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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 28.11.2018, RV/2101826/2016

Vorsteuerabzug und Mehrwertsteuerbetrug

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senat in der Beschwerdesache

Bf., vertreten durch Grazer Treuhand Steuerberatung GmbH & Partner KG, Petersgasse 128a, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Graz-Umgebung vom betreffend Umsatzsteuer 2011 und 2012 in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Umsatzsteuer 2011 wird mit 23.316,25 Euro festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 2012 wird mit 92.972,35 Euro festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Bei der Beschwerdeführerin, der GmbH (im Folgenden Bf.), machte das Finanzamt im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung der Jahre 2011 und 2012 folgende nunmehr streitgegenständliche Feststellungen betr. Umsatzsteuer:

„Im Rechenwerk der GmbH wurden in den Prüfungsjahren 2011 und 2012 zahlreiche Rechnungen der B GmbH verbucht und die aus diesen resultierenden Vorsteuerbeträge geltend gemacht. (…)

Sämtliche der vorliegenden Eingangsrechnungen der B GmbH weisen als Anschrift die Adresse Straße auf.

Im Zuge der Prüfung konnte festgestellt werden, dass die B GmbH an der angeführten Anschrift im Prüfungszeitraum ihre Geschäftstätigkeit nicht ausgeübt hat. Tatsächlich war die B GmbH jeweils in denselben Räumlichkeiten wie die GmbH tätig. Dieser Umstand lässt sich schon durch die Verrechnung von "Administrations- bzw Organisationsaufwand" von der GmbH an die B GmbH belegen.

Im Zuge dieser Verrechnung werden ab dem Monat Mai 2011 (Beginn der Geschäftsbeziehungen zwischen B und Bf) anteilige Bürokosten an die B weiterverrechnet.

Ebenfalls anzumerken ist, dass die B in ihrer Buchhaltung keinerlei Mietaufwendungen für ein Büro an der in den Rechnungen angeführten Adresse erfasst hat. Weiters konnte festgestellt werden, dass die auf den Rechnungen aufscheinende UID Nummer nicht die der B GmbH ist.“

Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug in Folge mit der Begründung, dass die Rechnungen nicht den Formvorschriften des UStG 1994 genügten.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte die Bf. aus, dass ihr ein Firmenbuchauszug vom vorlag, der die Richtigkeit und Gültigkeit der Geschäftsadresse bestätigte.

Ebenso sei ihr wiederholt bekannt gemacht worden, dass der genannte handelsrechtliche Geschäftsführer persönlich mit den zuständigen Behörde" (GKK und Finanzamt, etc.) in Salzburg, entsprechend einer ordentlichen Geschäftstätigkeit, in Kontakt stand.

Die Weiterverrechnung des genannten „Administrations- bzw. Organisationsaufwandes“, samt anteiliger Bürokosten war damit begründet, dass zusätzlich entsprechende Teilleistungen auch in unseren Büroräumlichkeiten geleistet wurden.

Aufgrund der persönlichen Bekanntschaft des handelsrechtlichen Geschäftsführers des Unternehmens „B GmbH“ habe die Bf., dem Grundsatz von Treu und Glauben folgend, eine Überprüfung der auf den Rechnungen angeführten UID-Nummer nicht vorgenommen bzw. er sei nicht vorzunehmen gewesen.

Die Bf. verwies auch auf Rz. 1539 UStR 2000 („die inhaltliche Richtigkeit der UID ist bis auf weiteres nicht zu überprüfen“)!

Ergänzend wurde darauf verwiesen, dass das Unternehmen „B GmbH“ im Jahre 2013 in Insolvenz geraten ist und am gelöscht wurde, weshalb eine Rechnungsberichtigung faktisch unmöglich ist.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung berief sich das Finanzamt auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof, der im Erkenntnis vom , 94/12/0133, 0134 ausgesprochen hat, in einer Rechnung iSd § 11 UStG müsse sowohl der richtige Name als auch die richtige Adresse angegeben sein. Ist auf der Rechnung keine oder eine unrichtige Anschrift des liefernden Unternehmers angeführt, so sind Voraussetzungen für eine Rechnung iSd § 11 Abs 1 UStG nicht erfüllt.

Die Beschwerdevorentscheidungen ergingen (aufgrund einer internen Überprüfungsmaßnahme) erst am mit dem Hinweis, dass der Bf. eine gesonderte Bescheidbegründung zugehen werde.

Am erhielt die Bf. die gesonderte Bescheidbegründung (Zustellnachweis), die darauf verwies, dass Bescheide betreffend „Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich Umsatzsteuer 2011, 2012 am abgefertigt“ wurden.

Die Beschwerdevorentscheidungen wiesen die Beschwerde ab. Als Spruchbetrag wiesen sie allerdings die bisher getätigten Vorauszahlungen aus.

Am erging daher eine Berichtigung gem. § 293 BAO in der Spruchbetrag wieder auf Höhe des bekämpften Bescheides korrigiert wurde.

Den Vorlageantrag begründet die Bf. folgendermaßen:

„Vorweg halten wir fest, dass wir die Auffassung vertreten, dass sich aus der Chronologie des bisherigen Veranlagungsverfahrens kein den rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechendes Zustandekommen gültiger Bescheide 2011 und 2012 ergibt:

• Nachdem gegen die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben worden war, wurde mit Datum eine Bescheidbegründung ausgefertigt, die sich auf einen am „durch das Bundesrechenzentrum ausgefertigten Bescheid betreffend Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich Umsatzsteuer 2011, 2012" bezieht.

• Es wurde weder am noch an einem zu diesem Datum zeitnah gelegenen Tag ein Bescheid erlassen, zu dem diese Begründung gehört.

• Es wurden dann am ein Umsatzsteuerbescheid 2011 und ein Umsatzsteuerbescheid 2012, jeweils eine Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO, erlassen. Nach dem Spruch dieser Bescheide wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Bescheid jeweils gem. § 276 BAO abgeändert. Die darauf folgende Abänderung gewährt jeweils den in der Beschwerde geltend gemachten Vorsteuerbetrag.

• Es wurden dann am ein Umsatzsteuerbescheid 2011 und ein Umsatzsteuerbescheid 2012, jeweils eine Berichtigung gem. § 293 BAO zu Beschwerdevorentscheidung vom erlassen. Die enthaltene Berichtigung enthält jeweils den - in der Beschwerde bekämpften - verminderten Vorsteuerbetrag.

Aus der gesamten vollkommen widersprüchlichen Chronologie ist ein klarer Bescheidwille der Behörde nicht erkennbar. Insbesondere steht die Begründung vom , auch wenn sie zugegebenermaßen zum ziffernmäßigen Ergebnis der Bescheide vom passt, im bescheid-leeren Raum, da eine bloß sinngemäße Zuordenbarkeit einer Bescheidbegründung für die Erkennbarkeit eines klaren Bescheidwillens zu wenig ist. Die Fehlerhaftigkeit der Bescheide vom resultiert daher nicht bloß aus einer Unrichtigkeit, die auf dem Einsatz der automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruht, weshalb eine Berichtigung gem. § 293 BAO nicht zulässig ist.

Des weiteren halten wir fest, dass die in der „Bescheidbegründung" vom zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinungen der Abgabenbehörde die formalen Anforderungen an zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen bei weitem überspannt. Zum einen wird der Vorsteuerabzug deshalb verweigert, weil auf der Rechnung eine nicht der Rechnungsausstellerin, B GmbH, zugeordnete UID angeführt wird. Zum anderen auch deshalb, weil die Rechnungsausstellerin, B GmbH, auf der Rechnung eine Adresse angibt, die nicht mit dem Sitz der tatsächlichen Geschäftsausübung übereingestimmt hat. Dazu ist festzuhalten:

Zur UID:

• Es ist richtig, dass auf den Rechnungen nicht die UID der B GmbH, sondern die UID der C Personalservice GmbH angegeben war.

• Die B GmbH ihrerseits hieß laut Firmenbuch bis zum C C GmbH und wechselte zu diesem Zeitpunkt zwar den Namen und die Geschäftsführung, nicht jedoch den Unternehmensgegenstand.

• Die Beschwerdeführerin stand sowohl vor wie auch nach dieser Änderung in einer laufenden Geschäftsbeziehung zur Rechnungsausstellerin, die auf ihrem neuen Briefpapier versehentlich die UID der C Personalservice GmbH anführte.

• Die auf den Rechnungen der B GmbH angeführte UID der C Personalservice GmbH war zum damaligen Zeitpunkt gültig und ist es heute noch. Die B GmbH ihrerseits verfügte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls über eine gültige UID.

• Nur eine UlD-Prüfung der Stufe 2 durch die Rechnungsempfängerin hätte zutage fördern können, dass die auf den Rechnungen angeführte UID der B GmbH (bis Mai 2011 C C GmbH), zwar gültig, jedoch der C Personalservice GmbH zugeordnet war. Eine UlD-Prüfung der Stufe 2 für inländische Rechnungsaussteller wurde erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt in Österreich eingeführt.

• Sämtliche Rechnungen der B GmbH an die Beschwerdeführerin sind bezahlt worden, sodass auch diese Voraussetzung für den Vorsteuerabzug erfüllt ist.

• In den Umsatzsteuerrichtlinien fand sich zum damaligen Zeitpunkt (Fassung vom ) in RZ 1539 die explizite Aussage: „Hinsichtlich der fortlaufenden Nummer ist durch den Empfänger keine Überprüfung vorzunehmen. Hinsichtlich des Ausstellungsdatums siehe RZ 1547. Die inhaltliche Richtigkeit der UID ist bis auf weiteres nicht zu überprüfen." Diese Aussage betreffend die UID-Prüfung, die Jahre später aus den Richtlinien ersatzlos gestrichen worden ist, hatte ihren Hintergrund darin, dass eine UID-Prüfung der Stufe 2 für inländische Rechnungsaussteller damals gar nicht vorgesehen war. Es kann nur eine Prüfungspflicht des Rechnungsempfängers hinsichtlich solcher Rechnungsmerkmale geben, die auch geprüft werden können - dies ist der durchaus verständliche Sinn der RZ 1539.

Vor diesem Hintergrund überspannt die Abgabenbehörde die dem Rechnungsempfänger in den Jahren 2011 und 2012 zumutbaren Anforderungen bei weitem und widerspricht damit auch der klaren Judikaturlinie des EuGH (vgl. dazu auch GZ RV/7103921/2008). Demgegenüber überspannt ein Abgabenpflichtiger keineswegs die Erwartungen an das österreichische Steuerrechtssystem, wenn er sich auf die in den Steuerrichtlinien des BMF enthaltenen Aussagen verbunden mit den damals bereit gestellten - gegenüber der heutigen Situation stark eingeschränkten - Validierungsmöglichkeiten verlässt.

In den Urteilen vom , Rs. C-384/04, vom , Rs. C- 439/04 und C-440/04 und vom , Rs. C-280/10 hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass Rechnungsanforderungen für den Vorsteuerabzug nicht so weit gehen dürfen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug übermäßig erschwert werde und hält den Rechnungsanforderungen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit entgegen: Demnach müsse dem Rechnungsempfänger trotz Vorliegen von inhaltlichen, aber peripheren Unvollständigkeiten oder Ungenauigkeiten bei einer Rechnungsangabe ein Vorsteuerabzug zugestanden werden. D. h. ein Vorsteuerabzug dürfe bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch ohne Vorliegen einer formell ordnungsgemäßen Rechnung nicht versagt werden.

Die auf den Rechnungen der B GmbH (zuvor C C GmbH) enthaltene, gültige UID der C Personalservice GmbH berechtigt die Abgabenbehörde daher nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs.

Zur Rechnungsadresse der B GmbH

• Die auf den Rechnungen angeführte Adresse in Salzburg war jene Adresse, die zum damaligen Zeitpunkt im Firmenbuch eingetragen war.

• Diese Adresse war keinesfalls eine Scheinadresse, an der niemals eine Geschäftstätigkeit entfaltet worden war (vgl. ). Diese Adresse war jedenfalls die tatsächliche Adresse der C C GmbH, ab Mai 2011 dann B GmbH, mit der die bereits bestehende Geschäftsbeziehung fortgeführt wurde,

• Es ist richtig, dass es nach der Namens- und Geschäftsführungsänderung zu einer intensiveren Kooperation der Beschwerdeführerin mit der B GmbH gekommen ist und der B GmbH die Büro- Infrastruktur der Beschwerdeführerin entgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Dass damit aber bereits ab Mai 2011 eine vollständige Verlagerung der Geschäftstätigkeit nach Graz einhergegangen sein soll, sodass demnach sämtliche Rechnungen der B GmbH mit falscher Adresse ausgestellt worden wären, war für die Beschwerdeführerin nicht erkennbar. Bis zur Kooperation mit dem neuen Geschäftsführer der B GmbH ab Mai 2011 lag die tatsächliche Geschäftstätigkeit für unsere Mandanten unzweifelhaft in Salzburg,

• Wäre in Salzburg ab Mai 2011 lediglich ein Briefkasten bestehen geblieben und die Grazer Adresse der Beschwerdeführerin die tatsächliche neue Geschäftsadresse gewesen, so wäre dies u.U. dadurch erkennbar gewesen, dass an die Salzburger Adresse gerichtete Post nach Graz nachgesendet worden wäre. Wie auch immer die B GmbH das Problem der Postzustellung gelöst hat: Es ist im Grazer Büro keine aus Salzburg nachgesendete Post der B GmbH eingegangen,

• Dass die Geschäftstätigkeit der B GmbH zumindest zum Zeitpunkt der späteren Konkurseröffnung tatsächlich in Graz und nicht mehr an der Salzburger Adresse ausgeübt worden sei, ergab sich im Übrigen erst im Konkursverfahren der B GmbH, nachdem der Konkursantrag zunächst beim Landesgericht Salzburg gestellt und erst der Grazer Rechtsanwalt der B GmbH die Verlagerung des Verfahrens nach Graz betrieb. Die Zeit davor ist ungeklärt. Auch in diesem Punkt ist daher festzuhalten, dass die Abgabenbehörde die Formal-Anforderung der korrekten Rechnungsadresse mit der Unterstellung der sofortigen vollständigen Sitzverlegung bei weitem überspannt. Auch hier verweisen wir auf die klare Judikaturlinie des EuGH. Die auf den Rechnungen der B GmbH (zuvor C C GmbH) enthaltene, zuvor jedenfalls gültige Adresse berechtigt die Abgabenbehörde daher nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs.“

Das BFG forderte das Finanzamt im Zuge des Verfahrens auf, einen allfälligen Betrugsverdacht gegen die Rechnungsausstellerin, die B GmbH zu erläutern.

In der Stellungnahme vom führt das Finanzamt dazu aus:

„Die Außenprüfung bei der GmbH, FN 123, erfolgte im Zuge finanzstrafrechtlicher Ermittlungen gegen die Ehegatten X und Y Nachname.

Die seinerzeitige Verdachtslage bestand auch darin, dass X Nachname als geschäftsführender Alleingesellschafter der xGmbH, und Y Nachname als geschäftsführende Alleingesellschafterin (bis / Gesellschafterwechsel) der GmbH, FN 123, zu Unrecht Betriebsausgaben und Vorsteuern aus Rechnungen von tatsächlich nicht tätigen (Schein-)Unternehmen (Rechnungsaussteller) geltend gemacht haben.

Während im Fall der xGmbH die inkriminierten Eingangsrechnungen von amtsbekannten Scheinunternehmen nach klassischem Muster stammten (Unauffindbarkeit am vermeintlichen Firmensitz, keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Geschäftsführer, keine Betriebsmittel etc.), war für die GmbH (Geschäftszweig Dienstleistungen) beinahe ausschließlich die B GmbH, FN 456, als Subunternehmer (Geschäftszweig Bereitstellung von Arbeitskräften, ab ) tätig.

Zur Geschäftsbeziehung zwischen GmbH und B GmbH im Zeitraum 2011 bis 2012 wird nachstehende Sachverhaltsgestaltung festgestellt, die im Bericht vom gem § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer jeweils für 2011 – 2012 sowie Nachschau für 2013 soweit detailliert nicht enthalten ist:

- Mit Beschluss der Generalversammlung vom hat die Generalversammlung der seinerzeitigen C C GmbH, FN 456, die Umfirmierung zur B GmbH, FN 456, beschlossen. Die Umfirmierung erfolgte zeitnah zur Gründung der GmbH, FN 123, ebenso im April 2011.

Bei diesem gesellschaftsrechtlichen Vorgang wurde Herr Ing. M N, geb. , zum handelsrechtlichen Geschäftsführer bestellt. siehe dazu Protokoll der Generalversammlung vom

- Sämtliche Ermittlungsergebnisse haben bestätigt, dass die B GmbH an der offiziellen Anschrift in Straße, zu keinem Zeitpunkt ihre Geschäftstätigkeit entfaltet hat. Tatsächlich wurden sämtliche Tätigkeiten im jeweiligen Büro der GmbH (Gasse) erledigt. siehe dazu Protokoll über die Zeugeneinvernahme vom samt Beilagen

Das Beibehalten der Firmenbuchsanschrift in Salzburg kann wohl nur so erklärt werden, dass damit die tatsächlichen Verhältnisse verschleiert werden sollten, um für Dritte den Eindruck zu erwecken, die B GmbH wäre zur GmbH ein gänzlich fremdes Unternehmen und es bestünde keine Verschränkung in der Geschäftsführung.

- GmbH hat für das Ausstellen von Rechnungen (Ausgangsrechnungen der B GmbH – Rechnungsaussteller GmbH) diese „Leistung“ unter „Administrations- bzw Organisationsaufwand“ abgerechnet. Im Zuge dieser Verrechnung wurden ab dem Monat Mai 2011 (Beginn der Geschäftsbeziehungen zwischen B und Bf) anteilige Bürokosten an die B weiterverrechnet. B hat dazu keinerlei Mietaufwendungen für das Büro mit Anschrift in Salzburg in der Buchhaltung erfasst.

Die UID-Nummer der Ausgangsrechnungen von B ist nicht die der B GmbH , ATU1 (gültig von bis ), sondern ATU2, lautend auf C Personalservice GmbH, FN 789, mit Sitz in Wien.

Im Vorlageantrag vom wird dazu erstmals ausgeführt, dass auf dem neuen Briefpapier versehentlich die UID der C Personalservice GmbH anführt wurde – ein derartiges Versehen wäre nachvollziehbar, wenn es sich um die UID-Nummer der (zuvor) C C GmbH, FN 456, gehandelt hätte.

- Ing. M N war zuvor seit März 2010 als teilzeitbeschäftigter Arbeiter in Unternehmen des X Nachname beschäftigt, bei der xGmbH bis ; bestellt als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B von (Firmenwortlautänderung auf B) bis (Eröffnung des Insolvenzverfahrens), Y Nachname handelsrechtliche Geschäftsführerin der Bf vom (Gründung) bis (Gesellschafterwechsel).

- Seine tatsächliche Stellung im Geschäftsbetrieb der GmbH schilderte Ing. N im Zuge seiner Zeugenvernehmung durch die Steuerfahndung am . Im Zuge dieser Vernehmung wurde von diesem seine Beschuldigtenvernehmung vom vorgelegt und als Beilage zum Akt genommen. Aus den dort vorgelegten Unterlagen ist unter anderem ersichtlich, dass N von Y Nachname per Mail Anweisungen erhalten habe, wann welche Überweisungen seitens der B durchzuführen sind, dass Ing. N auf wirtschaftliche Belange der B keinen Einfluss gehabt habe, diese von Y Nachname und X Nachname entschieden wurden, dass sich in Salzburg keine geschäftliche Leitung befand, dass die Abwicklung der Geschäfte aus Bf-Büros aus Graz bzw Grambach erfolgt sei.

Ergänzend dazu auszugsweise Email vom , 9:13 Uhr, M N an Y Nachname, sowie Email vom , 12:01 Uhr, Y Nachname an M N, wo seitens Bf pauschale Geldbeträge auf das B-Konto überwiesen werden, um Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Finanz sowie der GKK nach zu kommen.

Weiters dazu auszugsweise Email vom , 15:25 Uhr, sowie Email vom , 11:14 Uhr, jeweils Y Nachname an M N, worin konkrete Zahlungsanweisungen seitens Bf an B für das Finanzamt getroffen wurden. siehe dazu Protokoll über die Zeugeneinvernahme vom samt Beilagen

- Der Umstand, dass Y Nachname sowie X Nachname als faktische Geschäftsführer der B GmbH aufgetreten sind, wurde auch in einem Strafverfahren wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB verfolgt und im Urteil OGH zu GZ 14 Os 72/16v bestätigt. Ebenso wurde die offensichtliche Verschränkung zwischen den Unternehmen B und Bf bestätigt sowie aus dem objektiven Täterverhalten abgeleitet, dass bereits mit der Gründung der B und der „Installierung des Ing. M N als deren Geschäftsführer“ ein entsprechender Tatplan verfolgt wurde.

Ebenso wurde festgestellt bzw bestätigt, dass zum überwiegenden Teil ohne zugrunde liegende Leistung eine Begleichung von zumindest Euro 77.500,00 von der B GmbH an die GmbH erfolgte. siehe dazu Urteil OGH 14 Os 72/16v,

Informationen betreffend der Hinterziehung eines Geschäftspartners (hier in der Nichtabfuhr der gemeldeten Umsatzsteuerzahllasten, B) gelangte in den Kenntnisbereich desjenigen Steuerpflichtigen (hier Bf), als die faktischen Geschäftsführer Y Nachname sowie X Nachname im Innenverhältnis derart auf die Geschäftsführung der B Einfluss genommen haben, indem von diesen persönlich konkrete Anweisungen hinsichtlich Geschäftsgebaren und Zahlungsplan erfolgten, sodass eine Abfuhr der Umsatzsteuer seitens B unterblieben ist und das Abgabenkonto 93 127/5887-22 einen vollstreckbaren Abgabenrückstand aufwies. In diesem Zusammenhang erging am ein Haftungsbescheid gegenüber Ing. M N, als handelsrechtlicher Geschäftsführer Haftungspflichtiger gem § 9 iVm §§ 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der B GmbH im Ausmaß von insgesamt Euro 131.199,92. Die Insolvenzquote von 0,55803% wurde angerechnet (Eröffnung Insolvenzverfahren am zu 26 S 127/12i, LG für ZRS Graz).


Tabelle in neuem Fenster öffnen
B GmbH
KZ 022
KZ 060
 
UVA Zahllast
USt
verrechnet
an Bf
 
Haftungsbescheid
M N
05/2011
47.968,45
0,00
9.593,69
9.593,69
---
06/2011
63.603,40
3.500,00
9.220,68
12.720,68
3.533,72
07/2011
91.193,60
0,00
18.238,72
18.238,72
18.238,72
08/2011
84.328,40
0,00
16.865,68
16.865,68
16.865,68
09/2011
65.482,40
0,00
13.096,48
13.096,48
13.096,48
10/2011
59.177,10
0,00
11.835,42
11.835,42
11.835,42
11/2011
45.516,36
0,00
9.103,27
9.103,27
9.103,27
12/2011
103.155,71
12.093,20
8.537,94
20.631,14
8.537,94
 
 
 
96.491,88
112.085,08
81.211,23
01/2012
3.135,00
0,00
627,00
627,00
627,00
02/2012
3.817,50
0,00
763,50
763,50
763,50
03/2012
3.251,25
372,34
277,91
650,25
277,91
 
 
 
1.668,41
2.040,75
1.668,41
Summe
2011+2012
 
98.160,29
114.125,83
82.879,64

Nach den maßgebenden Beweisregeln trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer (Bf) die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung. Da es für die Abgabenbehörde offensichtlich ist, dass Bf nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die von ihr verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einem Betrug (MWSt-Hinterziehung oder sonstiger Betrug) einbezogen sind, und daher nicht auf die Rechtmäßigkeit ihrer Umsätze vertrauen konnte/kann und daher Gefahr läuft, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren, ist nach § 12 Abs 1 Z 1 UStG bzw § 12 Abs 14 UStG idgF der geltend gemachte Vorsteuerabzug zu versagen, zumal die objektiven Voraussetzungen zur Geltendmachung des Rechts auf Vorsteuerabzug betreffend die Zeiträume 2011 und 2012 nicht gegeben sind.

Dass der Rechnungsempfänger (Bf) nicht nur wissen hätte müssen, sondern offensichtlich wusste, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachte Umsatz (B: Umsätze aus U 06/2011 – 03/2012) in eine Mehrwertsteuerhinterziehung (darunter auch fallend die zu Unrecht Geltendmachung von Vorsteuern) einbezogen war, ergibt sich in der Zusammenschau daraus, dass der Rechnungsempfänger selbst (Bf/Y Nachname in personam) unmittelbar und direkt in konkreter Absicht seinen erfolgreichen Betrag dazu geleistet hat, indem dieser durch Agieren seiner faktischen Geschäftsführer im Innenverhältnis maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nahm, sodass der Rechnungsaussteller (B) seinen Verpflichtungen hinsichtlich der wahrheitsgemäßen und richtigen Erklärung iSd § 119 BAO und Abführung der Mehrwertsteuer nicht nachgekommen ist bzw nicht nachkommen konnte. Es liegt hier kein Fall von zunächst unwissend, aber später wissend vor, sondern wissend zumindest bereits zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen und Leistungen, vorbehaltlich eines Wissens zuvor aufgrund planmäßigen und systematischen Vorgehens seit `Gründung´ der B im Frühjahr 2011 in Verschränkung zur Gründung der Bf im April 2011. In der Gesamtschau der oben dargestellten objektiven Anhaltspunkte hat sich GmbH derart rechtsmissbräuchlich bzw betrügerisch beteiligt, dass der Rechnungsempfänger (Bf) für Zwecke des Vorsteuerabzuges sich eben nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität, nicht auf den Vertrauensgrundsatz und nicht auf Unbilligkeit berufen kann, wie in der Beschwerde vom geäußert bzw im Vorlageantrag vom teilweise wiederholt.“

Der steuerliche Vertreter äußerte sich (neben ausführlicher Verweise auf die Judikatur des EuGH) dazu folgendermaßen:

Die Abgabenbehörde zeigt in keinem Punkt Ihrer Stellungnahme vom auf, dass der Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, sondern zeigt in ihrer Aufstellung in Seite 4 gerade Gegenteiliges. Dort führt die Abgabenbehörde nämlich an, dass die B GmbH ihre Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt erklärte. Der betreffende Umsatz war somit in kein Finanzvergehen der B GmbH involviert; diese Ansicht ist auch konsequent, da mit Bekanntgabe der geschuldeten Umsatzsteuerbeträge (in Form der monatlichen UVA) jegliche Strafbarkeit im Sinne des Finanzstrafgesetzes ausgeschlossen ist. Die Abgabenbehörde lässt in ihrer Stellungnahme auch dezidiert offen, welcher konkreten Verpflichtung der Rechnungsaussteller (B GmbH) nicht nachgekommen ist. (…)

Um in die Anwendbarkeit des 5 12 Abs. 14 UStG überhaupt zu gelangen, ist erforderlich, dass die Abgabenbehörde nachweist, dass der betroffene Umsatz in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Gelingt der Abgabenbehörde dieser Nachweis nicht, so darf bei Erfüllung der materiellen und formellen Voraussetzungen das Recht auf Vorsteuerabzug nicht versagt werden.“

In einer weiteren Äußerung brachte das Finanzamt ergänzend vor, dass seitens B GmbH Umsatzsteuerzahllasten zwar gemeldet, aber bewusst nicht entrichtet wurden.

Dazu legte das Finanzamt das Urteil des LG Strafsachen16.12.2015, 11 Hv 30/15w vor, in dem Frau Y Z, geschiedene Nachname der betrügerischen Krida schuldig gesprochen wurden, vor.

Die Äußerung fasst die Ansicht des Finanzamtes folgendermaßen zusammen:

„Es ist hier im Rückblick, in der Gesamtschau derart offensichtlich, dass die B mit ihren faktischen Geschäftsführern und ihrem 'vertrauten' handelsrechtlichen Geschäftsführer unter konkreter und persönlicher Anweisung der Geschäftsführung der Bf in Personenidentität und damit auf die Geschäftsführung der B maßgeblich Einfluss nehmend gerade verschleiernd vorgegangen ist mit dem Ziel (ungerechtfertigt) Vorsteuern zu lukrieren und erklärte Umsatzsteuerzahllasten nicht zu entrichten - in gleicher Höhe weil einziges Geschäft und eben genau zu einen Zweck um in weiterer Folge mit dieser Vorschaltung auch aus dieser Geschäftsabwicklungen Rechnungen mit Ausweis der Umsatzsteuer an die Bf auszustellen, was dem vorgeworfenen und nachweislichen inkriminierten Verhalten planmäßig zum gewünschten Erfolg verholf.“

Dem beigelegten Urteil des LG für LG Strafsachen Graz , 11 Hv 30/15w (bestätigt letztlich durch OLG 10 Bs 290/16x bzw. OGH 17 Os 72/16v) ist zu entnehmen, dass Frau Y Z, geschiedene Nachname als faktische Geschäftsführerin der B GmbH tätig war. Als solche hat sie, ihrem Tatplan folgend, das Vermögen der B GmbH verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger geschmälert.

Das Vermögen wurde u.a. durch Barentnahmen und Verrechnungen (an die Bf.) unter den Kosten geschmälert.

Konkret hat sie auch Anweisungen hinsichtlich der vorzunehmenden Überweisungen an die Finanz gegeben.

Diese Handlungen machten sie des Verbrechens der betrügerischen Krida schuldig.

Aktenkundig ist, dass Frau Y Z, geschiedene Nachname in den Streitjahren als unternehmensrechtliche Geschäftsführerin der Bf. tätig war.

Der steuerliche Vertreter führte dazu an, dass seitens der B GmbH keine Abgabenhinterziehung iSd FinStrG vorliegt (keine Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflichten).

Mit Hinweisen auf die Judikatur des EuGH (, Rs C-32/03, „Fini H“) und Literatur (Ruppe/Achatz, UStG 19945, Einf Tz 21/4 und Auer/Siller/Spies/Zolles, EuGH-Rsp zur Umsatzsteuer: Die Pflicht zur Bekämpfung von Betrug und rechtswidrigen Handlungen, ecolex 2018, 941f) vertritt die Bf. die Auffassung, dass auch kein Mehrwertsteuerbetrug iSd EuGH-Rechtsprechung vorliege.

Insgesamt gab es keinen auf Mehrwertsteuerbetrug gerichteter Tatplan; ein solcher hätte beinhaltet, dass die eine Seite sich Vorsteuern abzieht, die die andere Seite gerade nicht als Umsatzsteuerschuld erklärt.

„Die (in der Stellungnahme enthaltene) Tabelle zeigt aber doch, dass die gegen den Geschäftsführer N geltend gemachte Haftung einen erheblich geringeren Umsatzsteuerbetrag umfasste, als den von der B GmbH „betrügerisch“ an Bf verrechneten. Die gemeldete und abgeführte Mehrwertsteuer der B GmbH kann aber nicht Gegenstand eines Mehrwertsteuerbetrugs sein!

Schon daraus ergibt sich, dass diese Argumentation des Finanzamtes keine höhere Versagung des Vorsteuerabzugs als max. in Höhe von EUR 82.879,64 (Haftungsbetrag N) begründen kann.“

Aktenkundig hat die B GmbH folgende Beträge an Umsatzsteuer nicht abgeführt, die dem Geschäftsführer M N im Haftungsweg vorgeschrieben wurden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Betrag
6/2011
3.533,72
7/2011
18.238,72
8/2011
16.865,68
9/2011
13.096,48
10/2011
11.835,42
11/2011
9.103,27
12/2011
8.537,94
Summe
81.211,23


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Betrag
1/2012
627,00
2/2012
763,50
3/2012
277,91
Summe
1.668,41

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde zum möglichen Mehrwertsteuerbetrug der Firma B Folgendes erörtert:

Der steuerliche Vertreter bemerkt, dass Fr. Y Z Herrn N angewiesen hat, die Steuern zu bezahlen. Das Finanzamt wirft ein, dass dies ab Juli 2011 offenbar nicht mehr geschehen sein kann, da ab diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuer nicht mehr entrichtet wurde.

Das der strafrechtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Gutachten weist nach Ansicht der Bf. folgende Ungereimtheiten auf:
- Bei der Fa. B GmbH war ein Deckungsbeitrag vorhanden (siehe Berechnung in der gutachterlichen Stellungnahme der Grazer Treuhand)
- Bei den 1400 nicht verrechneten Stunden mit einem Wert von 20.000 Euro handelt es sich offenbar um einen Rechnungsfehler
- Die unterpreisig verrechneten Leistungen entsprechen dem Marktpreis, weshalb die B GmbH zwar wirtschaftlich ungeschickt, aber nicht betrügerisch gehandelt habe.

Durch die Abgabe von UVA`s könne es auch keinen "vernünftiger Tatplan" für einen Mehrwertsteuerbetrug gegeben haben.

Das Finanzamt bemerkte diesbezüglich, dass die ersten Rechnungen im Mai gestellt wurden und bereits ab Juni die USt nicht bezahlt wurde. Das lasse sich mit einem Tatplan besser erklären, als mit finanziellen Engpässen.

Die Bf. verwies darauf, dass die B GmbH nicht gegründet wurde, sondern dass eine bestehende Firma umfirmiert wurde. Eigentümer und Schulden hätten sich nicht geändert, sodass ab April 2011 "alte Schulden" beglichen wurden. Nur dieser Umstand (fehlende Liquidität) sei maßgeblich für die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer.

Auf Befragen, warum es nicht zu einer Neugründung einer Personalgestellungsfirma, sondern zum Umfirmierung der C-C GmbH gekommen ist, gibt der steuerliche Vertreter an:
- die Eigentümer der C-C GmbH wollten durch die Änderung des Geschäftszweckes "retten, was zu retten ist" und so ihre Verbindlichkeiten begleichen
- in der C-C GmbH wurde offenbar ein verwendbarer Mantel gesehen (keine Einzahlung von Stammkapital)
- der Gf Hr. N war ursprünglich ein Angestellter und hat darin seine Chance gesehen, Geschäftsführer zu werden. Er hat in Folge auch einen ausschweifenden Lebensstil gepflogen.
- Die potenziellen Wachorgane wechseln gerne zwischen den verschiedenen Sicherheitsfirmen. Daher war die Gründung einer weiteren Firma wirtschaftlich sinnvoll.
- Hr. N hatte in der Branche einen guten Ruf.

Laut Finanzamt kann es sich dabei nur um Mutmaßungen handeln, denn über das, was die Fa. IAM GmbH mit Sitz in der Schweiz erreichen wollte, könne nur Vermutungen angestellt werden.

Nicht unerwähnt ließ das Finanzamt, dass die Fa. B GmbH und die Bf. bei verschiedenen Finanzämtern veranlagt waren, und das die Bf. zumindest in den Monaten 12/2011 bis 01/2012 offenbar mit fast ausschließlich von der B GmbH zur Verfügung gestellten Personal gearbeitet hat. Während des gesamten Beschwerdezeitraumes waren 188 Personen als überlassene Arbeitskräfte betroffen.

Rechtslage

§ 293 BAO: Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.

UStG 1994 idF BGBl 34/2010 bzw. gleichlautend BGBl 112/2012:

§ 12 (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft; (…)

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Verfahrensrechtliche Einwendungen

Die Bf macht geltend, dass keine Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 zustande gekommen seien.

Begründet wird dies damit, dass die gesondert zugesandte Bescheidbegründung einen Verweis auf eine am durch das Bundesrechenzentrum ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich Umsatzsteuer 2011, 2012 enthalte, während die BVE tatsächlich erst am erging und der Beschwerde - entgegen der Begründung - zunächst rechnerisch folgte. Am erging jeweils eine Berichtigung gem. § 293 BAO dazu.

Damit sei kein klarer Bescheidwille der Behörde erkennbar. Die Begründung vom , passe zwar zum ziffernmäßigen Ergebnis der Bescheide vom , die Berichtigung resultiere jedoch nicht bloß aus einer Unrichtigkeit, die auf dem Einsatz der automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruht und sei daher nicht zulässig.

Über Bescheidbeschwerden ist grundsätzlich mit einem als Beschwerdevorentscheidung bezeichneten Bescheid abzusprechen (§ 262 BAO). Bescheide sind zu begründen.

Im Beschwerdefall ergingen jeweils am Beschwerdevorentscheidungen für das Jahr 2011 und für das Jahr 2012, derzufolge die Beschwerden abgewiesen wurden. Ebenfalls diesen BVEs zu entnehmen ist der Hinweis, dass dem Bf. eine gesonderte Bescheidbegründung zugeht.

Die gesonderte Begründung wiederum verweist auf die Beschwerdevorentscheidungen 2011 und 2012, ist datiert mit und wurde dem Bf. nachweislich am zugestellt. Sie enthält den Hinweis, „dass es bei dem automatisationsunterstützt versendeten Bescheid und der vorliegenden händisch versendeten Begründung zu unterschiedlichen Zustellungszeitpunkten kommen kann“.

Der gesonderten Begründung ist wörtlich zu entnehmen, dass „die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012, (…) als unbegründet abgewiesen“ wird.

Mit Ausnahme des Hinweises, dass die BVEs am abgefertigt wurden, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die fragliche Bescheidbegründung nicht auf die Beschwerdevorentscheidungen beziehen könnte.

Der Bescheidwille der Behörde ist in diesem Fall klar erkennbar.

Die Abgabenbehörde kann in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen (§ 293 BAO).

In den Beschwerdevorentscheidungen vom  wurden die Beträge der bisher geschuldeten und der nunmehr festgesetzten Umsatzsteuer vertauscht und so eine für die Bf. niedrigere Zahllast festgesetzt.

Eine auf den Einsatz einer automatisationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeit kann auch in der Verwendung einer falschen Kennziffer bestehen (). Dies ist im Beschwerdefall offenbar passiert (Vertauschung der der bisher geschuldeten und der nunmehr festgesetzten Umsatzsteuer).

Abgesehen davon könnten gem. § 293 BAO auch andere Fehler berichtigt werden, die auf einem offenbar einem Rechen- oder Schreibfehler ähnlichen Versehen entstanden sind.

Dass der falsch ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag einer inhaltlich anderen Würdigung des Finanzamtes entspringen könnte, ist dabei ausgeschlossen und wurde von der Bf. auch nicht behauptet.

Eine Berichtigung gem. § 293 BAO ist demnach zulässig.

Im Beschwerdefall ist daher eine Beschwerdevorentscheidung ergangen weshalb der Vorlageantrag zu Recht gestellt wurde. Das BFG hat daher über die Beschwerde abzusprechen.

Allgemeines zum Vorsteuerabzug

Abzugsfähig ist grundsätzlich die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt worden sind.

Nach der Rechtsprechung des EuGH tritt zu diesen objektiven Merkmalen noch ein weiteres objektives Merkmal hinzu, nämlich die Freiheit von Mehrwertsteuerbetrug:

Steht aufgrund objektiver Umstände fest, dass die Leistung an einen Steuerpflichtigen erbracht wird, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, so ist diesem Steuerpflichtigen der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu verweigern ( Kittel“).

Im Fall von Betrug oder Missbrauch sind nämlich die objektiven Voraussetzungen zur Geltendmachung des Rechts nicht gegeben. Die Versagung des Rechts hat als schlichte Rechtsfolge nicht den Charakter einer Strafe (ausdrücklich „Italmoda“, Rn 61).

Der EuGH stützt seine Rechtsprechung auf den allgemeinen Grundsatz, dass sich niemand rechtsmissbräuchlich oder betrügerisch auf im Rechtssystem der Union vorgesehene Rechte berufen darf ( „Italmoda“).

Wenn der Unternehmer umgekehrt keine Kenntnis vom Mehrwertsteuerbetrug hatte bzw. haben musste, ist ihm das Recht auf Vorsteuerabzug aus Gründen des Gutglaubensschutzes zu gewähren.

Das Recht auf Vorsteuerabzug steht unionsrechtlich dem Wirtschaftsteilnehmer dann zu, wenn er alle Maßnahmen trifft, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen sind (s. auch , „Optigen“).

Unerheblich ist, auf welcher Umsatzstufe die Mehrwertsteuerhinterziehung erfolgte. Die Versagung des Vorsteuerabzuges tritt auch dann ein, wenn nicht der direkte Lieferant, sondern ein Vorlieferant den Umsatzsteuerbetrug begangen hat ( ; , Ra 2014/13/0023). Die Rechtsfolge bezieht sich nämlich nicht nur auf jenen Steuerpflichtigen, der die Steuerhinterziehung begeht, sondern auf Umsätze, die in eine Steuerhinterziehung einbezogen sind ( „Litdana UAB“).

Ob der Abnehmer vom Mehrwertsteuerbetrug wusste oder wissen musste, ist eine Tatfrage, die die Abgabenbehörde in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat.

Das Wissen der zur Vertretung Berechtigten und auch der faktischen Vertretung der Körperschaft zuzurechnen (Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 UStG, Rz 95).

Mehrwertsteuerbetrug der Firma B GmbH

Grundsätzlich ist es Sache der Steuerbehörde, anhand objektiver Umstände nachzuweisen, dass der Bf. wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz in eine vom Rechnungsaussteller auf einer vorherigen Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (Ruppe/Achatz, Einf Tz 21/5 unter Verweis auf , „Mahagében Kft“, „Gobor Tóth“, „Bonik EOOD“, , C-642/11, „Stroy trans“).

Nachzuweisen ist damit im Beschwerdefall einerseits, dass die B GmbH einen Mehrwertsteuerbetrug begangen hat und andererseits, dass die Bf. davon wusste bzw. wissen musste.

Für die Beurteilung des Mehrwertsteuerbetruges ist kein finanzstrafrechtlich relevantes vorsätzliches Handeln seitens des Vorlieferanten Voraussetzung ( mwN).

Nach Auffassung des , „Giuseppe Astone“ Rz 55 liegt dann, wenn der Steuerpflichtige seinen formellen Pflichten vorsätzlich nicht nachkommt, um der Entrichtung der Steuer zu entgehen, der einfachste Fall der Steuerhinterziehung vor.

Anders ausgedrückt liegt in der planvollen Nichtabfuhr der Umsatzsteuer der Mehrwertsteuerbetrug, der die Konsequenz der Nicht-Abzugsfähigkeit nach sich zieht.

Im Beschwerdefall wurde Frau Y Z, geschiedene Nachname, neben ihrem ehemaligen Ehegatten und dem Geschäftsführer Patrick N durch das Landesgericht für Strafsachen Graz , 11 Hv 30/15w rechtskräftig (vgl OLG 10 Bs 290/16x bzw. OGH 17 Os 72/16v) der betrügerischen Krida für schuldig befunden. Das Vermögen der B GmbH soll durch rechtsgrundlose Zahlungen, fehlende bzw. unterpreisige Inrechnungstellung von Leistungen sowie Barentnahmen geschmälert worden sein.

Zur Verkürzung von Umsatzsteuer werden im Urteil mit Ausnahme der Nennung des Finanzamtes Salzburg Stadt als Gläubiger keine Feststellungen getroffen.

Das Finanzamt kam der Aufforderung, den Mehrwertsteuerbetrug der B GmbH anhand objektiver Umstände nachzuweisen, in zwei Stellungnahmen nach und führte darin Folgendes an:

- die B GmbH wurde in Graz und nicht in Salzburg tätig und hat auch keinen mietaufwand in Salzburg verbucht
- die in den Rechnungen angeführte UID lautet auf die Firma C Personalservice in Wien
- der Gf M N war zuvor bei der Bf. beschäftigt
- Frau Y Z bzw. Herr X Nachname hatten in der Firma das Sagen (dafür wurde das Urteil des LG Strafsachen als Beweis genannt)
- die Bf. musste deshalb auch vom Betrug wissen, weil Frau Z auch Gf. der Bf. war.

In einer weiteren Äußerung erklärte das Finanzamt, dass der Steuerausfall nachgewiesen sei. Die Bf. habe sich die Vorsteuern im Bewusstsein abgezogen, dass die gemeldeten Umsatzsteuerzahllasten nicht entrichtet werden.

Dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug steht nach der Rechtsprechung des EuGH zunächst entgegen, dass die Umsätze, die dieses Recht begründen, eine missbräuchliche Praxis darstellen (, "Halifax").

Die weiteren vom EuGH entschiedenen Fälle von Mehrwertsteuerbetrug betrafen einerseits den Karusselbetrug ( und C-440/04, "Kittel und Recolta Recycling"; , C-355/03 und C-484/03, "Optigen") und andererseits falsche Meldungen an das Finanzamt (, "Schoenimport Italmoda").

Schließlich sieht es der EuGH auch als Mehrwertsteuerbetrug an, wenn der Steuerpflichtige seinen formellen Pflichten vorsätzlich nicht nachkommt, um der Entrichtung der Steuer zu entgehen (, "Giuseppe Astone").

Aus dieser Rechtsprechung lässt sich ableiten, dass ein Mehrwertsteuerbetrug iSd EuGH-Rechtsprechung voraussetzt, dass das Verhalten des Unternehmers darauf gerichtet sein muss, Umsatzsteuer nicht abzuführen.

Soweit der Unternehmer wegen anderer Gründe, finanzieller (fehlende Liquidität) oder faktischer (zB Erkrankung, EDV-Ausfall etc) Art, die Umsatzsteuer nicht entrichtet, liegt kein Mehrwertsteuerbetrug iSd Rechtsprechung vor.

Die vom Finanzamt aufgezeigten Ungereimtheiten stellen dabei keine objektiven Umstände dar, die geeignet sind nachzuweisen, dass eine vom Rechnungsaussteller auf einer vorherigen Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung vorliegt.

Da kein für die Versagung des Vorsteuerabzuges relevanter Mehrwertsteuerbetrug vorliegt, kann der Bf. über die Tätigkeit von Frau Y Z auch kein Wissen davon zugerechnet werden.

Da die Leistungen tatsächlich erbracht wurden, steht der Bf. der Vorsteuerabzug zu. Die Bescheide sind im Sinne der Erstbescheide abzuändern.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war zu überprüfen, ob ein Mehrwertsteuerbetrug vorliegt. Das ist keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.2101826.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
DAAAC-19496