Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.05.2018, RV/7104050/2017

Ständiger Aufenthalt - Mittelpunkt der Lebensinteressen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a CP in der Beschwerdesache Bf., Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für das Kind H., geb. yx, betreffend den Zeitraum 08/2013 bis 09/2016 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der Bescheid wird soweit er die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum August 2013 bis November 2013 betrifft aufgehoben. Für August bis November 2013 stehen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu.
Auf die Berechnung im Beiblatt zur Beschwerdevorentscheidung vom sei verwiesen.

Hinsichtlich der Monate Dezember 2013 bis September 2016 bleibt der Bescheid unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Aktenlage:

Die Beschwerdeführerin (Bf.), österreichische Staatsbürgerin, bezog für ihren Sohn H., österreichischer Staatsbürger, von August 2013 bis September 2016 erhöhte Familienbeihilfe.

Mit Schreiben vom teilte der Magistrat der Stadt Wien dem Finanzamt (FA) mit, dass H. das verpflichtende Kindergartenjahr nicht besucht. Erhebungen der MA 11 ergaben, dass an der Adresse S. die Großmutter von H. lebe. Diese gab an, dass sich ihr Enkel, gemeinsam mit seinen Eltern, in Ägypten aufhalte. Ab dem Schuljahr 2016/17 werde er sich wieder ständig in Wien aufhalten.

Aktenkundig ist ein E-Mail der Bf. vom  an den Stadtschulrat Wien. Darin teilt sie mit, dass H. in Ägypten einen Kindergarten besuche und man nicht wisse, wann die Familie nach Wien übersiedeln werde.

Am beantragte die Bf. die erhöhte Familienbeihilfe für H. ab 10/2016, weil er an Autismus leide.
Dem Zentralen Melderegister ist zu entnehmen, dass die Bf. und H. mit ihren Hauptwohnsitzen in der S., dem Wohnsitz der Mutter der Bf., J., seit gemeldet sind.

Die Bf. brachte am ö in Ägypten Tochter N zur Welt. Die Bf., H. sowie das Kind N sind laut dem Schreiben der Wiener Gebietskrankenkasse vom bei J., mitversichert.

Am erging ein Ergänzungsersuchen, mit der Aufforderung Nachweise über die Zeit in Ägypten, Kopien der Reisepässe, Schulbestätigungen, Kindergartenbestätigungen, Impfbestätigungen dgl., beizubringen.

Die Mutter der Bf., J., gab bekannt, dass ihre Tochter Bf. am nach Ägypten geflogen sei; sie habe H. von der Schule abgemeldet. Ihre Tochter lebe nun in Kairo.

Mit Rückforderungsbescheid vom forderte das FA die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag (KG) für den Zeitraum 08/2013 - 09/2016 in Höhe von € 12.344,10 zurück. Unter Bezugnahme auf die §§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, 33 Abs. 3 EStG 1988, 25 und 2 Abs. 8 FLAG 1967, begründete das FA die Rückforderung damit, dass weder sie noch das Kind H. sich ständig in Österreich aufhielten, sondern in Ägypten lebten.

Per Telefax langte am nachfolgende Beschwerde ein:

Beschwerde wegen der Rückzahlung der Familienbeihilfe
„Sehr geehrte/r Frau/ Herr!

Mein Name ist Bf. und meine Sozial(versicherungs)nummer ist q. Ich habe eine Buchungsmitteilung Nr 1/ 2016 vom Finanzamt bekommen, in dem steht, dass ich die Familienbeihilfe zurückzahlen soll, weil mein Sohn nicht die ganze Zeit in Wien war. Ich muss Ihnen Folgendes mitteilen:

1. Ich bin eine Österreicherin aber ich hatte im Ausland gelebt und bin nach Österreich gekommen, weil mein Sohn autistisch ist und nur deutsch gesprochen hat und er konnte nicht in Ägypten auf einer deutschen Schule aufgenommen werden.

2. Die Psychologin hat uns von der Familienbeihilfe gesagt, damit wir private Therapien Stunden bezahlen können. Und das hatten wir auch gemacht. Und mein Sohn ist in Institut K von September 2013 bis Dezember 2013 gewesen. Wir waren nicht mit Institut K zufrieden, weil mein Sohn mit noch mehr behinderten Kindern war und er bräuchte zurzeit einen Integrationskindergarten, aber es gab keinen Platz für 2013/2014. Mitte November hatte er auch noch eine Impfung in A bekommen, die ihn ganz geschädigt hat und er hat aufgehört zu sprechen und die Ärztin sagte mir, sie kann nichts dagegen tun. Daraufhin wegen dem schlechten Kindergarten und der Impfung bin ich zurück nach Ägypten geflogen, wo ich ihn dann zu verschiedenen Ärzten gebracht habe und private Therapien beantragt habe und ich hatte ihn in einen Kindergarten gegeben und einer Bezugsperson, die ihn begleitet hat, bezahlt. Ich kann Ihnen in einem anderen Fax die Rechnungen schicken.

Ich habe geglaubt, dass mein Sohn dieses Geld bekommt, weil er Österreicher ist und weil er autistisch ist und weil er in Wien angemeldet wird. Niemand hat mir gesagt dass die Voraussetzung für das Geld ist, dass er in Wien immer sein muss! Und wir sind im Sommer 2014, von Mai bis Juli, in Wien gewesen. Er hatte dann einen Platz im Integrationskindergarten bekommen, aber ich war zu dieser Zeit schwanger und konnte nicht ohne meinen Mann in Wien bleiben. Und das Jahr nachher hatte der Pass meiner neugeborenen Tochter lange gedauert bis er erstellt wurde und in 2016 sind wir nach Wien gekommen und mein Sohn ging in die Vorschule.

Wir haben ihn zwar jetzt abgemeldet, weil wir mit der Schule nicht zufrieden sind. Die Schule hat nicht gut auf ihn aufgepasst und er war verloren gegangen und Gott sei Dank hat ihn die Polizei dann gefunden. Mein Mann hat daraufhin einen Unfall in Ägypten gehabt und deswegen haben wir ihn von der Schule abgemeldet und ihn dann in eine Schule mit Bezugsperson in Ägypten untergebracht, was wir auch bezahlen. Wir sind ehrliche Menschen und haben nie eine Situation ausgenutzt. Ich habe geglaubt, dass das Geld für mein Sohn bezahlt wird, weil er Österreicher und autistisch ist und dass dies eine finanzielle Hilfe ist, weil Therapien viel Geld kosten. Dass wir das zurückzahlen sollen, sehe ich wirklich nicht ein, weil wir wirklich Familienbeihilfe und sogar noch mehr für H. Therapien, Kindergarten und Schule bezahlt haben! Ich kann Ihnen versichern, wenn wir dieses Geld nicht benötigten, hätten wir es nicht von Anfang an beantragt.

Ich hoffe Sie verstehen unsere Lage und dass wir dieses Geld für H. Therapien ausgegeben haben. Wir haben das Geld nicht, um es zurückzubezahlen und wir wissen nicht was wir tun sollen. Ich hoffe, sie können unsere Lage verstehen und dass es ein Irrtum gewesen ist. Ich warte auf ihrer Antwort.
Bitte antworten Sie mir per E-Mail.“

Mit Ergänzungsersuchen vom 29.12.206 teilte das FA der Bf. mit,
- dass eine E-Mail-Kommunikation mit den Finanzämtern nicht vorgesehen ist,
- dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe im Familienlastenausgleichsgesetz geregelt seien,
- dass lt. Beschwerde ihr ständiger Aufenthalt sowie der der Kinder in Ägypten bestätigt worden sei,
- dass Unterlagen hinsichtlich des ständigen Aufenthaltes von H. in Österreich der Beschwerde nicht beigelegt waren,
- dass diesbezügliche Nachweise (Reisepass mit Ein- und Ausreisestempel, Kindergartenbestätigung, Bestätigung über Schulbesuch von – bis) fehlten;
- dass die Adresse in Ägypten bekanntzugeben sei;
- dass auch die Möglichkeit bestehe, die Beschwerde zurückzuziehen.

Mit übermittelte die Mutter der Bf. nachfolgende Bestätigungen für H. für die Zeit von bis .

  • Zahlungsanweisungen für das Therapieinstitut K für 12/13, 1/14, 2/14, 3/14 samt Kontoblatt;

  • Zahlungsanweisungen und Honorarnoten für Mag. Kr. für Sitzungen am 31.10., 14.10., und ;

  • Honorarnote Mag. St. vom für eine klinisch-psychologische Beratung;

  • Psychologischen Befund Mag. D. von 08/2013;

  • Kurzbericht des Wilhelminenspitals vom ;

  • Betreuungsvertrag mit der „Lern- und Spielgruppe H. vom ;

  • Betreuungsvereinbarung (Aufnahmegespräch) für den Besuch des Kindergartens Wien AW, datiert mit .

Die Bf. übermittelte am 09./ nachfolgenden Schriftsatz:
Mein Name ist Bf. und meine Sozial(versicherungs)nummer ist q und die von meinem Sohn H. c.
Ich habe eine Buchungsmitteilung Nr 1/ 2016 vom Finanzamt bekommen, in dem steht, dass ich die Familienbeihilfe zurückzahlen soll, weil mein Sohn nicht die ganze Zeit in Wien war. Ich hatte das Finanzamt angerufen und gefragt, warum ich das Geld zurückzahlen soll und bekam die Antwort, weil er die ganze Zeit nicht in Österreich war.

Ich muss Ihnen versichern, dass ich wirklich nicht wusste, dass ein dauerhafter Aufenthalt ein Muss ist für die finanzielle Unterstützung (ist). Ich hatte im Ausland gelebt und kam erst in 2013 nach Österreich, weil mein Sohn autistisch ist und zurzeit Hilfe brauchte und die Psychologin hat uns über die finanzielle Unterstützung gesagt. Die finanzielle Unterstützung haben wir in Österreich und in Ägypten aufgebraucht, von Therapien, private Kindergarten und Bezugspersonen.

Ich hatte geglaubt, dass die Voraussetzung für Familienbeihilfe (sei), dass das Kind (die) österreichische Staatsbürgerschaft hat und dass es angemeldet ist. Wir wissen nicht was wir tun können, weil wir wirklich nicht die Finanzen haben, um es zurückzubezahlen.

Ich bin zurzeit nicht in Wien und kann deswegen nicht zum Finanzamt kommen, um die Situation zu erklären, aber ich habe ihnen die Wahrheit gesagt. Bitte kontaktieren Sie mich entweder per E-Mail auf amirafi2110@yahoo.com oder per Fax an n.“

Handschriftlich wurde ergänzt, dass H. im September 2016 in der Schule in der L war. Als Adresse wurde Kairo Adresse Ägypten angegeben.

Beigelegt wurden Elterninformationen über einen Schulausflug und eine Einladung zum Elternabend am .

Über Anfrage des FA gab der Stadtschulrat Wien bekannt, dass H. vom 07.09. bis die Schule in der L besuchte. H. wurde am von der Schule abgemeldet.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das FA der Beschwerde hinsichtlich des Zeitraumes 08/2013 bis 11/2013 statt, hinsichtlich des Zeitraumes 12/2013 bis 09/2016 wies das FA die Beschwerde ab. Der Rückforderungsbetrag (FB und KAB) betrug nunmehr € 11.106,50.
Zur Begründung wurde auf die §§ 2 Abs. 8 und 5 Abs. 3 und 26 Abs. 1 FLAG 1967 verwiesen. Im Einzelnen wurde ausgeführt:

„Sie sind als österreichische Staatsbürgerin in Ägypten geboren und verheiratet. Sie haben einen Wohnsitz in Ägypten. Ihr Ehemann ist in Ägypten erwerbstätig. Ihre beiden Kinder sind in Ägypten geboren, H. am yx und N am ö. Sie haben in Österreich lediglich eine Meldeadresse bei Ihrer Mutter seit . Die polizeiliche Meldung in der Wohnung einer nahen Angehörigen reicht nicht aus, um einen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland zu belegen. Sie verfügen über keine eigene Wohnung in Österreich.

Laut Ihren Angaben in der Beschwerde haben Sie bis 2013 im Ausland gelebt, waren von August 2013 - November 2013 gemeinsam mit Ihrem Sohn H. in Österreich und sind dann wieder nach Ägypten zurückgekehrt. Es wird davon ausgegangen, dass Sie für diesen Zeitraum Ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich verlagert haben und daher konnte für diesen Zeitraum Ihrer Beschwerde stattgegeben werden.

Seit Ihrer Rückreise nach Ägypten im November 2013 liegen der Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen und Ihr ständiger Aufenthalt wieder in Ägypten. H. besuchte einen Kindergarten in Ägypten, 2015 wurde ihre Tochter N in Ägypten geboren. Im Jahr 2014 waren Sie lediglich für Besuche in Österreich. Im Herbst 2016 besuchte H. kurz, nämlich vom 7.9. - eine Schule in Österreich. Weitere Nachweise für einen ständigen Aufenthalt von Ihnen und H. im strittigen Zeitraum ‚ wie z.B. die Reisepassstempel, wurde von Ihnen trotz schriftlichem Ergänzungsersuchen vom nicht erbracht. Es ist daher davon auszugehen, dass sich Ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen und Ihr ständiger Aufenthalt seit November 2013 wieder im Ausland befindet. Es besteht daher für Sie ab Dezember 2013 kein Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich aufgrund Ihres Mittelpunktes der Lebensinteressen und des ständigen Aufenthaltes der Kinder in Ägypten.“

Am brachte die Bf. den Vorlageantrag ein. Die Bf. führte aus:
Ich habe den Brief bekommen und gelesen, dass ihr nicht einseht, dass wir Ende 2013 nach Ägypten zurück mussten, als mein Sohn nach der Impfung in Wien sprachlos war und wir ihn in eine intensive Sprachförderung geben mussten, was wir in Wien nicht leisten hätten können und wir diese Förderung in Ägypten mit Hilfe der Familienbeihilfe finanziert haben. Und nachdem mein Sohn wieder zum Sprechen angefangen hatte, wollten wir wieder nach Wien und hatten einen Kindergartenplatz im AW Kindergarten. Das ist der Beweis, dass wir in Wien leben wollten! Aber dann wurde ich schwanger und wegen meiner komplizierten Schwangerschaft konnten wir nicht nach Wien kommen. Dann hatte H. einen Platz, was wir auch ersucht haben, in Vorschule bekommen und wir sind nach Wien gekommen und wollten dort in Wien leben und ich bin auch zum Arbeitsamt gegangen, um eine Arbeit zu finden. Also wollten wir unseren Mittelpunkt die ganze Zeit in Österreich haben und nicht in Ägypten. Und weil wir auch noch weiter Geld für H. Therapie bezahlen müssen, sonst verschlechtert sich sein Zustand.  Können Sie uns bitte sagen, was wir für Möglichkeiten haben? Und was ist der zusätzliche Kinderabsetzbetrag? Ich hoffe, ich habe Ihnen unsere Situation schildern können und warte auf Ihre Antwort.“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Als erwiesen angenommener Sachverhalt:

Im gegenständlichen Fall ist nach den Erhebungen des FA und den Angaben der Bf. von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Bf. und H. sind österreichische Staatsbürger. Sie wohnen gemeinsam mit dem Gatten bzw. Kindesvater, AWA, in Kairo. In Österreich besitzt die Bf. keine Wohnung. Während der Österreichaufenthalte hielten sich die Bf. und H. in der Wohnung der Mutter, J., auf. Sie waren in der S., behördlich gemeldet.

Der Ehegatte der Bf. ist ägyptischer Staatsbürger, wohnt und arbeitet in Ägypten. Die Familie hat in Kairo, Street 208, Nr. 11, Maadi-Degla ihren Wohnsitz.

In Österreich hielt sich die Bf. von 08 – 11/2013 auf. Während dieser Zeit begleitete sie H. zu zahlreichen Ärzten und Therapiestunden.

Von 08/2013 bis 01/2014 war die Bf. arbeitssuchend gemeldet. Sie hat zwei Termine im August 2013 und einen Termin im November 2013 beim AMS wahrgenommen, im Jänner 2014 erschien sie nicht mehr beim AMS. Einkünfte erzielte die Bf. nicht in Österreich.

Folgeprobleme aufgrund einer Impfung bei H., veranlassten die Bf. im November 2013 zur Rückkehr nach Ägypten.

Im Jahr 2014 hielt sich die Bf. von Mai bis Juli in Österreich auf, um für H. einen Integrationskindergartenplatz zu finden. Sie kehrte aufgrund einer Schwangerschaft nach Kairo zurück. Am ö gebar die Bf. in Kairo das Kind N.

H. besuchte 2016 in Ägypten einen Kindergarten. Von 07.09. bis besuchte H. das Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik in der L. Wien. Am meldet die Großmutter H. von der Sonderschule ab. Wochen vorher hielt er sich bereits in Ägypten auf.

Die Bf., H. und die im v 2015 geborene N waren bei der Mutter der Bf., J., mitversichert.

Schulbesuchsbestätigungen, Reise- oder Impfpässe wurden trotz Aufforderung dem FA nicht vorgelegt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Nach § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,
b)….

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Eine Person kann nach der geltenden Rechtsprechung zwar mehrere Wohnsitze haben, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG (vgl. ; ).

Die polizeiliche Ab- und Anmeldung (§ 1 Abs. 1 MeldeG) ist dabei nicht entscheidend () und kann lediglich ein Indiz darstellen bzw. in Zweifelsfällen einen Begründungsanhalt bieten ().

Zunächst stellen die auf die einzelnen Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten ein bedeutsames quantitatives Kriterium dar, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person besteht ().

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt die Führung eines gemeinsamen Haushaltes voraus ().

Die der Lebensgestaltung dienenden wirtschaftlichen Beziehungen treten diesfalls hinter diese persönlichen Bindungen eindeutig zurück, weil ihnen in der Regel eine geringere Bedeutung als den persönlichen Beziehungen zukommt (; vgl. zu vor: Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, Rz. 14 ff. zu § 2).

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Bei der Frage des "ständigen Aufenthaltes" iSd § 5 Abs. 3 FLAG geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. ; ; ; ).

Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des "Mittelpunktes der Lebensinteressen" abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. ).

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Bei der Frage des "ständigen Aufenthaltes" iSd § 5 Abs. 3 FLAG geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. ; ; ).

Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des "Mittelpunktes der Lebensinteressen" abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. ).

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

3. Erwägungen:

Zu klären ist im vorliegenden Fall, ob sich H. im beschwerderelevanten Zeitraum (08/2013 – 09/2016) ständig im Ausland aufhielt bzw. ob die Bf. und H. den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet hatten.

Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen, insbesondere aufgrund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, an ein bestimmtes Land binden. Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person wird regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein. Diese Annahme setzt allerdings im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus (vgl. , mit weiteren Hinweisen).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt (z.B. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 16 mit Hinweis auf ).

Bei Klärung der Fragen, ob und wie lange die Bf. einen Wohnsitz und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich hat bzw. gehabt hat, hat sich das Bundesfinanzgericht nach dem in § 167 Abs. 2 BAO verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung – zwar ohne an formale Regeln gebunden zu sein, aber unter Wahrung aller Verfahrensgrundsätze (ordnungsgemäß und vollständig durchgeführtes Ermittlungsverfahren, Parteiengehör) – Klarheit über den maßgebenden Sachverhalt zu verschaffen. Dabei ist unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Von mehreren Möglichkeiten ist jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Diese Beweiswürdigung muss den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (, , ).

Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben. Diese Annahme setzt allerdings im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus (, , ).

Von ausschlaggebender Bedeutung ist somit bei verheirateten Personen mit gemeinsamer Haushaltsführung der Familienwohnsitz. (Vgl. , ).

Nach den dargelegten gesetzlichen Bestimmungen und der hiezu ergangenen Judikatur, ist – weil aufgrund der nachgewiesenen Therapie- und Arztbesuche die körperliche Anwesenheit des Sohnes und der Bf. im Zeitraum 08 – 11/2013 feststeht - der „gewöhnliche Aufenthalt“ iSd § 26 Abs. 2 BAO von H. in Österreich gegeben.

Anders ist die Situation ab 12/2013:

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht für ein Kind, das sich ständig im Ausland aufhält, kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Die Bf. war mit H. zurück nach Kairo gereist, sie hielten sich demnach nicht mehr im Bundesgebiet auf.

In Kairo befindet sich der gemeinsame Familienwohnsitz mit dem Ehegatten. In Kairo wird der gemeinsame Haushalt geführt, der Ehegatte ist in Kairo erwerbstätig. 2015 kommt das gemeinsame Kind N zur Welt. H. besuchte in Kairo einen Kindergarten. Der Aufenthalt in Österreich, zwischen Mai und Juli 2014, diente der Suche eines Kindergartenplatzes. Die kurzfristige Anwesenheit von H. von 07. September bis in Österreich und der Versuch ihn im Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik zu integrieren, sind lediglich als vorübergehendes Verweilen in Österreich zu qualifizieren, die einen ständigen Aufenthalt in Österreich nicht begründen.

Hinzu kommt, dass aufgrund der obigen Umstände als Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. infolge der engsten persönlichen Beziehungen der Wohnort in Ägypten anzusehen ist, also der Ort, wo sie sich – laut eigenen Angaben in Übereinstimmung mit den durchgeführten Erhebungen – zusammen mit ihrer Familie regelmäßig und im gemeinsamen Haushalt aufgehalten hat.

Daran vermögen weder die vorübergehenden Aufenthalte in Österreich noch der an der Adresse der Mutter der Bf. angemeldete Hauptwohnsitz etwas zu ändern, das nach oben dargelegter Judikatur einer solchen Meldung lediglich Indizwirkung zukommen und es dagegen – trotz mehrerer Wohnsitze – nur einen (einzigen) Mittelpunkt der Lebensinteressen geben kann. Bei diesem ist aber maßgebend auf die engsten persönlichen Beziehungen am regelmäßigen Aufenthaltsort der Familie abzustellen.

Aus diesem Grund steht für den in Streit gezogenen Rückforderungszeitraum auch gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 der Anspruch auf Familienbeihilfe nicht zu, weil der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. nicht in Österreich gelegen war.

Mit den Vorbringen der Bf., dass die intensiven Sprachförderungen für H. in Wien nicht leistbar gewesen wären und dass sie diese Sprachförderungen in Ägypten mithilfe der österreichischen Familienbeihilfe finanziert hätte, untermauert die Bf. selbst, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Ägypten war.

Die Bf. ist der irrigen Ansicht, dass die österreichische Staatsbürgerschaft, die behördliche Wohnsitzmeldung in Österreich, die Krankheit des Sohnes und ihr „Wollen“ den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich zu begründen, ausreichen, um einen österreichischen Anspruch auf Familienbeihilfe zu haben. Dies ist keineswegs – wie oben dargelegt – der Fall. Insbesondere sei darauf verwiesen, dass im Beschwerdefall die österreichische Staatsbürgerschaft als Voraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe nicht in Betracht kommt (vgl. § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967).

Das Vorbringen der Bf., dass sie nicht wusste, dass ein dauerhafter Aufenthalt in Österreich ein „Muss“ für die Gewährung der Familienbeihilfe sei, geht angesichts der klaren gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ins Leere.

§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. ). Aus diesem Grunde sind die Motive der Bf., warum schließlich doch der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in Österreich begründet wurde, unerheblich.

Mit dem Familienbeihilfenanspruch verbunden ist der Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs. 3 EStG 1988). Gemäß § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag näher angeführter Höhe monatlich zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden. Der Kinderabsetzbetrag war ebenfalls rückzufordern.

Die Bf. hat – bis auf den Zeitraum 08 – 11/2013 - die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen. Daher sind die ausbezahlten Beträge nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 bzw. § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückzufordern und konnte der Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid nur für die Monate 08 – 11/2013 ein Erfolg beschieden sein. Im Übrigen wird auf die Neuberechnung im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist daher nicht zulässig. Soweit Rechtsfragen zu beurteilen waren, folgt das Gericht in seiner Entscheidung einer existierenden, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.  

Klagenfurt am Wörthersee, am

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