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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.03.2019, RV/7101829/2014

Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung bei einer privaten Grundstücksveräußerung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht: 

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Vertrag vom veräußerte die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) die Liegenschaft Grundstück um Kaufpreis Euro an die Käuferin. Das Eigentumsrecht der Bf. an der streitgegenständlichen Liegenschaft bestand seit . Die Liegenschaft hat eine Fläche Anzahl Quadratmeter.

Die streitgegenständliche Liegenschaft diente der Bf. in den Jahren 2002 bis 2010 als Hauptwohnsitz.

Ein für ein Eigenheim üblicher Bauplatz im örtlichen Umfeld der streitgegenständlichen Liegenschaft ist mit üblichen Quadratmetern anzunehmen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Bf. vorgelegten Unterlagen sowie den Aussagen der Bf. im Rahmen der am am Sitz des Bundesfinanzgerichts gemäß § 269 Abs. 3 BAO durchgeführten Erörterung.

Zudem blieb der festgestellte Sachverhalt im Rahmen dieses Erörterungstermins zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.

Rechtslage

§ 30 EStG 1988 in der im Streitfall anzuwendenden Fassung lautet:

Private Grundstücksveräußerungen

§ 30. (1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

2. Aus der Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden, soweit sie innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient haben.

3. Aus der Veräußerung von Grundstücken infolge eines behördlichen Eingriffs oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffs.

4. Aus Tauschvorgängen von Grundstücken im Rahmen eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens im Sinne des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl. Nr. 103/1951, sowie im Rahmen behördlicher Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland, insbesondere nach den für die bessere Gestaltung von Bauland geltenden Vorschriften. Das in solchen Verfahren erworbene Grundstück tritt hinsichtlich aller für die Ermittlung der Einkünfte relevanter Umstände an die Stelle des hingegebenen Grundstückes.

(3) Als Einkünfte ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwendungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung von Einkünften abgezogen worden sind, sowie um die in § 28 Abs. 6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. Müssen Grundstücksteile im Zuge einer Änderung der Widmung auf Grund gesetzlicher Vorgaben an die Gemeinde übertragen werden, sind die Anschaffungskosten der verbleibenden Grundstücksteile um die Anschaffungskosten der übertragenen Grundstücksteile zu erhöhen.

Die Einkünfte sind zu vermindern um

– die für die Mitteilung oder Selbstberechnung gemäß § 30c anfallenden Kosten und um anlässlich der Veräußerung entstehende Minderbeträge aus Vorsteuerberichtungen gemäß § 6 Z 12;

– 2% jährlich ab dem elften Jahr nach dem Zeitpunkt der Anschaffung oder späteren Umwidmung, höchstens jedoch um 50% (Inflationsabschlag); dies gilt nicht, soweit der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 4 nicht anwendbar ist. (Anm. 1)

(4) Soweit Grundstücke am nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:

1. Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt eine Änderung der Widmung, die nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat und die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht. Dies gilt auch für eine spätere Umwidmung in engem zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung.

2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten.

Der Unterschiedsbetrag erhöht sich um die Hälfte der in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs. 3 abgesetzten Herstellungsaufwendungen, soweit sie innerhalb von fünfzehn Jahren vor der Veräußerung vom Steuerpflichtigen selbst oder im Fall der unentgeltlichen Übertragung von seinem Rechtsvorgänger geltend gemacht wurden.

(5) Auf Antrag können die Einkünfte statt nach Abs. 4 auch nach Abs. 3 ermittelt werden.

(6) Für die Anwendung des Abs. 4 gilt Folgendes:

a) Wurde bei einem Grundstück die Absetzung für Abnutzung gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 von den fiktiven Anschaffungskosten bemessen und war es zum nicht mehr steuerverfangen, sind die Einkünfte für Wertveränderungen vor und ab der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung gesondert zu ermitteln:

– Für Wertveränderungen bis zum Beginn der Einkünfteerzielung kann Abs. 4 angewendet werden, wobei an Stelle des Veräußerungserlöses die fiktiven Anschaffungskosten treten.

– Wertveränderungen ab dem Beginn der Einkünfteerzielung sind nach Abs. 3 zu ermitteln, wobei an Stelle der tatsächlichen Anschaffungskosten die fiktiven Anschaffungskosten treten. Für einen Inflationsabschlag ist auf den Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung abzustellen.

b) Werden gemäß § 4 Abs. 10 Z 3 lit. a in der Fassung vor dem 1. Stabilitätsgesetz, BGBl. I Nr. 22/2012, auf- oder abgewertete Grundstücke entnommen, gilt bei deren Veräußerung § 4 Abs. 3a Z 3 lit. c sinngemäß.

(7) Führen die privaten Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 anwendbar ist, in einem Kalenderjahr insgesamt zu einem Verlust, ist dieser zur Hälfte ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen. Dies gilt auch im Falle der Ausübung der Regelbesteuerungsoption (§ 30a Abs. 2).

(8) Die Einkommensteuer, die auf Grundstücksveräußerungen entfällt, wird im Ausmaß der sonst entstehenden Doppelbelastung der Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige infolge des Erwerbes der Grundstücke innerhalb der letzten drei Jahre Erbschafts- oder Schenkungssteuer, Grunderwerbsteuer oder Stiftungseingangssteuer entrichtet hat.

§ 30a Abs. 1 EStG 1988 in der im Streitfall anzuwendenden Fassung lautet:

§ 30a. (1) Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 unterliegen einem besonderen Steuersatz von 25% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 2) anzuwenden ist.

Erwägungen

Gemäß § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ist für Grundstücke, die am nicht steuerverfangen waren, als Einkünfte der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten anzusetzen.

Ein Grundstück gilt als "am nicht steuerverfangen" im Sinne des § 30 Abs. 4 EStG 1988, wenn an diesem Tag die Spekulationsfrist im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 in der Fassung vor dem 1. StabG 2012 abgelaufen war (). Da die Bf. das streitgegenständliche Grundstück bereits im 1993 erworben hat, war die zehnjährige Frist bei Veräußerung im Streitjahr 2012 bereits verstrichen. Die Einkünfte aus der streitgegenständlichen Grundstücksveräußerung sind demnach (wie auch in angefochtenen Bescheid ) nach der Pauschalierungsregelung des § 30 Abs. 4 EStG 1988 zu ermitteln.

Bei einem Veräußerungserlös von Kaufpreis Euro verbleiben nach Abzug der mit 86% dieses Betrags angenommenen Anschaffungskosten Einkünfte in Höhe von Einkünfte Euro. Diese Einkünfte unterliegen - vorbehaltlich der Anwendung einer Steuerbefreiung oder eines Antrags auf Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif - gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 einem besonderen Steuersatz von 25% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen.

Aus der Anwendung des besonderen Steuersatzes errechnet sich eine Einkommensteuer in Höhe von X Euro.

Zu untersuchen ist im vorliegenden Fall weiters, ob die in § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 vorgesehene Steuerbefreiung iZm. der Veräußerung eines Hauptwohnsitzes anzuwenden ist.

§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 erfordert, dass die Wohnung innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung für mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat. Damit sieht das Gesetz eine zehnjährige Beobachtungsfrist, deren Ende der Veräußerungszeitpunkt ist und eine fünfjährige durchgehende Nutzung vor. Wann diese Nutzung während der Beobachtungsfrist tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht von Bedeutung.

Da der Begriff des Hauptwohnsitzes im EStG 1988 nicht näher bestimmt wird, ist zur Auslegung dieses Begriffs auf § 26 BAO zurückzugreifen. Demnach ist auf die tatsächliche Nutzung abzustellen, womit der Meldung als Hauptwohnsitz keine materiell-rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG [17. Lfg. 2014], Rz 143 zu § 30). Bei mehreren Wohnsitzen im Sinne des § 26 BAO gilt als Hauptwohnsitz derjenige des Mittelpunkts der Lebensinteressen, welcher sich durch die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestimmt (Kanduth-Kristen in Jakom11, EStG 2018, § 30 Rz. 28).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Bf. die streitgegenständliche Liegenschaft im Zeitraum 2002 bis 2010 durchgehend als Hauptwohnsitz genutzt hat. Daraus folgt, dass innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Veräußerung im Jahr 2012 unzweifelhaft eine mehr als 5 Jahre andauernde durchgehende Nutzung im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 bestand.

Es ist jedoch zu beachten, dass unter Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 dahingehend auszulegen ist, dass dem begünstigten Eigenheim "Grund und Boden" in jenem Ausmaß zuzuordnen ist, das "üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist". Nur in diesem Ausmaß erstreckt sich die Steuerbefreiung auch auf den mitveräußerten "Grund und Boden". Die Beurteilung, welche Grundstücksgröße üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist, erfolgt nach der Verkehrsauffassung ().

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist als Fläche, die "üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist" im konkreten Fall unter Bedachtnahme der örtlichen Gegebenheiten (ein großer Teil der veräußerten Fläche diente als asphaltierte Abstellfläche) mit üblichen Quadratmetern anzunehmen. Sohin ergibt sich eine anteilige Steuerbefreiung im Ausmaß von XY% der genannten Einkünfte. Steuerfrei ist demnach ein Betrag von Y Euro.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob die Bf. ihren Hauptwohnsitz an der streitgegenständlichen Liegenschaft innehatte, ist eine Tatsachenfrage. Ebenso die Größe der Fläche, die üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist. Im Übrigen stützt sich das gegenständliche Erkenntnis auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt somit nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101829.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
FAAAC-20245