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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.03.2019, RV/4100145/2019

Dient eine Beherbergung Wohnzwecken i.S. des § 10 Abs 2 Z 4 lit d UStG 1994 idF 2009-2012?

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2019/15/0179. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/4100115/2022 erledigt.


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Rechtssätze
Folgerechtssätze
RV/4100145/2019-RS1
wie RV/4100032/2014-RS1
Eine Wohnung dient auch dann Wohnzwecken i.S. des § 10 Abs 2 Z 4 lit d UStG 1994 idF 2009-2012, wenn diese Wohnung durch den Wohnungseigentümer zu Beherbergungszwecken verwendet wird (vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 4. Auflage, § 10 TZ 62 und 63).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. RI über die Beschwerde vom

der Personenvereinigung ABEBf 11 , vertreten durch Frau Gerlinde Andritsch, Steuerberaterin in Villach, gegen die Bescheide des Finanzamtes FA vom betreffend Umsatzsteuer 2009-2011 und gegen den vorläufigen Bescheid desselben Finanzamtes vom betreffend Umsatzsteuer 2012

zu Recht erkannt:

1.)Umsatzsteuer 2009-2011:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Die bekämpften Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die festgesetzten Gutschriften betragen:

Umsatzsteuer 2009

151.511,79 € …steuerbarer Umsatz
34.916,33 €…...Umsatz 20%
116.595,46 € …Umsatz 10%
6.983,27 €……..Umsatzsteuer 20%
11.659,55 €…….Umsatzsteuer 10%
18.642,82 €…….Umsatzsteuer gesamt
-26.825,48 €…...Vorsteuer
-8.182,66 €……..Gutschrift

Umsatzsteuer 2010

84.981,42€ ….steuerbarer Umsatz
20.391,80 €…..Umsatz 20%
64.589,62 € ….Umsatz 10%
4.078,36 €…….Umsatzsteuer 20%
6.458,96 €…….Umsatzsteuer 10%
10.537,32 €……Umsatzsteuer gesamt
-19.021,52 €….Vorsteuer
-8.484,2 €……..Gutschrift

Umsatzsteuer 2011

30.196,23 € ….steuerbarer Umsatz
5.845,51 €…….Umsatz 20%
24.350,72 € …..Umsatz 10%
1.169,10 €……..Umsatzsteuer 20%
2.435,07 €………Umsatzsteuer 10%
3.604,17 €………Umsatzsteuer gesamt
-5.493,52 €……..Vorsteuer
-1.889,35 €……..Gutschrift

2.) Umsatzsteuer 2012

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der Bescheid wird abgeändert. Die vorläufige Abgabenfestsetzung wird durch eine endgültige Festsetzung ersetzt. Die Bemessungsgrundlagen und die festgesetzte Gutschrift betragen:

30.792,50 € …..steuerbarer Umsatz
7.029,90 €……..Umsatz 20%
23.762,60 € …..Umsatz 10%
1.405,98 €........Umsatzsteuer 20%
2.376,26 €........Umsatzsteuer 10%
3.782,24 €........Umsatzsteuer gesamt
-4.302,51 €…….Vorsteuer
-520,27 €........Gutschrift 2012

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig (§ 25 a Abs 1 VwGG).

Entscheidungsgründe

Ablauf des Verfahrens:

Die Wohnungseigentümergemeinschaft Appartementhaus "Bf" (sic!) 11 [Beschwerdeführerin (Bf)] erbringt Serviceleistungen (Erhaltung, Verwaltung und Betrieb der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Teile und Anlagen der Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht) an ihre Wohnungseigentümer. Auf dieser Liegenschaft steht ein Gebäude mit 2 Geschäftseinheiten im Erdgeschoß dieses Hauses und 9 Wohnungen im ersten Stock, sowie 6 Wohnungen im 2. Stock, 8 Wohnungen im 3. Stock, sowie 4 Wohnungen im Dachgeschoß, insgesamt somit 27 Wohnungen [AB Bf 11 (AB 11), S. 20, 125-132].

Ursache des gegenständlichen Verfahrens ist die touristische Nutzung der Wohnungen (nicht der Geschäftslokale) des gegenständlichen Hauses, dh die Vermietung dieser Wohnungen (oder die entgeltliche Beherbergung in diesen Wohnungen) durch die Wohnungseigentümer oder durch den Hausverwalter im Namen und im Auftrag der Wohnungseigentümer zu Gunsten von Feriengästen [BP-Bericht, TZ 1; vgl. AB 11) S. 73=Provisionsabrechnung des Hausverwalters ; AB 11 S. 75]. Auf Grund dieser touristischen Nutzungen der einzelnen Wohneinheiten ist das umsatzsteuerliche Schicksal der durch die Bf erbrachten Serviceleistungen an die Wohnungseigentümer (Erhaltung, Verwaltung, Betrieb...) strittig.

Lt. Arbeitsbogen des Prüfers (AB) ist ersichtlich, dass die Bf, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, typische Betriebs- und Instandhaltungskosten, z.B. Heizkosten, Stromkosten, Müllbeseitigungskosten, Instandhaltungskosten und auch Reinigungskosten in Bezug auf die Eigentumswohnungen auf sich genommen hat [ AB 11), S. 23-25; S. 31; S. 33; S. 37;38;39].

Es ist auch im AB ersichtlich, dass die Bf diese Betriebskosten den Wohnungseigentümern weiterverrechnet hat [ AB 11, S. 23-25; S. 31; S. 33; S. 37;38;39]

Es fehlt aber jeder Hinweis darauf, dass die Bf Vermietungs- oder Beherbergungserträge steuerlich erklärt haben könnte . Die Bf hat somit selbst keine Miet- oder Beherbergungsverträge abgeschlossen.

BP-Bericht Haus 11 vom , TZ 1:

Das Haus 11 sei eine Appartemementanlage mit Ferienwohnungen.

Die Ferienwohnungen seien "über" die "Hausverwaltung HV" (zum weitaus überwiegenden Teil) und auch "über" die einzelnen Eigentümer selbst "touristisch genutzt" worden .

In Einzelfällen sei seitens der Eigentümer die eigene Nutzung zu kurzfristigen Wohnzwecken erfolgt.

Nach Ansicht der BP "diene die Verwendung der Liegenschaftsanteile" der Erzielung von Umsätzen aus der Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen. Es liege keine Gebrauchsüberlassung zu Wohnzwecken vor (§ 6 Abs 1 Z 17 UStG 1994).

Die touristisch als Ferienwohnungen genutzten Liegenschaftsanteile seien wegen einer Option zur Steuerpflicht (§ 6 Abs 2 UStG 1994) dem Normalsteuersatz von 20% zu unterwerfen.

Das Ausmaß der als Ferienwohnungen genutzten Einheiten sei infolge eingeschränkter Ermittlungsmöglichkeiten (Eigentümer im Ausland, keine oder nur beschränkte Kontaktaufnahme möglich) im Schätzungswege im Ausmaß von rund 75% ermittelt worden.

Anmerkung des BFG: Damit ist gemeint: 75 % jener Service-Umsätze, die die Bf als dem begünstigten Steuersatz (10%) unterliegend ansetzt, werden vom Finanzamt jenen Wohnungen zugeordnet, die Beherbergungszwecken dienen, und dem Normalsteuersatz unterworfen.

Die Leistungen von Personenvereinigungen zur Erhaltung, Verwaltung und zum Betrieb der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Teile und Anlagen einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht, und die nicht für Wohnzwecke verwendet werden, seien unecht steuerbefreit ( § 6 Abs 1 Z 17 UStG 1994).

Die Leistungen von Personenvereinigungen zur Erhaltung, Verwaltung und zum Betrieb der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Teile und Anlagen einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht, und die für Wohnzwecke verwendet werden, unterlägen dem begünstigten Steuersatz (§ 10 abs 2 Z 4 lit d UStG 1994).

Es liege jedoch keine Gebrauchsüberlassung zu Wohnzwecken vor.

Die ABE (Bf) habe gem. § 6 Abs 2 UStG 1994 zur Steuerpflicht optiert. "Die touristisch als Ferienwohnungen genutzten Liegenschaftsteile" unterlägen dem Normalsteuersatz.

Anmerkung des BFG: Damit meint das Finanzamt, dass seiner Ansicht nach die Serviceleistungen der Bf an ihre Mitglieder, soweit sie jenen Wohnungen zugeordnet werden können, die als Ferienwohnungen Zwecken der Beherbergung dienen, dem Normalsteuersatz zu unterwerfen seien.

Es erfolge eine Nettosteuersatzverschiebung von 10% auf 20%.

Anmerkung des BFG: Damit ist gemeint: 75 % jener Umsätze, die die Bf als dem begünstigten Steuersatz (10%) unterliegend ansetzt, werden vom Finanzamt jenen Wohnungen zugeordnet, die Beherbergungszwecken dienen und dem Normalsteuersatz unterworfen.

Das Finanzamt zitierte die Entscheidungen und -I/11

In den Aufzeichnungen der Bf finden sich die folgenden Bemessungsgrundlagen:

Umsatzsteuer 2009 lt. Bf (AB 11 S. 24, 25):

151.511,79 € …steuerbarer Umsatz
34.916,33 €…...Umsatz 20%
116.595,46 € …Umsatz 10%
6.983,27 €……..Umsatzsteuer 20%
11.659,55 €…….Umsatzsteuer 10%
18.642,82 €…….Umsatzsteuer gesamt
-26.825,48 €…...Vorsteuer
-8.182,66 €……..Gutschrift

Umsatzsteuer 2009 nach Korrektur durch das Finanzamt (USt-Akt S. 14):

151.511,79 € ….steuerbarer Umsatz lt. Bf
122.362,93 €…..Umsatz 20% lt. FA
29.148,86 € ……Umsatz 10% lt. FA
-26.825,48 €…...Vorsteuer

Das Finanzamt hat somit 75% des Umsatzes, den die Bf dem begünstigten Steuersatz (10%) zu unterwerfen begehrt, dem Normalsteuersatz unterworfen (BP-Bericht TZ 2):

116.595,46 € ….Umsatz 10% lt. Bf x 75% = 87.446,60
-87.446,60 €…..Minderung lt FA
29.148,86 €…….Umsatz 10% lt FA

34.916,33 € ……Umsatz 20% lt. Bf
+87.446,60 €…Erhöhung lt. FA
122.362,93 €…..Umsatz 20% lt. FA

Umsatzsteuer 2010 lt. Bf

84.981,42€ ….steuerbarer Umsatz
20.391,80 €…..Umsatz 20%
64.589,62 € ….Umsatz 10%
4.078,36 €…….Umsatzsteuer 20%
6.458,96 €…….Umsatzsteuer 10%
10.537,32 €…..Umsatzsteuer gesamt
-19.021,52 €….Vorsteuer
-8.484,2 €……..Gutschrift

Änderungen durch das Finanzamt:

64.589,62 € ….Umsatz 10% lt. Bf
-48.442,22 €...-75% Abzug Finanzamt (FA)
16.147,40 €.....Umsatz 10% lt. FA nach Steuersatzverschiebung

20.391,80 €…..Umsatz 20% lt. Bf
+48.442,22 €....Erhöhung lt. FA wegen Steuersatzverschiebung
68.834,02 €....Umsatz 20% lt. FA nach Steuersatzverschiebung

16.147,40 €.....Umsatz 10% lt. FA nach Steuersatzverschiebung

68.834,02 €.......Umsatz 20% lt. FA nach Steuersatzverschiebung

Das Finanzamt hat somit 75% des Umsatzes, den die Bf dem begünstigten Steuersatz (10%) zu unterwerfen begehrt, dem Normalsteuersatz unterworfen (BP-Bericht TZ 2).

Umsatzsteuer 2011 lt. Bf (USt-Akt des FA betreffend Bf, s. 16)

30.196,23 € ….steuerbarer Umsatz
5.845,51 €…….Umsatz 20%
24.350,72 € …..Umsatz 10%
1.169,10 €……..Umsatzsteuer 20%
2.435,07 €………Umsatzsteuer 10%
3.604,17 €………Umsatzsteuer gesamt
-5.493,52 €……..Vorsteuer
-1.889,35 €……..Gutschrift

Umsatzsteuer 2011 nach Korrektur durch das Finanzamt:

24.350,72 € …..Umsatz 10% lt. Bf
-18.263,04 € ....-75 % lt. FA
6.087,68 €........Umsatz 10% lt. FA

5.845,51 €…….Umsatz 20%
+18.263,04 €....Umsatzerhöhung lt. FA
24.108,55 €.....Umsatz 20% lt. FA

Das Finanzamt hat somit 75% des Umsatzes, den die Bf dem begünstigten Steuersatz zu unterwerfen begehrt, dem Normalsteuersatz unterworfen (BP-Bericht TZ 2)

Umsatzsteuer 2012 lt. BP-Bericht

36.000 €…….steuerbarer Umsatz lt. TZ 1 BP-Bericht
8.866,80........Umsatz 20% lt. TZ 1 BP-Bericht
27.133,20 €….Umsatz 10% lt. TZ 1 BP-Bericht
1.773,36 €…….Umsatzsteuer 20%
2.713,32 €…….Umsatzsteuer 10%

4.486,68 €…..Umsatzsteuer gesamt vor Steuersatzverschiebung

-4.302,49 €……Vorsteuer lt. TZ 1 BP-Bericht
-660 €…………..Berichtigung gem. § 16 lt. TZ 1 BP-Bericht
-475,81 €……..Gutschrift vor Steuersatzverschiebung

Umsatzsteuer 2012 nach der Steuersatzverschiebung durch das Finanzamt:

30.792,50 € …..steuerbarer Umsatz lt. Erklärung der Bf
5.207,50 €……..1.Erhöhung lt. FA (1. Korrektur FA)
36.000 €……....steuerbarer Umsatz lt FA vor Steuersatzverschiebung

Das Finanzamt hat sodann 75% des Umsatzes, den die Bf dem begünstigten Steuersatz (10%) unterwerfen wollte, dem Normalsteuersatz unterworfen (BP-Bericht TZ 2):

27.133,20 € …..Umsatz 10% lt. Korrektur I FA x 75%= €
-20.349,90 €….Minderung lt FA
6.783,30 €…….Umsatz 10% lt Korr. II FA nach Steuersatzverschiebung

8.866,80 € …….Umsatz 20% lt. Korrektur I FA
+20.349,90 €….Erhöhung lt. FA lt. Korrektur II
29.216,70 €…..Umsatz 20% lt. FA nach Steuersatzverschiebung

30.792,50 €…..steuerbarer Umsatz lt. Erklärung
+5.207,50 €…..Erhöhung lt.FA
36.000 € …......steuerbarer Umsatz lt. FA
29.216,70 €…..Umsatz 20% lt. FA nach Korrektur II
6.783,30€ ….....Umsatz 10% lt. FA nach Korrektur II
-4.302,49 €…..Vorsteuer
-660 €……….....Berichtigung gem. § 16 UStG

Zu den Ansätzen der Bf zur Umsatzsteuer 2012 wird auf die Ausführungen zur Steuererklärung 2012 der Bf vom hingewiesen.

Beschwerde vom :

Die Feststellung, dass infolge eingeschränkter Ermittlungsmöglichkeiten das Ausmaß der Vermietung mit 75% geschätzt werde, sei unzutreffend.

Anlässlich der Prüfung habe die Hausverwaltung eine Liste der Eigentümer mit Adressen und Telefonnummern vorgelegt.

Die Wohnungseigentümer hätten bei Bedarf dem Hausverwalter (VNHV) den Auftrag erteilt, gegen Bezahlung einer Vermittlungsprovision die Wohnungen zu vermieten. Die Vermietung erfolge im Namen des jeweiligen Wohnungseigentümers.

Auf die Umsätze sei der ermäßigte Steuersatz anzuwenden (Ruppe/Achatz, UStG 1994,4. Auflage, § 10 RZ 63).

Soweit der Inhalt der Beschwerde.

Im Vorlagebericht vom verweist das Finanzamt auf den BP-Bericht (TZ 2), wonach das Ausmaß der als Ferienwohnungen genutzten Einheiten in Höhe von "75%" geschätzt worden sei.

Anmerkung des BFG: Damit ist gemeint: 75% jener Service-Umsätze der Bf, die die Bf als dem begünstigten Steuersatz (10%) unterliegend ansetzt, werden vom Finanzamt jenen Wohnungen zugeordnet, die Beherbergungszwecken dienen, und dem Normalsteuersatz unterworfen.

Nach Einbringung der Beschwerde brachte die Bf ihre Steuererklärung 2012 am ein, die von den Ansätzen des Finanzamtes im bekämpften Bescheid vom beträchtlich abweicht:

30.792,50 € …..steuerbarer Umsatz
7.029,90 €……..Umsatz 20%
23.762,60 € …..Umsatz 10%
1.405,98 €........Umsatzsteuer 20%
2.376,26 €........Umsatzsteuer 10%
3.782,24 €........Umsatzsteuer gesamt
-4.302,51 €…….Vorsteuer
-520,27 €........Gutschrift 2012

Das Finanzamt hat zur Steuererklärung 2012 der Bf keine Stellungnahme abgegeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

I.)Feststellungen

Die Beschwerdeführerin (Bf ) ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft (Personenvereinigung von Wohnungseigentümern) der Appartement-Anlage Bf 11, GA.

Diese Appartementanlage umfasst 27 Wohnungen und 2 Geschäftslokale [Arbeitsbogen Bf 11 (AB 11, S. 20, 125-132].

Die Geschäftslokale dienen den Wohnungseigentümern (= Mitgliedern der Beschwerdeführerin) zu geschäftlichen und jedenfalls nicht zu Wohnzwecken. Die Art der Nutzung dieser Geschäftslokale und die rechtlichen Konsequenzen auf Grund dieser Nutzungen sind nicht strittig.

Die Wohnungen werden von den Wohnungseigentümern zum Teil selbst bewohnt, zum Teil beherbergen die Wohnungseigentümer ohne die Hilfe des Hausverwalters in diesen Wohnungen Touristen gegen Entgelt (TZ 2 BP-Bericht). Zum Teil beauftragen die Wohnungseigentümer den Hausverwalter, in ihren Wohnungen gegen Entgelt in ihrem Namen Touristen zu beherbergen. Der Hausverwalter beherbergt sodann die Touristen auftragsgemäß im Namen des jeweiligen Wohnungseigentümers , der ihn beauftragt hat, gegen Entgelt, das dem Wohnungseigentümer weiter geleitet wird. Der jeweilige Wohnungseigentümer bezahlt dem Hausverwalter dafür eine Provision (unbestrittenes Berufungsvorbringen; TZ 2 BP-Bericht).

Die Bf hat für die Wohnungseigentümer Serviceleistungen erbracht: Sie hat Heizkosten, Stromkosten, Müllbeseitigungskosten, Reinigungskosten und Instandhaltungskosten in Bezug auf die Eigentumswohnungen und die Geschäftslokale auf sich genommen und diese Kosten den Wohnungseigentümern weiter verrechnet [AB 11, S. 23-25, 31, 33, 37-39].

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Abgabepflicht der Bf selbst oder der Umfang der Abgabepflicht der Bf ungewiss ist.

II.) Rechtsfolgen:

In Bezug auf diese Serviceleistungen der Bf gegenüber den Wohnungseigentümern ist strittig, ob diese, soweit sie auf die einzelnen Wohnungen , nicht die Geschäftslokale, entfallen, mit 10% oder mit 20 % der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Die Bf sieht sämtliche Nutzungen der Wohnungen , nicht der Geschäftslokale, als Nutzungen an, die Wohnzwecken i.S. des § 10 Abs 2 Z 4 lit d USTG 1994 dienen. Daher begehrt die Bf, sämtliche Serviceleistungen der Bf an die Wohnungseigentümer, die auf die Wohnungen, nicht die Geschäftslokale entfallen, dem begünstigten Steuersatz (10%) zu unterwerfen.

Das Finanzamt teilt diese Ansicht nicht, soweit die Wohnungen der entgeltlichen Beherbergung dienen und hat daher 75% der von der Bf dem begünstigten Steuersatz (10%) unterworfenen Umsätze dem Normalsteuersatz unterworfen. Das Finanzamt begehrt, die Wohnungen, die der entgeltlichen Beherbergung dienen, als Wohnungen anzusehen, die nicht Wohnzwecken dienen. Die Serviceleistungen der Bf, die auf diese Wohnungen entfallen, seien daher grundsätzlich unecht steuerfrei (§ 6 Abs 1 Z 17 USTG 1994). Da die Bf jedoch zur Steuerpflicht optiert habe, seien diese Serviceleistungen der Bf in Bezug auf diese Wohnungen dem Normalsteuersatz zu unterwerfen (TZ 1 BP-Bericht).

Hiezu wird durch das BFG bemerkt:

Ob die Wohnungseigentümer ihre Wohnungen selbst bewohnen oder darin Feriengäste gegen Entgelt beherbergen, oder ob der Hausverwalter im Namen und im Auftrag der Wohnungseigentümer in deren Wohnungen Feriengäste gegen Entgelt beherbergt, ändert nichts daran, dass in all diesen Fällen die Wohnungen der Wohnungseigentümer Wohnzwecken dienen. Wohnzwecken dient eine Wohnung in allen Fällen, in denen Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft in der Wohnung gewährt wird (; ). Diese Voraussetzung ist auch bei einer typischerweise wochenweisen oder auch nur tageweisen (z.B. im Rahmen eines "Wochenendurlaubs") Beherbergung von Feriengästen erfüllt (vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 4. Auflage, § 10 TZ 62 und 63).

Das Gesetz erwähnt die Beherbergung als "Beherbergung in eingerichteten Wohn....räumen" (§ 10 Abs 2 Z 4 lit b USTG 1994), und lässt daher erkennen, dass eine Beherbergung auch Wohnzwecken dient.

Sowohl die Vermietung von Wohnungen für Wohnzwecke (§ 10 Abs 2 Z 4 lit a UStG 1994) als auch die Beherbergung in eingerichteten Wohnräumen (§ 10 Abs 2 Z 4 lit b UStG 1994) ist steuerbegünstigt. Die Serviceleistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften in Bezug auf die Wohnungen, die Wohnzwecken dienen, sind steuerbegünstigt (§ 10 Abs 2 Z 4 lit d UStG 1994). Da die Beherbergung und die Vermietung für Wohnzwecke steuerbegünstigt ist, erscheint es systemkonform, die Serviceleistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an die Wohnungseigentümer steuerlich zu begünstigen, egal, ob sich diese Serviceleistungen auf Wohnungen beziehen, in welchen

- die Wohnungseigentümer wohnen, oder in welchen

-Vermietungen zu Wohnzwecken oder Beherbergungsleistungen durch die Wohnungseigentümer oder im Auftrag und im Namen der Wohnungseigentümer durchgeführt werden.

Dem vom FA zitierten Erkenntnis des VwGH () liegt ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde.

Mangels Ungewissheit i.S. des § 200 Abs 1 BAO wird die vorläufige Abgabenfestsetzung betreffend das Jahr 2012 durch eine endgültige Festsetzung ersetzt.

III.)Bemessungsgrundlagen:

Die durch die Bf bekämpften Änderungen, die das Finanzamt in Bezug auf den Steuersatz vorgenommen hat, werden rückgängig gemacht.

Die Bemessungsgrundlagen für die Jahre 2009-2011 entsprechen daher den Ansätzen der Bf:

Umsatzsteuer 2009 (AB 11, S. 24, 25, 28):

151.511,79 € …steuerbarer Umsatz
34.916,33 €…...Umsatz 20%
116.595,46 € …Umsatz 10%
6.983,27 €……..Umsatzsteuer 20%
11.659,55 €…….Umsatzsteuer 10%
18.642,82 €…….Umsatzsteuer gesamt
-26.825,48 €…...Vorsteuer
-8.182,66 €……..Gutschrift

Umsatzsteuer 2010 (AB 11, S. 29, 31)

84.981,42€ ….steuerbarer Umsatz
20.391,80 €…..Umsatz 20%
64.589,62 € ….Umsatz 10%
4.078,36 €…….Umsatzsteuer 20%
6.458,96 €…….Umsatzsteuer 10%
10.537,32 €……Umsatzsteuer gesamt
-19.021,52 €….Vorsteuer
-8.484,2 €……..Gutschrift

Umsatzsteuer 2011 (AB 11, S. 32, 33)

30.196,23 € ….steuerbarer Umsatz
5.845,51 €…….Umsatz 20%
24.350,72 € …..Umsatz 10%
1.169,10 €……..Umsatzsteuer 20%
2.435,07 €………Umsatzsteuer 10%
3.604,17 €………Umsatzsteuer gesamt
-5.493,52 €……..Vorsteuer
-1.889,35 €……..Gutschrift

Umsatzsteuer 2012

Das Finanzamt hat den Ansätzen der Bf in ihrer nachträglich am eingebrachten Steuererklärung der Höhe nach nicht widersprochen. Es lässt lediglich auf Grund seiner Ausführungen im BP-Bericht erkennen, dass es 75% der Bemessungsgrundlagen, die die Bf den begünstigt (10%) besteuerten Umsätzen zuordnet, mit dem Normalsteuersatz versteuert wissen will. Das Finanzamt hat keinen Beweis vorgelegt, demzufolge die Bemessungsgrundlagen höher gewesen sein könnten, als die Bf in ihrer Steuererklärung angegeben hat. Das Finanzamt hat auch nicht begründet, warum die Bemessungsgrundlagen höher gewesen seien, als die Bf in ihrer Steuererklärung angibt. Daher werden durch das BFG die Angaben der Bf in ihrer Steuererklärung 2012 der Höhe nach als richtig angesehen.

Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, für Service-Umsätze der Bf (§ 10 Abs 2 Z 4 lit d UStG 1994), die Wohnungen zuzuordnen sind, die den Wohnungseigentümern zu Beherbergungszwecken dienen, einen anderen Steuersatz als den begünstigten Steuersatz (10%) anzusetzen (siehe oben). Daher gibt es jedenfalls keinen Grund für die Steuersatzverschiebung des Finanzamtes , mit welcher durch das Finanzamt 75% der Umsätze, die die Bf dem begünstigten Steuersatz zugeordnet hat, dem Normalsteuersatz unterworfen wurden. Daher ist die Steuererklärung 2012 der Bf vom auch dem Grunde nach richtig.

Umsatzsteuer 2012 lt. BFG und lt. Erklärung vom

30.792,50 € …..steuerbarer Umsatz
7.029,90 €……..Umsatz 20%
23.762,60 € …..Umsatz 10%
1.405,98 €........Umsatzsteuer 20%
2.376,26 €........Umsatzsteuer 10%
3.782,24 €........Umsatzsteuer gesamt
-4.302,51 €…….Vorsteuer
-520,27 €........Gutschrift 2012

IV.) Begründung gemäߧ 25 a Abs 1 VwGG:

Durch dieses Erkenntnis werden Rechtsfragen iS von Art 133 Abs 4 B-VG berührt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt .

Die Bf, eine Personenvereinigung von Wohnungseigentümern, erbringt an ihre Wohnungseigentümer die typischen Serviceleistungen, die in § 10 Abs 2 Z 4 lit d UStG (Streitzeitraum 2009-2012) erwähnt sind, wobei sich diese Serviceleistungen auf die Wohnungen der Wohnungseigentümer beziehen (inbesondere Weiterverrechnung von Betriebs- und Instandhaltungskosten). Die Wohnungseigentümer nutzen ihre Wohnungen zum Teil auch zur entgeltlichen Beherbergung von Feriengästen, wobei diese Beherbergung zum Teil durch den Hausverwalter im Namen und im Auftrag der Wohnungseigentümer durchgeführt wird.

Es ist strittig, ob die Wohnungen, die der entgeltlichen Beherbergung von Feriengästen dienen, Wohnzwecken i.S. des § 10 Abs 2 Z 4 lit d UStG 1994 dienen. Das BFG bejaht diese Frage, das Finanzamt teilt diese Ansicht nicht. Eine Rechtsprechung des VwGH in dieser Frage existiert noch nicht.

Es liegt daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (Art 133 Abs 4 B-VG).

Daher ist eine ordentliche Revision zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Wohnzwecke
Instandhaltungskosten
Stellvertretung
Serviceleistungen
Steuersatz
Betriebskosten
Aufenthalt
Unterkunft
Weiterverrechnung
Beherbergung
Wohnungseigentümergemeinschaft
Vermittlungsprovision
Bevollmächtigung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100145.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at