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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.04.2019, RV/7102043/2018

Zeitlicher Umfang von Kursen zur Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind S... für den Zeitraum Juli 2015 bis Juni 2017 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig. 

Entscheidungsgründe

Im Zuge der Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe für die im Mai 1996 geborene Tochter S. des Beschwerdeführers (Bf.) im Mai 2017 wurde betreffend die Tochter des Bf. um Vorlage einer Bestätigung ersucht, aus der ersichtlich ist, wie lange die Schule I. besucht wurde.

Auf diese Aufforderung hin wurden Jahreszeugnisse und Teilnahmebestätigungen vorgelegt (dazu vgl. unten).

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Bf. für das Kind S. im Zeitraum von Juli 2015 bis Juni 2017 zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen zurück.
Die Begründung lautet:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgestz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht.
Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.

Der Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid Beschwerde wie folgt.
Meine Tochter S… hat in den angegebenen Jahren eine anerkannte Schule in Österreich besucht. Die Merkmale entsprechen den gesetzlichen Anforderungen im Sinne des Gesetzes.
Als Beweis füge ich den Schulunterrichtsplan hinzu.
Anlage: Beleg der Schule

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:
Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab 1. Marz 2011 gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.
Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt: 
· Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung
· Zeiten zwischen dem Abschiuss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
· Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
· das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß der vorliegenden Bestätigung hat Ihre Tochter S… an der M. Akademie folgende Module absolviert:
Modul 2 vom -
Modul 3 vom -
Modul 4 vom - und
Modul 5 vom - .
Zusätzlich wurden von der M. Akademie verschiedene Hausaufgaben, ein Erste Hilfe Kurs sowie ein Praktikum im Ausmaß von 120-300 Stunden bestätigt.
Fasst man all diese Aufgaben zu einer Gesamteinheit, so kann man trotzdem nicht davon ausgehen, dass die volle Zeit des Kindes im Zeitraum der Beschwerde durch die Ausübung der Ausbildung in Anspruch genommen wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Der Bf. brachte daraufhin den Vorlageantrag wie folgt ein:
Wir haben neue Unterlagen bekommen die den Zeitaufwand von meiner Tochter S… bestätigen (vgl. unten).

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Die Familienbeihilfe für das Kind S… wurde im Jahr 2014 aufgrund des Besuches des I. gewährt. Im Schuljahr 2013/2014 hat S… die 2te Klasse besucht. Der Schulbesuch hätte bis 06/2017 stattfinden sollen. Im Zuge der Überprüfung im Jahr 2017 hat sich herausgestellt, dass diese Ausbildung im 06/2015 abgebrochen wurde.
Ab 07/2015 wurden einzelne 3tägige Kurse der M. Akademie in Wien 14 besucht. Die Familienbeihilfe für den Zeitraum 07/2015 - 06/2017 wurde rückgefordert, da nicht die volle Zeit des Kindes durch die Berufsausbildung in Anspruch genommen wurde.
Im Zuge der Beschwerdevorentscheidung konnte dies auch nicht plausibel nachgewiesen werden. Die Kurse haben nur in den Monaten 10-11/2015, 01/2016, 04/2016, 07/2016 und 10/2016 stattgefunden. Auch wenn man die Praxiszeit im Ausmaß von mindestens 120 Stunden inklusive div. Vorbereitungen berücksichtigt, so kann man nicht von einem zeitlichen Aufwand von mindestens 20 Wochenstunden ausgehen.
Stellungnahme:
Das Finanzamt vertritt die Meinung, dass entscheidend ist, dass die Ausbildung die volle Bindung der Arbeitskraft in Anspruch nehmen muss und dass dies erst bei einer Wochenstundenzahl von mindestens 20 Stunden der Fall ist. Im vorliegenden Fall kann man nicht von einem Aufwand in Höhe von mindestens 20 Wochenstunden ausgehen. Das Finanzamt beantragt daher die Beschwerde abzuweisen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die Tochter des Bf. besuchte an der M.- Akademie
- vom 12. bis das M.-Basisseminar im Ausmaß von 27 Unterrichtseinheiten,
- vom 24. bis im Rahmen des M.-Diplomlehrgangs 29B das Modul „Übungen des praktischen Lebens 1“ im Ausmaß von 29 Unterrichtseinheiten,
- vom 19. bis im Rahmen des M.-Diplomlehrgangs 29B das Modul „Übungen des praktischen Lebens 2“ im Ausmaß von 29 Unterrichtseinheiten,
- vom 26. bis im Rahmen des M.-Diplomlehrgangs 29B das Modul „Sinne 1“ im Ausmaß von 29 Unterrichtseinheiten und nahm
- vom 5. bis im Rahmen des M.-Diplomlehrgangs 29B am Modul „Sinne 2“ im Ausmaß von 29 Unterrichtseinheiten und
- vom 25. bis im Rahmen des M.-Diplomkurses 29B am Modul „Sprache 1“ im Ausmaß von 29 Unterrichtseinheiten teil.

Im über 1-jährigen Zeitraum – vom bis – besuchte die Tochter des Bf. (6 x jeweils 3 Tage) 18 Kurstage.

Am bestätigte die M.-Akademie der Tochter des Bf., dass die von ihr „besuchte M.-Diplomausbildung Schwerpunkt Kinderhaus, Kurs 29B, einen Zeitaufwand von mindestens 20 Stunden pro Woche erfordert. Dazu gehört unter anderem:
- Kurstage – mit Anwesenheitspflicht
- Materialerstellung und Präsentation unter Supervision
- Hospitationen – mindestens 6 volle Tage in anerkannten Hospitationsstellen
- Erstellen der Hospitationsberichte
- Praktikum an einer anerkannten Praktikumsstelle im Ausmaß von min. 120 Stunden – empfohlen 300 Std.
- Erstellen eines Praktikumsberichts
- Zeit für das Schreiben schriftlicher Arbeiten zwischen den Kursmodulen
- Teilnahme an interaktiven Übungsgruppen
- Literaturstudium
- Erste-Hilfe-Kurs

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für minderjährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG, idF BGBl. I Nr. 111/2010, haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

In einem ersten Schritt ist daher zu beurteilen, ob es sich bei der Tochter des Bf., bezogen auf den in Rede stehenden Zeitraum Juli 2015 bis Juni 2017 um ein minderjähriges Kind – für das jedenfalls (auch ohne entsprechende Berufsausbildung) Familienbeihilfe zu gewähren ist – handelt oder nicht:
Der im Mai 1996 geborene Tochter des Bf. hatte im Juli 2015 das 18. (achtzehnte) Lebensjahr bereits überschritten gehabt.

Auf der Grundlage der zitierten lit. a kam die Gewährung von Familienbeihilfe somit nicht in Betracht. Es mussten daher die Anspruchsvoraussetzungen der lit. b erfüllt werden.

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der VwGH hat hierzu in seiner (ständigen) Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt (sh. für viele zB ; ; ):
- Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein.
- Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.
- Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.

Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.

Im Fall des Besuches einer Maturaschule führt der VwGH aus, das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg manifestiere sich im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar sei nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler müsse aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (sh. zB ).

Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung, ist nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (sh. zB RV/0121-F/07; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt. Die Qualifizierung der allgemeinbildenden Schulausbildung als Berufsausbildung kann auch bei einem Fernstudium gegeben sein, wenn ein Schulunterricht von bloß zehn Wochenstunden durch verstärkte "Hausausgaben" und Vorbereitungszeit sowie E-Learning kompensiert wird (sh. ; ). Eine Berufsausbildung iSd FLAG wird somit generell nur dann vorliegen, wenn - analog zum Besuch einer AHS und BHS - ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt (Lenneis in Csaszar/Lenneis/ Wanke, FLAG, § 2 Rz 39 ff).

- Besuchte die Tochter des Bf. an der M.-Akademie beginnend mit bis 6 jeweils 3-tägige Kurse,
- hatte sie in nicht angeführtem Umfang Material zu erstellen und unter Supervision zu präsentieren,
- hatte sie in einem nicht angeführten Zeitraum ein Praktikum (an einer anerkannten Praktikumsstelle) im Ausmaß von min. 120 Stunden - empfohlen 300 Stunden - zu absolvieren und hierüber einen Praktikumsbericht zu erstellen,
- hatte sie mindestens 6 volle Tage Hospitationen in anerkannten Hospitationsstellen zu absolvieren und hierüber Hospitationsberichte zu erstellen,
- einen Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren und
- hatte sie an interaktiven Übungsgruppen teilzunehmen,
und wurde der Zeitaufwand seitens der M.-Akademie mit mindestens 20 Stunden pro Woche – ohne Zeitraumangabe – beziffert,
- kann nicht gesagt werden, die Bf. hätte im 24 (!) Monate umfassenden Zeitraum eine Ausbildung im Ausmaß von (80 Wochen á 20 Stunden =) 1.600 Stunden oder (80 Wochen á 30 Stunden =) 2.400 Stunden absolviert.

Die Beschwerdevorentscheidung, welche nach ständiger Rechtsprechung Vorhaltswirkung hat, hielt dem Bf. vor, dass man, fasst man alle diese Aufgaben der Tochter des Bf. zu einer Gesamteinheit zusammen, trotzdem nicht davon ausgehen kann, dass die volle Zeit des Kindes im Zeitraum der Beschwerde durch die Ausübung der Ausbildung in Anspruch genommen wurde. Auf diese Beurteilung wurde lediglich mit der Vorlage einer Bestätigung der M.-Akademie mit der Datierung , die inhaltsgleich jener mit dem Datum war, reagiert. Im Übrigen ist zu dieser zweiten Bestätigung festzuhalten: Gemäß dem Inhalt dieser zweiten Bestätigung hatte die Tochter des Bf. die Diplomausbildung auch im April 2018 noch immer nicht (erfolgreich) abgeschlossen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102043.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at