Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2018, RV/4100544/2016

Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit Krankendiätverpflegung Kosten der Heilbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin I. in der Beschwerdesache Bf., Adresse1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Spittal Villach vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist im vorliegenden Fall die Frage der Berücksichtigung diverser außergewöhnlicher Belastungen des Beschwerdeführers (Bf.) sowie seiner Ehegattin.

Zumal das Finanzamt die begehrten außergewöhnlichen Belastungen im Einkommensteuerbescheid 2014 nicht in dem vom Bf. begehrten Ausmaß gewährte, erhob der Bf. Beschwerde.

Gegen die teilweise stattgebende Beschwerdevorentscheidung (BVE) brachte der Bf. einen Vorlageantrag ein.

Es darf nun auf die einzelnen Beschwerdepunkte eingegangen werden, für die nachfolgend angeführte Bestimmungen und Ausführungen relevant sind:

Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss

1. außergewöhnlich sein (Abs. 2),

2. zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und

3. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

 Die Belastung ist gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von höchstens 7 300 Euro 6%, mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro 8%, mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro 10%....

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5) [TS 5] und Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen (TS 6) ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung (TS 1) bzw. ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt (TS 3), und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich gemäß § 35 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen, in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung.

Gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.

Hat gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II 430/2010 (VO), der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung (TS 1) bzw. ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt (TS 3), so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Eine Behinderung liegt gemäß § 1 Abs. 2 VO vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Gemäß § 1 Abs. 3 VO sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind gemäß § 2 Abs. 1 VO ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind gemäß § 4 VO im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß eine Person behindert ist, ist nicht von der Abgabenbehörde, sondern bindend (-I/11) von einer anderen Stelle zu treffen. Zuständig ist im Regelfall das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, nunmehr kurz „Sozialministeriumservice“ (Ausnahmen s Abs. 2; LStR 839). Die Bestätigung eines praktischen Arztes bzw. Amtsarztes ist nicht ausreichend (; , RV/5100725/2012; ; , RV/0329-I/05). Bescheinigungen, die vor dem Jahr 2005 ausgestellt wurden, sind solange weiter gültig, bis eine aktuellere Einstufung erfolgt (§ 124b Z 111; die aktuellere Einstufung ersetzt dann sämtliche früheren Feststellungen, LStR 839a; ) [Jakom/Peyerl, EStG, 2017, § 35 Rz. 7].

Die Pauschbeträge für Krankendiät sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten abzuziehen. … Das Erfordernis einer Einnahme von Diät (Vorliegen von Mehraufwendungen dem Grunde nach) ist auf geeignete Weise nachzuweisen, z. B. durch eine ärztliche Bestätigung über Art und Beginn der Diät (-F/11; DKMZ/Doralt § 35 Rz. 12; zu diesbezüglich möglichen Eintragungen im Behindertenpass s LStR 839d sowie 839h). Sind beide (Ehe)Partner iSd § 1 der VO entsprechend behindert, können die Beträge doppelt in Anspruch genommen werden (LStR 842). Ein StPfl mit einem Grad der Behinderung von mindestens 25 % muss nicht wegen einer Diät zusätzlich in einem Ausmaß von 25 % behindert sein, um das Pauschale ohne Abzug eines Selbstbehalts in Anspruch nehmen zu können; es genügt, wenn die innere Krankheit zu einer Steigerung des Ausmaßes der Behinderung geführt hat (Müller SWK 97, S 641 2.3.1; DKMZ/Doralt § 35 Rz 13) bzw. zur Gesamteinschätzung von 25 % beigetragen hat. Nach LStR 839h muss der Anteil des Diät erfordernden Leidens allerdings mindestens 20 % iSd EinschätzungsVO betragen (andernfalls Selbstbehalt), nach aA muss das Diät auslösende Leiden hingegen zu einer MdE von mindestens 25 % führen (-G/11; , RV/0263-G/10; WGW/Wanke § 35 Rz. 30). Bei anderen Mehrfachbehinderungen ist eine Berücksichtigung von Freibeträgen bzw. Aufwendungen ohne Abzug eines Selbstbehalts nur möglich, wenn der Anteil des jeweiligen Leidens mindestens 25 % beträgt. Die Pauschbeträge können auch bei einem Grad der Behinderung von weniger als 25 % ohne Nachweis tatsächlicher Kosten in Anspruch genommen werden, diesfalls aber nur mit Selbstbehalt (§ 2 Abs. 2 VO; ; ). Ein Selbstbehalt ist dann auch bei Nachweis höherer tatsächlicher Kosten der Diätverpflegung abzuziehen (LStR 846) [Jakom/Peyerl, EStG, 2017, § 35 Rz. 23].

A. Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Bf.:

a. Bf.:

Der Bf. beantragte für sich in der Einkommensteuererklärung 2014 eine MdE im Ausmaß von 70 %. Laut Sachverständigengutachten vom beträgt die MdE 60 %. Der Arzt stellte folgende Diagnose:

„I.) Degenerative Wirbelsäulenerkrankung ...GdB: 30%

II.) Verlust der rechten Niere… GdB:30%
III.) Arterieller Hypertonus … GdB: 30 %
IV.) St.p. Hepatitis mit Defektheilung … GdB:30%
V.) Gonarthralgie bds … GdB: 0%
VI.) Dysthyme Verstimmung … GdB:O%
VII.) Spreiz- und Senkfuß bds GdB: 0 %
VIII.)Gesamt - GdB: 60 %“

Das Finanzamt berücksichtigte im angefochtenen Bescheid und der BVE den pauschalen Freibetrag für eine MdE von 60% (Bescheid, BVE). Weitere Nachweise brachte der Bf. trotz Aufforderung nicht bei (Vorhalteverfahren beim FA und beim BFG).

b. Ehegattin:

Die MdE von 70% ist zwischen den Parteien unstrittig. Im Sachverständigengutachten vom heißt es ua. wie folgt:

„Frühere Krankheiten und Operationen: Zustand nach Aneurysmablutung der A. cerebri media links 1996, arterieller Hypertonus. Seit mehreren Jahren bekannte degenerative Wirbelsäulenerkrankung mit chronischem Cervikalsyndrom und Lumboischialgie, ansonsten sind keine wesentlichen inneren oder orthopädischen Erkrankungen erhebbar.“

Der Arzt hat folgende Diagnose gestellt, wobei „Zusatzbefunde: Sämtliche Unterlagen aus dem Akt“ berücksichtigt wurden:

 „I.) Zustand nach Subarachnoidalblutung am
- Aneurysmablutung der A. cerebri media links.
- Zustand nach Kraniotomie am . … GdB: 50 %
II.) Arterieller Hypertonus … GdB: 30 %
III.) Degenerative Wirhelsäulenerkrankung … GdB: 30 %
IV.) Dysthyme Verstimmung … GdB:0%
V.) Gesamt - GdB: 70 %“

Rechtliche Beurteilung:

Die MdE des Bf. beträgt 60%. Die Beschwerde wird mangels eines entsprechenden Nachweises über die behauptete MdE von 70% als unbegründet abgewiesen.

Die MdE von 70% der Ehegattin steht außer Streit.

B. Freibetrag für Krankendiätverpflegung:

Der Bf. und seine Ehegattin haben in der Erklärung jeweils eine Diät für „G“ (Gallen-, Leber-, Nierenkrankheit) beantragt.

a. Bf:

Das Finanzamt berücksichtige mangels Nachweises die beantragte Diät weder im angefochtenen Bescheid noch in der BVE.

In dem vom Bf. vorgelegten Sachverständigengutachten (Begutachtung des Bf. am ) ist in Pkt. IV, „Hepatitis mit Defektheilung“ der „GdB: 30%“ festgehalten. Es wird auch noch ausgeführt:

„Laut Laborbericht bestehen ständig erhöhte Laborparameter, zusätzliche diätische Maßnahmen sind erforderlich, die Gesundheitsschädigung findet nach dem unteren Richtsatzwert mit 30% Berücksichtigung.“

Wie in der Bestätigung des Sozialministeriumservice vom festgehalten, ist die Diätverpflegung seit 1999 vorgeschrieben (Bestätigung, „D2 30 v.H. seit 1999“).

Das Finanzamt beantragt nunmehr die Stattgabe dieses Begehrens, also € 612,00 (12 Monate à 51,00) für die Diät ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen (Vorlagebericht).

b. Ehegattin:

Im Schreiben des praktischen Arztes Dr. A vom ist ua. „Hypercholesterinämie und erhöhte Transaminasen mit Leberdiät seit 1998“ festgehalten.

Im Sachverständigengutachten (Begutachtung der Ehegattin am ) ist bezüglich des „Abdomens“ (Anm: „Bauch“, Bereich des Rumpfes zwischen Brustkorb und Becken) ausgeführt:

„Die BD weich, im Thoraxniveau, die Leber 1 - 2 Querfinger unter dem Thoraxniveau, die Milz nicht tastbar, kein Druckschmerz, keine pathologischen Resistenzen, die Bruchpforten geschlossen, die Nierenlager beidseits frei.“

Der Aufforderung des Sozialministeriums im Schreiben vom , entsprechende Nachweise über die Gesundheitsschädigungen und insbesondere über die Gallendiät vorzulegen, kam die Ehegattin nicht nach.

Anlässlich der Besprechung vom gab der Bf. bezüglich der Diät seiner Ehegattin an, keine weiteren Unterlagen beibringen zu wollen, weil schon damals die Leberdiät dauernd zugesprochen worden sei. Das Finanzamt habe sie bis zum Jahr 2013 auch gewährt.

Rechtliche Beurteilung:

a. Bf.:

Der Beschwerde wird betreffend die Diätverpflegung des Bf. Folge gegeben. Es sind € 612,00 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen.

b. Ehegattin:

Für die Leberdiät der Ehegattin finden sich nur die Ausführungen im Schreiben Dr.is A . In dem rd. eineinhalb Monate später erstellten Sachverständigengutachten sind weder die Diät noch allfällige diesbezügliche Krankheiten angesprochen. Vielmehr ist festgehalten, dass „keine wesentlichen inneren oder orthopädischen Erkrankungen erhebbar sind“.

Beim vorliegenden Sachverhalt vermag das BFG für das Jahr 2014 schon nicht dem Grunde nach das Erfordernis einer Leberdiät zu bejahen. Mag sein, dass die Leberdiät 1998 für einige Zeit erforderlich war. Beim vorliegenden Ablauf, insbesondere dem gänzlichen Nicht-Erwähnen im Sachverständigengutachten bzw. der darin enthaltenen Feststellung, dass anlässlich der Begutachtung im November 2002 keine wesentlichen inneren Erkrankungen erhebbar waren, sprechen die Umstände dafür, dass 2014 schon dem Grunde nach nicht vom Erfordernis einer Leberdiät auszugehen ist. Es wäre an der Ehegattin gelegen, bei der vom Sozialministeriumservice angestrengten Klärung entsprechend mitzuwirken und der Aufforderung zur Vorlage entsprechender Unterlagen nachzukommen.

Dem Begehren, für die Ehegattin eine Leberdiät zu berücksichtigen, konnte schon dem Grunde nach kein Erfolg beschieden sein. In diesem Punkt ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C. Unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung:

Der Bf. machte unter diesem Titel für sich € 994,68 und für seine Ehegattin € 770,72 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt geltend.

Im Erstbescheid wurde der Abzug mangels entsprechender Nachweise verwehrt.

Im weiteren Verfahren brachte der Bf. Rezeptgebührenbestätigungen über € 516,84 (Bf.) und € 475,04 (Ehegattin) bei. Die Teilbeträge für „Rezeptgebühren und Selbstbehalte für Krankenkassenrezepte“ und „auf Krankenkassenrezepte verschriebene Präparate, deren Wert unter der Rezeptgebühr liegt“ in Höhe von zusammen € 334,30 (Bf.) und € 224,70 (Ehegattin) anerkannte das Finanzamt in der BVE.

Strittig sind nunmehr die vom Finanzamt in der BVE nicht gewährten Aufwendungen für "Artikel, die nicht auf Krankenkassenrezepten verschreiben waren (Privatrezepte  oder ohne Rezept)" in Höhe von € 182,54 (Bf.) und € 250,34 (Ehegattin):

Das Finanzamt beantragte im Vorlagebericht, beim Bf. die Aufwendungen für Kürbiskerntabletten und Fischölkapseln (€ 112,90) – weil Nahrungsmittelergänzungen bzw. zur Gesundheitsvorsorge - nicht zum Abzug zuzulassen. Die verbleibenden € 69,64 seien als Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung, jedoch mit Berücksichtigung des Selbstbehaltes.

Nach Ansicht des Finanzamtes im Vorlagebericht seien bei der Ehegattin die Aufwendungen für Fischölkapseln (€ 50,00), die Sonnencreme (€ 16,11), Sonderartikel (€ 15,00) und das Waschstück (€ 3,60), zusammen € 84,71, keine außergewöhnliche Belastung. Die verbleibenden € 165,63 seien als Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes abzugsfähig.

Im Schreiben des Bf., eingelangt beim BFG am , führte er zur Begründung des Zusammenhanges der Aufwendungen mit der Behinderung aus, dass man vielleicht sagen könnte, dass dies oder jenes nicht notwendig wäre. Aber als Pflegefall enden wäre sicher wesentlich teurer. Er nahm zu den Produkten wie folgt Stellung.

„Entfernung der rechten Niere am im Krankenhaus1 (Urologie) wegen Nierenkrebs. Dr. Böhm Kürbistabl. als Unterstützung für die Funktion der Prostata.

Similasan Antiall.Au-Tr. 10 ml als Linderung bei Allergischen Reaktionen bei Pollenflug. Dusodril Ret. Drg. 100 bzw. 200 Mg als Dauermedikation wegen Tinnitus.

KHK Koronare Herzerkrankung. Bypaß Operation am Freitag den an der Herz-Thorax Station am Krankenhaus1. Es wurden 4 Beipäße gelegt.

Um die Blutgefäße zu schützen wird ärzlicherseits die Einnahme von Arteriomed angeraten. (Professor Dr Dr B und Herzverband).

Chlorhexamed wird zeitweise verwendet um Entzündungen im Mundbereich zu verhindern. (Könnte Auswirkunken auf das Herz haben).

Concor Cor 5Mg ist ein Beta-Blocker. Unterstützung zur Blutdrucksenkung.

Acemin Tbl 2.5 Mg ist für die Nacht um den Blutdruck im Schlaf weiter Abzusenken um das Herz zu entlasten. Damit der Blutdruck nicht ganztägig auf gleicher Höhe ist.

Für Patienten mit KHK Erkrankung ist es dringen erforderlich Statine (Cholesterinsenker) einzunehmen, die aber teilweise gravierende Nebenwirkung haben (große Probleme mit den Füßen). Das schlechte Cholesterin (LDL) sollte weit unter dem Wert 100 mg/dl sein. Da dies mit den Statinen nicht immer erreicht wird habe zusätzlich lt. Beschreibung ein Medizinisches Arzneimittel (Buerlecithin) Apothekenpflichtig eingenommen.

Eubos Waschstk blau 125 G wird verwendet um Ekzeme zwischen den Finger hintanzuhalten. Bei Nichtverwendung ist ein Besuch bei der Hautfachärztin notwendig um Cortisonhältige Salbe auf Rezept zu besorgen.

Seractil FTBL und Deflamat sind Mittel um starke Wirbelsäulenschmerzen zu lindern.“

Anlässlich der Besprechung vom blieb der Bf. bei seiner Ansicht, dass sämtliche geltend gemachten Aufwendungen in Zusammenhang mit der Behinderung stehen.

Strittig sind nunmehr verbleibende Aufwendungen für „Artikel, die nicht auf Krankenkassenrezepten verschrieben waren (Privatrezepte oder ohne Rezept)“ in Höhe von € 182,54 (Bf.) und € 250,34 (Ehegattin).

Rechtliche Beurteilung:

Wie in der Berufungsentscheidung des , festgehalten, gelten als Kosten der Heilbehandlung Arztkosten, Spitalskosten, Kosten ärztlich verordneter Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente etc. Aber nicht jede Behandlung einer Krankheit stellt eine Heilbehandlung dar, die einer Berücksichtigung als ag Bel zugänglich ist.

Die in § 34 geforderte Zwangsläufigkeit von außergewöhnlichen Belastungen setzt in Bezug auf derartige Kosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand voraus. Hiefür bedarf es eines Nachweises, wobei dort, wo die Abgrenzung zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig ist, an die Nachweisführung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind.  Im dortigen Fall war bezüglich der strittigen Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel und Impfungen festgehalten, dass die Vornahme von Schutzimpfungen und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in Zeiten gesteigerten Gesundheitsbewusstseins ganz allgemein für breite Bevölkerungsschichten als sinnvoll erachtet werden. Aus diesem Grund ist in derartigen Fällen ein erhöhter Anspruch an den Nachweis, dass diese Aufwendungen im Rahmen der konkreten Heilbehandlung notwendig waren, zu stellen. Nicht jede auf ärztliches Antraten und aus medizinischen Gründen empfohlene Einnahme von Vitaminpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln kann daher zu einer außergewöhnlichen Belastung führen. Vielmehr bedarf es hiefür der Vorlage konkreter ärztlicher Verordnungen im Rahmen eines Heilbehandlungsplanes (siehe zB -F/07).

a. Bf.:

Die € 182,54 setzen sich wie folgt zusammen:


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Arteriomed Fischölkapseln
 25,00
Dr. Böhn Kürbiskerntabeltten
 87,90
Buerlecithin
 
 18,00
Dusodril
 
 10,80
Acemin
 
 4,00
Similasan Augentropfen
 8,91
Chlorhexamed
 9,18
Halomycetin Augensalbe
 3,75
Isla Moos Pastillen
 5,00
Resource Optifibre Box
 10,00
Summe
 
 182,54

Das Acemin (€ 4,00) dient laut Beipackzettel ua. der Behandlung von Bluthochdruck. Unter der vom Finanzamt bereits in der BVE anerkannten ag Bel in Höhe von € 334,30 findet sich das Acemin mehrfach. Angesichts des unstrittigen Zusammenhanges mit den der MdE zugrunde liegenden Erkrankungen erachtet das BFG es als gerechtfertigt, die € 4,00 als ag Bel ohne Selbstbehalt in Abzug zu bringen. Die ag Bel ohne Selbstbehalt des Bf. beträgt nunmehr € 338,30.

 Die Aufwendungen für Fischölkapseln und Kürbiskerntabletten (€ 112,90) sowie Buerlecithin (€ 18,00), zusammen € 130,90, sind nach Ansicht des BFG um Aufwendungen für die Erhaltung der Gesundheit, für Stärkungsmittel, zur Nahrungsergänzung und zur Vorbeugung. (vgl. Jakom/Baldauf EStG, § 34 Rz 90 Stichwort Krankheitskosten), die nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden (vgl. ).

Die nach Abzug der € 130, 90 und € 4,00 verbleibenden € 47,64 sind - wie vom Finanzamt beantragt - Krankheitskosten und als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt abzuziehen. Für diese Aufwendungen ist der Zusammenhang mit den der MdE zugrunde liegenden Erkrankungen des Bf. nicht gegeben.

b. Ehegattin:

Die € 250,34 setzten sich wie folgt zusammen:


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Buerlecithin
 
 108,00
Arteriomed Fischöl
 50,00
Voltaren
 
 3,05
Deflamat Gel
 6,60
Bioflorin
 
 6,00
Augentropfen
 11,79
Sonderartikel
 15,00
Mag. Rezeptur
 15,25
Eubos Waschstück
 7,20
Lindenblütentee
 4,00
Mucosolvan Saft
 7,34
Avene Sonnencreme
 16,11
Summe
 
 250,34

Angesichts der bei der Ehegattin festgestellten Degenerativen Wirhelsäulenerkrankung mit einem GdB von 30 % sind die Aufwendungen für die beiden schmerzstillenden Mittel zum Einreiben Deflamat Gel (€ 6,60) sowie Voltaren (€ 3,05), zusammen € 9,65, als ag Bel ohne Selbstbehalt anzusetzen. Die ag Bel ohne Selbstbehalt beträgt daher € 234,35.

Für die Fischölkapseln (€ 50,00) und das Buerlecithin (€ 108,00) gilt das zum Begehren des Bf. Gesagte. Beim Sonderartikel (€ 15,00) fehlen Angaben, wofür dieser Aufwand war. Das Eubos Waschstück (€ 7,20) und die Sonnencreme (€ 16,11) dienen allenfalls der Vorbeugung von Erkrankungen. Diese Aufwendungen von zusammen € 196,31 sind - weil keine Krankheitskosten noch Aufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung - keine außergewöhnliche Belastung.

Die nach Abzug der € 9,65 und € 196,31 verbbleibenden €44,38 sind entsprechend der Ansicht des Finanzamtes als Krankheitskosten unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes in Ansatz zu bringen.

Der Beschwerde war daher in diesem Punkt teilweise Folge zu geben.

D. Krankheitskosten:

Der Bf. machte unter den Krankheitskosten € 2.150,00 geltend, die das Finanzamt erklärungsgemäß im angefochtenen Bescheid und der BVE veranlagte. Der Selbstbehalt war jedoch nicht überschritten worden.

Nach der vorliegenden Entscheidung sind die bisher veranlagten Krankheitskosten in Höhe von € 2.150,00 um € 47,64 und € 44,38 zu erhöhen; sie betragen nunmehr € 2.242,02.

E. Un/Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die hier zu klärenden Fragen betrafen den Sachverhalt bzw. waren die Beweise zu würdigen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Beilagen:
1 Berechnungsblatt

Klagenfurt am Wörthersee, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at