Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2018, RV/7200182/2015

Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/16/0053. Zurückweisung mit Beschluss vom .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7200182/2015-RS1
Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ist nur innerhalb von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages an gerechnet, zulässig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse1, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH, Währinger Straße 2-4, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom , Zahl: 100000/00000/2013-23, betreffend Wiedereinsetzung gemäß § 308 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom hat die Beschwerdeführerin (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) beim Zollamt Wien "vorsorglich" eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Begründend wird in diesem Antrag im Wesentlichen ausgeführt, die Bf sei davon in Kenntnis, dass der mit ihr verbundenen GmbH (nachstehend "GmbH") im Oktober 2014 (gemeint sein dürfte ein Telefonat mit dem Vertreter am ) vom Zollamt vorgehalten wurde, der Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zahl: 100/00000/2/99, betreffend die Festsetzung von Altlastenbeiträgen sei der Bf bereits am [richtig: ] zugestellt worden und die dagegen laut Poststempel am durch den Vertreter eingebrachte Berufung daher verspätet erfolgt. Auf Grund eines von der Bf am Bescheid angebrachten (falschen) Eingangsstempels mit dem Datum sei der Vertreter bei Berechnung der Berufungsfrist davon ausgegangen, der Bescheid sei erst an diesem Tag übernommen worden.
Der Antrag vom wurde vom Zollamt Wien mit Bescheid vom , Zahl: 100000/00000/2013-14, gemäß § 309 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

In der Folge hat die Bf beim Zollamt Wien durch ihren Vertreter mit Schreiben vom eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist beantragt. In der Begründung führt die Bf aus, ihr sei erst im Jänner 2015 durch den an die GmbH ergangenen Beschluss des Bundesfinanzgerichts (BFG) vom , GZ. RV/7200050/2014, bekannt geworden, dass eine am erhobene Berufung verspätet gewesen sei nachdem das BFG festgestellt habe, dass durch die Einbringung des Deponiebetriebes der Bf ins Unternehmen der GmbH keine Gesamtrechtsnachfolge iSv § 19 BAO bewirkt worden sei, weshalb im Rechtsmittelverfahren vor dem Zollamt kein Parteiwechsel von der Bf zur GmbH hätte erfolgen dürfen.
Ursächlich für die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist seien extreme Verzögerungen auf Seiten der Behörde, die erst mit Beschwerdevorentscheidung vom über die Berufung vom abgesprochen hat. Zu diesem Zeitpunkt sei die 5-Jahres-Frist des § 309 BAO längst abgelaufen gewesen.
Verschulden an der Versäumung der 5-Jahres-Frist seitens der Bf sei ihres Erachtens nicht gegeben (uns jedenfalls kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden). Es werde daher der Antrag gestellt, ihr gegen die Versäumung der 5-Jahres-Frist gemäß § 309 BAO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen (und dementsprechend sodann auch ihren Wiedereinsetzungsantrag in die Berufungsfrist zu bewilligen).

Der Antrag vom wurde mit Bescheid vom , Zahl: 100000/00000/2013-23, als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde vom , in der gleichzeitig ein neuerlicher Antrag auf Wiederaufnahme gestellt wird, wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: 100000/00000/2013-26, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist von fünf Jahren gemäß § 309 BAO für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei entgegen der Rechtsansicht des Bf nicht wiederholt zulässig. Vielmehr komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist von fünf Jahren gemäß § 309 BAO für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur einmal in Betracht und es gelte auch für diese wiederum die Frist gemäß § 309 BAO von fünf Jahren.

Mit Schreiben vom wurde gemäß § 264 BAO die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt (Vorlageantrag).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 308 BAO lautet auszugsweise:

"(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen."

§ 309 BAO lautet:

"Nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist oder vom Termin der versäumten mündlichen Verhandlung an gerechnet, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr zulässig."

Im Unterschied zur Stammfassung des § 309, die einen Absatz 2 enthalten hat, wonach gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages (§ 308 Abs 3) keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfindet, ist seit BGBL 1987/312 eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zulässig.
Laut Regierungsvorlage zum zweiten Abgabenänderungsgesetz 1987 sollte durch die teilweise Anpassung der Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an die Rechtslage der Zivilprozessordnung und des Verwaltungsgerichtshofgesetzes eine Uneinheitlichkeit der Rechtsordnung im Bereich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt werden.

Während die im § 308 Abs 3 vorgesehene Frist von drei Monaten zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages mit dem Zeitpunkt des "Aufhörens des Hindernisses" zu laufen beginnt, nimmt die fünfjährige Frist des § 309 vom Ende der versäumten Frist an ihren Lauf. Da davon auszugehen ist, dass die erstgenannte Frist regelmäßig ihren Anfang im Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis vom Aufhören des Hindernisses findet, kann es sein, dass der Lauf der 5-Jahres-Frist (beginnend vom Ende der versäumten Frist) die Frist des § 308 Abs 3 einschränkt oder ihre Wahrnehmung überhaupt ausschließt, wenn die Kenntnis vom Wegfall des ursprünglich die Wahrung der Frist ausschließenden Hindernisses erst knapp vor Ablauf oder möglicherweise erst nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Ende der versäumten Frist möglich ist. Um weitestgehend Abhilfe zu schaffen, wurde der Wiedereinsetzungsantrag wegen unverschuldeter Versäumnis (unmöglicher Wahrung) der Frist des § 309 zugelassen. Dass auch diese Frist wiedereinsetzbar ist, hat jedoch nicht zur Folge, dass es überhaupt keine zeitlich Beschränkung mehr gibt.

Im verfahrensgegenständlichen Fall ist gemäß § 309 BAO nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an gerechnet, ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nicht mehr zulässig. Da die Möglichkeit, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, mit fünf Jahren ab Ende der versäumten Frist begrenzt ist, wurde der Antrag vom jedenfalls außerhalb der Frist eingebracht. Der Umstand, dass die Bf wegen der extrem langen Bearbeitungsdauer erst später Kenntnis davon erlangte, dass ihre Berufung vom verspätet eingebracht worden war, vermag daran nichts zu ändern.
Der Antrag wurde von der belangten Behörde daher zu Recht als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Darüber hinaus ergibt sich aus der Aktenlage jedoch auch, dass der Vertreter erstmalig am in einem Telefonat vom Zollamt auf die verspätete Einbringung der Berufung hingewiesen worden ist. Der Umstand, dass die Rechtsmitteleinbringung der Bf mit der Postaufgabe am mit eintägiger Verspätung erfolgte, wurde der Rechtsvertretung der Bf/GmbH überdies vom BFG mit Schreiben vom vorgehalten.
Die Bf hatte also nicht erst ab Zustellung des GZ. RV/7200050/2014, Kenntnis von diesem Umstand, sondern konnte und musste sie den Tatsachenirrtum über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Berufung schon geraume Zeit vorher als solchen erkennen (). Wenn bereits vorher erkennbar war, dass die Berufung verspätet eingebracht worden ist bzw die Berufungsfrist versäumt wurde, war für die Bf aber auch erkennbar, dass sie die Wiedereinsetzungsfrist des § 309 BAO versäumt hat. Soweit die Bf der Rechtsansicht ist, gemäß § 309 BAO sei eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist noch zulässig, wäre daher die Frist des § 308 Abs 3 BAO zu beachten gewesen und ein solcher Antrag innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis vom Aufhören des Hindernisses zu stellen gewesen (zB ; , 97/14/0106: "spätestens ab Erkennen der Fristversäumung").
Der Antrag vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die 5-Jahres-Frist ist daher auch aus diesem Grund nicht rechtzeitig.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall - insbesondere im Hinblick auf die zitierte einschlägige Judikatur - nicht vor, weshalb die Revision nicht zugelassen wird.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 309 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7200182.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at