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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2016, RV/2101723/2014

Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges (Vorsteuererstattungsverfahren)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache BF, gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom , 12345, betreffend Umsatzsteuer 1-12/2013 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang / Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (BF), ein deutsches Unternehmen, brachte mit einen Antrag auf Vorsteuererstattung für 1-12/2013 auf elektronischem Weg ein. Begehrt wurde die Vorsteuer aus der Rechnung eines österreichischen Unternehmens über Fliesenverlegung samt diverser Materialien auf einer österreichischen Baustelle nach einer Reklamation betreffend schadhafter Fliesen der BF.
Die Rechnung war mit datiert und betraf eine Leistung in der 40. Kalenderwoche des Jahres 2012.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Erstattung ab, da die Rechnung nicht den Erstattungszeitraum 2013 (sondern 2012) betraf.

Dagegen wurde das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und ausgeführt: Die Rechnung sei bei der BF laut Eingangsstempel mit Datum eingegangen, daher habe man die Vergütung der Vorsteuer erst im Jahr 2013 beantragen können.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt aus: Gemäß § 3 Abs. 1 der Vorsteuererstattungsverordnung sei der Erstattungsantrag binnen 9 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden sei.
Diese Frist sei in der 8. und 13. MwSt-Richtlinie als Fallfrist vorgesehen und in allen Mitgliedstaaten verpflichtend umzusetzen. Im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung aller im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehe hier keine Möglichkeit einer Kulanz hinsichtlich Fristversäumnis.

Im Vorlageantrag führte die BF aus: Der EuGH habe mit Urteil vom , C-152/02, DStRE 2004, 830, entschieden, dass der Vorsteuerabzug für den Erklärungszeitraum vorzunehmen sei, in dem beide Voraussetzungen - Leistungsbezug und Erhalt der Rechnung - erfüllt seien. Da die Voraussetzung des Rechnungserhalts erst in 2013 erfüllt sei, habe man auch erst für diesen Zeitraum die Erstattung der Vorsteuer beantragen können.

Das BFG ersuchte die BF in einem Vorhalt um nähere Angaben hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung der Ausgaben und dem Vorliegen von Umsätzen in Österreich.
Dazu gab die BF unter Vorlage von Unterlagen bekannt, dass es sich um Leistungen im Zusammenhang mit Reklamationen zu Fliesen der BF gehandelt hatte. Umsätze seitens der BF seien in Österreich damit keine erzielt worden. 

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ist demnach davon auszugehen, dass die in Rechnung gestellte Leistung für das Unternehmen der BF durchgeführt wurde. Die Leistung erfolgte im Jahr 2012, die Rechnung wurde mit datiert, ging bei der BF am ein und die Vorsteuer aus dieser Rechnung wurde mit Erstattungsantrag für 1-12/2013 mit beantragt.

Rechtslage / Erwägungen

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben und die im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze ausführen, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von § 21 Abs. 1 bis 5 und abweichend von den §§ 12 und 20 regeln. Diese Ermächtigung ist dahingehend zu interpretieren, dass lediglich das Erstattungsverfahren geregelt werden darf; darüber hinausgehende Abweichungen von den §§ 12 und 20 UStG 1994 wären gesetzlich nicht hinreichend bestimmt ().

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 389/2010, lautet:
§ 1 Abs. 1: Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ... ... ... ausgeführt hat.
§ 2: Erstattungszeitraum ist nach der Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. ... ... ...
§ 3 Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln.
Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. ... ... ...

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Da der Vorsteuerabzug erst möglich ist, wenn alle geforderten Voraussetzungen vorliegen, ist § 12 Abs 1 UStG 1994 auch als Aussage zum (frühesten) Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges zu verstehen. Sieht man von den Anzahlungen ab, so kommt es für diesen Zeitpunkt somit darauf an, dass die Leistung ausgeführt worden ist und der Unternehmer über die Leistung eine Rechnung iSd § 11 UStG 1994 erhalten hat (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Tz 58).

Im Erstattungsverfahren kann der Unternehmer einen Erstattungszeitraum von mindestens 3 Monaten und höchstens einem Kalenderjahr wählen. Ein kürzerer Zeitraum kann gewählt werden, wenn es sich um den Rest eines Kalenderjahres handelt. Die Entstehung des Erstattungsanspruches richtet sich mangels abweichender Regeln nach § 12 UStG 1994; maßgebend ist somit, dass die sachlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (Leistung für das Unternehmen, formgerechte Rechnung) im Erstattungszeitraum erfüllt sind (vgl. auch ).

Maßgebend ist nach der herrschenden Lehre und Judikatur grundsätzlich der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung und nicht der Zeitpunkt des Einlangens der Rechnung beim Leistungsempfänger (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, Band V, Anm. 30 zu § 20; , ÖStZB 1988, 167; Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Tz 66 und § 20 Tz 19; Berger ua, UStG-ON, § 20 Tz 20; sowie ; -G/11). Will der Unternehmer die Vorsteuern geltend machen, hat er sie in dem Veranlagungs- bzw. Voranmeldungszeitraum geltend zu machen, in den sie fallen; es besteht nach dem Gesetz keine Wahlmöglichkeit dergestalt, den Vorsteuerabzug erst in einem späteren Veranlagungszeitraum geltend zu machen.

Voraussetzung ist, dass die Rechnung dem Leistungsempfänger überhaupt zugeleitet wird.

Gemäß § 20 Abs. 2 UStG 1994 sind von dem nach § 20 Abs. 1 UStG 1994 errechneten Betrag "die in den Veranlagungszeitraum fallenden, nach § 12 abziehbaren Vorsteuerbeträge" abzusetzen. Die Vorsteuer „fällt" in jenen Veranlagungszeitraum, in dem die Voraussetzungen für den Abzug erstmals vollständig erfüllt sind. Das ist bei Vorleistungen dann der Fall, wenn die Leistung erbracht ist und der Unternehmer über eine mehrwertsteuertaugliche Rechnung verfügt.

Langt allerdings eine im Veranlagungszeitraum ausgestellte Rechnung so verspätet beim Leistungsempfänger ein, dass er sie bei der Erklärung für den Veranlagungszeitraum nicht mehr berücksichtigen kann, ist es zulässig, nach Anmerkung des Datums des Einlangens auf der Rechnung den Vorsteuerabzug im Veranlagungszeitraum des Einlangens zu berücksichtigen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Tz 66; , ÖStZB 1988, 167).
Damit ist der Neutralitätsgrundsatz jedenfalls gewahrt, und das Spannungsverhältnis der in Österreich gängigen Praxis, wonach der Vorsteuerabzug sich nach dem Datum der Rechnungsausstellung richtet, zum "Terra Baubedarf", aufgelöst. 

Nach österreichischer Rechtslage ist der Vorsteuerabzug im Anwendungsbereich des Grundsatzes „Keine Vorsteuer ohne Rechnung" nicht erst im Zeitpunkt des Einlangens der Rechnung beim Leistungsempfänger, sondern grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Rechnungsaus­stellung möglich. Das innerstaatliche Recht ist insoweit günstiger als die MwSt-Richtlinie (vgl. Pülzl, SWK 2004, S 588).
Fallen Empfang der Leistung und Rechnungsaus­stellung aber ​zeitlich auseinander, so ist der Vorsteuerabzug erst für den Besteuerungs­zeitraum zulässig, in dem beide Voraussetzungen erfüllt sind.                   

Zusammengefasst bedeutet dies: Die Vorsteuer „fällt“ in den Veranlagungszeitraum, in dem die Voraussetzungen für den Abzug erstmals vollständig erfüllt sind. Das ist bei der Vorsteuer für Vorleistungen dann der Fall, wenn die Leistung erbracht ist und der Unternehmer über eine mehrwertsteuertaugliche Rechnung verfügt (, ÖStZB 513). Judikatur und Praxis stellen hiebei grundsätzlich auf das Ausstellungsdatum und nicht auf das Einlangen der Rechnung ab. Nur dann, wenn aus besonderen Gründen eine Rechnung so verspätet beim Leistungsempfänger einlangt, dass die Vorsteuer für den Veranlagungszeitraum der Leistung nicht mehr geltend gemacht werden kann, wird nach Anmerkung des Datums des Einlangens auf der Rechnung der Vorsteuerabzug im Veranlagungszeitraum des Einlangens zugelassen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 20 Tz 19).
Es besteht insofern kein Wahlrecht, einen Vorsteuerabzug in einen späteren Zeitraum zu verlagern (vgl. ). 

Für den beschwerdegegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die BF jedenfalls im Juli 2013 über eine Rechnung vom betreffend eine im Jahr 2012 ausgeführte Leistung verfügte.
Nach der Judikatur und Lehre lag somit mit dem Datum der Rechnungsausstellung, also bereits für das Jahr 2012, eine Rechnung vor. 
Der Vorsteuerabzugsanspruch und Erstattungsanspruch entstand damit bereits nach dem Datum der Rechnungsausstellung im Jahr 2012 und fällt die Vorsteuer daher in das Jahr 2012 und muss für diesen Erstattungszeitraum beantragt werden.

Die Rechnung ging mit  auch so rechtzeitig bei der BF ein, dass sie für den Erstattungszeitraum 2012 geltend gemacht werden konnte: Bei Wahl des Erstattungszeitraumes Kalenderjahr 2012 hätte die BF bis genügend Zeit gehabt, den Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung rechtzeitig zu beantragen.

Eine Beantragung für das Jahr 2013 erst im Jahr 2014 widerspricht der vorhin dargelegten Rechtslage und ein Antrag für das Jahr 2012 im Jahr 2014 muss als verspätet iSd § 3 Abs. 1 der Vorsteuererstattungsverordnung gewertet werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist. 

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 20 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
Zitiert/besprochen in
Hilber in AFS 2019/2, 57
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.2101723.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at