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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.01.2019, RV/7101023/2012

1. Vergleich über Ansprüche eines Dienstnehmers unter besonderem Kündigungsschutz bei Beendigung des Dienstverhältnisses 2. Ermessensentscheidung über die Inanspruchnahme des Dienstnehmers hinsichtlich des halben Gebührenbetrages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache BF, ADR, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA GVG vom , ErfNr*** betreffend Rechtsgebühr zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert wie folgt:

Der Beschwerdeführer wird hinsichtlich des mit € 845,99 festgesetzten Abgabenbetrages mit der Hälfte, dh mit einem Teilbetrag in Höhe von € 422,99 in Anspruch genommen.

Das darüberhinausgehenden Begehren wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahren vor dem Finanzamt

1. Gebührenanzeige - Urkundeninhalt

Mit Schriftsatz vom übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter der DG dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (nunmehr Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, kurz FA) eine am zwischen der DG und Herrn BF (der nunmehrige Beschwerdeführer, kurz Bf.) vor dem Bundessozialamt abgeschlossene Vereinbarung zur Vergebührung.

Mit gegenständlicher Vereinbarung sei ein vor dem Bundesozialamt anhängiger Rechtsstreit betreffend Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten bereinigt und verglichen worden (siehe Verhandlungsschrift vom ). Die Vereinbarung sei daher als außergerichtlicher Vergleich zu werten, der eine anhängige Rechtsstreitigkeit betroffen habe.

Hinsichtlich der Gebührenbemessung werde darauf hingewiesen, dass die in der Vereinbarung erwähnte Gehaltszahlung bis Ende sowie die kollektivvertragliche Weihnachtsremuneration für November 2009 nicht strittig gewesen sei und daher vom Vergleich nicht betroffen sei. Die beiden Positionen seien nur der Klarstellung halber in die Vereinbarung mit aufgenommen worden.

Für die Bemessungsgrundlage relevant seien folgende Vergleichspunkte:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Variable Kompensation für 2009
€ 890,00
Sonderabfindung laut Sozialplan
€ 9.633,00
Freiwillige Abfertigung
€ 55.075,94
Vertretungskosten
€ 19.000,00
Summe
€ 84.598,94

Von dieser Summe werde die Vergleichsgebühr iHv 1%, sohin € 845,99 zu bemessen sein.

Gemäß Punkt VIII. der Vereinbarung verpflichtete sich der Arbeitnehmer, keine weiteren Ansprüche gegen den Dienstgeber geltend zu machen. Gemeint sei damit gewesen, dass dem Dienstnehmer außer die in der Vereinbarung genannten Beträge keine weiteren Ansprüche mehr zustehen und er daher auch sämtliche Kosten übernehmen müsse, ohne sich beim Dienstgeber (DG) regressieren zu können. Zivilrechtlich habe daher der Bf. als Dienstnehmer sämtliche Kosten – und daher auch die Vergleichsgebühr – zu tragen. Unpräjudiziell und entgegenkommenderweise würde die DG jedoch die Hälfte der Vergleichsgebühr übernehmen. Das Finanzamt werde daher gebeten, die Vergleichsgebühr mit € 845,99 festzusetzen und je zur Hälfte dem Bf. sowie der DG bescheidmäßig vorzuschreiben.

Die genannte Vereinbarung hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"Das Dienstverhältnis zwischen der DG, ... (im Folgenden kurz "Arbeitgeber" genannt) und Herrn BF (im Folgenden kurz "Arbeitnehmer" genannt) wird unter folgenden Bedingungen aufgelöst:

I.

Das seit bestehende Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber endet einvernehmlich am .

Bis zum Ende des Dienstverhältnisses erhält der Arbeitnehmer seine laufenden Gehaltszahlungen (monatlich € 3.932,71 brutto) weiter samt Abrechnung der kollektivvertraglichen Weihnachtsremunerationen für November 2009, die mit dem Novembergehalt 2009 zur Auszahlung kommt. In der Dezemberabrechnung 2009 wird pauschal die variable Kompensation für 2009 im Ausmaß von € 890,00 brutto berücksichtigt.

II.

Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer mit der Endabrechnung unter Anwendung der Betriebsvereinbarung vom (Sozialplan) eine Sonderabfindung in der Höhe von zwei Bruttomonatsentgelten (das sind € 9.633 brutto).

III.

Weiters erhält der Arbeitnehmer eine freiwillige Abfertigung in Höhe von brutto € 55.057,97 gewidmet als Abfindungszahlung gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG für den Verzicht auf die Kündigungsanfechtung. Diese Abfindungszahlung kommt mit der Endabrechnung zur Auszahlung, wobei sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Widmung gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber haftet nicht für eine bestimmte steuerliche Behandlung dieser Zahlung durch die Finanzbehörde.

...

VII.

Für die Vertretungskosten des Arbeitnehmers vor dem Behindertenausschuss für Niederösterreich sowie auch für die außergerichtliche Beratung, wird ein Zuschuss zu den Anwaltskosten von pauschal € 19.000,00 brutto gewährt, wobei dieser mit der Juli Abrechnung 2009 zur Auszahlung kommt.

VIII.

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, keine weiteren Ansprüche, insbesondere auf Grundlage des Behinderteneinstellungsgesetzes oder des Gleichbehandlungsgesetzes geltend zu machen. Der Arbeitnehmer erklärt, von seinen Kolleginnen und Kollegen und vom Arbeitgeber nicht diskriminierend behandelt worden zu sein.

...

X.

Mit dieser Auflösungsvereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen."

2. Ermittlungen des Finanzamtes

Mit Vorhalt vom ersuchte das FA die DG um Bekanntgabe, ob zwischen den Vergleichspartnern ein gerichtlicher Rechtsstreit anhängig gewesen sei und wenn ja, bei welchem Gericht und unter welcher Geschäftszahl.

Dazu teilte der rechtsfreundliche Vertreter der DG dem FA mit Schreiben vom mit:

1. Der gegenständliche Vergleich sei außerhalb eines anhängigen Gerichtsverfahren geschlossen worden.

Der Vergleich sei vielmehr in einem anhängigen Rechtsstreit vor dem Behindertenausschuss des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Bundessozialamts) geschlossen worden. Streitgegenstand sei die Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung eines begünstigten Behinderten gewesen.

Ein anhängiger Rechtsstreit im Sinne von § 33 TP 20 Abs 1 lit a GebG liege damit vor. Nach Arnold, Rechtsgebühren, 8. Aufl € 33 TP 20 Rn 13 und 13a unterlägen vor Verwaltungsbehörden abgeschlossene Vergleiche dem begünstigten Steuersatz von 1%. Auf eine Gerichtsanhängigkeit komme es nicht an.

Selbst wenn man dieser Ansicht in ihrer Allgemeinheit nicht folgen möchte, sei im speziellen Fall folgendes zu berücksichtigen:

Die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten könne gemäß § 8 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz erst dann ausgesprochen werden, nachdem der beim Bundessozialamt eingerichtete Behindertenausschuss zugestimmt hat. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses sei rechtsunwirksam (wenn der Kündigung nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird). Somit könne die Zustimmung ausschließlich durch das Bundessozialamt erteilt werden; ein gerichtlicher Rechtsweg stehe dafür nicht zur Verfügung. Anders als bei der Kündigung von Betriebsratsmitgliedern, die laut § 120 ArbVG nur mit Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichts zulässig sei, könne die Kündigung von begünstigten Behinderten nicht vor dem Arbeits- und Sozialgericht durchgesetzt werden. Ein diesbezüglicher Antrag an das Gericht wäre als unzulässig zurückzuweisen. Es habe daher gar keine Möglichkeit bestanden, die gegenständliche Streitsache bei einem Gericht anhängig zu machen; vielmehr ersetze die Genehmigung des Bundessozialamtes (funktional) eine gerichtliche Entscheidung.

Aufgrund dieser spezifischen Rechtsweganordnung sei für den Bereich der Kündigung von begünstigten Behinderten das Verfahren vor dem Behindertenausschuss des Bundessozialamts (funktional) als anhängiger Rechtsstreitigkeit über eine zivilrechtlichen Anspruch (Zustimmung zur Kündigung des begünstigten Behinderten) zu werten, der sonst vor einem Gericht zu verhandeln wäre, sodass in diesem Bereich jedenfalls der Gebührensatz von 1% anzuwenden sei.

Jedes andere Ergebnis würde auf eine gleichheitswidrige Diskriminierung von Vergleichen in anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten betreffend die Kündigung begünstigter Behinderter führen, weil hier kein gerichtlicher Rechtsweg zur Verfügung stehe, bei dessen Beschreiten der begünstigte Gebührensatz anwendbar wäre.

2. Im Übrigen dürfe auf § 23 Behinderteneinstellungsgesetz hingewiesen werden, der folgenden Wortlaut hat:

"Alle zur Durchführung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Amtshandlungen, Eingaben, Vollmachten, Zeugnisse, Urkunden über Rechtsgeschäfte zum Zwecke der Fürsorge oder Förderung gemäß § 10a sowie Vermögensübertragungen von bundesgesetzlich geregelten Gebühren, Verkehrssteuern und Verwaltungsabgaben befreit.“

Aus dieser Bestimmung erhelle, dass auch Vermögensübertragungen – soweit sie zur Durchführung des Behinderteneinstellungsgesetzes erforderlich sind – von der (bundegesetzlich geregelten) Rechtsgeschäftsgebühr nach dem GebG befreit sind. Der gegenständliche, im Rahmen eines anhängigen Verfahrens vor dem Bundessozialamt geschlossenen Vergleich wurde zur Durchführung des Behinderteneinstellungsgesetzes geschlossen und bewirke Vermögensübertragungen an den begünstigten Behinderten zum Zwecke seiner Versorgung nach Beendigung des Dienstverhältnisses, sodass die Gebührenbefreiung zur Anwendung komme.

Dem Schriftsatz angeschlossen wurde eine Kopie der Verhandlungsschrift des Bundessozialamts vom . Demnach war Gegenstand der Verhandlung der Antrag der DG auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung gemäß § 8 BEinstG des Dienstnehmers BF.

Das Protokoll hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"Die Parteien führen Einigungsgespräche. Die Verhandlungsleitung unterbreitet die in Abl. 176 bis 175 handschrftlich angeführten formellen Änderungsvorschläge, eine weitere Manuduktion der Parteien erfolgt nicht. Nach teilweiser Übernahme der Änderungsvorschläge schließen die Parteien einen Vergleich ab, der dem Protokoll angeschlossen ist. Die Verhandlungsleistung nimmt diesen Vergleichsabschluss zur Kenntnis.

DGV: Der Antrag vom auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung von BF wird zurückgezogen."

3. Gebührenbescheid

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Bf. für die Vereinbarung mit der DG vom Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. a GebG 1957 in Höhe von € 845,99 (1% vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen in Höhe von € 84.598,94) fest.

Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass der Bf. gemäß § 28 Abs. 6 GebG Gebührenschuldner zur ungeteilten Hand sei.

4. Berufung

Die dagegen eingebrachte Berufung (nunmehr Beschwerde) richtet sich
1.) gegen die Qualifizierung der Vereinbarung als gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft,
2.) die Inanspruchnahme des Bf. und
3.) die Berechnung der Höhe der Gebührenschuld.

Zu den einzelnen Beschwerdepunkten brachte der Bf. ua. wie folgt vor:

1.) Gegenstand der Vereinbarung zwischen der DG und ihm sei die Auslösung des Dienstverhältnisses gewesen. Ein reiner Vergleich sei nicht geschlossen worden, vielmehr handle es sich um ein Anerkenntnis der ihm gesetzlich und vertraglich zustehender Entgelte (wie etwa die Leistung einer Abfertigung und die Leistung eine Sonderabfertigung aus dem Sozialplan laut einer Betriebsvereinbarung). Anerkenntnisse unterlägen nicht der Gebühr, da die Einigung der Parteien nicht durch beiderseitiges Nachgeben erfolgt (), sondern nur eine Partei von ihrem Rechtstandpunkt abgeht und sich dem der Gegenpartei unterwirft.

2.) Die Einbringlichkeit der gegenständlichen Gebührenschuld bei der DG (als seinem ehemaligen Arbeitgeber) sei nicht gefährdet. Er gehöre dem Kreis der begünstigten Behinderten (mit einer dauerhaften Beeinträchtigung von 80%) an, er sei derzeit als arbeitssuchend gemeldet und verfüge daher nur über ein Arbeitslosenentgelt. Bei einem Vergleich der Gebührenschuldner hätte das Finanzamt aus Gründen der sozialen Billigkeit zu dem Schluss kommen müssen, nicht ihn, sondern seinen ehemaligen Arbeitgeber zur Gänze zur Begleichung der Rechtsgeschäftsgebühr heranzuziehen, da dieser im Vergleich zu ihm als wirtschaftlich wohl situierter und finanzkräftiger Großkonzern (100%ige Tochtergesellschaft der ABC) bekannt sei. Im Übrigen bestehe keine Vereinbarung darüber, dass er sich zur Begleichung der Rechtsgeschäftsgebühr zu Gänze (gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber) verpflichtet hätte.

3.) Die Berechnung der Bemessungsgrundalge für die Gebührenschuld sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Höhe der Gebührenschuld bestritten werde. In der Bemessungsgrundlage scheinen auch der Abfertigungsbetrag und auch die Sonderabfindung aus dem betrieblichen Sozialplan eingeflossen zu sein (insgesamt € 64.690,94 brutto). Da diese Leistungen nicht der Gebührenpflicht unterlägen, wurden sie jedenfalls zu Unrecht in die Bemessungsgrundlage miteingerechnet.

5. Berufungsvorentscheidung

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt den Berufungsausführungen Folgendes entgegen:

"Ein Vergleich bereinigt eine strittige oder zweifelhafte Rechtslage. Im vorliegenden Fall wurde ein vor dem Bundessozialamt anhängiger Rechtsstreit betreffend Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten bereinigt und verglichen. Der im Punkt X. der Vereinbarung festgehaltene Satz "Mit dieser Auflösungsvereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus diesem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen" ist geradezu typisch für einen Vergleich. Bemessungsgrundlage ist der Gesamtwert der im Vergleich ausbedungenen, positiv zu erbringenden Leistungen. Der Gebührensatz beträgt grundsätzlich 2%. Der begünstigte Steuersatz kommt nur bei außergerichtlichen Vergleichen zur Anwendung, wenn die Streitigkeit bei einem Gericht im Sinne der staatlichen Gerichtsorganisation anhängig ist. Nicht bei Gericht anhängig sind Streitigkeiten vor Schiedsgerichten (hier Behindertenausschuss). Nach Abschluss des Vergleiches wurde der Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung zurückgezogen. Steuerschuldner bei einem Vergleich sind beide Vertragsteile zur ungeteilten Hand, d.h. es kann die gesamte Schuld von einem Gesamtschuldner gefordert werden. Wenn im Begleitschreiben die Gebührenvorschreibung je zur Hälfte erbeten wird, ist das eine Vereinbarung im Innenverhältnis. Wirtschaftliche Einwände sind in einem Antrag auf Zahlungserleichterung zu stellen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Zahlungserleichterungen müssen jedoch bei allen Mitschuldnern geben sein."

6. Vorlageantrag

Im Vorlageantrag führte der Bf. ergänzend ua. aus, dass er zwischenzeitig zwar nicht mehr arbeitssuchend sei, sondern in einem aufrechten Dienstverhältnis stehe, doch erreiche der geforderten Betrag knapp 45% seines Verdienstes.

Abschließend werde zusätzlich zu den in der Berufung angeführten Gründen auf die Bestimmung des § 23 Behinderteneinstellungsgesetz hingewiesen, der eine sachliche Gebührenbefreiung beinhalte. Die gegenständliche Vereinbarung sei im Rahmen und zum Abschluss eines Verfahrens nach dem BEinstG geschlossen worden.

Das Bundessozialamt habe eine zur Durchführung des Bundesgesetzes erforderliche Amtshandlung gesetzt, indem es die vor ihm geschlossene Vereinbarung in der Verhandlungsschrift beurkundet hat und damit das Verfahren einstellen konnte. Neben dieser Amtshandlung liege auch eine seitens des Bundessozialamtes beurkundete Vereinbarung vor, die ein Rechtsgeschäft zum Zwecke der Fürsorge (des ausscheidenden Dienstnehmers) darstelle.

II. Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat und vor dem Bundesfinanzgericht

1. Vorlage der Berufung an den UFS

Mit Vorlagebricht vom legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor. Eine Stellungnahme zum Vorbringen des Bf. im Vorlageantrag gab das Finanzamt nicht ab.

2. Übergang der Zuständigkeit auf das BFG und die Gerichtsabteilung 1062

Am war die gegenständliche Berufung beim unabhängigen Finanzsenat anhängig und ist daher die Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 323 Abs. 38 BAO auf das Bundesfinanzgericht übergegangen und ist die Rechtssache als Beschwerde im Sinne des Art 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom nahm der Geschäftsverteilungsausschuss (ua) die gegenständliche Rechtssache gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der Gerichtsabteilung 1080 ab und wurde diese der Gerichtsabteilung 1062 zur Erledigung zugewiesen.

3. Beweisaufnahme durch das BFG

Die nunmehr zuständige Richterin nahm Einsicht in den vom Finanzamt vorgelegten Bemessungsakt ErfNr*** und ergibt sich dadurch der oben dargestellte Verfahrensablauf und der - unstrittige - Urkundeninhalt.

III. Rechtlage und Erwägungen

Auf Grund des § 33 TP 20 Abs. 1 unterliegen Vergleiche (außergerichtliche) nach Maßgabe des III. Abschnittes des Gebührengesetzes,
a) wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird 1 vH,
b) sonst 2 vH
vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird auf Grund des Abs. 2 leg.cit. bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

1. zum Vorliegen eines Vergleiches

Der den Gegenstand des § 33 TP 20 GebG bildende Vergleich ist nach § 1380 ABGB zu beurteilen, da das Gebührengesetz keine Begriffsbestimmung enthält. Nach der angeführten Bestimmung des § 1380 ABGB heißt ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun, oder zu unterlassen verbindet, Vergleich (siehe Fellner, Band I, Stempel und Rechtsgebühren, Rz 2 zu § 33 TP 20 GebG mit zahlreichen Judikaturhinweisen).

Ein Vergleich liegt vor, wenn die Parteien streitige oder zweifelhafte Rechte durch gegenseitiges Nachgeben beseitigen, indem sie eine neue, eindeutige Verbindlichkeit festsetzen. Der Vergleich ist ein Feststellungsvertrag, der vor allem der Vermeidung oder Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dient (Schwimann, ABGB3, Band 6, Rz 1 zu § 1380). Strittig oder zweifelhaft ist ein Recht, wenn die Parteien uneins sind, ob oder in welchem Umfang ein Recht entstanden ist oder noch besteht, wobei die Differenzen gegenwärtige wie zukünftige Rechts- oder Tatfragen betreffen können. Dies ist rein subjektiv aus der Sicht der Parteien zu beurteilen, selbst wenn deren Standpunkte möglicherweise objektiv unzutreffend sind (vgl. vgl. unter Hinweis auf Koziol/Bydlinsky/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB, Rz 3 zu § 1380).

Nicht nur bereits bestehende strittige vertragliche Rechtsverhältnisse können vergleichsweise geregelt werden, sondern auch solche Rechte, die dem Grunde oder der Höhe nach zweifelhaft sind. Streitig ist dabei ein Recht dann, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können, ob und in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht. Zweifelhaft ist das Recht, wenn die Parteien sich über Bestand, Inhalt und Umfang oder auch über das Erlöschen nicht im Klaren sind. Rechte sind auch dann zweifelhaft, wenn ihre Verwirklichung unsicher geworden ist (vgl. ).

Strittig oder zweifelhaft ist ein Recht, wenn die Parteien uneins sind, ob oder in welchem Umfang ein Recht entstanden ist oder noch besteht, wobei die Differenzen gegenwärtige wie zukünftige Rechts- oder Tatfragen betreffen können (vgl. ; , 2006/16/0136).

Nach Wolff in Klang, VI 275, ist entscheidend, dass jeder Partner eines Vergleiches zu einer Leistung positiver oder negativer Art verpflichtet wird. Daher gilt auch die Anerkennung eines zweifelhaften oder unsicheren Rechtes gegen Entgelt als Vergleich. Dasselbe gilt auch für eine Abfindung, wenn damit zweifelhafte Ansprüche abgegolten werden oder auf sie verzichtet wird (siehe Fellner, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, RZ 5 zu § 33 TP 20 GebG).

Das Wesen eines Vergleiches iSd § 1380 ABGB - und damit der Unterschied zum Anerkenntnis - liegt im beiderseitigen Nachgeben der Parteien (vgl. unter Hinweis auf ). Bei einer Regelung nicht strittiger Rechte liegt kein Vergleich vor (vgl. ). Der Erlass einer unstreitigen und unzweifelhaften Schuld oder die einseitige Anerkennung einer Forderung des anderen ohne beiderseitiges Nachgeben ist daher kein Vergleich (vgl. ).

Anerkenntnis und Verzicht unterliegen nicht der Gebühr, da die Einigung der Parteien nicht durch beiderseitiges Nachgeben erfolgt (), sondern nur eine Partei von ihrem Rechtsstandpunkt abgeht und sich dem der Gegenpartei vollständig unterwirft (GebR Rz 996).

Ist über die Räumung eines verpachteten Betriebes ein Rechtsstreit anhängig und schließen die Streitteile vor Zustellung des letztinstanzlichen Urteiles außergerichtlich einen Vergleich , in dem sich der bisherige Pächter zur Rückstellung des Pachtgegenstandes und zur Zahlung eines Beitrages zu den Prozesskosten, der bisherige Verpächter aber zur Zahlung eines Ablösebetrages für Investitionen und Neuanschaffungen des Pächters verpflichtet, dann liegt ein einheitlich als Vergleich nach § 33 TP 20 GebG zu wertendes Rechtsgeschäft vor, das nicht in einzelne Teile aufgespalten werden kann. Es kann daher auch nicht wirksam eingewendet werden, das Geschäft stelle einen gebührenfreien Kaufvertrag über bewegliche Sachen (Investitionen und Neuanschaffungen) dar (vgl. , VwSlg 2362 F/1961).

Das Nachgeben muss keineswegs in jedem einzelnen Punkt der als Vergleich zu qualifizierenden Einigung erfolgen, sondern genügt vielmehr schon das Nachgeben in nur einem von mehreren Punkten genügt (vgl. ).

Es liegt daher auch dann ein Vergleich vor, wenn zwar unstrittig war, dass ein Anspruch auf Abgeltung sog. "Mindererträge" bestand bzw dass die A vertraglich zur Rekultivierung und Planierung verpflichtete war, aber über die Höhe bzw. das Ausmaß des Anspruches Zweifel bestanden und diese Zweifel mit der gegenständlichen Vereinbarung beseitigt wurden (vgl. dazu ).

Die anlässlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses vorgenommene Abgeltung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche ist wegen ihrer Streitvorbeugungs- und Bereinigungsfunktion geradezu typisch für einen Vergleich (vgl. ).

War in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren strittig, ob eine ausgesprochene Entlassung gerechtfertigt war, so lag die für einen Vergleich essenzielle Bereinigung strittiger oder zweifelhafter Rechte durch die gegenständliche Vereinbarung - in der ua eine rückwirkende einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses enthalten war - klar auf der Hand. Da auch Generalvergleiche zulässig sind und solche Vergleiche, insbesondere bei Auflösung von Dauerschuldverhältnisse dazu dienen, jene Ansprüche zu erledigen, an die die Parteien zwar nicht gedacht haben, aber hätten denken können, erwies sich insbesondere der Verzicht des Beschwerdeführers auf die Geltendmachung jeden Anspruches als ein Nachgeben auch des Beschwerdeführers ().

Wurde durch die gegenständliche Auflösungsvereinbarung ein zweifelsfreies und unstrittiges Bestandverhältnis aufgelöst, so war durch diese Vereinbarung der Begriff eines Vergleichs nicht erfüllt. Dass die verschiedenen wirtschaftlichen Interessen der Bestandgeberin einerseits und der Bestandnehmerin andererseits, die bisher im Bestandvertrag ihre klare Regelung gefunden hatten, fortan einen Ausgleich in einer abweichenden Regelung in der Auflösungs- und Räumungsvereinbarung fanden, machte diese ebenso wenig zu einem Vergleich wie die Neugestaltung der wechselseitigen Rechte und Pflichten, die auch pro futuro gleichermaßen unzweifelhaft war ().

Eine Vereinbarung, in der die Vertragsparteien Rechte und Pflichten, über deren Art und Ausmaß kein Streit herrscht, anders regeln als es im Gesetz vorgesehen ist, stellt keinen gebührenpflichtigen Vergleich dar (vgl. und Hinweis auf ; , 1769/54, VwSlg 1471/F).

Wie sich aus den für die DG beim Finanzamt eingebrachten Schriftsätzen ergibt, war die Höhe der  laufenden Bezüge des Bf. nicht strittig und wurden demgemäß die monatlichen Gehälter und die kollektivvertragliche Weihnachtsremunureationen  vom Finanzamt nicht der Gebühr unterzogen.

Aus den Angaben der DG gegenüber dem Finanzamt ergibt sich jedoch  deutlich, dass der Dienstgeber es als strittig angesehen hat, welche Ansprüche dem Bf. bei einer Auflösung des Dienstverhältnisses zustehen und dass über diese Ansprüche  eine vergleichsweise Bereinigung mit einem Gesamtwert iHv 84.598,94 (bestehend aus pauschal bemessene variable Kompensation für 2009 iHv € 890,00 (letzter Satz Punkt I), Sonderabfindung unter Anwendung des Sozialplanes iHv € 9.633,00 (Pkt II), freiwillige Abfertigung gewidmet als Abfindungszahlung gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG für den Verzicht auf die Kündigungsanfechtung iHv 55.075,94 (Pkt III) und Kostenbeitrag iHv € 19.000,00 (Pkt VII) erfolgt ist.

Dem Finanzamt ist beizupflichten, dass der im Punkt X. der Vereinbarung festgehaltene Satz "Mit dieser Auflösungsvereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus diesem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen" geradezu typisch für einen Vergleich ist. Auch der Verhandlungsleiter im vor dem Bundessozialamt anhängigen Rechtsstreit betreffend Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten wertete die Vereinbarung als Vergleich, wie sich aus der Verhandlungsschrift ergibt. Auch der Hinweis im Punkt III der Vereinbarung auf die Bestimmung des § 67 Abs 8 lit a EStG spricht für das Vorliegen eines Vergleiches.

Nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 sind auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Voraussetzung für die begünstigte Besteuerung gemäß § 67 Abs. 8 lit a EStG 1988 ist demnach das Vorliegen eines Vergleiches und ist daraus abzuleiten, dass die Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung sehr wohl von einer vergleichsweisen Regelung der Ansprüche des Bf. aus der Auflösung des Dienstverhältnisses ausgegangen sind.

Zu einer in einer Vereinbarung über die Beendigung eins Arbeitsverhältnisses im beiderseitigen Einvernehmen festgelegten "Abgangsentschädigung" (die der Arbeitnehmer zusätzlich zu den zustehenden gesetzlichen und kollektivvertraglichen Ansprüchen wie Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung erhalten hat), hat der UFS im Zusammenhang mit der begünstigten Besteuerung iSd § 67 Abs. 8 folgendes ausgesprochen (vgl. UFS 21.5.20013, 0664-I/12):

"Der Bw. als begünstigt behinderter Arbeitnehmer unterlag einem besonderen Kündigungsschutz. Es war deshalb streitig oder zumindest zweifelhaft, ob und unter welchen Bedingungen der Behindertenausschuss nach Vornahme einer Interessenabwägung einer etwaigen Arbeitgeberkündigung überhaupt zustimmen würde. Für die Vertragsparteien der Vereinbarung war daher zumindest zweifelhaft, ob das Arbeitsverhältnis weiterhin Bestand haben würde bzw. welche Rechte aus dem Arbeitsverhältnis bei einer etwaigen Kündigung dem Bw. zustehen würden. Der Bereinigung dieses strittigen oder zweifelhaften Rechtsverhältnisses diente letztendlich die vereinbarte Zahlung dieser Abgangsentschädigung, denn als Folge dieser Zahlung erklärte sich der Bw. zur einvernehmlichen Auflösung des seit bestehenden Arbeitsverhältnisses bereit. Diese Abgangsentschädigung wurde bei gegebener Sachverhaltskonstellation daher vom Arbeitgeber zu Recht als Vergleichssumme iSd § 67 Abs. 8 EStG gewertet und davon ein Fünftel steuerfrei behandelt"

Im gegenständlichen Fall war bereits ein Verfahren zur Zustimmung zur Kündigung des Bf. beim Bundessozialamt  anhängig und damit zweifelhaft, ob das Dienstverhältnis weiter bestehen bleibt und als Konsequenz daraus auch strittig, welche Ansprüche dem Bf. bei einer Auflösung des Dienstverhältnisses zustehen. Die gegenständliche Vereinbarung wurde daher vom Finanzamt zu Recht als Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten iSd § 33 TP 20 Abs. 1 lit. a GebG gewertet und mit einem Steuersatz von 1% der Gebühr unterzogen.

2. (keine) Befreiung nach § 23 BEinstG

Die Befreiungsbestimmung nach § 23 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970 lautete in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 150/2002 wie folgt:

„Alle zur Durchführung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Amtshandlungen, Eingaben, Vollmachten, Zeugnisse, Urkunden über Rechtsgeschäfte zum Zwecke der Fürsorge oder Förderung gemäß § 10a sowie Vermögensübertragungen von bundesgesetzlich geregelten Gebühren, Verkehrssteuern und Verwaltungsabgaben befreit.“

Aus dem Verweis auf die Bestimmung des § 10a BEinStG, der die Verwendung der Mittel des Ausgleichstaxfonds regelt, ergibt sich, dass sich die Befreiungsbestimmung auf die dort vorgesehen Zuschüsse, Darlehen oder auch Sachleistungen bezieht. Die Vereinbarung vom betrifft nicht Leistungen aus Mitteln des Ausgleichtaxfonds, sondern geht es um Ansprüche des Bf. gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber auf Grund der Auflösung des Dienstverhältnisses, wie die Sonderabfindung unter Anwendung des Sozialplanes (Pkt II), die freiwillige Abfertigung für den Verzicht auf die Kündigungsanfechtung (Pkt III) und den Kostenbeitrag (Pkt VI).

3. Gesamtschuldverhältnis - Ermessen

Nach § 28 Abs. 1 lit. a GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften die Unterzeichner der Urkunde zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet, wenn die Urkunde von beiden Vertragsparteien unterfertigt ist. Trifft die Verpflichtung zur Gebührenentrichtung zwei oder mehrere Personen, so sind sie gemäß § 28 Abs. 6 leg. cit. zur ungeteilten Hand verpflichtet. Die beiden Unterzeichner schulden die Gebühr somit als Gesamtschuldner.

Die Entscheidung über die Geltendmachung einer Abgabenschuld bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses stellt eine Ermessensentscheidung dar. Eine solche Entscheidung ist gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei Auslegung des § 20 BAO ist dabei dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben beizumessen ().

Das Wesen der Gesamtschuld ist darin zu sehen, dass der Gläubiger die Mitschuldner nicht nur anteilsmäßig in Anspruch nehmen, sondern dass er auch die gesamt Schuld nur einem der Gesamtschuldner gegenüber geltend machen darf ().

Die Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (vgl. ).

Dabei ist unter der gehörigen Bedachtnahme auf die Ermessensrichtlinien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit auch zu prüfen, ob bzw inwieweit durch die Auswahl der Personen, denen ein Leistungsgebot erteilt wird, die zivilrechtliche Regreßmöglichkeit zwischen den Gesamtschuldnern in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird (vgl. ).

Im Rahmen der Bedachtnahme auf die "Billigkeit", das ist die "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei", ist bei der Schuldnerwahl auch das Ausmaß der Vorteile, die aus den die Gesamtschuld auslösenden Gemeinsamkeiten oder den beiderseitigen Rechtsbeziehungen von den einzelnen Schuldnern geschöpft wurden, von Bedeutung (vgl. unter Hinweis auf Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, S 218).

Die Abgabenbehörde darf sich bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nicht ohne sachgerechten Grund an jene Partei halten, die nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Steuerschuld NICHT entrichten soll (vgl. ). 

Die gegenständliche Vereinbarung enthält keine ausdrückliche Regelung, wer im Innenverhältnis die Gebühr zu Tragen hat. Geregelt wurde von den Vertragspartein nur ein pauschaler Kostenzuschuss des Arbeitgebers zu den Vertretungskosten und den Beratungskosten (siehe Punkt VI.).

Das Finanzamt hat im bisherigen Verfahren – trotz entsprechendem Einwand des Bf. in der Beschwerde – seine Ermessensentscheidung nicht begründet.

Nach der Judikatur des UFS (vgl. ) wird bei der Ausübung des Auswahlermessens fallbezogen die gleichmäßige Heranziehung beider Gesamtschuldner zur anteiligen Abgabenentrichtung der nach einem Vergleich im Sinne des § 33 TP 20 Abs. 1 GebG festgesetzten Rechtsgebühr dann dem hier zu beachtenden Billigkeitsaspekt gemäß § 20 BAO gerecht, wenn folgende Umstände vorliegen:

1.) Keinem Vertragsteil wurde die Entrichtung der Gebühr vertraglich auferlegt.

2.) Dem Charakter als Vergleich entsprechend haben beide Parteien Rechte und Pflichten übernommen, die annähernd gleich hoch zu bewerten sind.

3.) Ein offensichtliches Missverhältnis dergestalt, dass einer der beiden Vertragsparteien aus dem Vergleich unverhältnismäßig hohe Vor- bzw. Nachteile erwachsen sind, sind nicht erkennbar.

Auch im gegenständlichen Fall ist nicht erkennbar, dass einer der Vertragsparteien überwiegende Vorteile aus dem Rechtsgeschäft gezogen hätte und ist davon auszugehen, dass die vergleichsweise Bereinigung der unklaren Rechtslage gleichermaßen im Interesse des Dienstgebers als auch des Dienstnehmers gelegen ist.

Es erscheint dem Bundesfinanzgericht daher unter Anwendung der oben aufgezählten Kriterien sachgerecht, den Bf. hinsichtlich des halben Gebührenbetrages in Anspruch zu nehmen. Wie der Bf. zu Recht aufzeigte, wäre – jedenfalls bei einer sofortigen Inanspruchnahme des Dienstgebers nach Anzeige des Vergleiches beim Finanzamt - die gänzliche Einbringlichkeit der Gebühr nicht gefährdet gewesen. Dazu kommt, dass der Dienstgeber im gegenständlichen Fall ausdrücklich gegenüber dem Finanzamt erklärt hat, die Gebühr zur Hälfte zu tragen und um Inanspruchnahme je zur Hälfte gebeten hat. Die Möglichkeit  des Bf. hinsichtlich des halben Gebührenbetrages nunmehr bei der DG zu regressieren ist durch das Unterbleiben einer gleichzeitigen Gebührenvorschreibung auch an den Dienstgeber erheblich erschwert worden.

Es war daher der Beschwerde teilweise Folgte zu geben und der angefochtene Bescheid wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

IV. Zur Nichtzulassung der Revision

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgte in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und war daher die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 20 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 28 Abs. 6 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101023.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at