Vorsteuererstattung bei Umsätzen mit Übergang der Steuerschuld
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/2101198/2017-RS1 | wie RV/0213-G/10-RS1 Liegen die Voraussetzungen der Vorsteuererstattungsverordnung (BGBl. Nr. 279/1995 idgF) vor, so sind die Vorsteuern nach diesem Verfahren geltend zu machen (insbesondere ist ein rechtzeitiger Erstattungsantrag erforderlich). Dies auch dann, wenn aufgrund von Vorjahresumsätzen das Unternehmen zur Umsatzsteuerveranlagung erfasst ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Umsatzsteuer (Nichtveranlagungsbescheid 2015) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf / Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (BF), ein deutsches Unternehmen, übermittelte am eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2015, welche keine Umsätze, sondern nur Vorsteuern auswies.
Daraufhin erfolgte am (versehentlich falsch datiert mit 13.02.2017) ein Feststellungsbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt, in dem ausgeführt wurde, dass eine Veranlagung für das Jahr 2015 mangels an Umsätzen nicht erfolgen könne. Die Vorsteuern seien aufgrund der zwingend anzuwendenden Erstattungsverordnung (§ 1 VO BGBl. 279/1995) im Vorsteuererstattungsverfahren zu beantragen.
Rechtzeitig wurde am Beschwerde erhoben und auf die Begründung zum Vorlageantrag vom das Jahr 2014 betreffend verwiesen und gleichzeitig auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet.
In der Begründung des österreichischen Vertreters der BF in der Ergänzung vom wurde ausgeführt:
"In Ergänzung zur Beschwerde vom konnten von der deutschen Steuerberatungskanzlei und der BF keine weiteren Angaben mehr gemacht werden.
Somit kommt es für die BF zu einer für sie unbilligen und harten Rechtslage, die es der BF sehr schwierig macht, die Gesetzeslage in Österreich zwischen der Gesetzesbestimmung (§ 21 Abs. 4 und Abs. 8 UStG) und der Rechtsverordnung (VO zu § 21 Abs. 9 Vorsteuern, BGBl II 2014/158) richtig auszulegen.
Die BF hatte in den Vorjahren die Vorsteuer, die für die Zulieferanten auf der österreichischen Baustelle notwendig waren, im Vorsteuerrückvergütungsverfahren beantragt.
Dabei hat es sich um geringe Mehrwertsteuerbeträge gehandelt, die aus Rechnungen für Kleinmaterial bestanden, die der BF für den aus Deutschland nach Österreich entsandten Monteur für Rolltreppenreparaturen entstanden sind. In den Jahren 2012 und 2013 hat die BF aber erstmals Umsätze geringen Ausmaßes in Österreich getätigt, mit denen sie in Österreich steuerpflichtig wurde, und hat auch dafür die 20 % österreichische Umsatzsteuer an das Finanzamt Graz-Stadt im Veranlagungsweg abgeführt. Daneben sind auch Bauleistungen durch Reparatur von Rolltreppen sowie in früheren Jahren ausgeführt worden und wurde die Vorsteuer dafür mit der notwendigen Veranlagung geltend gemacht.
Die gleiche Konstellation wie 2012 und 2013 war dann auch im Jahr 2014 gegeben. Allerdings ist im Jahr 2014 kein in Österreich steuerpflichtig werdender Umsatz angefallen und wurde die Geltendmachung der Vorsteuer aus Zulieferungen in Österreich für Bauleistungen im Wege der Veranlagung auf Antrag geltend gemacht nach § 21 Abs. 4 UStG.
Der Umstand, dass der BF 2014 wiederum nur ein Vorsteuerrückvergütungsverfahren nach der Verordnung (BGBl II 2014/158) offen stehen würde, ist für sie unverständlich und unbillig, weil sie in Österreich, mangels einer in Österreich steuerpflichtigen Lieferung, auch nicht mehr mit einer Antragsveranlagung zu ihrem Vorsteuerguthaben kommen kann.
Die ausschließliche Anwendung der Rechtsverordnung 2014/158 gewährleistet hier nicht die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und ist somit unbillig und ein ausgesprochener Härtefall, wenn sich eine als Vereinfachung gedachte Verordnungsregelung gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen zu einem ausgesprochenen Nachteil auswächst. Um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellen zu können, ist der § 21 Abs. 4 UStG über die Verordnung zu stellen und müssen die Vereinfachungsgründe nach § 21 Abs. 8 UStG wohl in den Hintergrund treten können.
Es wird daher neuerlich der Antrag gestellt, ein Veranlagungsverfahren auf Antrag des Steuerpflichtigen für das Jahr nach § 21 Abs. 4 UStG durchzuführen, um der Steuergerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen."
Unter Hinweis auf die fehlenden Inlandsumsätze und die anzuwendende Erstattungsverordnung beantragte das Finanzamt im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde.
Aus der Aktenlage und dem Vorbringen der BF ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die BF hatte im Jahr 2012 und 2013 steuerpflichtige Umsätze in Österreich, die im Umsatzsteuerveranlagungsverfahren zu erklären waren.
Im Jahr 2014 und 2015 wurden von der BF in Österreich lediglich Umsätze erbracht, für die nach § 19 Abs. 1 UStG 1994 die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger überging.
Die im Zusammenhang mit den Umsätzen des Jahres 2015 angefallenen Vorsteuern wurden im Veranlagungsverfahren beantragt, vom Finanzamt jedoch im Veranlagungsverfahren nicht gewährt und festgestellt, dass aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen das Vorsteuererstattungsverfahren zwingend anzuwenden sei, für welches die Antragsfrist (30.9. des Folgejahres, das ist 2016) allerdings schon abgelaufen ist.
Rechtslage / Erwägungen
Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Verfahren, ob die von der BF beantragten Vorsteuern trotz Nichtvorliegens von Inlandsumsätzen bzw. nur solchen, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht, im Veranlagungsverfahren gewährt werden können.
Nach § 17 AVOG ist das Finanzamt Graz-Stadt für die Erhebung der Umsatzsteuer der BF zuständig, da diese ihr Unternehmen vom Ausland aus betreibt und im Inland über keine Betriebsstätte verfügt.
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend vom § 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 sowie den §§ 12 und 20 UStG 1994 regeln.
In der hierzu ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014 ("Erstattungsverordnung"), wurde "ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen". Schon aus dem Titel dieser Verordnung ergibt sich, dass mit dieser aufgrund der Ermächtigung des § 21 Abs. 9 UStG 1994 ein eigenes, somit ein anderes Verfahren als die im § 21 Abs. 1 UStG 1994 normierte Veranlagung der Umsatzsteuer vorgesehen ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) ....
ausgeführt hat.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.
§ 3 (Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer) Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Aufforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.
Da die BF im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (und in den Folgejahren) keine Umsätze in Österreich erzielte, bzw. nur solche, für welche die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergegangen ist (sogenanntes Reverse-Charge-System), ist die Vorsteuer zwingend in einem eigenen Verfahren, dem Erstattungsverfahren (unter Beachtung der Frist des § 3 Abs. 1 2. Satz der VO BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014 - 30. September des Folgejahres - und der übrigen Voraussetzungen der Verordnung) zu beantragen. Das Umsatzsteuerveranlagungsverfahren kommt hier nicht zur Anwendung (§ 21 Abs. 9 UStG 1994); vgl. und .
Liegen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 3 der Erstattungsverordnung, BGBl. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, lediglich Umsätze vor, bei denen die Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht - sogenannte RCS-Umsätze, ist zwingend das Erstattungsverfahren anzuwenden, vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 19 Tz 40.
Seit können somit in allen Fällen, in denen ausländische Unternehmer (lediglich) sonstige Leistungen oder Werklieferungen (einschließlich Bauleistungen) im Inland erbringen, die Vorsteuern nur im Wege des Erstattungsverfahrens (unter Einhaltung der dort vorgesehenen Fristen und formalen Antragsvoraussetzungen) geltend gemacht werden (Ruppe/Achatz, UStG5, § 19 Tz 40).
Spätestens mit Ende des Jahres 2015 war der BF bekannt, dass in Österreich keine sonstigen Umsätze erzielt worden sind, und sie hätte neun Monate Zeit für die rechtzeitige Beantragung der Vorsteuerbeträge im Erstattungsverfahren gehabt.
Auch die Tatsache, dass in einigen der Vorjahre Inlandsumsätze erzielt wurden, vermag die durch die Erstattungsverordnung vorgegebenen Voraussetzungen nicht zu beseitigen und das Erstattungsverfahren durch das Veranlagungsverfahren zu verdrängen.
Selbst wenn die BF in einigen der Vorjahre die Voraussetzungen für die Anwendung des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens erfüllt hat, ist dies für das beschwerdegegenständliche Jahr 2014 nicht relevant, da für die Umsatzsteuerveranlagung gemäß § 20 Abs. 1 UStG 1994 der Veranlagungszeitraum, und das ist grundsätzlich das jeweilige Kalenderjahr, maßgebend ist.
Die Rechtslage zur Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ist insofern eindeutig und unmissverständlich und beruhen die in der Erstattungsverordnung festgelegten Voraussetzungen im Übrigen auf der Richtlinie des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige und ist diese innerhalb des Gemeinschaftsgebietes für alle Unternehmen in gleicher Weise umgesetzt.
Österreich hat diese Richtlinienbestimmungen unionsrechtskonform mit der Erstattungsverordnung, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, umgesetzt.
Ein Wahlrecht auf das Veranlagungsverfahren ist den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen, die Verordnungsbestimmung verdrängt als lex specialis die allgemeinen Bestimmungen zur Veranlagung.
Da Vorsteuerbeträge bei Vorliegen der Voraussetzungen der Erstattungsverordnung nicht im Zuge des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens gewährt werden können, war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen im beschwerdegegenständlichen Fall nicht vor, die zwingende Anwendung des Erstattungsverfahrens ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 19 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 17 AVOG, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 18/1975 § 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 § 20 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Menheere in SWK 13-14/2021, 765 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.2101198.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at