande gekommen wäre. Die Bf. sei keinesfalls schuld am Scheitern der Ehe gewesen, sie habe im Gegensatz zu ihrem geschiedenen Ehemann keinen Grund zur Auflösung der Ehe gesetzt.

Auch im Falle des Aufteilungsverfahrens habe seitens der erkennenden Richterin der Wunsch nach einem Vergleich bestanden.

Angemerkt wird, dass im Scheidungsurteil, GZ 1, des BG 2 vom 1.1. u. a. erkannt wurde, dass das Verschulden beide Parteien treffe. In diesem wurde u. a. sachverhaltsmäßig festgestellt, dass sowohl die Klägerin - die Bf. - als auch der Beklagte die Ehe durch ihr schuldhaftes Verhalten unheilbar zerrüttet hätten und beide Parteien ein gleichteiliges Verschulden treffe. Beide Parteien hätten schwere Eheverfehlungen iSd § 49 EheG gesetzt. Abschließend wurde in diesem Urteil ausgeführt, dass eine Kostenentscheidung zu entfallen hatte, da keine Kosten verzeichnet worden seien.

Angemerkt wird weiters, dass in der Vergleichsausfertigung betreffend des Bezug habenden, gemäß den §§ 81 ff EheG abgeführten Aufteilungsverfahrens, GZ 3, des BG 2 vom 2.2. u. a. vermerkt ist, dass mit dieser Vereinbarung sämtliche vermögensrechtliche Ansprüche der Parteien aus der Ehe bereinigt und verglichen worden seien, dass die Kosten der jeweiligen anwaltlichen Vertretung von jeder Partei selbst und die Gerichtsgebühren von den Parteien je zur Hälfte zu tragen seien.

Das Finanzamt erließ den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 am und versagte in diesem den im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemachten Aufwendungen die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung mit der Begründung, dass Kosten eines Zivilrechtsstreites dann nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig seien, wenn diese lediglich Folge der Klagsführung durch den Steuerpflichtigen oder sonst Folge eines von diesem gesetzten Verhaltens seien. Laut Scheidungsurteil treffe das Verschulden beide Parteien zu gleichen Teilen, von Zwangsläufigkeit iSd § 34 EStG 1988 könne daher im Falle der Bf. keine Rede sein.

Angemerkt wird weiters dass in diesem Bescheid weder die beantragten Kinderfreibeträge noch die beantragten Unterhaltsabsetzbeträge gewährt wurden.

In der mit Schreiben vom  gegen diesen Bescheid rechtzeitig - einem am eingebrachten Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist wurde seitens des Finanzamtes entsprochen - eingebrachten Beschwerde brachte die Bf. vor, dass im vorliegenden Einkommensteuerbescheid 2016 die Rechtsanwaltskosten iHv Euro 20.345,34  zuzüglich der Gerichtskosten und Sachverständigenkosten - insgesamt Euro 22.114,00 - im Zusammenhang mit der Anfechtung des Scheidungsurteiles und der damit einhergehenden Vermögensaufteilung vom 1.1. nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden seien. Die Rechtsanwaltskosten hätten nicht die Kosten der Scheidung selbst, sondern jene von deren Verteidigung betroffen hätten, da ihr geschiedener Ehemann die ursprüngliche Scheidung am letzten Tag der Antragsfrist beeinsprucht habe. Diese Kosten seien der Bf. zwangsläufig erwachsen, da dieses Verfahren von ihr weder initiiert noch gewollt gewesen sei, sie habe sich angemessen verteidigen müssen. Das Verfahren habe aus Gründen der Verfahrensökonomie mit einem Vergleich geendet, die Bf. hätte jedoch vollinhaltlich obsiegt. Da ihr das Verfahren aufgezwungen worden sei und da die Bf. auch obsiegt hätte und damit unverschuldet Prozesskosten zu tragen gehabt habe, seien die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes anzuerkennen.

Weiters machte die Bf. wiederum die Kinderfreibeträge für ihre beiden nicht haushaltszugehörigen Kinder sowie die Unterhaltsabsetzbeträge für diese geltend und führte diesbezüglich aus, dass die gemeinsame Obsorge vereinbart worden sei und dass die Familienbeihilfe vom Kindesvater bzw. von der volljährigen Tochter bezogen werden würde.

Mittels Vorhaltes vom erging an die Bf. die Aufforderung um Vorlage sämtlicher Prozessunterlagen. Die Bf. legte in dessen Beantwortung das o.e. Scheidungsurteil, die o.e. Vergleichsausfertigung sowie einen Antrag auf Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG und die Ausfertigung eines vom o. e. BG am 1.1. zur GZ 3 erstellten Protokolles, vor. Hinsichtlich dieses Dokumentes wird angemerkt, dass in diesem die in der o. e. Vergleichsausfertigung enthaltenen Vereinbarungen protokolliert wurden.

Das Finanzamt erließ am eine abändernde Beschwerdevorentscheidung und versagte in dieser den in Rede stehenden Kosten des Scheidungsverfahrens die Anerkennung wobei es begründend ausführte, dass eine Belastung zwangsläufig erwachse, wenn sich der Steuerpflichtige dieser aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne ().

Eine Belastung erwachse nicht zwangsläufig, wenn sie unmittelbare Folge eines Verhaltens sei, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe. Diesbezüglich habe der VwGH (, 90/13/0034; , 88/14/0195; , 98/15/0036; , 94/13/0255; , 99/13/0158; , 99/14/0294) erkannt, dass Aufwendungen im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung bzw. Kosten durch das Führen eines Zivilprozesses das Kriterium der Zwangsläufigkeit nicht erfüllten.

Auch der unabhängige Finanzsenat habe wiederholt (, RV/0487-I/02; , RV/1150-W/03; , RV/0338-G/08; 1.1., RV/3471-W/10) entschieden, dass die Kosten einer Ehescheidung keine außergewöhnlichen Belastungen darstellten.

Im gegenständlichen Fall sei aus dem Erkenntnis des BG2 vom 1.1. ersichtlich, dass die Bf. als Klägerin iS obiger VwGH-Rechtsprechung aus freien Stücken ein Verhalten gesetzt habe, welches eine nicht zwangsläufige Belastung zur Folge habe. Weiters werde erkannt, dass auch die Bf. ein Verschulden treffe.

Da aus Sicht der Abgabenbehörde die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 (Zwangsläufigkeit) nicht erfüllt seien, könnten die Kosten des Scheidungsverfahrens nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Angemerkt wird, dass das Finanzamt in dieser Beschwerdevorentscheidung die o. e. Kinderfreibeträge sowie die o. e. Unterhaltsabsetzbeträge anerkannte.

Am brachte die Bf. beim Finanzamt einen Antrag auf Entscheidung über die o.a. Beschwerde vom ein und führte in dieser aus, dass in der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung die Verteidigungskosten iHv Euro 20.345,34  zuzüglich der Gerichtskosten und Sachverständigenkosten - insgesamt Euro 22.114,00 - im Zusammenhang mit der Anfechtung des Scheidungsurteiles durch den Ex-Mann der Bf. nicht anerkannt worden seien. Die Rechtsanwaltskosten hätten nicht die Kosten der Scheidung selbst sondern jene von deren Verteidigung betroffen, da ihr geschiedener Mann die ursprüngliche Scheidung am letzten Tag der Einspruchsfrist beeinsprucht hätte. Diese Kosten seien zwangsläufig erwachsen, da dieses Verfahren von der Bf. weder initiiert noch gewollt gewesen sei. Dieses Verfahren sei der  Bf. aufgezwungen wurden, sie habe sich angemessen verteidigen müssen. Aus Gründen der Verfahrensökonomie habe es mit einem Vergleich, bei dem die Bf. vollinhaltlich obsiegt habe, geendet. Da das Verfahren der Bf. aufgezwungen worden sei, sie auch obsiegt und damit unverschuldet Kosten zu tragen gehabt habe, seien die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes anzuerkennen.

Nochmals sei betont, dass es sich bei den gegenständlichen Kosten nicht um die Kosten der Scheidung selbst gehandelt habe sondern um die der Bf. aufgezwungenen Kosten der Verteidigung, da die bereits abgeschlossene Scheidung seitens ihres Ex-Mannes beeinsprucht worden sei. Die Bf. habe obsiegt, auch wenn das Verfahren mit einem Vergleich geendet habe weil die Richterin es nicht anders gemacht hätte.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass die von der Bf. am 5.5. mit A geschlossene Ehe aus gleichteiligem Verschulden geschieden wurde. Das Bezug habende Aufteilungsverfahren gemäß den §§ 81 ff EheG wurde durch den Abschluss eines Vergleiches beendet. Die Bf. fungierte im Scheidungsverfahren als Klägerin und im Aufteilungsverfahren als Antragsgegnerin.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Scheidungsurteil, GZ 1, des BG 2 vom 1.1. sowie aus der Vergleichsausfertigung betreffend des Bezug habenden, gemäß den §§ 81 EheG abgeführten Aufteilungsverfahrens, GZ 3, des BG 2 vom 2.2..

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 leg.cit.) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 leg.cit.) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Schon aus der Wortfolge des Gesetzes ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, welche auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt worden sind oder sonst unmittelbare Folgen eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. , , 89/13/0100, , 90/13/0006).

Es ist davon auszugehen, dass Prozesskosten "im Allgemeinen nicht zwangsläufig sind" (), da jede Prozessführung mit dem Risiko verbunden ist, die Kosten ganz oder teilweise selbst tragen zu müssen ().

Wenn sich in diesem Zusammenhang auch eine stets gültige Regel nicht aufstellen lässt, so ist die Zwangsläufigkeit jedenfalls dann immer zu verneinen, wenn ein Prozess letztlich nur die direkte oder indirekte Folge eines Verhaltens ist, das der Steuerpflichtige aus freien Stücken gesetzt hat (vgl. Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Tz 1 zu § 34 EStG 1988 Einzelfälle, Stichwort "Prozesskosten"; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 38 zu § 34, Stichwort "Prozesskosten"; Doralt, EStG13, §34 Tz 78, Stichwort "Prozesskosten"; , mit weiteren Nachweisen; ; ; ). Prozesskosten in einem Zivilrechtsstreit sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn sie lediglich Folge der Klagsführung durch den Steuerpflichtigen () oder sonst direkte oder indirekte Folge eines vom Steuerpflichtigen gesetzten Verhaltens sind.

Die angefallenen Kosten für das gemäß den §§ 81 EheG abgeführte Aufteilungsverfahren sind eine unmittelbare Folge der mit Urteil vom 1.1. zu GZ 1 ausgesprochenen Ehescheidung (Basisprozess). Da in diesem Urteil festgestellt wurde, dass sowohl die Klägerin als auch der Beklagte durch ihr schuldhaftes Verhalten die Ehe unheilbar zerrüttet hätten und dass beide Parteien ein gleichteiliges Verschulden getroffen hätte, ist davon auszugehen, dass auch die Bf. während des Bestandes der aufrechten Ehe ein offenbar ehewidriges Verhalten setzte, als dessen Konsequenz sich das von ihrem Ehegatten angestrengte Aufteilungsverfahren darstellte.

Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten erweisen sich daher iSd Ausführungen des vorletzten Absatzes als eine zumindest indirekte Folge des von der Bf. während aufrechter Ehe gesetzten Verhaltens und sind somit steuerlich nicht anzuerkennen.

Da das in Rede stehende Aufteilungsverfahren durch den Abschluss eines Vergleiches - gemäß § 1380 ABGB heißt ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun, oder zu unterlassen verbindet, Vergleich, anders formuliert ist ein Vergleich die durch beiderseitiges Nachgeben einverständliche neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte - beendet wurde, geht das Beschwerdevorbringen, wonach die Bf. in diesem vollinhaltlich obsiegte, ins Leere. Dass dieses Verfahren, wie in der Beschwerde ausgeführt, der Bf. aufgezwungen worden sei, vermag das BFG in Ansehung des oben Gesagten nicht zu erkennen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Kriterien liegen im gegenständlichen Fall allesamt nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105858.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at