Innergemeinschaftliche Lieferungen - Vorliegen der materiellen Voraussetzungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den vorsitzenden Richter V, den beisitzenden Richter R und die fachkundigen Laienrichter A. und B., in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für 8/2010, die gemäß § 253 BAO als gegen den Bescheid der belangten Behörde vom betreffend Umsatzsteuer 2010 gerichtet gilt, in der Sitzung am zu Recht:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrenslauf
Bei der Beschwerdeführerin (in der Folge Bf.) fand im Jahr 2011 eine abgabenrechtliche Außenprüfung durch die belangte Behörde statt. Gegenstand der Prüfung war die Umsatzsteuer für den Zeitraum 5/2010 bis 8/2010.
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung und dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom wurde in Tz 1 u.a. zum Punkt "Feststellungen zu den 'innergemeinschaftlichen Lieferungen':" festgehalten, dass für Fahrzeuglieferungen der Bf. im August 2010, insgesamt 14 Stück Volvo Zugmaschinen und 6 Sattelauflieger, jeweils gebraucht, an die Firma D in Deutschland, (Ausgangsrechnungen Nr. 206, 214 und 218) die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 7 UStG 1994) nicht erfüllt seien. Damit sei der in den betroffenen Rechnungen ausgewiesene Betrag von EUR 478.782,74 umsatzsteuerpflichtig mit 20% Umsatzsteuer.
Begründet wurde dies im genannten Bericht im Wesentlichen wie folgt:
Es wurde bei der Betriebsbesichtigung erklärt, dass die Identität sowie die Bevollmächtigung der abholenden Personen zum Zeitpunkt der Abholung nicht festgestellt und aufgezeichnet wurden.
Es erfolgte keine nachweisliche Überprüfung der UID Nummer des deutschen Käufers.
In den vorgelegten Erklärungen über die beabsichtigte innergemeinschaftliche Warenbewegung ist das Bestimmungsland sowie der Bestimmungsort der Waren nicht konkret angegeben.
Es wurden vor der Außenprüfung keine Zusammenfassende Meldungen für den Prüfzeitraum abgegeben. (verspätete Zusammenfassende Meldungen)
Die nachträglich vorgelegten Abholaufträge wurden von Hr. X. unterschrieben.
Der Buchnachweis für die innergemeinschaftliche Lieferung ist nicht gegeben, es wurden die Beträge unter der Kennzahl 015 in den Umsatzsteuervoranmeldungen angeführt.
Es ist auf den Rechnungen kein Vermerk über die Steuerfreiheit vorhanden und es gibt laut Auskunft nur mündliche Kaufverträge.
Mit Bescheid vom 17.5.2011über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 08/2010 wurde der Betrag von EUR 478.782,74 der Umsatzbesteuerung unterzogen und ergab sich in Folge dessen eine Nachforderung von EUR 95.756,55 (20% von 478.782,74).
Mit Schriftsatz vom brachte die Bf. Berufung gegen den Bescheid vom ein und beantragte die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat.
Mit Bescheid vom wurde die Umsatzsteuer für das Jahr 2010 im Sinne des Bescheids vom veranlagt. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen entsprechend der Niederschrift zur Schlussbesprechung vom um EUR 478.782,74 gekürzt und korrespondierend die Umsätze zu 20% erhöht worden seien.
Mit Beschluss vom wurde die belangte Behörde vom Verwaltungsgericht zur Stellungnahme dahingehend aufgefordert, sie möge bekannt geben, welche materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach Art. 7 UStG 1994 ihrer Ansicht nach im konkreten Fall nicht erfüllt seien. Dieser Aufforderung ist die belangte Behörde mit Schreiben vom nachgekommen, wobei im Wesentlichen angeführt wurde, dass aufgrund des Nichterfüllens der formellen Erfordernisse nicht festgestellt werden könne, ob die materiellen Anforderungen der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen erfüllt seien.
Über die Beschwerde wurde erwogen
Verfahrensrechtlich ist zu beachten:
Es wird darauf hingewiesen, dass die am beim unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen offenen Berufungen gemäß § 323 Abs. 38 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2013 vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind.
Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde gemäß § 253 BAO auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.
Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom ist an die Stelle des ursprünglich angefochtenen Umsatzsteuerfeststellungsbescheids für 8/2010 vom getreten. Gemäß § 253 BAO war das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht daher über den Jahresbescheid zu führen (vgl. ).
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Die Bf. lieferte im August 2010 an die Firma D in Deutschland folgende Fahrzeuge:
Rechnung 206 vom , Gesamtbetrag EUR 145.194,25
5 Stk. Volvo Zugmaschinen, gebraucht, Type FH-4x2T-400, jeweils Baujahr 2007 unter Angabe der jeweiligen Fahrgestellnummer
Rechnung 214 vom , Gesamtbetrag EUR 198.750,00
5 Stk. Volvo Zugmaschinen, gebraucht, jeweils Baujahr 2007 unter Angabe der jeweiligen Fahrgestellnummer
5 Stk. Schwarzmüller Sattelauflieger, gebraucht, Baujahr 2005 (1 Stk.) und Baujahr 2006 (4 Stk.) unter Angabe der jeweiligen Fahrgestellnummer
Rechnung 218 vom , Gesamtbetrag EUR 134.838,49
5 Stk. Volvo Zugmaschinen, gebraucht, jeweils Baujahr 2007 unter Angabe der jeweiligen Fahrgestellnummer
1 Stk. Schwarzmüller Sattelauflieger, gebraucht, Baujahr 2006 unter Angabe der Fahrgestellnummer
Diese Gegenstände wurden vom Abnehmer, der Unternehmer ist und diese für sein Unternehmen erworben hat, im Zuge der Lieferung aus Österreich in das übrige Gemeinschaftsgebiet (Deutschland) transportiert.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus den Ausführungen im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom , der Stellungnahme des Betriebsprüfers vom , den streitgegenständlichen Rechnungen (sowie der Rechnung Nr. 230 vom ), der Stellungnahme der Bf. vom , der Kopie der Gewerbeanmeldung des Abnehmers vom , dem Telefax der steuerlichen Vertretung des Abnehmers an die belangte Behörde vom , den Abholaufträgen des Abnehmers vom 15.8., 27.8. und , den von der belangten Behörde jeweils am erstellten Auszügen aus dem Kfz-Zentralregister des BMI hinsichtlich aller veräußerten Fahrzeuge und der Stellungnahme der belangten Behörde vom .
Bereits aus Art und Umfang der Ware kann geschlossen werden, dass die Abnahme der Fahrzeuge für unternehmerische Zwecke erfolgte und wurde dies durch den Abnehmer im genannten Telefax sowie durch Angabe seiner UID-Nummer bestätigt. Zudem ist die Unternehmereigenschaft des Abnehmers aus der Kopie der Gewerbeanmeldung ableitbar.
Dass die Bf. über die streitgegenständlichen Fahrzeuge verfügt hat, ergibt sich insbesondere aus den von der belangten Behörde erstellten Auszügen aus dem Kfz-Zentralregisters des BMI, wonach diese vor der Lieferung jeweils mehrjährig auf die Bf. zugelassen waren. Auch wurden die Fahrzeuge (mit Ausnahme einiger Sattelauflieger) laut diesen Auszügen vor dem Verkauf wieder abgemeldet. Dass die Sattelauflieger bei Verkauf teils noch für einen kurzen Zeitraum auf die Bf. zugelassen waren, erscheint angesichts des dadurch bewirkten einfacheren Transports, nachvollziehbar und begründet beim Verwaltungsgericht keine Zweifel an der erfolgten Lieferung.
Dass der Abnehmer der Bf. die Waren tatsächlich erhalten hat, wurde vom steuerlichen Vertreter des Abnehmers mit Telefax bestätigt. Es gibt keine Anhaltspunkte dahingehend, dass diese Bestätigung nicht den tatsächlichen Umständen entspräche, und es wurden solche auch von der belangten Behörde nicht dargetan. Auch, dass die fraglichen Fahrzeuge in späterer Folge wieder nach Österreich gelangt worden seien (oder hier verblieben wären), ist, zumal eine neuerliche Zulassung der Fahrzeuge in Österreich nach Abmeldung durch die Bf. nicht nachweisbar ist, nicht anzunehmen. Gleiches ergibt sich aus den Abholaufträgen des Abnehmers vom (zu ReNr. 206), (zu ReNr. 214) und (zu ReNr. 218), die zwar laut Datierung erst nach Abholung durch den Abnehmer erstellt worden sind, angesichts des zeitlichen Naheverhältnisses zu den Lieferungen und der dargestellten sonstigen Umstände bzw. Beweismittel aber keine Zweifel am tatsächlichen Warentransport nach Deutschland hervorrufen.
Schließlich hat die belangte Behörde eine Lieferung von 5 gebrauchten Volvo Zugmaschinen und einem Schwarzmüller Sattelauflieger (siehe die im Akt befindliche Rechnung Nr. 230 vom ) der Bf. an den selben Abnehmer aus Deutschland erklärungsgemäß im Jahresbescheid 2010 als innergemeinschaftliche Lieferung veranlagt. Zumal der Sachverhalt dieser Lieferung vom September 2010 mit jenen strittigen aus August 2010 völlig vergleichbar ist, geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die belangte Behörde - jedenfalls für die Lieferung im September 2010 - ebenfalls vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung des Art. 7 UStG 1994 ausgegangen ist. Angesichts der oben dargestellten Beweislage besteht für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung, von anders gelagerten Umständen im August 2010 auszugehen.
Rechtliche Erwägungen
Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 u.a. vor, wenn bei einer Lieferung der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert hat, der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat und der Erwerb des Gegenstandes beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar ist. Nach dem festgestellten Sachverhalt wurden bei den streitgegenständlichen Lieferungen alle genannten Voraussetzungen erfüllt.
Dass die Bf. nicht festgehalten hat, welche konkrete Person das jeweils konkrete Fahrzeug ins übrige Gemeinschaftsgebiet befördert hat, kann im Streitfall nicht zum Verlust der Steuerbefreiung führen. Die in Art. 7 Abs. 4 letzter Satz UStG 1994 normierte Pflicht, wonach der Unternehmer in Abholfällen die Identität des Abholenden festzuhalten hat, tritt nämlich zu den Nachweispflichten betreffend Nachweis der Beförderung oder Verwendung und Buchnachweis hinzu, die Art. 7 Abs. 3 UStG 1994 und die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 dem Unternehmer auferlegen. Es handelt sich dabei um eine nur den Vertrauensschutz betreffende Anordnung (vgl. ). Da das Festhalten der Identität des Abholenden iZm. der im Streitfall nicht anzuwendenden Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 steht, kann dessen Nichteinhaltung nicht zum Wegfall der (hier gegebenen) materiellen Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferungen führen.
An dem Ergebnis, nämlich der Steuerfreiheit der genannten Lieferungen, ändert sich auch nichts durch die von der belangten Behörde aufgezeigten Nachweismängel. Der Nachweis, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vorliegen, ist vom Lieferer nach den Vorgaben der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 zu erbringen. Eine formgerechte, dem Art. 11 UStG entsprechende Rechnung ist keine materielle Voraussetzung der Steuerfreiheit (siehe z.B. Tumpel in Melhardt/Tumpel, UStG2, Art 11, Rz 7), ebenso wenig wie die zeitgerechte (im Streitfall verspätet abgegebene) Zusammenfassende Meldung (vgl. zur verspäteten Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung iZm Dreiecksgeschäften Rn 39).
Den Ausführungen des , Albert Collee, ist zu entnehmen, dass im Bereich der Nachweisführung nicht auf bloß formelle Belange, insbesondere den Zeitpunkt der Nachweiserbringung abzustellen ist. Es ist auch eine spätere Nachweisführung im Abgabenverfahren ausreichend. Entscheidend ist, dass dem liefernden Unternehmer der Nachweis gelingt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen (vgl. ).
Nach dem festgestellten Sachverhalt steht für das Verwaltungsgericht ungeachtet der Nichterfüllung bestimmter Nachweisverpflichtungen, die sich aus der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 ergeben, jedoch fest, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach Art. 7 UStG 1994 tatsächlich erfüllt wurden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall stützt sich die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auf die in diesem Erkenntnis zitierte Rechtsprechung. Es wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist somit nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 6 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102235.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at