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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.04.2018, RV/7500104/2018

Aufhebung einer Vollstreckungsverfügung, weil Titelbescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden ist

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500104/2018-RS1
Ein Titelbescheid wird gegenüber der Partei durch Zustellung rechtswirksam. Eine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung iSd § 17 ZustG setzt u.a. voraus, dass die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen nach Hinterlegung zur Abholung bereit gehalten wird (; 9ObA 120/07y). Daher liegt keine Zustellung vor, wenn die Post das Schriftstück vor Ablauf der Abholfrist an die Behörde retourniert (UVS Steiermark , 30.17-24/2000).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin xyz über die Beschwerde des Bf. gegen die Vollstreckungsverfügung des Magistrat es der Stadt Wien MA 65 vom , Zahlungsreferenz xxx , betreffend Zwangsvollstreckung der mit Erkenntnis vom , GZ MA 67-PA- yyy verhängten Geldstrafe sowie des damit vorgeschriebenen Betrages zu den Kosten des Strafverfahrens zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Vollstreckungsverfügung wird aufgehoben.

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem, im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten, Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer (Bf.) angelastet, mit dem mehrspurigen Fahrzeug, behördliches Kennzeichen: W-zzz, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung begangen zu haben, indem er dieses Fahrzeug mit dem am , ohne es mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben, in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien 3., gegenüber aaa, abgestellt hat. Die Parkometerabgabe sei daher fahrlässig verkürzt worden .

Gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. eine Geldstrafe von 61 €, im Falle der Uneinbringlichkeit 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und ihm gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz ein Kostenbeitrag von 10 € auferlegt.

Ermittlungen des BFG ergaben, dass dieses Straferkenntnis,nach einem erfolglosen Zustellversuch an der Abgabestelle des Bf. in bbb am , beim zuständigen Postamt hinterlegt und ab zur Abholung bereit gehalten worden. Am wurde dieses Erkenntnis an die MA 67 mit dem Vermerk "nicht behoben" retourniert.

Mit der, im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten, Vollstreckungsverfügung vom , mit der Zusatzinformation: "Die rechtskräftige Strafe zu GZ MA-PA- yyy vom wegen Verletzung folgender Rechtsvorschrift(en): Übertretung(en) gem. § 4 Abs.1 Parkometergesetz KFZ: W-zzz am , in 3.,aaa wurde bis heute nicht bezahlt", verfügte die belangte Behörde aufgrund der vorstehend angeführten Verwaltungsübertretung die Zwangsvollstreckung der im Zusammenhalt mit dieser Verwaltungsübertretung verhängten Geldstrafe von EUR 61.- sowie des Kostenbeitrages von EUR 10.-. Als Zahlungsfrist wurde der vorgemerkt.

In Folge brachte der Bf. am brachte der Bf., folgende Beschwerde ein:

"Innerhalb offener Frist reiche ich hiermit Beschwerde gegen das Straferkenntnis MA 67-PA- yyy zeitgerecht ein. In Ihrem Straferkenntnis behaupten Sie, dass ich eine Übertretung gemäß § 4 Abs.1 Parkometergesetz mit KFZ: W-zzz stattgefunden hat.

Diese Übertretung ist offensichtlich aufgrund von einem Systemfehler (Handy Parken A1 Telekom Austria entstanden. Der kostenpflichtige Parkschein wurde als Verlängerung des Gratisparkscheines rechtzeitig abgeschickt. Jedoch ist dieser erst später vom System wurde. Offensichtlich gab es ein Fehler im System. Als Beweis dafür lege ich einen Screenshot, der zeigt, dass um 9:33 ein 30 Minuten Parkschein gebucht wurde. Seine Gültigkeit wird aber bis 12.00 angegeben. Das ist nicht richtig. Dieser sollte bis 10:15 gelten. Transaktionsnummer ccc.Es ist somit davon auszugehen, dass auch andere Fehler im System nicht ausgeschlossen werden können. Die Verantwortliche dafür ist A1 Telekom Austria. Ich ersuche alle weiteren Klärungsfragen an A1 Telekom Austria zu stellen."

Diese Beschwerde wurde von der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht,(BFG), zur Entscheidung weitergeleitet.

 Über die Beschwerde wurde erwogen:

Mit dem Wiener Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz Abgaben (LGBl 2013/45, vom ) wurde die Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren betreffend das Abgabenrecht und das abgabenrechtliche Verwaltungsstrafrecht des Landes Wien ab gemäß Art 131 Abs 5 B-VG auf das Bundesfinanzgericht übertragen, weshalb auch über die verfahrensgegenständliche Beschwerde das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hatte (vgl § 5 WAOR idF LGBl 2013/45).

Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 38 VwGVG auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, (VVG), lautet:

"Eintreibung von Geldleistungen

§ 3 (1) Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, daß die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlaßt. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.

(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der ExekutionsordnungEO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.

(3) Natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts sowie der Bund, die Länder und die Gemeinden können die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts können dies nur, soweit ihnen zur Eintreibung einer Geldleistung die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist."

§ 35 Abs 1 der Exekutionsordnung (EO) lautet:

"Gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Execution bewilligt wurde, können im Zuge des Executionsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Thatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Executionstitels eingetreten sind. Falls jedoch dieser Executionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Thatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte."

  § 17 Zustellgesetz (ZustG) regelt die Hinterlegung von Dokumenten wie folgt:

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten.

Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird.

Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

§ 7 ZustG lautet :

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, indem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vollstreckung ist demnach, dass ein entsprechender zu vollstreckender Bescheid (Titelbescheid) vorliegt, welcher gegenüber der verpflichteten Partei wirksam geworden ist und dass die verpflichtete Partei ihrer Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen ist (vgl zB ). Der zu vollstreckende Bescheid muss darüber hinaus bereits in Rechtskraft erwachsen sein und die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid übereinstimmen (vgl § 3 Abs 2 VVG).

Unzulässig ist eine Vollstreckung daher nur dann, wenn kein entsprechender Titelbescheid vorliegt, ein solcher der verpflichteten Partei gegenüber nicht wirksam geworden ist oder der Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist bzw. bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens bereits entsprochen wurde.

Ein Titelbescheid wird gegenüber der Partei durch Zustellung rechtswirksam. Eine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung iSd § 17 ZustG setzt u.a. voraus, dass die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen nach Hinterlegung zur Abholung bereit gehalten wird.(; ,9ObA 120/07y). Daher liegt keine Zustellung vor, wenn die Post das Schriftstück vor Ablauf der Abholfrist an die Behörde retourniert. (UVS Steiermark ,30.17-24/2000).

Im zu beurteilenden Fall wurde das, der verfahrensgegenständlichen Vollstreckungsverfügung zugrundeliegende, Straferkenntnis (=Titelbescheid) von der Post bereits an dem, dem Beginn der Abholfrist, folgenden Tag der Behörde mit dem Vermerk: "nicht behoben" retourniert. Von einer mindestens zweiwöchigen Bereithaltung des Schriftstückes kann sohin keine Rede sein. Eine rechtswirksame Zustellung dieses Titelbescheides liegt sohin nicht vor.

Aus den aufgezeigten Gründen erweist sich die Verfügung der Vollstreckung als unzulässig.

Der Vollständigkeit halber ist festzustellen: 

Das, für die Heilung eines Zustellmangels,  iSd § 7 ZustG  erforderliche, tatsächliche Zukommen eines Schriftstückes bedeutet, dass der Empfänger tatsächlich  in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt (, ZfVB 1989/I/248; auf die Erlangung der Gewahrsame abstellend ,ZfVB 1998/1/166; ; auch im Ausland z.B. ).Dieses ist vor allem dann der Fall, wenn die Behörde dem Empfänger das Schriftstück nachweislich neuerlich zugestellt hat.

Weder die Textierung der o.a. Beschwerde vom noch der Inhalt des, dem BFG übersendeten, Verwaltungsaktes spricht mit hinreichender Sicherheit für die Heilung dieses gravierenden Zustellmangels, da für die Frage der Heilung es irrelevant ist, ob der Bf. nach Erhalt der Vollstreckungsverfügung vom Inhalt des genannten Straferkenntnisses erfahren hat.  (vgl. Stummvoll in Fasching/Konecny³ II/2§ 7 ZustG Rz.12) 

Eine allfällige Beschwerde gegen ein, als nicht zugestellt geltendes, Straferkenntnis geht ins Leere, da ein solches Straferkenntnis keine Rechtswirkung gegenüber seinem Adressaten entfaltet.

Es ist daher eine neuerliche (wirksame) Zustellung des Straferkenntnisses geboten.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs.4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art.133 Abs 6 Z 1 B-VG) nichtzulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache

1. eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

In Parkometerstrafschen darf gemäß § 4 Wiener Parkometergesetz höchstens eine Geldstrafe von bis zu 365 Euro verhängt werden. Tatsächlich wurde im zugrundeliegenden Strafverfahren eine geringere Geldstrafe verhängt. Die Voraussetzungen des § 25a VwGG sind damit erfüllt, die Revision ist daher für den Bf. jedenfalls nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Aus den aufgezeigten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 3 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 35 Abs. 1 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise

9ObA 120/07y

ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7500104.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at