Unzulässigkeit einer Säumnisbeschwerde wegen unerledigter Anmeldung zu FinanzOnline/Unternehmensserviceportal
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RS/2100005/2019-RS1 | Mit Säumnisbeschwerde nach § 284 BAO ist nur die Verletzung einer Pflicht der Abgabenbehörde zur Bescheiderlassung bekämpfbar. Eine Anmeldung zu FinanzOnline zielt auf einen behördlichen Realakt in Form der Zugänglichmachung zum elektronischen Verkehr mit der Abgabenbehörde ab, der als solcher nicht mittels Säumnisbeschwerde durchsetzbar ist. Nur eine allfällige Ablehnung löst eine Verpflichtung der Behörde zur Bescheid mäßigen Erledigung aus, deren Unterbleiben mit Säumnisbeschwerde an das BFG begegnet werden kann. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin N.N. in der Beschwerdesache der Beschwerdeführerin wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes X betreffend Anmeldung vom zu FinanzOnline/Unternehmensserviceportal beschlossen:
Die Säumnisbeschwerde vom , beim BFG eingelangt am , wird als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Mit einer am eingelangten Eingabe an das erhob die Beschwerde führende Partei (Bf), eine österreichische Kommanditgesellschaft mit einer lt. Firmenbuchdaten „private limited company“ (LTD) mit Sitz in London als einziger persönlich haftenden Gesellschafterin, „Säumnisbeschwerde nach § 284 BAO“ betreffend „Anmeldung zu Finanzonline/Unternehmensserviceportal vom “.
Unter Verweis auf ein angeschlossenes, vom gesellschaftsrechtlichen Vertreter der Bf unterfertigtes Formular „FON 1“ mit dem Eingangsstempel des Finanzamtes X (FA) vom führte die Bf aus, dass die „säumige Behörde“ bis dato zu ihrer „oben erwähnten Anmeldung (Antrag)“ „noch keine Entscheidung getroffen bzw. den Abgabepflichtigen etwaige FinanzOnline-Zugangsdaten noch nicht ausgefolgt“ habe.
Die Behörde habe ihre Anmeldung (Antrag) weder ab- noch zurückgewiesen und auch keine Mängelbehebungsaufträge nach § 85 Abs. 2 BAO erteilt.
In einer Stellungnahme nach § 284 Abs. 2 BAO vertrat das FA den Standpunkt, dass die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen sei, weil eine bescheidmäßige Erledigung der von der Bf eingebrachten Anmeldung zu Finanzonline/Unternehmensserviceportal vom nicht zu erfolgen habe.
II. Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei w egen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (FinanzOnline-Verordnung 2006 – FOnV 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 aktuell idF BGBl II Nr. 82/2018 regelt gemäß
§ 1 (1) automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97 Abs. 3 BAO), Akteneinsicht (§ 90a BAO) und Entrichtung (§ 211 Abs. 5 BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen.
Nach § 2 FOnV sind Abgabepflichtige teilnahmeberechtigt und, wenn die Erlassung von Feststellungsbescheiden vorgesehen ist, diejenigen, an die diese Bescheide ergehen (§ 191 Abs. 1 und 2 BAO) sowie die in Abs. 2 der Bestimmung genannten Parteienvertreter.
Die Teilnahme am FinanzOnline-Verfahren erfolgt auf Basis einer „Anmeldung“ nach § 3 FOnV wie folgt:
„(1) Die Anmeldung zu FinanzOnline ist persönlich bei einem Finanzamt mit allgemeinem Aufgabenkreis (§ 13 AVOG 2010), sowie elektronisch oder schriftlich (per Fax) zulässig. Ist der anzumeldende Teilnehmer keine natürliche Person, so ist ausschließlich die persönliche Anmeldung zulässig. Eine postalische Zustellung der Zugangsdaten hat zu eigenen Handen (§ 21 ZustG) zu erfolgen; ist dies mangels einer inländischen Abgabestelle nicht möglich, so kommt eine postalische Zustellung der Zugangsdaten nicht in Betracht. Die persönliche Anmeldung ist vom Teilnehmer (bzw. von seinem gesetzlichen Vertreter) vorzunehmen; soll die Anmeldung durch einen Bevollmächtigten erfolgen, so hat sich dieser durch eine beglaubigte Spezialvollmacht auszuweisen.
(2) Die Anmeldung zu FinanzOnline unter Verwendung der Funktion „Bürgerkarte“ (§ 4 Abs. 1 E-GovG) erfordert abweichend von Abs. 1 weder persönliche, noch elektronische oder schriftliche (per Fax) Anmeldung beim Finanzamt. Dies gilt nicht, wenn die eindeutige Identifikation des Bürgerkarteninhabers in den Datenbeständen der Abgabenverwaltung des Bundes mittels des Namens und Geburtsdatums des Bürgerkarteninhabers an Hand der in der Bürgerkarte eingetragenen Personenbindung (§ 4 Abs. 2 E-GovG) nicht möglich ist.“
III. Aus den zitierten Bestimmungen der FOnV ist nicht abzuleiten, dass über eine Anmeldung zu FinanzOnline mit Bescheid abzusprechen ist.
Der Begriff „Anmeldung“ weist vielmehr darauf hin, dass der Zugang als solcher grundsätzlich keine behördliche Genehmigung voraussetzt. Die Möglichkeit der zur Gänze elektronischen Anmeldung mittels Bürgerkarte (§ 3 Abs. 2 FOnV) unterstreicht dies.
Tatsächlich zielt die Anmeldung nach § 3 FOnV auf einen behördlichen Realakt in Form der Zurverfügungstellung der technischen Zugangsmöglichkeiten zum FinanzOnline-Verfahren ab.
Das Verlangen nach der Setzung eines Realaktes löst für sich genommen keine Verpflichtung der Behörde zur Erlassung einer Sachentscheidung aus (vgl. ).
§ 284 BAO schützt nicht vor behördlicher Untätigkeit schlechthin. Nur dem Unterbleiben einer Bescheid mäßigen Erledigung, zu der die Behörde verpflichtet ist, kann mit Säumnisbeschwerde an das BFG begegnet werden. Faktische Amtshandlungen können dagegen mit der Einbringung einer Säumnisbeschwerde nicht erzwungen werden. Von der Möglichkeit, Abhilfe durch einfachgesetzliche Regelungen über Verhaltensbeschwerden auf Basis von Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG zu schaffen, hat der Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht (vgl. ; , 2004/12/0174; , 2001/13/0146; ; , RS/2100015/2018 und Ritz in AFS 2018, 42).
Das von der Bf am beim FA eingebrachte Anmeldeformular „FON 1“ enthielt keinen Antrag auf Bescheiderlassung.
Ein Anspruch auf Bescheiderlassung kann der Bf aus der verfahrensgegenständlichen Anmeldung zum FinanzOnline-Verfahren daher nur in dem Fall erwachsen, dass die Abgabenbehörde den Zugang verweigert. Entschließt sich die Abgabenbehörde, der Anmeldung Folge zu leisten, entfällt dagegen ihre Pflicht zur Bescheiderlassung.
Die durch das Einlangen der Anmeldung zu FinanzOnline vom ausgelöste behördliche Handlungspflicht besteht, abhängig vom Ergebnis der von der Abgabenbehörde nach Maßgabe den Bestimmungen der FOnV vorzunehmenden Überprüfung der Anmeldungsvoraussetzungen, entweder in einer (abschlägigen) Bescheiderlassung oder in der Setzung des Realaktes der Zugangserteilung.
Das BFG kann zufolge § 1 BFGG nur eine rechtsprechende Tätigkeit entfalten, nicht aber faktische Leistungen erbringen und Realakte setzen. Aus dem Titel der Verletzung einer Entscheidungspflicht kann das BFG daher nur dann angerufen werden, wenn eine Behörde mit einer gegenüber der Partei zu erlassenden Sachentscheidung in Verzug geblieben ist. Dagegen verfügt das BFG über keine Zuständigkeit zur Setzung eines Realaktes in Form der Erteilung eines FinanzOnline-Zugangs. Das BFG könnte damit der behördlichen Säumigkeit über die Erledigung der verfahrensgegenständlichen Anmeldung zu FinanzOnline vom nur in einer der beiden denkmöglichen Erledigungsrichtungen, nämlich durch Verwehrung des Zugangs im Wege einer negativen Erledigung, nicht aber - in Stattgebung der Säumnisbeschwerde - durch Einräumung des Zugangs zum FinanzOnline-Verfahren begegnen.
Da der Antrag der Beschwerdeführerin vom nicht auf die Erlassung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung gerichtet war, sondern auf ein tatsächliches behördliches Verhalten in Form der Gewährung des Zugangs zu FinanzOnline abzielte, traf die belangte Behörde keine Pflicht zur Bescheid mäßigen Erledigung. Entsprechend konnte eine solche auch nicht verletzt werden. Die Säumnisbeschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine gesicherte Rechtsprechung besteht bereits bei Vorliegen eines begründeten Erkenntnisses (vgl. ).
Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, auf welche die angeführten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision zutreffen. Die zugrundeliegenden Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung des VwGH ausreichend beantwortet .
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 FOnV, FinanzOnline-Verordnung, BGBl. II Nr. 71/1998 § 3 FOnV, FinanzOnline-Verordnung, BGBl. II Nr. 71/1998 § 1 BFGG, Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 14/2013 § 284 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RS.2100005.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at