ex tunc-Wirkung eines nachträglichen Widerrufs des Optionsrechtes iSd § 6 Abs. 2 UStG 1994
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Viktoria Blaser und die weiteren Senatsmitglieder Mag. Christine Gruber-Nadlinger, Mag. Belinda Maria Eder und Erwin Agneter in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA Wien 2/20/21/22 vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für 05/2012, die gemäß § 253 BAO gegen den Bescheid vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2012 gerichtet gilt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) betrieb eine Gaststätte.
Im Zuge einer den Zeitraum 05-06/2012 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung wurde die Feststellung getroffen, dass lt. Rechnung vom ein Betriebsgebäude samt Inventar lt. Vereinbarung an den Bf. verkauft worden sei. Die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer sei vom Bf. als Vorsteuer abgezogen worden. Mit (richtiger Weise ) sei dann durch die Verkäuferin des Gebäudes, der x GmbH, eine Rechnungsberichtigung erfolgt, in welcher der Umsatz gemäß § 6 Abs. 1 Z 9a UStG steuerfrei belassen worden sei. Der ursprüngliche Rechnungsbetrag mit Umsatzsteuerausweis sei storniert worden.
Laut Auskunft des Bf. sei die Angabe "Betriebsgebäude (Superädifikat) lt. Vereinbarung" unrichtig. Beim Verkauf des Geschäftslokals sei auch das Inventar, für welches keine Steuerfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Z 9a UStG zustehe, mit veräußert worden.
Da im Zuge der Rechnungsberichtigung keine Vorsteuer ausgewiesen worden sei, habe der Bf. gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 UStG den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerbetrag zu berichtigen.
In weiterer Folge wurde seitens der Abgabenbehörde mit Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 05/2012 vom die Vorsteuer iHv € 20.833,33 gekürzt.
Gegen diesen Festsetzungsbescheid betreffend Umsatzsteuer für 05/2012 erhob der Bf. rechtzeitig Beschwerde. Als Begründung wurde ausgeführt, dass die ursprüngliche Rechnung auf einer mündlichen Vereinbarung beruht habe. Anlässlich der Besichtigung des Objektes sei auch das Inventar festgestellt worden (bestehend aus Kücheneinrichtung und Küchengeräten, der Einrichtung des Schankraumes, Kühlaggregaten etc.). In der Gutschrift vom werde jedoch auf dieses mitverkaufte Inventar kein Bezug genommen und zudem die Bezeichnung des verkauften Gebäudes auf "Superädifikat" geändert.
Gemäß § 11 UStG habe die Rechnung die Ware mit der handelsüblichen Bezeichnung zu beschreiben. Da jedoch das Betriebsgebäude zusammen mit dem Inventar verkauft worden sei, sei die Gutschrift aus dem Jahr 2012 jedenfalls, wenn sie die ursprüngliche Rechnung betreffen solle, mangelhaft, weil die handelsübliche Bezeichnung nicht mit dem tatsächlich Gelieferten übereinstimme. In dem BP-Bericht werde ausdrücklich festgehalten, dass für das Inventar keine Steuerfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Z 9a UStG zustehe. Die Behörde habe daher die Umsatzsteuerkorrektur beim Aussteller der Gutschrift zu verweigern. Die Ausstellung einer solchen Gutschrift sei zudem auch nicht mit dem Bf. vereinbart worden.
Es werde daher um Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuern ersucht, sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat beantragt.
Am erließ die Abgabenbehörde den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012, in welchem die geltend gemachten Vorsteuern um den seitens der BP festgestellten Vorsteuerbetrag iHv € 20.833,33 gemäß § 16 UStG 1994 berichtigt wurden.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wiederholten sowohl der Bf. als auch die Abgabenbehörde ihre bisherigen Ausführungen.
Gemäß § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO, idf des FVwGG 2012, BGBl. I 2013/14 ab ) sind die am bei dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der Bf. betrieb im Beschwerdezeitraum eine Gaststätte.
Mit Rechnung vom erwarb der Bf. von der x GmbH ein Betriebsgebäude samt Inventar.
Die x GmbH stellte die Rechnung mit 20% Umsatzsteuer iHv € 20.833,34 aus. Der Nettowert des Gebäudes wurde mit € 104.166,67 angegeben.
Mit Rechnung vom wurde die ursprüngliche Rechnung vom seitens der x GmbH insofern berichtigt, als in der nunmehrigen Rechnung keine Umsatzsteuer mehr ausgewiesen und der Gebäudeverkauf gemäß § 6 Abs. 1 Z 9a UStG 1994 steuerfrei belassen wurde.
Die in der ursprünglichen Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer wurde in der nunmehr berichtigten Rechnung als Gutschrift abgerechnet.
Die Rechnung ausstellende GmbH verzichtete nachträglich gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 auf das Recht auf Option zur Steuerpflicht hinsichtlich des Grundstücksumsatzes.
Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung der Umsatzsteuer für die Monate 05-06/2012 wurde in Folge der von dieser getroffenen Feststellung, dass die Rechnung ausstellende GmbH nachträglich auf das Optionsrecht zur steuerpflichtigen Behandlung des Grundstückumsatzes verzichtete, seitens der Abgabenbehörde mit Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 05/2012 die vom Bf. ursprünglich im Jahr 2011 mit dem Gebäudeerwerb in Anspruch genommene Vorsteuer berichtigt.
Am erließ die Abgabenbehörde den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012.
Gegenständlicher Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen, den Feststellungen der BP sowie den Beschwerdeausführungen.
Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall, ob die seitens der BP erfolgte Kürzung der Vorsteuer zu Recht im Jahr 2012 erfolgt ist.
Gegenständlicher Sachverhalt ist wie nachstehend zu würdigen:
Gemäß § 253 BAO gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet, wenn ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt.
Im vorliegenden Fall brachte der Bf. gegen den Bescheid betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für 05/2012 das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
Da in weiterer Folge die Abgabenbehörde am den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 erließ, gilt die gegen den Festsetzungsbescheid eingebrachte Beschwerde als auch gegen den Jahresbescheid gerichtet.
§ 6 UStG 1994 bestimmt:
"(1) Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
...
9. a) die Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987;
...
(2) Der Unternehmer kann ... einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a, Z 16 oder Z 17 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln. ... Behandelt der Unternehmer einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. h, Z 9 lit. a, Z 16 oder Z 17 steuerfrei ist, als steuerpflichtig, unterliegt er dem Steuersatz nach § 10 Abs. 1 bzw. 4.
Behandelt ein Unternehmer einen nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig, so kann eine bis dahin vom Vorsteuerabzug ausgeschlossene Steuer (§ 12 Abs. 3) oder eine zu berichtigende Vorsteuer (§ 12 Abs. 10 bis 12) frühestens für den Voranmeldungszeitraum abgezogen werden, in dem der Unternehmer den Umsatz als steuerpflichtig behandelt.
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a ist bei Umsätzen von Grundstücken, Gebäuden auf fremdem Boden und Baurechten im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Verpflichteten an den Ersteher (§ 19 Abs. 1b lit. c) nur zulässig, wenn er spätestens bis vierzehn Tage nach Bekanntgabe des Schätzwerts (§ 144 EO) dem Exekutionsgericht mitgeteilt wird.
...."
Wie Ruppe/Achatz im Kommentar5 zum Umsatzsteuergesetz zu § 6 Abs. 2 UStG 1994, Tz 249/10 ausführen, erfordert die Ausübung der Option keine besondere Form, insbesonder keine eigene schriftliche Erklärung an das Finanzamt (vgl a ; , 2005/15/0140). Die Option kann für jeden Grundstücksumsatz gesondert erfolgen. Der Verzicht auf die Option zur Besteuerung ist bis zur Rechtskraft des Bescheides möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt ist auch der Widerruf der Option möglich. Dabei bedarf es keiner Zustimmung seitens des Leistungsempfängers, obwohl dieser damit umsatzsteuerrechtlich verpflichtet wird, die (bereits geltend gemachte) Vorsteuer zurückzuzahlen (BGH , XI R 57/93. Der Widerruf führt nicht zur Berichtigung nach § 16 UStG 1994, sondern wirkt ex tunc (BFH , V R 8/04).
Wie der BFH in seinem Erkenntnis vom , V R 8/04, ausgeführt hat, ist im Falle eines nachträglichen Widerrufs des Optionsrechtes seitens des Veräußerers beim Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug für den Besteuerungszeitraum, für welchen er vorgenommen wurde, zu korrigieren. Wie der BFH dazu weiters ausführte, handle es sich dabei um keine Änderung der Bemessungsgrundlage, sondern um die Umqualifizierung eines steuerpflichtigen Umsatzes zu einem steuerfreien Umsatz.
In diesem Sinne hat sich auch der EUGH in seiner Entscheidung vom , C-518/14, Senatex, für eine rückwirkende Rechnungsberichtigung ausgesprochen und ist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0039 gegenständlicher Rechtsprechung in Bezug auf eine ex tunc Wirkung einer Rechnungsberichtigung gefolgt.
Im vorliegenden Beschwerderfall erwarb der Bf. mit Februar 2011 von der x GmbH ein Betriebsgebäude samt Inventar und machte der Bf. die in der seitens der GmbH ausgestellten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer iHv € 20.833,34 als Vorsteuer geltend. In weiterer Folge korrigierte die GmbH im Zusammenhang mit dem Verkauf gegenständlicher Liegenschaft in Folge des Widerrufs des zunächst geltend gemachten Optionsrechts die ursprünglich ausgestellte Rechnung und stellte eine berichtigte Rechnung (v. ) aus, in welcher nunmehr der Verkauf des Gebäudes gemäß § 6 Abs. 1 Z 9a UStG 1994 als steuerfrei behandelt wurde.
Wenn die BP nun im Rahmen ihrer Feststellungen im vorliegenden Fall von einer Rechnungsberichtigung ausgeht und die von seitens des Bf. im Zusammenhang mit dem Gebäudeerwerb stehende und im Jahr 2011 geltend Vorsteuer insoweit berichtigt, als diese nunmehr im Jahr 2012 zu einer entsprechenden Kürzung der Vorsteuerbeträge führt, so kann dem nicht gefolgt werden.
Im Sinne der Ausführungen von Ruppe/Achatz im Kommentar5 zum Umsatzsteuergesetz zu § 6 Abs. 2 UStG 1994, Tz 249/10 sowie der oben angeführten Rechtsprechung ist im vorliegenden Beschwerdefall vielmehr davon auszugehen, dass die im Zusammenhang mit der seitens der Veräußerin nachträglich als steuerfrei behandelten Gebäudeübertragung an den Bf. eine (gegebenenfalls vorzunehmende erforderliche) Korrektur der Vorsteuer nicht im Jahr 2012 bedingt, sondern eine solche vielmehr im Jahr des Erwerbes des Gebäudes, nämlich im Jahr 2011, zu erfolgen hat. Dies deshalb, da lt. dem zitierten BFH-Erkenntnis von keiner Änderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 UStG 1994 auszugehen ist, sondern von einer Umqualifizierung eines zunächst steuerpflichtigen Umsatzes in einen steuerfreien Umsatz.
Die Frage, ob die x GmbH als Veräußerin des Gebäudes inkl. eines Inventars den Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9a UStG 1994 wirksam widerrufen hat, was dazu führen würde, dass der vom Bf. in Anspruch genommene Vorsteuerabzug im Jahr 2011 rückgängig zu machen wäre, kann in gegenständlicher Entscheidung dahingestellt bleiben, wäre jedoch seitens der Abgabenbehörde im Falle einer möglichen Vorsteuerkorrektur (unter Beachtung der Verjährungsfristen und des gekauften Inventars) für das Jahr 2011 zu klären.
Die berichtigte Vorsteuer berechnet sich daher wie folgt:
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€ | 2012 |
berichtigte VSt bisher | 20.833,33 |
berichtigte VSt neu | 0,00 |
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt (in €)
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da eine höchstgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Vorsteuerberichtigung bei Widerruf der Option ex tunc wirkt, vorliegt, wird die Revision nicht zugelassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 1 Z 9a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Verzicht Option zur Besteuerung nachträglicher Widerruf Grundstücksumsatz |
Zitiert/besprochen in | Mayr in SWK 6/2019, 347 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7100455.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at