Zurückweisung einer Beschwerde, weil die angefochtenen Bescheide nicht rechtswirksam erlassen wurden
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache Bf., [Adresse], vertreten durch Dr. Alexander Maximilian Pflaum, Rechte Bahngasse 10, Tür 19D, 1030 Wien, gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Haftung für Lohnsteuer für die Jahre 2010 bis 2012 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a Bundesabgabenordung, BGBl. Nr. 194/1961 idgF. (BAO) als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Rahmen einer bei der beschwerdeführenden Gesellschaft (Bf.) durchgeführten Gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) der Jahre 2010 bis 2012 wurde unter anderem festgestellt, dass vier Mitarbeiter Gefahrenzulagen in Höhe von 360 Euro pro Monat steuerfrei erhalten hätten. Es sei zwar unbestritten, dass die Tätigkeit dieser Arbeitnehmer eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit mit sich bringe, jedoch seien diese Zulagen ihrer Höhe nach nicht angemessen. Es sei daher nur ein dem Ausmaß der Gefährdung entsprechender Teil der Zulage von 10% des Gehaltes als steuerfreie Gefahrenzulage anzuerkennen.
Im Zuge der GPLA gab der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. (gegenüber der Prüferin von der [Krankenkasse]) mit Schriftsatz vom unter Berufung auf seine Vollmacht und unter Hinweis auf die damit verbundene Zustellvollmacht eine den angeführten Feststellungen widersprechende Stellungnahme ab.
Das Finanzamt erließ in der Folge den Feststellungen der GPLA entsprechende als Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer für die Jahre 2010 bis 2012 intendierte Erledigungen, die sie per FinanzOnline in der Databox der Bf. zustellte.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde verwies der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. unter anderem auf den Umstand, dass die angefochtenen Bescheide nicht rechtswirksam zugestellt worden seien.
Die belangte Behörde führte in der Beschwerdevorentscheidung dazu aus, dass ihr keine Zustellungsbevollmächtigung vorgelegt worden sei.
Das Finanzamt legte dem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag entsprechend die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung legte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. die von ihm abgegebene Stellungnahme vom vor.
Die Geschäftsführerin der Bf. erklärte, nachdem die Bescheide an die Bf. in ihre Databox zugestellt worden seien, hätte sie diese ausgedruckt und an den rechtsfreundlichen Vertreter gemailt.
Des weiteren legte der steuerliche Vertreter der Bf. Fotos über die Labortätigkeit vor. Die Geschäftsführerin der Bf. erklärte dazu, ihre Tätigkeit bestehe in der Analyse von Stoffen, deren Gefährlichkeit von vornherein nicht feststehe. Es würde auf Schwermetalle, Pestizide, Toxine etc. geprüft. Zum Teil würde auch mit Äther oder Chloroform hantiert, was für den jeweiligen Mitarbeiter besonders gefährlich sei. Die besondere Gefährlichkeit ihrer Tätigkeit gehe über das übliche Maß hinaus.
Die Vertreterin des Finanzamtes verwies auf die Aussagen der GPLA-Prüferin.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Einsicht genommen wurde in die von der belangten Behörde übermittelten Verwaltungsakten und die darin abgehefteten Schriftstücke sowie in den vom steuerlichen Vertreter der Bf. vorgelegten Schriftsatz vom .
Es wird von folgendem Verwaltungsgeschehen ausgegangen:
Der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. verwies in seiner Stellungnahme vom gegenüber der (im Dienst der [Krankenkasse] stehenden) Prüferin auf seine die Zustellbevollmächtigung umfassende Vollmacht.
Die als Bescheide intendierten Erledigungen vom betreffend Haftung für Lohnsteuer für 2010 bis 2012 wurden trotz aufrechter Zustellvollmacht persönlich in die Databox der Bf. zugestellt, deren Geschäftsführerin diese per E-Mail an die steuerliche Vertretung weiterleitete.
Die Feststellung des Verwaltungsgeschehens beruht auf den im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen und hinsichtlich der Kenntnisnahme der steuerlichen Vertretung von den als Bescheiden intendierten Erledigungen den nicht anzuzweifelnden, übereinstimmenden Aussagen der Geschäftsführerin und des rechtsfreundlichen Vertreters der Bf.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen, abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen, durch Zustellung.
Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen, soweit in der BAO - für den Beschwerdefall unerheblich - nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Gemäß § 86 Abs. 1 BAO hat das Finanzamt der Betriebsstätte (§ 81 BAO) die Einhaltung aller für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer sowie die für die Erhebung des Dienstgeberbeitrages (§ 41 FLAG) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz 1998) maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu prüfen (Lohnsteuerprüfung). Gemeinsam mit der Lohnsteuerprüfung ist vom Finanzamt auch die Sozialversicherungsprüfung (§ 41a ASVG) und die Kommunalsteuerprüfung (§ 14 KommStG) durchzuführen. Der Prüfungsauftrag ist von jenem Finanzamt zu erteilen, das die Prüfung durchführen wird. Bei der Durchführung der Sozialversicherungsprüfung ist das Prüfungsorgan des Finanzamtes als Organ des sachlich und örtlich zuständigen Krankenversicherungsträgers (§ 23 Abs. 1 und § 41a Abs. 2 ASVG) tätig. Der Krankenversicherungsträger ist von der Prüfung sowie vom Inhalt des Prüfungsberichtes zu verständigen.
Gemäß § 147 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde bei jedem, der zur Führung von Büchern oder von Aufzeichnungen oder zur Zahlung gegen Verrechnung mit der Abgabenbehörde verpflichtet ist, jederzeit alle für die Erhebung von Abgaben bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse prüfen (Außenprüfung).
Zu solchen Außenprüfungen im Sinne des § 147 Abs. 1 BAO gehören auch Lohnsteuerprüfungen nach § 86 Abs. 1 EStG 1988.
§ 86 Abs. 1 EStG 1988 (Lohnsteuerprüfung), § 14 KommStG 1993 (Kommunalsteuerprüfung) und § 41a ASVG (Sozialversicherungsprüfung) enthalten Bestimmungen, die eine gemeinsame Prüfung insbesondere der Lohnsteuer, des Dienstgeberbeitrages, der Kommunalsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge vorsehen.
Prüfungsorgane sind entweder Organe des Finanzamtes oder des Krankenversicherungsträgers. Der Prüfungsauftrag ist vom Finanzamt bzw. vom Krankenversicherungsträger auszustellen.
Der Prüfer oder die Prüferin wird jeweils als Organ der zuständigen Behörde (Finanzamt, Gemeinde, Krankenversicherungsträger) tätig und ist dieser gegenüber weisungsgebunden (vgl. Ritz, BAO6, § 147 Tz 17f).
Es ist unstrittig, dass die rechtsfreundliche Vertretung der Bf. in der Stellungnahme vom auf ihre Vollmacht und die damit verbundene Zustellvollmacht gegenüber der Prüferin hinwies, die in Bezug auf die Haftung für Lohnsteuer als Organ der Abgabenbehörde tätig wurde. Damit verfügte die rechtsfreundliche Vertretung im Zeitpunkt der "Bescheiderlassung" auch gegenüber der Abgabenbehörde über eine aufrechte Zustellvollmacht. Die belangte Behörde hätte daher nach § 9 Abs. 3 Zustellgesetz die rechtsfreundliche Vertretung der Bf. als Empfängerin der angefochtenen "Bescheide" bezeichnen müssen.
Als Empfänger der als Bescheide intendierten Erledigungen wurde jedoch die Bf. selbst bezeichnet. Die genannten Schriftstücke wurden auch nur ihr in ihrer Databox zugestellt. Die mit einer aufrechten Zustellvollmacht ausgestattete rechtsfreundliche Vertretung kam niemals in den Besitz der Originalschriftstücke sondern erhielt lediglich eine per E-Mail übermittelte Ablichtung .
Eine Adressierung und Zustellung einer Erledigung an den Vollmachtgeber, obwohl eine aufrechte Zustellvollmacht besteht, hat die Wirkung, dass die Zustellung rechtsunwirksam ist (vgl. ). Eine Sanierung ist jedoch nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz Zustellgesetz möglich, wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt.
Ein tatsächliches Zukommen setzt voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes gelangt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes z.B. durch Übermittlung einer Ablichtung etwa per Fax oder E-Mail (vgl. Ritz, BAO6, Zustellgesetz § 7 Tz 7, und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Da lediglich Ablichtungen der als Bescheide intendierten Erledigungen vom der als Zustellbevollmächtigten ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertretung der Bf. per E-Mail übermittelt wurden, konnte die in § 9 Abs. 3 zweiter Satz Zustellgesetz vorgesehene Heilungswirkung nicht eintreten. Die "Bescheide" konnten daher mangels rechtswirksamer Zustellung auch keine Rechtswirksamkeit gegenüber der Bf. entfalten.
Mit Beschwerde anfechtbar sind aber nur rechtswirksam ergangene Bescheide. Eine gegen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordene Bescheide gerichtete Bescheidbeschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, § 260 Tz 8).
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Rechtsfolge der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen einen nicht rechtswirksam ergangenen Bescheid bereits aus dem Gesetz ergibt und die Rechtsunwirksamkeit der Zustellung der angefochtenen Bescheide im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt wurde, war mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102493.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at