Haftung gemäß §§ 9 und 11 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch Tröthandl Juritsch Rechtsanwälte, Hauptplatz 9-13, 2500 Baden, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO und gemäß § 11 BAO zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Aus Anlass der Beschwerde wird der Spruch des angefochtenen Haftungsbescheides dahingehend konkretisiert, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Fa. X-GmbH‚ FN 6***,
1.) als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten haftet:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Lohnsteuer | 01-12/2011 | 978,19 |
Lohnsteuer | 01-06/2012 | 1.945,02 |
Dienstgeberbeitrag | 01-12/2010 | 87,78 |
Dienstgeberbeitrag | 01-12/2011 | 775,47 |
Dienstgeberbeitrag | 01-06/2012 | 1.658,81 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01-12/2011 | 68,93 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01-06/2012 | 135,74 |
Summe: | 5.649,94 |
2.) als Haftungspflichtiger gemäß § 9 Abs. 1 BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten haftet:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Lohnsteuer | 03/2011 | 394,48 |
Lohnsteuer | 04/2011 | 394,48 |
Lohnsteuer | 05/2011 | 631,78 |
Lohnsteuer | 06/2011 | 631,78 |
Lohnsteuer | 07/2011 | 1.423,30 |
Lohnsteuer | 08/2011 | 631,78 |
Dienstgeberbeitrag | 02/2011 | 109,41 |
Dienstgeberbeitrag | 03/2011 | 276,97 |
Dienstgeberbeitrag | 04/2011 | 276,97 |
Dienstgeberbeitrag | 05/2011 | 444,64 |
Dienstgeberbeitrag | 06/2011 | 444,64 |
Dienstgeberbeitrag | 07/2011 | 1.186,79 |
Dienstgeberbeitrag | 08/2011 | 444,64 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 02/2011 | 24,25 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 03/2011 | 24,62 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 04/2011 | 24,62 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 05/2011 | 39,52 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 06/2011 | 39,52 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 07/2011 | 5,49 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 08/2011 | 39,53 |
Summe: | 7.489,21 |
Die Höhe des Haftungsausspruches im Ausmaß von € 13.139,15 bleibt somit unverändert.
B) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wurde der nunmehrige Beschwerdeführer Bf. (in der Folge kurz Bf. genannt) als ehemaliger Geschäftsführer der Fa. X-GmbH‚ FN 6***, als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 80ff. Bundesabgabenordnung und § 11 Bundesabgabenordnung für deren uneinbringlich aushaftenden Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von € 13.139,15 in Anspruch genommen.
Die Haftung wird hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:
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Abgabenart | Zeitraum | Höhe in Euro |
Lohnsteuer | 01-12/2011 | 978,19 |
Lohnsteuer | 01-06/2012 | 1.945,02 |
Dienstgeberbeitrag | 01-12/2010 | 87,78 |
Dienstgeberbeitrag | 01-12/2011 | 775,47 |
Dienstgeberbeitrag | 01-06/2012 | 1.658,81 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01-12/2011 | 68,93 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01-06/2012 | 135,74 |
Lohnsteuer | 03/2011 | 394,48 |
Lohnsteuer | 04/2011 | 394,48 |
Lohnsteuer | 05/2011 | 631,78 |
Lohnsteuer | 06/2011 | 631,78 |
Lohnsteuer | 07/2011 | 1.423,30 |
Lohnsteuer | 08/2011 | 631,78 |
Dienstgeberbeitrag | 02/2011 | 109,41 |
Dienstgeberbeitrag | 03/2011 | 276,97 |
Dienstgeberbeitrag | 04/2011 | 276,97 |
Dienstgeberbeitrag | 05/2011 | 444,64 |
Dienstgeberbeitrag | 06/2011 | 444,64 |
Dienstgeberbeitrag | 07/2011 | 1.186,79 |
Dienstgeberbeitrag | 08/2011 | 444,64 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 02/2011 | 24,25 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 03/2011 | 24,62 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 04/2011 | 24,62 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 05/2011 | 39,52 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 06/2011 | 39,52 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 07/2011 | 5,49 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 08/2011 | 39,53 |
Summe: | 13.139,15 |
Zur Begründung wird nach Zitierung der bezughabenden Gesetzesbestimmungen ausgeführt, der Bf. sei unbestritten Geschäftsführer der Fa. X-GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei daher auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.
Hinsichtlich der Haftung für aushaftende Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre daher Sache des Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Der Bf. hingegen haben die fälligen Lohnsteuerbeträge dem Finanzamt zum Teil gemeldet und nur teilweise beglichen.
Es werde in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung ist jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. ).
Bei erwiesenen Lohnauszahlungen bestehe für den Geschäftsführer unter Hinweis auf die oben zitierte Gesetzesstelle und die §§ 41 u. 43 FLAG 1967 sowie auf Grund der Tatsache, dass dieser durch die handelsrechtlich verankerte Sekundärhaftung Arbeitgeberfunktion ausübe, die Verpflichtung, zur Entrichtung aller anfallenden Lohnabgaben (Dienstgeberbeitrag). Dies gelte auch für den gem. § 57 Handelskammergesetz zu bemessenden Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag.
Mit der vorliegenden frist- und formgerechten Beschwerde vom beantragt der Bf. die Aufhebung des gegenständlichen Haftungsbescheides.
Der Bf. bringt vor, die eingebrachte Beschwerde richte sich gegen die im Bescheid getroffene Feststellung, wonach der Bf. die im Bescheid angeführten Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht entrichtet habe. Dieser Feststellung werde ausdrücklich widersprochen.
Richtig sei, dass der Bf. Geschäftsführer der Fa. X-GmbH gewesen sei, die ihren Umsatz hauptsächlich mit dem Handel mit Spirituosen gemacht habe. In dieser Funktion sei es ihm gemäß § 80 Abs. 1 BAO oblegen, für die Entrichtung der Abgaben der Vertretenen juristischen Person aus den von ihm verwalteten Abgaben zu sorgen. Alle Einnahmen der Fa. X-GmbH seien für Firmenzwecke verwendet worden. Der Bf. habe als Geschäftsführer dieser GmbH seit 1996 keinen Geschäftsführerbezug entnommen.
Die Ursache für die unterbliebene Abfuhr der angeführten Abgabenschuldigkeiten sei jedoch nicht im Verschulden des Bf. gelegen. Vielmehr sei es dem Verhalten der damaligen Hausbank B zuzurechnen, dass die Abgabenschuldigkeiten nicht abgeführt hätten werden können. Diese habe ohne ersichtlichen Grund plötzlich restriktive Auflagen in Bezug auf die der Fa. X-GmbH gewährten Kredite verfügt, die den Handlungsspielraum der Gesellschaft extrem eingeengt und in Folge den Zahlungsverkehr dieser zum Erliegen gebracht hätten.
Wie aus dem Schreiben der B vom (Beilage ./1) ersichtlich ist, sei der Überziehungsrahmen des Firmenkontos mit der Nr. 0*** von bis stufenweise, ausgehend von € 88.000,00 auf € 50.000,00 und danach auf null reduziert worden. Dies habe aufgrund des diesen Betrag jeweils übersteigenden aushaftenden Saldos faktisch zu einer Kontosperre des angeführten Kontos geführt. Es sei dem Bf. daher nicht mehr möglich gewesen, Zahlungen über das Firmenkonto zu tätigen, weshalb ihm faktisch die Verwaltung der Mittel der Fa. X-GmbH als deren Vertreter nicht mehr möglich gewesen sei.
Durch diese von der B einseitig veranlasste restriktive Maßnahmenpolitik hinsichtlich der Mittel der Fa. X-GmbH sei der Bf. ohne sein Verschulden daran gehindert worden, die gesetzlichen Verbindlichkeiten gemäß § 1298 ABGB zu erfüllen. Zum Beweis dafür dienten die Kontoauszüge des oben genannten Kontos von bis (Beilage ./2). Daraus gehe eindeutig hervor, dass der negative Saldo den Überziehungsrahmen deutlich übersteige und daher keine Zahlungen mehr durch den Bf. durchgeführt hätten werden können. In weiterer Folge sei es zu einer Auslistung der Gesellschaft bei namhaften Kunden und daher zu radikalen Umsatzeinbrüchen gekommen, welche zur Insolvenz der Fa. X-GmbH geführt hätten.
Auch in den darauffolgenden Monaten sei dies, wie aus den Kontoauszügen vom bis (Beilage ./3) ersichtlich ist, nicht möglich gewesen, zumal der Kontoüberziehungsrahmen zu diesem Zeitpunkt bereits auf null herabgesetzt worden sei. Die Tilgung des aushaftenden Saldos sei danach durch einen privaten Verkauf eines Liegenschaftsanteils durch den Bf. und daher nicht aus den Mitteln der Fa. X-GmbH erfolgt. Dies um das Überleben der Fa. X-GmbH zu ermöglichen, was in weiterer Folge jedoch gescheitert sei.
Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass der Bf. durch die restriktiven Maßnahmen der B, ohne eigenes Verschulden, daran gehindert worden sei, die Abgabenschulden der Fa. X-GmbH zu begleichen. Diesem Umstand habe im Übrigen auch die NÖGKK Rechnung, indem sie die Exekutionen gegen die Schuldnerin zur Einstellung gebracht habe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet ab.
Zur Begründung wird ausgeführt, gemäß § 11 BAO hafte der Bf. als Geschäftsführer der Fa. X-GmbH für die genannten Abgaben.
Die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO begründe sich auf der rechtskräftigen Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG betreffend Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs.1 lit. a FinStrG des Finanzamtes Mödling, GZ. 016*** vom .
Die Beträge seien um die Verteilungsquote gekürzt worden.
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO sei eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liege vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos gewesen seien oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Seit dem sei der Bf. als selbständiger handelsrechtlicher Geschäftsführer iSd § 18 Abs.1 GmbHG für die Gesellschaft tätig und vertretungsbefugt und somit im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung Vertreter iSd o.a. Bestimmungen gewesen ( 2004/ 15/0015; 2004/ 14/0146).
Laut Edikt des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom Datum1 zur GZ 10*** sei über das Vermögen der Fa. X-GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden, was im Sinne der Subsidiarität der Haftung objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben bei der Primärschuldnerin begründe.
Haftungsgegenständlich seien nicht beglichene Abgabenrückstände iHv € 13.139,17.
Bisher seien die Abgabenschuldigkeiten zwar teilweise entrichtet worden, jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, um den sich angesammelten Rückstand signifikant zu reduzieren (siehe beigelegten Ausdruck zum Abgabenkonto).
Das steuerliche Verhalten des Bf. stimme insofern nicht mit dem Vorbringen in der Beschwerde vom überein, da sich der Abgabenrückstand über einen längeren Zeitraum hinweg kumuliert habe, laufende Umsätze erwirtschaftet worden seien und daher davon ausgegangen werden könne, dass Geldmittel zur Bezahlung von Abgabenschuldigkeiten vorhanden gewesen wären.
Eine gänzliche Vermögenslosigkeit der Gesellschaft bei Fälligkeit der Abgaben sei somit nicht gegeben gewesen.
Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel ANTEILIG für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.
Die schlüssige Darlegung der Berücksichtigung dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes, was nach ständiger Rechtsprechung in den Verantwortungsbereich des Bf. falle (vgl. z.B. 85/ 13/0214), könne der vorliegenden Beschwerde nicht entnommen werden.
Das Verschulden iSd. § 9 BAO habe somit nicht die Abgabenbehörde zu beweisen, sondern es komme vielmehr die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB zum Tragen ( 95/ 17/0613), was bedeute, dass der Geschäftsführer seine Schuldlosigkeit an der Nichtentrichtung haftungsgegenständlicher Abgaben nachzuweisen bzw. die Gründe darzulegen habe, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe.
Als schuldhaft im Sinne dieser Bestimmung gelte jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (z.B. ; ).
Bei schuldhafter Pflichtverletzung spreche zudem die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall (). Das heiße, die Abgabenbehörde dürfe mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit sei ( 97/ 15/0051).
Abgabenrechtliche Pflichten bestünden insbesondere in der zeitgerechten Einreichung von Abgabenerklärungen durch den Vertreter ( 89/ 14/0043; 2001/ 14/0006) sowie in der Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet (vgl. § 80 Abs.1 zweiter Satz BAO).
Insofern treffe den Abgabenpflichtigen eine qualifizierte Mitwirkungspflicht an der Feststellung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhalts.
Insbesondere habe der Vertreter für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen ( 89/ 14/ 0132).
Dies gelte unabhängig davon, ob er tatsächlich als Geschäftsführer tätig gewesen sei oder z.B. nur „pro forma“ ( 99/ 14/ 0076) oder „nur auf dem Papier“ ( 2001/ 13/0168).
In der Regel werde nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe könne, dass die GmbH die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichte.
Den Haftenden treffe die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen (§ 77 Abs. 2 BAO iVm § 119 Abs. 1 BAO), sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe ( 89/ 14/0132).
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob den Vertreter genannte abgabenrechtliche Pflichten getroffen habe, bestimme sich danach, wann die Abgaben nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (z.B. ; ; ).
Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (; ; ).
Maßgebend sei somit der Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Abgabe, unabhängig davon, wann sie bescheidmäßig festgesetzt werde (z.B. ; ).
Die Verpflichtung zur Entrichtung der genannten Abgaben sei somit ex lege bereits vor Bescheiderlassung entstanden.
Bei Abgaben, bei denen sich die Fälligkeit aus § 210 Abs.1 BAO (1 Monat ab Zustellung des Abgabenbescheides) ergebe, sei grundsätzlich der Zeitpunkt, der sich aus dem erstmaligen Abgabenbescheid ergebenden Fälligkeit ergebe, maßgebend ().
Unbestritten sei, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben in den Zeitraum der Tätigkeit des Bf. als Geschäftsführer gefallen und auch in diesem fällig geworden seien.
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO sei unter Anbetracht aller Umstände des Falles innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit getroffen worden.
Mit Schriftsatz vom stellte der Bf. innerhalb offener Frist den Antrag, die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen, ohne sein bisheriges Beschwerdevorbringen zu ergänzen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.
Haftung gemäß § 11 BAO
Mit Strafverfügung des Finanzamtes Baden Mödling als Finanzstrafbehörde vom wurde der Bf. als verantwortlicher Geschäftsführer der Fa. X-GmbH für schuldig erkannt, vorsätzlich
Lohnsteuer 1-12/2011 iHv € 1.135,71,
Lohnsteuer 1- 6/2012 iHv € 2.258,23,
Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfond für Familienbeihilfen 1-12/2010 iHv € 101,90,
Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfond für Familienbeihilfen 1-12/2011 iHv € 900,35,
Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfond für Familienbeihilfen 1-6/2012 iHv € 1.925,93,
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1-12/2011 iHv € 80,03 und
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1-6/2012 iHv € 157,60
nicht spätestens am 5. Tag nach jeweiliger Fälligkeit entrichtet zu haben.
Über den Bf. wurde deswegen eine Geldstrafe in Höhe von € 400,00 (2-tägige Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, welche am in Rechtskraft erwuchs.
Nach Abzug der im Konkurs ausgeschütteten Quote von 13,8697% ergeben sich die aus dem Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses zu Punkt A)1.) angeführten Beträge, für welche seitens der Abgabenbehörde zu Recht die Haftung gemäß § 11 BAO ausgesprochen wurde.
Einzige Tatbestandsvoraussetzung einer Haftung gemäß § 11 BAO ist nämlich die rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens, welche im gegenständlichen Fall vorliegt, wobei die verkürzten Abgaben hier um die Konkursquote zu vermindern waren.
Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO
Laut Firmenbuch war der Bf. im Zeitraum bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin Fa. X-GmbH mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Datum1, Zl. 10***, deren alleinvertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer und zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter, welche zur Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO herangezogen werden können.
Mit Beschluss desselben Gerichtes vom Datum2 wurde dieses Konkursverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben. An die Abgabenbehörde wurde dabei eine Konkursquote von 13,8697% ausgeschüttet. Am Datum3 erfolgte die amtswegige Löschung im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit Fa. X-GmbH Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin in dem die Quote übersteigenden Teil (86,1303%) der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten steht daher fest.
In Bezug auf die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern 3- 8/2011 ist der Bf. auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend zu verweisen, dass bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, das jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (vgl. , ).
Der Bf. hat in der gegenständlichen Beschwerde nicht behauptet, die den lohnabhängigen Abgaben 2- 8/2011 zugrunde liegenden Löhne nicht ausbezahlt zu haben. Die Haftung für Lohnsteuer 3- 8/2011 wurde seitens der Abgabenbehörde jedenfalls zu Recht ausgesprochen.
Die haftungsgegenständlichen Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen für die Monate 2-8/2011 unterliegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz und es wäre am Bf. gelegen, insoweit einen Gleichbehandlungsnachweis zu erbringen.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. z.B. ).
Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Bf. besteht darin, dass er die haftungsgegenständlichen lohnanhängigen Abgaben (DB,DZ) zu deren jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen nicht entrichtet hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu Sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. etwa ).
Nach der ebenfalls ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nichtentrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn ihm die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschuldigkeiten im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitstag zu erfolgen. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen – etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken – zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtige zumutbar jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtigen die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen.
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hat der Bf. als Gründe für die eingeschränkte Liquidität die Einschränkung des Kreditrahmens und Fälligkeitsstellung von Krediten durch die namentlich genannte Hausbank genannt. Diese Maßnahmen der Bank führten in der Folge zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin. Er bringt sinngemäß vor, durch die unerwartet restriktive Vorgehensweise der Bank sei ihm kein Verschulden am Nichtvorhandensein ausreichender liquider Mittel zur Entrichtung sämtlicher Verbindlichkeiten - somit auch der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten - anzulasten.
Dass der Bf. mit den vorhandenen eingeschränkten liquiden Mittel die Abgabenbehörde im Verhältnis zu den anderen Gläubigern gleich behandelt hätte, hat er im gegenständlichen Verfahren nicht einmal behauptet.
Bereits im Haftungsvorhalt vom und insbesondere mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Bf. auf die Erfordernis der Erbringung eines fälligkeitstagsbezogenen Gleichbehandlungsnachweises hingewiesen. Dieser Beschwerdevorentscheidung kommt Vorhaltscharakter zu, dennoch hat es der Bf. in der Folge weiterhin unterlassen, fälligkeitstagbezogen das Ausmaß der vorhandenen liquiden Mittel und den Betrag darzustellen, der bei Gleichbehandlung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Der Bf. wurde daher zu Recht für den vollen Betrag der unter dem Spruch A)2.) genannten Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Zuschlägen der Monate 2-8/2011 herangezogen.
Zum Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. ist auch auf den Inhalt seines an die Abgabenbehörde gerichteten Ratenansuchens vom zu verweisen, in welchem der Bf. wie folgt ausführte:
„Bedingt durch die zwangsweisen hohen Rückzahlungen an die hauseigene Bank B in der Höhe von € 110.000,00 im Geschäftsjahr 2011 sowie der starken Reduktion der Lieferantenausstände von weiteren € 64.000,00 ergab dies den vorhandenen Abgabenrückstand beim Finanzamt.“
Damit hat der Bf. gegenüber der Abgabenbehörde sogar eingestanden, diese zur Lasten der Bank benachteiligt zu haben, indem bis zum ein Rückstand am Abgabenkonto in Höhe von € 75.299,37 aufgebaut wurde.
Mit der gegenständlichen Beschwerde wird auch nicht in Abrede gestellt, sondern vielmehr durch Vorlage von Kontoauszügen dargelegt, dass liquide Mittel für eine zumindest teilweise (dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende) Entrichtung der haftungsgegenständlichen Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen 2-8/2011 (letzter Fälligkeitstag ) vorhanden waren.
Somit konnte die Abgabenbehörde insgesamt vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO in Bezug auf die unter Spruch A)2.) des gegenständlichen Erkenntnisses aufgegliederten lohnabhängigen Abgaben ausgehen.
Bei Vorliegen einer derartigen schuldhaften Pflichtverletzung darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände auch annehmen, dass die Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit ist (vgl. z.B. , 0178).
Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde gestellt. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung der Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens. Dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Norm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist.
Zur Ermessensübung der Abgabenbehörde bei Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides hat der Bf. keine Einwendungen vorgebracht und auch das Bundesfinanzgericht konnte keine Mängel der Ermessensübung feststellen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7103103.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at