Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2019, RV/7100321/2011

Pendlerpauschale - Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse_alt, (Adresse_neu) über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid der belangten Behörde FA Baden Mödling vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2009 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Festgehalten wird, dass die gegenständliche am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängig gewesene Berufung gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen ist.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist in Ort1 bei der Firma im Schichtdienst tätig. Er bezog im Veranlagungsjahr 2009 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Gegen den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 vom erhob der Bf. am Berufung und beantragte die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales für das Jahr 2009, da sein Dienstgeber nur das kleine Pendlerpauschale im Zuge der Lohnverrechnung berücksichtigt habe. Weiters wies der Bf. darauf hin, dass er als Sichtarbeiter tätig sei.

In der Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales, die der Bf. der Berufung belegte, führte er aus, dass die einfache Wegstrecke zwischen seiner, der Arbeitsstätte nächstgelegenen Wohnung und der Arbeitsstätte 30 km betrage.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte hierzu aus:

"Die Berufung ist abzuweisen, für den Arbeitsweg nach Ort1 steht das kleine Pendlerpauschale ab 20 Km bis unter 40 Km zu, welches bereits bei der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt worden ist, da zumindest die Hälfte der Strecke mit öffentlichen Verkehrsmittel zurückgelegt werden kann."

Mit Schreiben vom erhob der Bf. fristgerecht Berufung gegen die Berufungsvorentscheidung und beantragt die Differenz auf das große Pendlerpauschale, wie in den Vorjahre, da sich bei seinen Dienstzeiten nach wie vor nichts geändert habe.

In den Wochen der Nachtschicht (Mo-Sa 22°°-6) müsse er mit dem Zug bis Ort2 bzw. Ort3 fahren, den Rest des Weges zu Fuß bewältigen.

Weiters führte der Bf. aus, dass nicht jeder Zug in Ort3 halte. Dies führe in weiter Folge zu längeren Wartezeiten.

Im Zuge der Bearbeitung des Vorlageantrages wurden durch das Finanzamt noch folgende Daten erhoben:

Die Firma in der der Bf. arbeitet liegt im Industriegebiet Ort1. Die wöchentlichen Schichtarbeitszeiten des Bf. wurden von der Gattin des Bf. wie folgt angegeben:


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1. Woche
6°° bis 14°°
2. Woche
14°° bis 22°°
3. Woche
22°° bis 6°°

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Im Zuge der Bearbeitung der Beschwerde wurde der Dienstgeber des Bf. ersucht zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

  • "Sie werden gebeten die Arbeitszeitregelung (Dienstbeginn bzw. Dienstende) betreffend die Tätigkeit von Herrn Bf. für das Jahr 2009 zu übermitteln.

  • Um welche Uhrzeit fand der Schichtwechsel im Jahr 2009 statt?

  • Wird in Ihrem Unternehmen an 5 Tagen oder an 7 Tagen in der Woche gearbeitet?

  • Wenn ja, hat Herr Bf. im Jahr 2009 auch an Samstagen und Sonntagen gearbeitet?

  • Musste Herr Bf. auch in der Nacht arbeiten?“

Der Dienstgeber übermittelte die Arbeitszeitaufzeichnungen des Bf. für das Jahr 2009 und teilte in dem Antwortschreiben mit, dass die Schichtzeiten von 06:00 ‑ 14:00, 14:00 ‑ 22:00 und 22:00 ‑ 06:00 sind und an 7 Tagen in der Woche gearbeitet werde. Um eine reibungslose Übernahme zu gewährleisten müssen die Schichtarbeiter ca. 30 Minuten vor jedem Schichtbeginn (06:00, 14:00 und 22:00) anwesend sein.

Der Bf. hat auch an manchen Samstagen und Sonntagen, wie auch aus den vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen ersichtlich ist, gearbeitet.

Der Dienstgeber des Bf. bestätigte auch, dass der Bf. im Jahre 2009 auch in der Nacht arbeitete. Bei Bedarf (Krankenstand oder unerwartete Abwesenheit) musste der Bf., die Schichtzeiten von Kollegen übernehmen.

Nach Durchsicht der übermittelten Zeitaufzeichnungen wird festgehalten, dass der Bf., an 246 Tagen Dienst versehen hat. Es ergibt sich dabei die in der untenstehenden Tabelle ersichtliche Aufteilung auf die einzelnen Schichten.


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Arbeitsbeginn
6:00 Uhr
14:00 Uhr
22:00 Uhr
Mo bis Fr
78
64
77
SA
4
2
4
SO bzw. Feiertage
6
9
2

Weiters wurden Erhebungen betreffend die Fahrtmöglichkeiten für den Bf. mit der Österreichischen Bundesbahn durchgeführt.

Vom Wohnort zum Bahnhof in Ort4 hat der Bf. (lt. Google maps) einen Fußweg von 1,2 km zurückzulegen, wofür ca. 15 Minuten benötigt werden.

Als weitere Möglichkeit kann der Bf. mit dem PKW zum Bahnhof in Ort5 fahren. Die Fahrtzeit für die Strecke von 4,3 km (lt. Google maps) zwischen Wohnort und dem Bahnhof in Ort5 beträgt 9 Minuten.

Den Dienstort kann der Bf. von der Ausstiegsstelle in Ort3 (Bahnhof) (lt. Google maps) zu Fuß (800 m) in 9 Minuten erreichen.

Laut den Fahrplänen der österreichischen Bundesbahn, welche im berufungsgegenständlichem Jahr 2009 Gültigkeit hatten, ergeben sich folgende Fahrtmöglichkeiten mit der Einstiegstelle Bahnhof Ort4 zum Dienstort:

Für Arbeitsbeginn 6:00 Uhr (sollte lt. Dienstgeber um 5:30 Uhr in der Firma sein) ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009 und im Sommerfahrplan 2009 von MO-SA und im Winterfahrplan 2009/2010 nur von MO-FR verkehrten:


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Fußmarsch ca. 1,2 km (incl. Wartezeit)
 
15 min
Abfahrt Ort4
4:38
 
Ankunft Ort3
5:14
36 min
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
Dauer des Arbeitsweges
 
60 min
Ankunft am Dienstort
5:23
 
Zeit bis Arbeitsbeginn 6:00 Uhr
 
37 min
Gesamtdauer
 
97 min

Für Arbeitsbeginn 14:00 Uhr (sollte lt. Dienstgeber um 13:30 Uhr in der Firma sein) und für Arbeitsbeginn 22:00 (sollte lt. Dienstgeber um 21:30 in der Firma sein) ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009, im Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 verkehrten:


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Mo-Fr
täglich
Fußmarsch
 
15 min
 
15 min
Abfahrt Ort4
12:34
 
20:01
 
Ankunft Ort3
13:08
34 min
20:38
37 min
Fußmarsch
 
9 min
 
9 min
Dauer des Arbeitsweges
 
58 min
 
61min
Ankunft am Dienstort
13:17
 
20:47
 
Zeit bis Arbeitsbeginn (14:00 Uhr)
 
43 min
 
73 min
Gesamtdauer
 
101 min
 
134min

Für Sonn- und Feiertage gab es im Winterfahrplan 2008/2009, für den Arbeitsbeginn 6:00 Uhr, keine Fahrtmöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmittel von Ort4 nach Ort3, um den Dienst rechtzeitig antreten zu können. Ab dem Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 gab es folgende Fahrtmöglichkeiten für den Arbeitsbeginn 6:00 (sollte lt. Dienstgeber um 5:30 in der Firma sein):


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Fußmarsch ca. 1,2 km (incl. Wartezeit)
 
15 min
Abfahrt Ort4
4:55
 
Ankunft Ort3
5:28
33 min
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
Dauer des Arbeitsweges
 
57 min
Ankunft am Dienstort
5:37
 
Zeit bis Arbeitsbeginn 6:00 Uhr
 
23 min
Gesamtdauer
 
80 min

Für Arbeitsbeginn 14:00 (sollte lt. Dienstgeber um 13:30 in der Firma sein) und Arbeitsbeginn 22:00 (sollte lt. Dienstgeber um 21:30 in der Firma sein) ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009, im Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 verkehrten:


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täglich
täglich
Fußmarsch
 
15 min
 
15 min
Abfahrt Ort4
13:01
 
21:01
 
Ankunft Ort3
13:38
37 min
21:38
37 min
Fußmarsch
 
9 min
 
9 min
Dauer des Arbeitsweges
 
61 min
 
61 min
Ankunft am Dienstort
13:47
 
21:47
 
Zeit bis Arbeitsbeginn (14:00 Uhr)
 
13 min
 
13 min
Gesamtdauer
 
74 min
 
74 min

Laut dem Fahrplänen der österreichischen Bundesbahnen, welcher im berufungs­gegen­ständlichen Jahr 2009 Gültigkeit hatten, ergeben sich folgende Fahrtmöglichkeiten mit der Einstiegstelle Ort3 (Dienstort) zum Bahnhof Ort4:

Für Arbeitsende: 6:00 Uhr ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die Züge im Winterfahrplan 2008/2009 nur von MO-FR und im Sommerfahrplan 2009 sowie im Winterfahrplan 2009/2019 von MO-SA verkehrten:


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Abmarsch vom Dienstort
6:15
 
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
Wartezeit
 
25 min
Abfahrt Ort3
6:49
 
Ankunft Ort4
7:22
33 min
Fußmarsch ca. 1,2 km
 
15 min
Gesamtdauer
 
82 min

Für Arbeitsende 14:00 und Arbeitsende: 22:00 ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009, im Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 verkehrten:


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MO - FR
täglich
Abmarsch vom Dienstort
14:15
 
22:10
 
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
 
9 min
Wartezeit
 
25 min
 
0 min
Abfahrt Ort3
14:49
 
22:19
 
Ankunft Ort4
15:22
33 min
22:52
33 min
Fußmarsch ca. 1,2 km
 
15 min
 
15 min
Gesamtdauer
 
82 min
 
54 min

Für Sonn- und Feiertage ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009, im Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 verkehrten:


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täglich
täglich
täglich
Arbeitsende:
6:00
 
14:00
 
22:00
 
Abmarsch vom Dienstort
6:10
 
14:10
 
22:10
 
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
 
9 min
 
9 min
Wartezeit
 
0 min
 
0 min
 
0 min
Abfahrt Ort3
6:19
 
14:19
 
22:19
 
Ankunft Ort4
6:52
33 min
14:52
33 min
22:52
33 min
Fußmarsch ca. 1,2 km
 
15 min
 
15 min
 
15 min
Gesamtdauer
 
57 min
 
57 min
 
57 min

Laut dem Fahrplänen der österrreichischen Bundesbahnen, welcher im berufungs­gegen­ständlichen Jahr 2009 Gültigkeit hatten, ergeben sich folgende Fahrtmöglichkeiten mit der Einstiegstelle Bahnhof Ort5 zum Dienstort:

Für Arbeitsbeginn ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009, im Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 verkehrten:


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Arbeitsbeginn
6:00
14:00
22:00
 
MO-SA
Mo - SA
 
Anfahrt mit dem PKW 4,3 km (incl. Wartezeit)
 
20 min
 
20 min
 
20 min
Abfahrt Ort5
4:49
 
12:37
 
20:26
 
Ankunft Ort3
5:15
25 min
13:08
31 min
20:58
32 min
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
 
9 min
 
9 min
Dauer des Arbeitsweges
 
54 min
 
60 min
 
61 min
Ankunft am Dienstort
5:34
 
13:17
 
21:07
 
Zeit bis Arbeitsbeginn
 
26 min
 
43 min
 
53
Gesamtdauer
 
80 min
 
103 min
 
114 min

Für Sonn- und Feiertage ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009, im Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 verkehrten:


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Arbeitsbeginn
6:00
14:00
22:00
Anfahrt mit dem PKW 4,3 km (incl. Wartezeit)
 
20 min
 
20 min
 
20 min
Abfahrt Ort5
4:59
 
12:26
 
20:26
 
Ankunft Ort3
5:28
29 min
12:58
32 min
20:58
32 min
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
 
9 min
 
9 min
Dauer des Arbeitsweges
 
58 min
 
61 min
 
61 min
Ankunft am Dienstort
5:37
 
13:07
 
21:07
 
Zeit bis Arbeitsbeginn 6:00 Uhr
 
23 min
 
53 min
 
53 min
Gesamtdauer
 
81 min
 
114 min
 
114 min

Laut dem Fahrplänen der österreichischen Bundesbahnen, welcher im berufungsgegen­ständlichen Jahr 2009 Gültigkeit hatten, ergeben sich folgende Fahrtmöglichkeiten mit der Einstiegstelle Ort3 (Dienstort) zum Bahnhof Ort5:

Für Arbeitsende ergeben sich folgende Zugverbindungen, wobei die angeführten Züge im Winterfahrplan 2008/2009, im Sommerfahrplan 2009 und im Winterfahrplan 2009/2010 täglich verkehrten:


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Arbeitsbeginn
6:00
14:00
22:00
Abmarsch vom Dienstort
6:20
 
14:20
 
22:20
 
Fußmarsch ca. 1 km
 
9 min
 
9 min
 
9 min
Wartezeit
 
2 min
 
2 min
 
0 min
Abfahrt Ort3
6:31
 
14:31
 
22:29
 
Ankunft Ort5
6:58
27min
14:58
27 min
22:58
29 min
Heimfahrt mit dem PKW 4,3 km
 
15 min
 
15 min
 
15 min
Gesamtdauer
 
53 Min
 
53 min
 
53 min

Die Fahrtzeit für den Weg Wohnsitz des Bf.-Arbeitsstätte  wird laut ÖAMTC-Routenplaner mit 22 Minuten, für eine Strecke von 28,6 km (Fahrtroute über die Autobahn) angegeben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist, ob der Bf. im Jahr 2009 das große oder das kleine Pendlerpauschale als Werbungskosten geltend machen kann. Es ist über die Frage zu entscheiden, ob die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar ist oder nicht.

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Berufungswerber (Bf.) wohnt in Ort4 und ist in Ort1 bei der Firma im Schichtdienst tätig.

Die wöchentlichen Schichtarbeitszeiten des Bf. wurden wie folgt angegeben:


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1. Woche
6°° bis 14°°
2. Woche
14°° bis 22°°
3. Woche
22°° bis 6°°

Laut Auskunft des Dienstgebers des Bf. müssen die Schichtarbeiter u m eine reibungslose Übernahme zu gewährleisten ca. 30 Minuten vor jedem Schichtbeginn (06:00, 14:00 und 22:00) anwesend sein.

Rechtsgrundlage:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 gelten als Werbungskosten Ausgaben des Steuer­pflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a. Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeits­stätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.

b. Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeit­nehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von 20 km bis 40 km: 630 Euro jährlich

c. Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von 20 km bis 40 km: 1.356 Euro jährlich

Ausgaben des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zählen nach dieser Gesetzesstelle - analog zu den Betriebsausgaben - bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu den abzugsfähigen Werbungskosten (). Anders als bei den betrieblichen Einkünften sind sie jedoch hier pauschaliert (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band I, § 16 Tz. 100).

Die Verordnung über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung), BGBl. II 276/2013 ist auf den Beschwerdefall nicht anwendbar (vgl. § 5 der Verordnung).

Rechtliche Erwägungen:

Der Verwaltungsgerichts­hof  hat in seinem Beschluss vom  , 2011/15/0132 auf das Erkenntnis , verwiesen. Darin führt der Verwaltungsgerichts­hof zur Zumutbarkeit der Verwendung von öffentlichen Verkehrsmitteln für den täglichen Arbeitsweg aus:

Eine nähere ausdrückliche Bestimmung, was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG zu verstehen ist, ist dem Gesetz - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - nicht zu entnehmen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0053).

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeits­stätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0001, und vom , 2007/15/0053).

Der Begriff der Unzumutbarkeit in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 handelt dabei - entgegen der offenbaren Annahme der belangten Behörde und der Mitbeteiligten - nicht von der Zumut­barkeit des Pendelns an sich, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0132).

Dies setzt allerdings grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr voraus.

Die im angefochtenen Bescheid zitierte Spruchpraxis der belangten Behörde, die ab Erreichen einer gewissen Fahrzeitdauer eine absolute Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich mit dem Individualverkehr vornimmt, entspricht damit nicht dem Gesetz. Sie würde dazu führen, dass beispielsweise auf Strecken mit sehr gut ausgebauten Eisenbahnschnellverbindungen die Benützung eines Massenbeförderungsmittels "unzumutbar" wäre, selbst wenn dieses schneller als der Individualverkehr wäre.

Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Recht­sprechung zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG herangezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Die Erl RV zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:

"'Unzumutbar' sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten jedenfalls für zumutbar halten. Diese Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.

Im Beschwerdefall ergibt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde an vier von fünf Arbeitstagen der Mitbeteiligten nur eine Differenz der Gesamtfahrtdauer zwischen Massenbeförderungsmittel (3 Stunden 25 oder 22 Minuten) und Individualverkehr (3 Stunden) von 25 oder 22 Minuten. Damit beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel, wie das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht herausstreicht, lediglich das 1,2fache der Wegzeit mit dem Kfz.

Gerade in solchen Fällen geringfügiger Differenz der Fahrzeiten ist nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und seiner vorrangigen Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr der Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs zumutbar. Die Mitbeteiligte räumt im Übrigen auch ein, dass sie tatsächlich nicht mit dem Pkw, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Dass ein tägliches Pendeln von rund 3 Stunden sowohl mit dem Pkw als auch mit dem Massenbeförderungsmittel an sich belastend ist, ist unzweifelhaft. Insoweit finden auch in anderen Rechtsbereichen - wie etwa in dem von der Mitbeteiligten vorgebrachten Arbeits­losenversicherungsrecht oder bei der Berücksichtigung von Aufwendungen berufsbedingter doppelter Haushaltsführung - andere Unzumutbarkeitsbegriffe Anwendung. Nimmt ein Arbeitnehmer das Pendeln dennoch in Kauf, ist allerdings gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zur Bestimmung des zumutbaren Verkehrsmittels ein Vergleich zwischen Massen­beförderungsmittel und Individualverkehr notwendig.

Indem die belangte Behörde ohne das Anstellen eines solchen Vergleichs allein aufgrund einer absoluten Gesamtfahrzeit von über 3 Stunden schon von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln ausgegangen ist und bereits deshalb eine Relevanz der neu hervorgekommenen öffentlichen Anreisemöglichkeiten ausgeschlossen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr ausschlaggebend ist und eine Fahrzeit von 90 Minuten für die einfache Strecke unter Zugrundelegung einer Kombination von Massenbeförderungsmitteln und PKW jedenfalls zumutbar ist. Die Heranziehung von Unzumutbarkeitsbegriffen aus anderen Rechtsbereichen wie zB dem Arbeitslosenversicherungsrecht hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, ist bei Ermittlung der Wegzeit immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG [Stand ], § 16 Anm 81).

Bei Feststellung der für die Zumutbarkeit maßgeblichen Fahrtdauer mit Massenbeförderungsmitteln ist im gegenständlichen Fall somit von der vom Bundesfinanzgericht ermittelten schnelleren Verkehrsverbindung auszugehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Bf. Schichtdienst hat und daher keine Gleitzeit hat und seine Arbeitszeit somit nicht an die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der öffentlichen Verkehrsmittel abpassen kann.

Im vorliegenden Fall ist von einer Kombination aus PKW und Massenbeförderungsmittel auszugehen. Die Fahrpläne wurden oben bereits dargestellt. Wird mit dem Pkw bis zum Bahnhof Ort5 gefahren und dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die Fahrt fortgesetzt, so ergibt sich eine Fahrtzeit für die Hinfahrt von 80 bis 114 Minuten und für die Rückfahrt eine Fahrtzeit von 53 Minuten.

Nach , ist auch ein Vergleich zwischen Massenbeförderungsmitteln und Individualverkehr vorzunehmen, wobei nach den Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof zur Auslegung herangezogen hat, als unzumutbar mehr als dreimal so lange Fahrzeiten mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen Kfz angesehen werden. Ausgehend von der Fahrzeit von 22 Minuten mit dem eigenen PKW (laut ÖAMTC Routenplaner), würde die dreifache Fahrtzeit somit 66 Minuten dauern.

Das bedeutet, dass unter diesem Aspekt dem Bf. auch bei einer geringfügigen Überschreitung der 90-Minuten-Grenze die Benutzung von Massenbeförderungsmitteln zumutbar ist. Der Pauschbetrag gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 kann somit nicht anerkannt werden. Das "kleine" Pendlerpauschale wurde bereits vom Arbeitgeber berücksichtigt.  

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 323 Abs. 38 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 130 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 25a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100321.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at