Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.09.2018, RV/4100052/2012

Anspruchsvoraussetzungen für das große Pendlerpauschale

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf, Adr.1, über die Beschwerden vom (E-2010) und vom (E-2011, innerhalb verlängerter Berufungsfrist) gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Spittal Villach, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2010 (datiert mit ) und für das Jahr 2011 (datiert mit ) zu Recht erkannt:

Den Beschwerden betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2010 und 2011 wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern je Veranlagungsjahr zu entnehmen und diese bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Übergang der Zuständigkeit vom UFS auf das BFG:

Eingangs wird darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG mit der Unabhängige Finanzsenat (UFS) aufgelöst wurde. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Bundesfinanzgericht (BFG) über.

Somit sind die streitgegenständlich beim UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz am bereits anhängig gewesenen Berufungen nach § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO) vom BFG als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Aus diesem Grunde wird auch im nachfolgenden Entscheidungstext bereits die der neuen Rechtslage entsprechende Terminologie verwendet.

II. Verfahrensgang / Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (Bf) bezog in den Kalenderjahren 2010 und 2011 auf Grund seiner Angestelltentätigkeit als Revisionsassistent bei einer Steuerberatungsgesellschaft im Streitzeitraum vom bis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Rahmen seiner für die Streitjahre elektronisch eingereichten Arbeitnehmerveranlagungserklärungen machte der Bf ua. unter dem Titel Werbungskosten je die Berücksichtigung des sogenannten „großen“ Pendlerpauschales (KZ 718 - Kj 2010: € 3.372,00 und Kj. 2011: € 2.907,00) für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (für das angeführte Dienstverhältnis), wobei die einfache Fahrtstrecke über 60 km betrug, geltend.

Auf ein Ersuchen des Finanzamtes (Vorhalt vom ) zwecks Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen auf das beantragte „große“ Pendlerpauschale für das Jahr 2010 übermittelte der Bf am nachfolgende Stellungnahme:
„ …
1) Für welche Wegstrecke wird das Pendlerpauschale beantragt?

Das Pendlerpauschale wurde für die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beantragt. Die Wegstrecke wurde im Kalenderjahr 2010 zum Teil von Straßenbez.1 11, Ort1 und zum Teil von Straßenbez.2 22, Ort2 aus angetreten. Meine Arbeitsstätte befand sich während des gesamten Kalenderjahres 2010 in der Straßenbez.3 33, Ort3.

2) Wurden die Fahrten täglich und mit dem eigenen PKW durchgeführt?

Ja, die Fahrten wurden täglich (an Arbeitstagen) mit dem eigenen PKW durchgeführt (Nichtverfügbarkeit eines Firmenautos).

3) Wie viele Kilometer beträgt die einfache Wegstrecke?

Die einfache Wegstrecke zwischen Straßenbez.1 11, Ort1 und Arbeitsort beträgt 92,9 km und nimmt mit dem PKW rund 55 Minuten in Anspruch.
Die einfache Wegstrecke zwischen Straßenbez.2 22, Ort2 und Arbeitsort beträgt 82,6 km und nimmt mit dem PKW rund 50 Minuten in Anspruch.
Die Benützung eines Massenbeförderungsmittels (öffentliches Verkehrsmittel) ist wegen langer Anfahrtszeit nicht zumutbar.

4) Eine Bestätigung des Arbeitgebers über die Nichtverfügbarkeit eines Firmenautos bzw. Firmenbusses ist nachzureichen!

Siehe Beilage

Ich hoffe Ihnen hiermit die gewünschten Informationen und Ergänzungen zur AN-Veranlagung 2010 erteilt zu haben. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!“

Aus der vom Bf als Beilage angefügten Bestätigung seines Arbeitgebers vom geht hervor, dass dem Bf in der Zeit vom bis zum Ende seines Dienstverhältnisses am kein Firmenwagen zur Verfügung gestellt worden sei.

Abweichend von den eingangs angeführten Werbungskostenbegehren anerkannte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2010 vom einen Betrag von € 1.857,00 und im Einkommensteuerbescheid 2011 vom einen Betrag von € 1.596,00 in Form des „kleinen“ Pendlerpauschales.
In den diesbezüglich gleichlautenden Begründungen wurde sinngemäß ausgeführt, das dem Bf auf der überwiegenden Fahrtstrecke Wohnung - Arbeitsstätte die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels möglich und zumutbar gewesen sei und daher nur das „kleine“ Pendlerpauschale ab 60 km habe berücksichtigt werden können.

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt am eingelangt, erhob der Bf gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 Beschwerde und führte darin Folgendes aus:
„… Mit dem angefochtenen Bescheid wurde mir für das Kalenderjahr 2010 nur das kleine Pendlerpauschale zuerkannt, mit der Begründung, „dass auf der überwiegenden Fahrtstrecke Wohnung - Arbeitsstätte die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels möglich und zumutbar ist.”
Theoretisch ist die Benützung bzw. die Kombination von Massenverkehrsmitteln, um von der Wohnung zur Arbeitsstätte und retour zu gelangen, zwar möglich (Postbus, Bahn, Stadtbus), jedoch faktisch nicht durchführbar, da es einerseits nicht möglich ist die Arbeitsstätte pünktlich zum Arbeitsbeginn zu erreichen und andererseits die in den LStR definierte zumutbare einfache Wegzeit bei der Rückfahrt von der Arbeitsstätte zur Wohnung in der Regel überschritten wird.
Die Benützung bzw. Kombination folgender öffentlicher Verkehrsmittel ist notwendig, um die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu absolvieren:
- Postbus von Ort21 bzw. Ort11 nach Ort4
- Bahn von Ort4 nach Klagenfurt Hauptbahnhof
- Stadtbus Linie 80 oder 81 von Klagenfurt Hauptbahnhof nach Klagenfurt Heiligengeistplatz
- Stadtbus Linie 30 von Klagenfurt Heiligengeistplatz nach Klagenfurt Straßenbez.4
Zusätzlich fallen für den Weg von der Wohnung zur Bushaltestelle in Ort21 und von der
Bushaltestelle zur Arbeitsstätte in Klagenfurt jeweils rund 5 Minuten Gehzeit an.“

Mit Beschwerdevorentscheidung (vormals Berufungsvorentscheidung) vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 mit nachfolgender Begründung ab:
Da durch die Benützung des eig. PKW für die Strecke Wohnung – Bahnhof die Wegzeiten unter dem für das große Pendlerpauschale maßgebenden Fahrtdauer bleibt, kann - wie bereits im Erstbescheid - nur das kleine Pendlerpauschale berücksichtigt werden. Ihre Berufung war daher abzuweisen.“

Mit Eingabe vom wurde seitens des Bf form- und fristgerecht ein Vorlageantrag gestellt und den Feststellungen sowie getroffenen rechtlichen Schlussfolgerungen des Finanzamtes als Ergänzung zum bisherigen Beschwerdevorbringen Folgendes entgegnet:
„ … Auch bei der Benutzung des eigenen PKW für die Strecke zwischen Wohnung und Bahnhof Ort4 (und retour), würde sich bei der Rückfahrt vom Arbeitsort zum Wohnort eine Gesamtreisezeit von über 2,5 Stunden ergeben (Arbeitsende 17:00 Uhr – Eintreffen in der Wohnung ca. 19:45 Uhr).
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benutzung von Massenbeförderungsmittel ist weiter zu berücksichtigen, dass aufgrund regelmäßig geleisteter Überstunden das tatsächliche Arbeitsende schwer eingeschätzt werden kann und nach hinten flexibel ist, was eine Abstimmung auf Bus- und Zugfahrplänen äußerst schwierig gestaltet. Auch bei optimaler Abstimmung der Arbeitszeit an die Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel würde die minimale Fahrzeit rund 2 Stunden betragen. …“

Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht vom die Beschwerde gegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 dem Bundesfinanzgericht (vormals Unabhängiger Finanzsenat) zur Entscheidung vor und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde laut Beschwerdevorentscheidung.
Ergänzend führte das Finanzamt im Vorlagebericht sinngemäß aus, dass der Bf im Jahr 2010 in Ort31 gearbeitet habe. Der Wohnsitz des Bf habe sich in Ort11 befunden. Die tägliche Arbeitszeit des Bf habe um 08:00 Uhr begonnen und habe um 17:00 Uhr geendet.
Laut ÖBB-Fahrplanabfrage für den hätte die Wegzeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Ort11 Straßenbez.1 nach Ort31 in der Früh 2 Stunden und 5 Minuten (inkl. Fußweg von der Wohnung bis zur Arbeitsstätte sowie Wartezeiten beim Umsteigen) betragen.
Die Fahrzeit von der Arbeitsstätte nach Ort11 hätte bei Verwendung eines PKW für die Strecke Ort11 Hauptplatz bis zu Wohnung (d.s. 2,27 km bzw. 3 Minuten) insgesamt 2 Stunden 23 Minuten betragen.
Von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln sei auszugehen, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt oder nicht zur erforderlichen Zeit verkehre. Bei der Beurteilung des Anspruchs auf das Pendlerpauschale sei auf eine optimale Kombination zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehrsmittel abzustellen.
Die Verwendung eines Massenverkehrsmittels sei unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mehr als 2,5 Stunden betragen würde. Von einer Unzumutbarkeit der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel sei ferner auszugehen, wenn sowohl die mit dem Massenverkehrsmittel aufzuwendende Wegzeit mehr als 90 Minuten als auch mehr als die dreifache Zeit mit dem KFZ betragen würde.
Da im gegenständlichen Beschwerdefall bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels weder eine Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten worden sei, noch die Wegzeit mit dem Massenverkehrsmittel mehr als das 3fache der Fahrzeit mit dem PKW (3 x 50 Min. = 150 Min Wegzeit PKW, Wegzeit mit Massenverkehrsmittel 143 Min.) betragen habe, werde beantragt die Beschwerde abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit dem zuständigen Richter, erläuterte der Bf mit Eingabe vom sein bisheriges Beschwerdevorbringen bezüglich der „Unzumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln“ unter gleichzeitiger Vorlage von ergänzenden neuen Beweisunterlagen (ua. Auszug Dienstvertrag, Gleitzeitregelung, Ergänzung zur Gleitzeitregelung, Überstundenberichte, Detailaufstellungen über tägliche Arbeits- und Fahrzeiten mit Beurteilung des Anspruches auf das große Pendlerpauschale pro Lohnzahlungszeitraum [Anmerkung: Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmittel länger als 3fache Fahrtzeit mit PKW]). Im Schriftsatz vom führt der Bf Folgendes aus:
„Wie bereits telefonisch besprochen übermittle ich Ihnen anbei weitere Unterlagen zum Nachweis der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Bereits in meiner Berufung vom habe ich angeführt, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benutzung von Massenbeförderungsmitteln meines Erachtens auch die unregelmäßigen Arbeitszeiten (regelmäßig zu leistete Überstunden) berücksichtigt werden müssen.
Ich erlaube mir, die beiliegenden Unterlagen folgend zu erläutern:
Ad. Dienstvertrag:
Von bis war ich als Berufsanwärter vorwiegend im Bereich Wirtschaftsprüfung bei Firmenbez. in Ort31 eingestellt. Diese Tätigkeit im Bereich der Wirtschaftsprüfung brachte unregelmäßige Arbeitszeiten mit sich, mit einer hohen Zahl zu leistender Überstunden. Dies geht auch aus den beiliegenden Überstundenberichten hervor. In meinem Fall wurden die Mehr- und Überstunden in den Monaten Jänner bis August aufgebaut und im September in geballter Form abgebaut.
Ad. Gleitzeitregelung:
Die Gleitzeitregelung gestaltete sich in der Praxis, wie oben erwähnt so, dass in den - für die Wirtschaftsprüfung typischen auslastungsstarken Monaten Jänner bis Mai/Juni Überstundenguthaben in hohem Maße aufgebaut wurden und in den auslastungsschwächeren Sommermonaten die aufgebauten Stundenguthaben in geballter Form wieder abgebaut wurden. Obwohl es sich theoretisch um eine Gleitzeitregelung handelt, hat der einzelne Mitarbeiter insbesondere in den auslastungsstarken Monaten, de facto keinen Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitszeiten (weder auf Arbeitsbeginn noch auf Arbeitsende). Das Argument aus den LStR Rz 257 (Optimale Abstimmung der Arbeitszeit auf die Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel) kann hier meines Erachtens keinesfalls Geltung finden. Die zu leistenden Stunden richten sich ausschließlich nach dem Bedarf des Arbeitgebers.
Ad. Überstundenberichte:
Wie bereits erwähnt, richteten sich die Arbeitszeiten insbesondere in den auslastungsstarken Monaten ausschließlich nach dem Bedarf des Arbeitgebers. Die geleisteten Überstunden wurden vom einzelnen Mitarbeiter laufend aufgezeichnet und im jeweiligen Folgemonat dem Vorgesetzten zur Genehmigung vorgelegt. Mit Unterzeichnung der Überstundenaufstellung durch den Vorgesetzten wurden die Überstunden genehmigt und sind somit als angeordnet anzusehen. Ein willkürliches Leisten von "unnötigen" Überstunden, z.B. zum "Auffüllen" der Arbeitszeit bis zur Abfahrt des nächsten öffentlichen Verkehrsmittels war nicht möglich, da - wie in der Branche üblich - sämtliche geleisteten Stunden entweder Klienten weiterverrechnet wurden oder auf "intern" (nicht verrechenbar) gebucht werden mussten, beides wurde laufend von der Geschäftsführung gemonitored und gegebenenfalls beanstandet (hohe Anzahl an verrechneten Stunden bedeutet unter Umständen einen niedrigen Deckungsbeitrag für das Mandat, hohe Anzahl an nicht verrechneten Stunden bedeutet schlechte Auslastung des jeweiligen Mitarbeiters).
Um den mangelnden Einfluss des einzelnen Mitarbeiters auf Arbeitsbeginn- und -endzeiten zu verdeutlichen, möchte ich noch Folgendes hinzufügen: Die Tätigkeit im Bereich der Wirtschaftsprüfung bringt mit sich, dass man viel Zeit direkt vor Ort bei den Klienten verbringt (ca. 70 - 80 % der Arbeitszeit). Dies in der Regel nicht als einzelner Mitarbeiter, sondern in einem Prüfungsteam von in der Regel 2 - 5 Personen. Aus ökonomischen Gründen war es vom Arbeitgeber verständlicherweise gewünscht, dass das Prüfungsteam gemeinsam vom Büro zum Klienten und wieder retour fährt, in der Regel mit dem Privat PKW eines Mitarbeiters. Das bedeutet aber auch, dass bei der "Gestaltung der Arbeitszeiten" zwangsläufig mehrere Interessen kollidierten (Bedarf des Arbeitgebers, Termine einzuhalten; "Öffnungszeiten" beim Klienten; Fahrpläne von öffentlichen Verkehrsmittel, mehrerer Mitglieder des Prüfungsteams).
Ad. Detailaufstellung Arbeits- und Fahrtzeiten:
Aufstellung mit den tatsächlichen Arbeitsbeginn- und -endzeiten und den sich daraus ergebenden Überstunden pro Arbeitstag. Die Überstunden sind wiederum abstimmbar mit den beiliegenden, vom Sachvorgesetzten unterzeichneten Überstundenaufstellungen. Mit der Unterschrift des Vorgesetzten gelten die geleisteten Überstunden als genehmigt und damit als angeordnet. Ausgehend von der tatsächlichen Arbeitsendzeit wurde auf Basis der zur Verfügung stehenden Fahrpläne von Stadtwerke Ort31, ÖBB Postbus und ÖBB (htttp://efa.vor.at/stw/; http://fahrplan.oebb.at ) die sich ergebende einfache Wegzeit von Ort31, Straßenbez.3 33 (Arbeitsplatz) nach Ort21, Straßenbez.2 (Wohnung) berechnet.
Folgendes wurde dabei unterstellt:
- Weg vom Büro zur Bushaltestelle Ort31 Straßenbez.4 5 min
- Es wurde jeweils der nächste zur erreichende Bus (Arbeitszeit + 5 min) genommen
- Park and Ride, d.h. Einsatz von Kfz zwischen Ort4 und Ort21
- Wegzeit von Ankunft Ort41 Bahnhof bis Wohnung in Ort21 = 15 min
- Wegzeit wurde berechnet als Differenz zwischen Arbeitszeitende und Ankunft Wohnung in Ort21
- Als einfache Wegzeit von Ort31 nach Ort21 mit dem PKW wurde 45 min angenommen, dementsprechend die dreifache Wegzeit mit dem PKW 2 Stunden 15 min. Aus eigener Erfahrung variierte die Fahrtzeit mit dem PKW zwischen 43 min und 48 min - der Mittelwert wurde für die Berechnung herangezogen.
- Großes Pendlerpauschale steht zu bei einfacher Wegzeit über 2,5 Stunden oder einfache Wegzeit über dreifacher Fahrtzeit mit PKW (gemäß LStR Rz 255)
Ad. Beurteilung Anspruch Pendlerpauschale pro Lohnzahlungszeitraum:
In Anlehnung an LStR Rz 250 wurde bei der Beurteilung, ob überhaupt ein Pendlerpauschale zusteht und ob das große oder das kleine Pendlerpauschale zusteht, vom Überwiegen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum ausgegangen. Das bedeutet die Anzahl der Fahrten zwischen Wohnung (W) und Arbeitsstätte (A) in einem Monat muss größer sein als die Anzahl der Arbeitstage geteilt durch zwei, damit das Pendlerpauschale zusteht. Feiertage (F), Urlaubstage (U) und Zeitausgleichstage (ZA) wurden wie in den LStR Rz 250 berücksichtigt. Für die Beurteilung, ob das große Pendlerpauschale zusteht, wurde dementsprechend vorgegangen, d.h. Anzahl der Fahrten mit unzumutbar langer Wegzeit muss größer sein als die Anzahl der Fahrten mit zumutbar langer Wegzeit.
Anmerkungen zum Begriff der Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrtszeit:
Für die Beurteilung der Unzumutbarkeit iZm der Wegzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte möchte ich auf die Entscheidung des UFS Wien vom verweisen (RV/2242-W/12). In dieser Entscheidung wurde dem Bw das "große" Pendlerpauschale für eine Entfernung von über 60 km zuerkannt, da die Gesamtwegzeit von über 2 Stunden (in eine Richtung) bzw. über 4 Stunden (in beide Richtungen) als jedenfalls unzumutbar im Sinne von § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angesehen wurde. In der besagten Entscheidung wird unter anderem angemerkt, dass auch andere (neuere) Entscheidungen von einer generellen Zumutbarkeitsobergrenze hinsichtlich der Gesamttagesarbeitszeitswegzeit bereits von mehr als drei Stunden (Hin- und Rückfahrt) ausgehen (etwa -G/08; ; -5/10; ; ). Soweit in anderen Entscheidungen (etwa -l/08; -l/10; -G/10) auf die Verwaltungspraxis Bezug genommen wurde, stellte sich dort die Frage auf Grund einer tatsächlich unter 3 Stunden gelegenen Gesamtwegzeit nicht.
Ein Teil der Literatur sieht eine Einzelwegzeit von etwa zwei Stunden (in eine Richtung) "allgemein als unzumutbar" an (Doralt, EStG13, § 16 Tz. 107).
Der UFS ist in seiner Entscheidung wohl auf die Ansicht in den LStR eingegangen, hat aber gleichzeitig angemerkt, dass dieser an die Ansicht der LStR nicht gebunden sei. In der erwähnten Entscheidung wird weiter ausgeführt, dass sich die Interpretation eines unbestimmten Gesetzesbegriffes nicht auf die Lösung einer Rechenaufgabe (Zeitstaffeln oder mathematische Gleichungen) beschränken kann, sondern versuchen muss, den Intentionen des Gesetzgebers möglichst gerecht zu werden. Wollte der Gesetzgeber die Zuerkennung des "großen" Pendlerpauschales von einer mathematischen Gleichung abhängig machen, hätte er dies ausdrücklich normiert.
Weiters wird in der Entscheidung des angemerkt, dass schon bei einer Normalarbeitszeit von 8 Stunden am Tag unter Einschluss (bloß) der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestpause von einer halben Stunde ein Arbeitnehmer nach der Verwaltungspraxis länger als 13 Stunden am Tag (2,5 Stunden+ 8,5 Stunden + 2,5 Stunden) auf Grund seiner Arbeit von zu Hause weg sein kann, ohne dass dies unzumutbar sein soll. Bei erweiterter Normalarbeitszeit, bei längeren Pausen, bei Vor- und Nachläufen wären nach der Verwaltungspraxis noch längere Abwesenheitszeiten zumutbar. Auch dies kann - nach Ansicht des UFS - nicht im Sinn des Gesetzes sein.
Sollten Sie für Ihre Entscheidung noch weitere Informationen, Unterlagen oder Auskünfte benötigen, stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.“

Mit hg. Schreiben vom wurden vom BFG dem Finanzamt die vom Bf im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ergänzend vorgetragen Beschwerdeargumente laut Eingabe vom samt vorgelegten Beweisunterlagen mit dem Ersuchen um Gegenäußerung übermittelt. Von Seiten der belangten Behörde wurde mit Eingabe vom nachfolgende Stellungnahme abgegeben:
„Zum neuerlichen Sachvorbringen des Berufungswerbers wird, wie folgt, Stellung genommen:
Das Finanzamt ist der Ansicht, dass das große Pendlerpauschale im gegenständlichen Fall nicht zusteht, weil der Berufungswerber im Berufungszeitraum im Rahmen einer gleitenden Arbeitszeit tätig war und daher davon auszugehen ist, dass er seine Arbeitszeit optimal an die öffentlichen Verkehrsmittel anpassen konnte. Die Tatsache, dass die von ihm geleisteten Überstunden im Nachhinein genehmigt wurden, lässt nicht den Schluss zu, dass der Berufungswerber die geleisteten Arbeiten auch zwingend in der von ihm aufgezeichneten Arbeitszeit zu erbringen hatte.
Zu der vom Berufungswerber übermittelten Detailaufstellung von Arbeits- und Fahrtzeiten, sowie der darin vorgenommenen Würdigung betreffend das Zustehen des großen Pendlerpauschale ist außerdem Folgendes zu entgegnen:
Im Unterschied zur Eingabe vom gibt der Berufungswerber nunmehr als Ausgangspunkt der Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte nicht mehr alternierend Ort11 und Ort21 an, sondern nur mehr Ort21. Die Wegzeit mit dem KFZ für die Strecke Ort21 - Ort31 wird im Unterschied zur Eingabe des Jahres 2011 mit 45 Minuten angegeben, in der damaligen Eingabe wird die Wegzeit für die Strecke Ort21 - Ort31 noch mit 50 Minuten bemessen.
Das Finanzamt bezweifelt das Zutreffen einer Fahrtzeit von 45 Minuten, zumal die Berechnung der Wegzeit für die Strecke Ort21 - Ort31 mit dem Routenplaner www.viamichelin.at 50 Minuten ergibt und lt. Öamtc-Routenplaner sogar eine Wegzeit von 55 Minuten veranschlagt wird.
Nach Ansicht des Finanzamtes wäre daher für die Entfernung Ort21 – Ort31 jedenfalls eine Wegzeit mit dem KFZ von 50 Minuten heranzuziehen.
Eine Änderung der vom Berufungswerber übermittelten Arbeits- und Fahrtzeitenaufstellung hinsichtlich der Wegzeit mit dem KFZ für die Strecke Ort21 - Ort31 von 45 auf 50 Minuten ergibt, unabhängig von der Möglichkeit, die Arbeitszeit an die öffentlichen Verkehrsmittel anzupassen, dass das große Pendlerpauschale für die überwiegenden Monate (siehe händisch korrigierte Detailaufstellung) schon deswegen nicht zusteht, weil die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr als drei Mal so lang dauert, als die Fahrzeit mit dem KFZ.
Da der Berufungswerber die Möglichkeit hatte, seine Arbeitszeit optimal an die öffentlichen Verkehrsmittel anzupassen, wird der Antrag auf Abweisung der Berufung aufrechterhalten.“

Zur Stellungnahme des Finanzamtes erhob der Bf in seiner Replik vom folgende Einwendungen:
„… Gleitende Arbeitszeit:
Wie bereits in meinem Schreiben an Sie vom unter den Punkten "Gleitzeitregelung" und "Überstundenberichte" erläutert, handelte es sich bei der Arbeitszeitregelung zwar theoretisch um eine Gleitzeitregelung. Maßgeblich für die Beurteilung können, mE jedoch nur die tatsächlichen Verhältnisse sein. Es war aus den im Schreiben vom 25. März erwähnten Gründen tatsächlich überwiegend trotzdem nicht möglich, die Arbeitszeit optimal an die öffentlichen Verkehrsmittel anzupassen (gemeinsame An- und Abreise des Prüfungsteams ausgehend vom Büro in Klagenfurt zum/vom Klienten). Um diese Tatsache zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen zur Kenntnis bringen, dass z.B. im Jänner und Februar 2010 der überwiegende Teil der Arbeitstage bei diversen Klienten im Bezirk XX - mit täglich gemeinsamer An- und Abreise des Prüfungsteams – geleistet wurden. Im März und April 2010 war ich zusammen mit einem Prüfungsteam (wiederum täglich gemeinsame An- und Abreise) überwiegend bei diversen Klienten im Bezirk ZZ tätig. Bei denselben Klienten in den Bezirken XX und ZZ wurde auch die überwiegende Anzahl der Arbeitstage im November und Dezember verbracht. In Summe war ich in den Jahren 2010 und 2011 an rund 70% der Arbeitstage vor Ort bei Klienten tätig. Ein ähnliches Verhältnis zwischen "Bürotagen" und "Kliententagen" kann ich aus meinen Arbeitszeitaufzeichnungen von 2006 bis 2009, damals war ich für Firmenbez. in Ort5 tätig, ersehen. Dieser Umstand ist also für Mitarbeiter in der Wirtschaftsprüfung durchaus üblich.
Außerdem war es aus terminlichen Gründen (fixe Terminvorgaben für Prüfberichte/Abschluss der Prüfungshandlungen) überwiegend nicht möglich, frei über die Arbeitszeit (Beginn- und Endzeiten) zu verfügen. Daher ist davon auszugehen, dass die tatsächlich geleisteten Stunden überwiegend genau in dem aufgezeichneten Ausmaß geleistet werden mussten und generell wenig Möglichkeit zur freien Gestaltung der Arbeitszeit gegeben war.
Der Umstand, dass die Überstunden erst im Nachhinein genehmigt wurden, basiert auf rein praktischen Überlegungen. Wie wäre es organisatorisch machbar, dass die Geschäftsführung täglich rund 20 Mitarbeitern (in Prüfungsteams verteilt auf diverse Klientenstandorte) die zu leistenden Überstunden schriftlich anordnet?
Detailaufstellung - Ausgangspunkt der Fahrten:
Im fraglichen Kalenderjahr war mein Hauptwohnsitz noch bei meinen Eltern gemeldet, tatsächlich war an der überwiegenden Anzahl der Arbeitstage der Nebenwohnsitz in Ort21 Ausgangspunkt der Fahrten zur Arbeitsstätte. Daher bin ich in meiner
Detailaufstellung vereinfachend ausschließlich von Fahrten zwischen Ort21 und Ort31 ausgegangen (Überwiegensgrundsatz).
Detailaufstellung - Wegzeit:
In meinem Schreiben an das Finanzamt Spittal Villach vom habe ich als einfache Wegzeit "ca. 50 min" angegeben. Diese Angabe war als grober Richtwert gemeint und offensichtlich von einem Routenplaner im Internet entnommen. Der Aussage des Finanzamtes über die einfache Wegzeit von Ort21 nach Ort31 von 50 bzw. 55 min halte ich entgegen, dass es auch Routenplaner gibt (google.maps, www.arboe.at). die die Wegzeit z.B. mit 48 min veranschlagen.
Diese Wegzeiten können mE aber nur als grobe Richtwerte gelten. Maßgebend sind auch in diesem Punkt die tatsächlichen Verhältnisse. Mir sind die genauen Parameter (Durchschnittsgeschwindigkeit), mit welchen die Wegzeiten berechnet werden nicht bekannt, ich kann aus meiner langjährigen Pendelerfahrung (Ort11 - München, Ort11 - Wien, Ort21 - Klagenfurt) jedoch mit Sicherheit behaupten, dass z.B. die von google.maps vorgeschlagenen Wegzeiten in aller Regel um rund 10% unterschritten werden. Daher entspricht eine Fahrtzeit von Ort21 nach Ort31 von durchschnittlich 45 min (aus meiner Erfahrung zwischen 43 und 48 min) den tatsächlichen Verhältnissen.
Grundsätzliches:
Man kann über oben genannte Details zur Ermittlung der Wegzeit etc. sicher ausführlich diskutieren und wird zwangsläufig zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, letztendlich bleibt aber zu beurteilen, ob bei einer täglichen Arbeitszeit von durchschnittlich rund 8 Stunden, eine durchschnittliche Gesamttagesarbeitszeitswegzeit von rund 4 Stunden (reine Fahrtzeit, d.h. von Einstieg bis Ausstieg, d.h. auch bei optimaler Abstimmung der Arbeitszeit an die Fahrzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel) zumutbar im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 sein können. Dies wurde bereits in verschiedenen Entscheidungen des UFS verneint und wird auch von Teilen der Lehre (Doralt, EStG, § 16 Rz 107) abgelehnt. Aus dem Gesetz lässt sich eine Zeitstaffel oder eine mathematische Formel für die Berechnung der Unzumutbarkeit jedenfalls nicht entnehmen.
Offenbar geht nun auch das BMF mit der am ausgegebenen Pendlerverordnung in die Richtung, eine Zeitdauer von über 120 Minuten für die einfache Wegstrecke jedenfalls als unzumutbar anzunehmen. Zwischen 60 und 120 Minuten ist demnach auf eine "entfernungsabhängige Höchstdauer" abzustellen, diese wäre in meinem konkreten Fall jedenfalls überschritten (§ 2 Abs. 1 Z. 2 Pendlerverordnung).
Sollten Sie für Ihre Entscheidung noch weitere Informationen, Unterlagen oder Auskünfte benötigen, stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.“

In Folge wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren (E-2010) vom BFG (vormals UFS) zu einem diesbezüglich ähnlich gelagert VwGH-Verfahren (Amtsbeschwerde) ausgesetzt.

Vom Verwaltungsgerichtshof wurde dieses Beschwerdeverfahren jedoch mit Beschluss abgewiesen, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen worden war.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde des Bf gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung mit folgender Stellungnahme vor:
„Das Finanzamt beantragt die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde unter Verweis auf die Beschwerdevorentscheidung, dem Vorlagebericht betreffend Einkommensteuer 2010 vom und der Stellungnahme des Finanzamtes vom zu GZ RV/0052-K/12.“

Aus dem zum Beschwerdefall (E-2011) dem BFG vorgelegten Aktenteilen geht hervor, dass vom Bf die Beschwerde und der Vorlageantrag gegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 form- und fristgerecht eingebracht worden war. Gleichzeitig wurden die vom Bf erstellten Zeiterfassungsunterlagen sowie die Detailaufstellungen über tatsächliche Arbeits- und Fahrtmöglichkeiten über die Lohnzahlungszeiträume vom bis dem BFG vorgelegt.

Sowohl im Beschwerdeschriftsatz als auch im Vorlageantrag wurde von Seiten des Bf im Wesentlichen auf die dem BFG bereits vorgelegten Beweisunterlagen sowie dazu umfangreich vorgetragenen Beschwerdeargumente sowie abgegebenen Stellungnahmen (E-2010) verwiesen.

III. Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerden erwogen:

1. Sachverhalt:

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verfahrensablaufes und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Aus der aktenkundigen Abfrage des Finanzamtes aus dem Zentralen Melderegister vom geht ua hervor, dass der Bf im Zeitraum vom bis unter der Wohnadresse (A) in Ort1, Straßenbez.1 11, mit „Hauptwohnsitz“ gemeldet gewesen war.
Des Weiteren ist unstrittig, dass der Bf in den Streitjahren auch eine Unterkunft unter der Adresse (B) in Ort2 Ortsergänzung, Straßenbez.2 5.1 (Wohnung seiner vormaligen Lebensgefährtin) genutzt hat und von dieser Wohnung aus an den überwiegenden Arbeitstagen innerhalb der strittigen Lohnzahlungszeiträume der Jahre 2010 und 2011 nach Ort31 zur Arbeit gefahren war.

Laut Dienstvertrag war der Bf von bis als Berufsanwärter in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Im Streitzeitraum vom bis befand sich seine Arbeitsstätte in Ort31.1, Straßenbez.3 33.

Laut § 3 des Dienstvertrages vom galt für den Bf nachfolgende Arbeitszeitregelung:
㤠3
Arbeitszeit
(1) Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt 30 Stunden. Die Normalarbeitszeit ist im Organisationshandbuch der Gesellschaft festgelegt. Die Aufteilung dieser Arbeitszeit kann von dem Dienstnehmer entsprechend der Regelung über einen Durchrechnungszeitraum bei gleitender Arbeitszeit, die als Anlage angeschlossen und Bestandteil dieses Dienstvertrages ist, in Absprache mit dem Vorgesetzen entsprechend seinen Wünschen erfolgen.
(2) Die Gesellschaft ist berechtigt, im Rahmen der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen Mehr- bzw. Überstundenarbeit zu verlangen. Die Abgeltung allfälliger Mehr- bzw. Überstundenarbeit erfolgt entsprechend der Regelung über einen Durchrechnungszeitraum bei gleitender Arbeitszeit.
(3) Im Übrigen hat der Dienstnehmer der Gesellschaft alle geleisteten Mehrarbeitsstunden und Überstunden spätestens innerhalb eines Monats schriftlich zu melden. Solche Leistungen, welche der Dienstnehmer nicht termingemäß meldet, gelten als nicht geleistet.“

Evident ist, dass für das in Rede stehende Dienstverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Bf als tägliche Lage der Arbeitszeit von Montag bis Freitag ein fixer Zeitrahmen von 8:00 Uhr bis 14:30 Uhr - jeweils abzügl. einer unbezahlten Mittagspausenzeit von tgl. 30 Minuten - vertraglich vereinbart worden war (siehe „Ergänzung zur Gleitzeitregelung“ vom ) und die vom Bf vorgelegten Detailaufstellungen über Arbeits- und Fahrzeiten die Einhaltung dieses Arbeitszeitrahmens – trotz Leistung von Überstunden - auch belegen.

Wegzeit mit KFZ:
Laut Routenplanabfrage „viamichelin“ des BFG beträgt die PKW-Fahrzeit für die Fahrtstrecke vom Wohnort Adresse „A“ zur Arbeitsstätte mit einer Entfernungsangabe von 94 km rund 61 Minuten.
Fest steht, dass laut Routenplanabfrage des Finanzamtes bei „viamichelin“ die PKW-Fahrzeit für die (einfache) Fahrtstrecke vom Wohnort Adresse „B“ zur Arbeitsstätte mit einer Entfernungsangabe von 83 km rund 50 Minuten beträgt.
Hingegen haben die Routenplanabfragen des Bf bei „google.maps und arboe.at“ für die (einfache) Fahrtstrecke vom Wohnort Adresse „B“ zur Arbeitsstätte mit einer Entfernung von 81,2 km eine PKW-Fahrtzeit von je ca. 48 Minuten (siehe Eingabe des Bf vom ) ergeben.

Wegzeiten im Falle öffentlicher Verkehrsmittelnutzung bei Dienstbeginn 08:00 Uhr:
Bei einem Arbeitsbeginns um 08:00 Uhr ergibt sich laut Berechnungsangaben des Finanzamtes (Bl. 22) ausgehend von der Wohnung „A“ zur Arbeitsstätte im Falle der Benützung von Massenbeförderungsmitteln sowie unter Mitbeachtung einer Wartezeit bis zum Arbeitsbeginn eine Wegzeit von 2 Stunden und 2 Minuten.
Bei Beachtung des Dienstbeginnes um 08:00 Uhr ergibt sich auf Grundlage der in den Verwaltungsakten aufliegenden Fahrplänen öffentlicher Verkehrsmittel sowie bei theoretischer Verwendung von „Park and Ride“ ausgehend von der Wohnung „B“ zur Arbeitsstätte eine Wegzeit von 1 Stunde und 40 Minuten (= PKW-Fahrt von der Wohnung „B“– Hbf. Stationsbez.: 5 Min.; Parken, Fußweg zum Bahnsteig, Wartezeit: 5 Min. ÖBB-Zug, Rex 1561, Hbf. Stationsbez. [Abfahrt: 06:30] bis [Ankunft: 07:26]: 56 Min.; Umsteigen Linien-Bus 41 od. 30, Fahrt- u. Wartezeiten bis Arbeitsbeginn: 34 Minuten).

Wegzeiten im Falle öffentlicher Verkehrsmittelnutzung bei Dienstende 17:00 Uhr:
Laut Berechnungsangaben des Finanzamtes (Bl. 23) ergibt sich bei einem Dienstende um 17:00 Uhr und unter Berücksichtigung von „Park and Ride“ bei der Heimfahrt von der Arbeitsstätte zur Wohnung „A“ eine Wegzeit von 2 Stunden und 1 Minute (= Fuß-, Fahrt-[Bus 5230] u. Wartezeiten zum Hbf. Ort31: 41. Min.; ÖBB-Zug, Rex 1731 mit Ankunft 18:48 Hbf. Stationsbez.: 1 Std. 04 Minuten; Fußweg u. PKW-Fahrt vom Hbf. Stationsbez. zur Wohnung „A“: 16 Min.).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten öffentl. Verkehrsmittelnutzung und Ansatz der „Park and Ride-Variante“ errechnet sich für die Heimfahrt von der Arbeitsstätte zur Wohnung „B“ eine Wegzeit von 1 Stunde und 53 Minuten (= bei Berücksichtigung eines abweichenden Zeitansatzes: Fußweg u. PKW-Fahrtzeit vom Hbf. Stationsbez. zum Erreichen der Wohnung „B“ innerhalb von ca. 8 Min.).

Die „fiktiven“ Wegzeitermittlungen des Bf ergeben bei Verfügbarkeit von Massenbeförderungsmitteln sowie der Kombination von „Park and Ride“ für die Heimfahrten von der Arbeitsstätte zur Wohnung „B“ auf Grundlage der vorgelegten Arbeitszeitaufschreibungen (mit Überstundenleistungen) und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Dienstendezeiten eine „unstrittige“ Wegzeit von überwiegend mehr als 2 Stunden und 15 Minuten täglich im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum (siehe die Wegzeitangaben des Bf laut aktenkundigen Aufstellungen: Jan. 2010: 02:15, 01:59, 03:00, 02:15, 02:45, 02:15, 02:21, 02:30, 02:15, 01:53, 02:15, 02:15 ….; Jan. 2011: 01:31, 02:30, 02:15, 02:45, 01:59, 01:46, 02:45, 02:30, 02:15, 01:53, 02:30 …).

Unstrittig ist des Weiteren, dass der Bf die Fahrtstrecken zwischen seinen bekanntgegebenen Wohnungen (A bzw. B) und der Arbeitsstätte, die jeweils mehr als 60 km betragen haben, in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen der Streitjahre 2010 und 2011 überwiegend zurückgelegt hat.

2. Beweiswürdigung:

Die vorgelegten Arbeitsaufschreibungen des Bf (mtl. Zeiterfassungsaufzeichnungen, Detailaufstellungen über tatsächliche tägliche Arbeitszeiten) belegen auch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes die Feststellung des Finanzamtes, dass dem Bf an mehr als der Hälfte seiner Arbeitstage im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum seine tatsächliche Arbeitszeit so gelagert gewesen war, dass die Verfügbarkeit bzw. die Benützung von Massenbeförderungsmitteln, zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke zwischen den Wohnungen „A u. B“ und der Arbeitsstätte unter Anwendung von „Park and Ride“, theoretisch möglich gewesen wäre.

Allerdings wird die Feststellung der belangten Behörde, wonach der Bf in den strittigen Lohnzahlungszeiträumen der Kalenderjahr 2010 und 2011 auf Basis „gleitender Arbeitszeitregelung“ die Möglichkeit gehabt habe, sowohl den Beginn als auch das Ende der täglichen Arbeitszeit optimal an die Fahrzeiten öffentlicher Verkehrsmittel anzupassen, nicht geteilt.
Dies deshalb nicht, da der Bf in den Streitzeiträumen der Jahre 2010 und 2011 arbeitsvertraglich an „fixe Arbeitszeiten“ gebunden gewesen war und des Weiteren aus den glaubhaften Vorbringen des Bf klar hervorgeht, dass das faktische Ende seiner täglich geleisteten Arbeitszeit infolge von zu leistenden Überstunden und Außendiensttätigkeiten als Mitglied eines Prüfungsteams (ca. 70 - 80 % der Arbeitszeit bei Klienten vor Ort) nicht selbstbestimmend gestaltbar gewesen ist. Nach Ansicht des BFG ist es in einer Wirtschaftsprüfungskanzlei nach den Erfahrungen der Praxis sicherlich nicht unüblich, dass je nach dem Anfall dringender Außendienstarbeiten bei Klienten, welche von einem Team einer Erledigung zugeführt werden, sich unregelmäßige Arbeitsabläufe und -zeiten ergeben, die vom betroffenen Dienstnehmer wahrzunehmen und einzuhalten sind (siehe dazu die vom Bf im Rahmen der beiden Beschwerdeverfahren vorgelegten Zeiterfassungsaufzeichnungen mit glaubhaften Angaben über Beginn und Ende der tatsächlichen tägl. Arbeitszeit).

Nach Ansicht des BFG stellt die im vorliegenden Beschwerdefall zu lösende Sachverhaltsfrage, welche „entscheidungsrelevanten Wegzeiten“ in den streitgegenständlichen Lohnzahlungszeiträumen vorgelegen haben, eine auf der Ebene der freien Beweiswürdigung zu beantwortende Sachfrage dar. Bei Beantwortung dieser Sachfrage ist unter sorgfältiger Berücksichtigung der Beweisergebnisse des Beschwerdeverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, was im Einzelfall als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs 2 BAO). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Versionen die wahrscheinlichste als erwiesen anzunehmen; ein Sachbeweis im naturwissenschaftlich-mathematischen Sinn ist nicht erforderlich (vgl. Ritz, BAO6, § 167, Tz 8, und die do. zit. Judikate).

In freier Beweiswürdigung trifft das Bundesfinanzgericht anhand der aktenkundigen Beweisunterlagen (siehe die obigen Wegzeitberechnungsergebnisse betreffend die Wohnung „A“ bei Benützungsmöglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel mit Anwendung von „Park and Ride“) die Feststellung, dass der Bf für die Fahrten zwischen Wohnung „A“ und Arbeitsstätte und retour eine Gesamtwegzeit von täglich ca. 4 Stunden und 3 Minuten benötigt hätte.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes hätte der Bf die Pendlerstrecke von 188 km (94 km x 2) betr. Wohnung "A" mit dem KFZ in einer täglichen Gesamtfahrzeit von ca. 2 Stunden und 2 Minuten (= 1 Std. 1 Min. x 2) zurücklegen können.

Die Gesamtwegzeitdifferenz (Wohnung „A“) beträgt im Vergleich der Wegzeit öffentliches Verkehrsmittel unter Anwendung von Park and Ride mit der Fahrzeit des KFZ pro Arbeitstag somit rund 2 Stunden und 1 Minute (= 1,99fache Zeitdauer).

Betreffend die Wohnung „B“ ergeben die obigen Wegzeitberechnungsergebnisse in freier Beweiswürdigung durch das BFG die klare Tatsachenfeststellung, dass der Bf unter theoretischer Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mit Anwendung von „Park and Ride“ für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Gesamtwegzeit von täglich ca. 3 Stunden und 40 Minuten benötigt hätte.

Des Weiteren vertritt das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung die Ansicht, dass der Bf die Pendlerstrecke von 164 km (82 km x 2) betr. Wohnung "B" mit dem KFZ in einer täglichen Gesamtfahrzeit von ca. 1 Stunde und 38 Minuten (= 49 Min. x 2) zurücklegen hätte können.

Die Gesamtwegzeitdifferenz (Wohnung „B“) beträgt im Vergleich der Wegzeit öffentliches Verkehrsmittel unter Berücksichtigung von Park and Ride mit der Fahrzeit des KFZ pro Arbeitstag somit rund 2 Stunden und 2 Minuten (= 2,24fache Zeitdauer).

Schlußendlich trifft das BFG hinsichtlich der von den Verfahrensparteien aufgeworfenen Streitfrage „Unzumutbarkeit wegen mehr als dreifacher Fahrzeit mit dem KFZ“ in freier Beweiswürdigung auf Grund der zu wertenden Sach- und Aktenlage auch die Feststellung, dass eine tägliche Wegzeit von über 2 Stunden und 27 Minuten (= 49 Minuten x 3) für die „einfache Rückfahrtswegstrecke: Arbeitstätte-Wohnung B“ unter theoretischer Nutzung eines Massenbeförderungsmittels dem Bf jedenfalls immer unzumutbar gewesen wäre.

Stellt man diese "Zumutbarkeitsgrenze von zeitlich ca. 02:27" der Dauer der Wegzeitangaben bei (theoretischer) Verwendung von "Park and Ride" des Bf laut dessen „Detailaufstellungen zu Arbeits- und Fahrtzeiten“, zB für den Lohnzahlungszeitraum Jänner 2010, gegenüber, so zeigt sich für 19 Arbeitstage (= 2 Urlaubstage, und tägl. fiktiven Wegzeiten wie: 02:15, 01:59, 03:00, 02:15, 02:45, 02:15, 02:21, 02:30, 02:15, 01:53, 02:15, 02:15, 02:28, 02:00, 02:45, 02:06 sowie 1 Tag ohne öffentl. Verkehrsnutzungsmöglichkeit) folgendes Ergebnis:
"An 1 Tag bestand bei der Arbeitsbeendigungszeit (21:30) keine öffentl. Verkehrsmittelverfügbarkeit; an 5 Tagen ergab sich eine 3fache Fahrzeitüberschreitung; an 7 Tagen zeigt sich eine kürzerere Wegzeit von lediglich "12 Minuten"- im Vergleich zur 3fachen KFZ-Fahrtdauer; an 4 Tagen lag eine wesentliche Fahrtzeitunterschreitung - im Vergleich zur 3fachen KFZ-Fahrtdauer vor".
 

3. Rechtslage:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt (lit. a leg. cit.), dass diese Ausgaben bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich - soweit nicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar ist - durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten sind.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenverkehrsmittels zumutbar, dann werden nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 zusätzlich bestimmte Pauschbeträge (so genanntes "kleines" Pendlerpauschale) berücksichtigt.

Folgende Pauschbeträge waren in den Beschwerdezeiträumen heranzuziehen:

Von bis (BGBl. I Nr. 85/2008):


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20 km bis 40 km
  630 €
jährlich
40 km bis 60 km
1.242 €
jährlich
über 60 km     
1.857 €
jährlich

Von bis (BGBl. I Nr. 111/2010):


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20 km bis 40 km
  696 €
jährlich
40 km bis 60 km
1.356 €
jährlich
über 60 km     
2.016 €
jährlich

Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 anstelle der vorstehend angeführten Pauschbeträge folgende Pauschbeträge (so genanntes "großes" Pendlerpauschale) berücksichtigt:

Von bis (BGBl. I Nr. 85/2008):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2 bis 20 km    
  342 €
 
20 km bis 40 km
1.356 €
jährlich
40 km bis 60 km
2.361 €
jährlich
über 60 km     
3.372 €
jährlich

Von bis (BGBl. I Nr. 111/2010):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2 bis 20 km    
  372 €
 
20 km bis 40 km
1.476 €
jährlich
40 km bis 60 km
2.568 €
jährlich
über 60 km     
3.672 €
jährlich

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und dem Pendlerpauschale sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

Für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck (Formular L 34) eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen für das Pendlerpauschale abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76 EStG 1988) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse für die Berücksichtigung dieser Pauschbeträge muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates melden. Die Pauschbeträge sind auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder auf Urlaub (Karenzurlaub) befindet. Wird der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr (§ 26 Z 5) befördert, dann steht ihm das Pendlerpauschale nicht zu, wobei allfällige Kosten für die Beförderung im Werkverkehr bis zur Höhe des Pendlerpauschales zu berücksichtigen sind.

4. Rechtliche Erwägungen:

Strittig ist einzig die Rechtsfrage, ob eine Wegzeit öffentlicher Verkehrsmittel bei (theoretischer) Verwendung von „Park and Ride“ von rund 1 Stunde und 40 Minuten (Hinfahrt zur Arbeit) und von rund 1 Stunde und 53 Minuten (Rückfahrt zur Wohnung), also von insgesamt rund 3 Stunden und 33 Minuten im Vergleich zur Fahrtdauer mit dem KFZ von rund 1 Stunde und 38 Minuten - für die Zurücklegung des täglichen Arbeitsweges (Wohnung „B“ zur Arbeitsstätte u. retour), der unstrittig über 60 km in eine Fahrtrichtung beträgt, sowie bei einer täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden (ohne Überstundenleistung), als ein maßgebendes Unzumutbarkeitskriterium iSd des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 zu werten ist oder nicht.

Nach Rechtsprechung und Literatur sind die Anspruchsvoraussetzungen für das „große“ Pendlerpauschale gegeben, wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte entweder gar nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit zur Verfügung stehen oder nicht zumutbar ist (vgl. ) In diesem Erkenntnis hat der VwGH die gleichfalls in der Literatur vertretene Ansicht, dass - unabhängig von der Entfernung - eine Fahrtdauer von „unter 90 Minuten“ für eine „einfache Wegstrecke“ stets als zumutbar anzusehen ist, geteilt.

Die Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 wird vom VwGH in der Regel unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien vorgenommen (vgl. ; und ).

Im Judikat vom , 2012/15/0149, wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass der Begriff der „Unzumutbarkeit“ nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns an sich handle, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden könne (vgl. ).

Die Fragenbeantwortung der „Unzumutbarkeit“ setze daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrtzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr im jeweiligen Einzelfall voraus (vgl. ). In diesem angeführten Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof zur Auslegung des „Unzumutbarkeitsbegriffs“ nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 ua auf Folgendes, auszugsweise wiedergegeben, wörtlich hin:
"… Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG herangezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Die Erl RV zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:
„ ‘Unzumutbar‘ sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."
Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten jedenfalls für zumutbar halten. Diese Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.
Im Beschwerdefall ergibt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde an vier von fünf Arbeitstagen der Mitbeteiligten nur eine Differenz der Gesamtfahrtdauer zwischen Massenbeförderungsmittel (3 Stunden 25 oder 22 Minuten) und Individualverkehr (3 Stunden) von 25 oder 22 Minuten. Damit beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel, wie das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht herausstreicht, lediglich das 1,2fache der Wegzeit mit dem Kfz.
Gerade in solchen Fällen geringfügiger Differenz der Fahrzeiten ist nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und seiner vorrangigen Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr der Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs zumutbar. Die Mitbeteiligte räumt im Übrigen auch ein, dass sie tatsächlich nicht mit dem Pkw, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.
Dass ein tägliches Pendeln von rund 3 Stunden sowohl mit dem Pkw als auch mit dem Massenbeförderungsmittel an sich belastend ist, ist unzweifelhaft. Insoweit finden auch in anderen Rechtsbereichen - wie etwa in dem von der Mitbeteiligten vorgebrachten Arbeitslosenversicherungsrecht oder bei der Berücksichtigung von Aufwendungen berufsbedingter doppelter Haushaltsführung - andere Unzumutbarkeitsbegriffe Anwendung. Nimmt ein Arbeitnehmer das Pendeln dennoch in Kauf, ist allerdings gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zur Bestimmung des zumutbaren Verkehrsmittels ein Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr notwendig.
Indem die belangte Behörde ohne das Anstellen eines solchen Vergleichs allein aufgrund einer absoluten Gesamtfahrzeit von über 3 Stunden schon von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln ausgegangen ist und bereits deshalb eine Relevanz der neu hervorgekommenen öffentlichen Anreisemöglichkeiten ausgeschlossen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ..."

Im Lichte des vorstehenden VwGH-Erkenntnisses wird daher die Rechtsansicht des Finanzamtes, dass für die Fragenbeantwortung der „Unzumutbarkeit im vorliegenden Beschwerdefall" vordergründig neben einer mehr als 90 Minuten andauernden Wegzeit für die „einfache“ Wegstrecke auch eine "mehr als die dreifache Zeit mit dem KFZ", also von mehr als 2 Stunden und 30 Minuten Fahrtdauer täglich erforderlich sei, vom Bundesfinanzgericht nicht geteilt.  

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist die Beurteilung der „Unzumutbarkeitsfrage“ iSd § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988, wie der festgestellte Sachverhalt der vorliegenden Beschwerdefälle aufzeigt, davon abhängig, ob sich die Nichtbenutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf Grund eines gezogenen Fahrtdauer- bzw. Gesamtwegzeitvergleichs mit dem Kfz nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen - für das tägliche Pendeln zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Bf – als sinnvoll erweist oder nicht. Das Bundesfinanzgericht betrachtet den Vergleichswert "der dreifachen Fahrzeit mit dem KFZ" als taugliche Richtwertzeitgröße um daraus einen Anhaltspunkt zur Lösung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der "Unzumutbarkeit" im jeweiligen Einzelfall zu finden. 

Daher vermag die getroffene rechtliche Schlussfolgerung des Finanzamtes, auch wenn die Fahrzeit mit dem KFZ somit rein rechnerisch nicht "überwiegend an einzelnen Arbeitstagen" drei Mal kürzer als jene mit dem öffentlichen Verkehrsmittel unter Anwendung von "Park and Ride" für die tägliche einfache Heimfahrtwegstrecke zur Wohnung "B" betragen hat, eine schlüssig "zumutbare" theoretische Benützbarkeit öffentlicher Massenbeförderungsmittel in Kombination mit Individualverkehr in den vorliegenden Streitjahren nicht aufzuzeigen. Dies deshalb nicht, zumal sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Dienstendezeiten des Bf eine unstrittige Wegzeitrückfahrt von "überwiegend mehr als 2 Stunden und 15 Minuten täglich" im Falle der "fiktiven" Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum ergeben hätte.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes liegt es unter freier Beweiswürdigung auf der Hand, dass eine geringfüge Wegzeitunterschreitung von lediglich "12 Minuten", im Vergleich zur dreifachen Fahrtdauer zum KFZ, an einigen Arbeitstagen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum (siehe zB das Ergebnis des Zumutbarkeitsgrenzvergleiches Jänner 2010) dem Bf die "theoretische" Benützungsmöglichkeit von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr, nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen, nicht zuzumuten gewesen wäre. 

Unter Beachtung dieser Rechtsüberlegung des BFG kommt allerdings den wiederholt vorgetragenen Beschwerdeargumenten des Bf, wonach auch der UFS in einer Vielzahl von Entscheidungen von einer sog. generellen Zumutbarkeitsobergrenze hinsichtlich einer „Gesamttagesarbeitszeitwegzeit bereits von mehr als drei Stunden (Hin- und Rückfahrt)“ ausgegangen sei, durchaus Berechtigung zu (vgl. Entscheidung des mit Verweisen auf umfangreiche UFS-Spruchpraxis). Zutreffend wurde daher vom Bf auch allgemein und sinngemäß eingewendet, dass sich aus der Normbestimmung iSd § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 eine Zeitstaffel oder eine mathematische Formel für die Berechnung der Unzumutbarkeit jedenfalls nicht entnehmen lasse.

Eine schlüssige Fragenbeantwortung einer „zumutbaren oder unzumutbaren maßgeblichen Fahrtdauer“ ergibt sich, entgegen der Ansicht des Finanzamtes, im Beschwerdefall daher einzig aus den tatsächlichen Vergleichswerten zwischen den Fahrt(Weg-)zeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter Anwendung von „Park and Ride“ und dem Individualverkehr, die im oben angeführten feststehenden Sachverhalt zu den „Wohnungen A u. B“ vom BFG bereits im Detail dargestellt worden sind.

Angewendet auf die streitverfangenen Lohnzahlungszeiträume vom bis zeigt sich an Hand der Wegzeiten- bzw. Fahrtzeitermittlungsergebnissen die klare Tatsachenfeststellung, dass die Gesamtwegzeitdifferenz (Wohnung „A“) im Vergleich der Wegzeit öffentliches Verkehrsmittel unter Anwendung von "Park and Ride" mit der Fahrzeit des KFZ rund 2 Stunden und 1 Minute (= 1,99fache Zeitdauer) und die Gesamtwegzeitdifferenz (Wohnung „B“) im Vergleich der Wegzeit "öffentliches Verkehrsmittel unter Berücksichtigung von Park and Ride" mit der Fahrzeit des KFZ rund 2 Stunden und 2 Minuten (= 2,24fache Zeitdauer) täglich beträgt.

Vom Bundesfinanzgericht werden die festgestellten täglichen Wegzeitdifferenzen von jeweils rund über 2 Stunden (Wegzeitvergleich öffentliches Verkehrsmittel gegenüber Fahrtdauer KFZ: rund 1,99 oder 2,24fache Zeitdauer) in freier Beweiswürdigung als Wesentlich erachtet und es wird aus diesem Grunde die theoretische Benützungsmöglichkeit von Kfz in Kombination mit den öffentlichen Verkehrsmitteln für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in den in Rede stehenden Lohnzahlungszeiträumen der Streitjahre 2010 und 2011 als für den Bf als „unzumutbar“ gewertet.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, steht daher dem Bf das "große" Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 für über 60 km im Betrag von € 3.372,00 für das Streitjahr 2010 und im Betrag von € 3.060,00 (10 Monate à € 306,00) für das Streitjahr 2011 zu.

Den Beschwerden war daher Folge zu geben.

Beilagen : 2 Berechnungsblätter
 

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die zu entscheidende Rechtsfrage, welche Unzumutbarkeitskriterien im Einzelfall bestehen müssen um das „große Pendlerpauschale“ iSd § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 in Form von Werbungskosten berücksichtigen zu können, ist durch die ständige Rechtsprechung des VwGH als ausreichend und klar dargelegt zu werten (siehe oben zitierte VwGH-Judikatur; insbesondere ). Im gegenständlichen Erkenntnis wird von der Rechtsprechung des VwGH nicht abgewichen. Daher sind die Voraussetzungen für die Zulassung einer ordentlichen Revision gem. Art. 133 B-VG nicht gegeben. 

Klagenfurt am Wörthersee, am

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