Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 18.01.2018, RV/7102052/2015

Besteuerung einer freiwilligen Abfertigung im Abfertigungssystem "neu" unter Anrechnung von Vordienstzeiten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende R1 und die weiteren Senatsmitglieder R2, R3 und R4 im Beisein der Schriftführerin SF in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch die Halbwachs Schmitt & Partner Steuerberatung GmbH, Mariahilfer Straße 126/24, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , nach der am  durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung

zu Recht erkannt: 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom stellte der Bf. beim Finanzamt einen Antrag auf Rückzahlung eines zu Unrecht einbehaltenen Betrages gemäß § 240 Abs. 3 BAO, weil der Arbeitgeber des Bf. laut Lohnzettel für das Jahr 2012 sonstige Bezüge in Höhe von 123.130,33 € gemäß § 67 Abs. 10 EStG zum Lohnsteuertarif statt mit dem begünstigten Steuersatz von 6% gemäß § 67 Abs. 6 EStG abgerechnet habe. Es sei folglich Lohnsteuer in Höhe von 54.177,35 € zu viel einbehalten worden.

Der Bf. beantragte die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages in Höhe von 54.177,35 € und führte begründend aus:

Der Bf. sei vom bis Dienstnehmer der Tageszeitung "XYZ" gewesen. Danach sei er freier journalistischer Mitarbeiter (Pauschalist) bis gewesen. Vom bis zum sei er wieder als Dienstnehmer beim XYZ beschäftigt gewesen und habe durch seine Dienstnehmerkündigung auf seinen gesetzlichen Abfertigungsanspruch verzichten müssen.

Dieser Verzicht stehe in unmittelbar zwingendem Zusammenhang mit der Zusicherung des neuen Dienstgebers auf Zahlung einer freiwilligen Abfertigung.

Im Gegenzug habe sich nämlich die abwerbende Dienstgeberin ZZZ (BBB) im Dienstvertrag vom unter Punkt 4.10 verpflichtet, eine freiwillige Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG unter Anrechnung von 15 Jahren Vordienstzeiten zu bezahlen.

Daher sei festgelegt worden, dass für den Bf. die Dienstzeit beim XYZ der Jahre 1992 bis 2006 als Basis für die Berechnung der freiwilligen Abfertigung heranzuziehen sei.

Zur Ermittlung der Höhe der freiwilligen Abfertigung sei auf § 42 des Kollektivvertrages verwiesen worden.

Die vom neuen Dienstgeber an die MVK für die Jahre 2006 bis 2012 bezahlten Beträge seien von der Abfertigung abgezogen worden.

Weiters sei in Punkt 4.10 bestimmt worden, dass eine Abrechnung nach § 67 Abs. 6 EStG zu erfolgen habe. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung letzter Satz sei dies auch "für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen" möglich.

Diese Voraussetzung erfülle der Bf. mit seinen 15 Jahren Vordienstzeit beim XYZ.

Zur Beurteilung der Anwendbarkeit der Steuerbegünstigung des § 67 Abs. 6 EStG sei eine zweistufige Betrachtungsweise erforderlich:

1. Ist die Zahlung eindeutig der Beendigung des Dienstverhältnisses zuzuordnen (grundsätzliche Anwendung von § 67 Abs. 6 EStG)?

2. Ist die Zahlung jenen Zeiträumen zuzuordnen, für die keine Anwartschaft gegenüber eines BV-Kasse bestehen (Begünstigte Besteuerung gemäß § 67 Abs. 6 letzter Satz EStG)?

Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes

Der VwGH habe die rechtliche Qualifikation von Zahlungen anlässlich der Beendigung von Dienstverhältnissen beurteilt und in ständiger Rechtsprechung nur solche Bezüge unter die begünstigte Besteuerung des § 67 Abs. 6 EStG subsumiert, deren unmittelbare Ursache die Beendigung des Dienstverhältnisses ist ( und mit weiteren Nachweisen).

Wenn daher eine Zahlung als freiwillige Abfertigung dem Grunde nach unter § 67 Abs. 6 EStG fällt, sei auch die vorgesehene Steuerbegünstigung anzuwenden.

Die Frage, inwieweit eine freiwillige Abfertigung in Zeiträume Anwartschaft und Nicht-Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse zu trennen sei (§ 67 Abs. 6 letzter Satz EStG), sei bisher nicht an ihn herangetragen worden.

Es gebe daher für den vorliegenden Fall noch keine höchstgerichtliche Entscheidung.

Rechtsprechung des UFS

Die Beendigungskausalität als Voraussetzung für die Anwendung von § 67 Abs. 6 EStG werde auch in den Berufungsentscheidungen des UFS gefordert.

Bei der Beurteilung nach Stufe 2 habe der UFS in Berufungsentscheidungen mit ähnlichem Sachverhalt die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich verneint, sondern das Fehlen der Sachverhaltsvoraussetzungen festgestellt:

Mit der freiwilligen Abfertigung werden nur Leistungen im neuen Dienstverhältnis abgegolten (UFSL, GZ RV/0576-L/11 vom ).

Die ausbezahlten freiwilligen Abfertigungen sind dem Abfertigungssystem "neu" zuzuordnen (UFSG, GZ RV/0766-G/07 vom ).

Der UFS bezieht sich in seiner Begründung auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 21. GP betreffend die Neureglung des Abfertigungsrechtes, BlGNR 1131:

"Auf freiwillige ("überhöhte") Abfertigungen, die von einer Mitarbeitervorsorgekasse ausbezahlt werden, soll § 67 Abs. 6 EStG generell nicht zur Anwendung kommen. In diesem Bereich gilt das in diesem Punkt neu gestaltete Regime des § 67 Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 26 Z 7 lit. d EStG.

Der neu eingefügte letzte Satz soll Folgendes bewirken:

Wird das "alte" Abfertigungssystem für die volle Dauer des Dienstverhältnisses weitergeführt, gilt der bisherige Inhalt des § 67 Abs. 6 EStG für freiwillig bezahlte Abfertigungen unverändert weiter.

Wird das "alte" Abfertigungssystem für Anwartschaftszeiträume bis zu einem bestimmten Übertrittsstichtag weiter geführt und lediglich für künftige Anwartschaftszeiträume das neue System gewählt, ist § 67 Abs. 6 EStG nur insoweit anzuwenden, als sich die freiwilligen Abfertigungen auf die "alten" Anwartschaftszeiträume beziehen.

Dies bedeutet unter anderem, dass für die Sprungstellen-Jahresstaffel nur derartige "alte" Anwartschaftszeiträume berücksichtigt werden dürfen.

Wird auf die volle Dauer des Dienstverhältnisses bereits das neue System angewendet (Option zur Anwendung des neuen Systems auch für vergangene Zeiträume, neue Dienstverhältnisse), ist der bisherige Inhalt des § 67 Abs. 6 EStG gänzlich unanwendbar."

Der UFS vertritt demnach die Rechtsansicht, dass eine den Zeitraum des Abfertigungssystems "alt" betreffende ausbezahlte freiwillige Abfertigung nach dem Abfertigungssystem "alt" der Besteuerung zu unterziehen ist und findet eine Bestätigung dieser Ansicht in den Beilagen der Regierungsvorlage der 21. GP betreffend die Neuregelung des Abfertigungsrechtes, BGBNr 1131, als auf Seite 48 unter "Auszahlung der Abfertigung" ausgeführt wird, dass freiwillige Abfertigungen in Hinkunft voll steuerpflichtig sind. Eine Ausnahme besteht für freiwillige Abfertigungen, die für Zeiträume ausbezahlt werden würden, die dem alten Abfertigungssystem zuzuordnen sind (UFSG, GZ RV/0766-G/07 vom ).

Im Fall des Bf. seien alle Voraussetzungen erfüllt, eine Abrechnung der freiwilligen Abfertigung nach § 67 Abs. 6 EStG mit dem begünstigten Steuersatz von 6% vorzunehmen:

1. Freiwillige Abfertigung dem Grunde nach Vereinbarung im Dienstvertrag vom

  • Abrechnung gemäß § 42 Kollektivvertrag.

  • Anrechnung von Vordienstzeiten als Ersatz für Abfertigungsverzicht.

  • Auszahlung anlässlich des Ausscheidens.

2. Bezug auf BV-Kassen-anwartschaftsfreie Zeit

  • Vordienstzeiten 1992 bis 2006 werden angerechnet.

  • Anrechnung war kausal für Dienstgeberwechsel.

  • MVK-Beträge werden von der ermittelten Abfertigung in Abzug gebracht.

Die freiwillige Abfertigung falle sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Steuerbegünstigung unter § 67 Abs. 6 EStG.

Es wird um antragsgemäße Erledigung und Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer von 54.177,35 € ersucht.

Weiters wurde die Entwicklung der Dienstzeiten, für die keine Abfertigung bezahlt wurde, dargestellt:


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 - 
Technischer Verlag ERB
128 Monate
-
Tageszeitung XYZ
96 Monate
dann Pauschalist beim XYZ und anderen Medien
-
Tageszeitung XYZ
174 Monate
-
ZZZ
72 Monate

Dem Antrag wurde beigelegt:

  • Beilage 1: Lohnzettel für 2012

  • Beilage 2: Einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses vom zwischen ZZZ und dem Bf.

  • Beilage 3: Bestätigung von der XYZ Redaktionsgesellschaft mbH & Co KG vom Juni 2012

  • Beilage 4: Dienstvertrag zwischen ZZZ und Bf.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag gemäß § 240 Abs. 3 BAO von der Abgabenbehörde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beginn des Dienstverhältnisses bereits in das neue System falle (Dienstvertrag vom und folglich § 67 Abs. 6 EStG zur Gänze nicht mehr anzuwenden sei. Es könnten daher auch keine Vordienstzeiten berücksichtigt werden.

Es bestehe für jene Fälle keine Möglichkeit § 67 Abs. 6 EStG anzuwenden, die nach dem alten System auf Grund einer Selbstkündigung den Anspruch auf eine gesetzliche Abfertigung verloren haben und durch Aufnahme einer Tätigkeit bereits in das neue System zwingend wechseln und vom nachfolgenden Arbeitgeber eine freiwillige Abfertigung zur Abdeckung der "verlorenen" gesetzlichen Abfertigungsansprüche erhalten.

Am erhob der Bf. innerhalb offener Frist Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom stellte der Bf. einen Vorlageantrag und beantragte

Mit Eingabe vom brauchte der steuerliche Vertreter des Bf. ergänzend vor:

1) keine Begünstigungskumulation

Der Bf. habe eine "freiwillige" Abfertigung erhalten in folgender Höhe:

Der Dienstgeber (Verlag) habe die von ihm an die MVK bezahlten Beiträge abgezogen, so dass nur bezahlt wurde:

134.395,33 €

- 11.265,00 €

123.130,33 €

Dieser Abzug sei sogar noch höher als der von der AG erhaltene Betrag von

11.267,33 €

(Lohnsteuer) - 676,04 €

10.591,29 €

Die Vertragsparteien haben sich daher vollständig dem Regime der "Abfertigung alt" unterworfen.

Zu einer "Begünstigungskumulation" sei es daher nie gekommen (siehe Artikel Shubshizky in SWK 11/2016, Seiten 383 ff). Somit sei auch der Intention des Gesetzgebers Folge geleistet worden.

2) Im Punkt 4.10 des Dienstvertrages vom sei ausdrücklich festgehalten worden, dass eine freiwillige Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1988 unter Anrechnung von 15 Jahren Vordienstzeiten vereinbart sei.

Darauf habe sich der Bf. verlassen. Er hätte ansonsten das Dienstverhältnis zur Tageszeitung XYZ nicht gekündigt.

Beigelegt wurden folgende Dokumente:

  • Dienstvertrag vom

  • Schreiben vom

  • Lohnzettel für 2012 der AG

Diese Eingabe wurde der Amtspartei zur Wahrung des Parteiengehörs vorweg mit Mail vom sowie in der mündlichen Verhandlung am  zur Kenntnis gebracht.

In der mündlichen Verhandlung am wurde ergänzend vorgebracht:

Der steuerliche Vertreter brachte vor, dass die Abfertigung vom Dienstgeber so abgewickelt wurde, als ob sie dem Abfertigungssystem "alt" unterlegen wäre. Nach Ansicht des steuerlichen Vertreters liege keine Abfertigung "neu" vor. Die grundsätzliche Frage bestehe darin, ob die Abfertigung nach dem System "neu" vorliege oder nicht.

Im gegenständlichen Fall habe der Bf. im wirtschaftlichen Effekt keine Abfertigung "neu" erhalten, weil  sie ihm vom Dienstgeber abgezogen worden sei.

Im Vergleich zu Vorstandsvorsitzenden, die laut Gesetz nicht der Abfertigung "neu" unterliegen, die würden in den Genuss der Begünstigung kommen, andere Personen nicht. Dies widerspreche dem Gerechtigkeitsgedanken, da die Vorstandsmitglieder von der Abfertigung "neu" ausgenommen seien.

Der Vertreter des Finanzamtes brachte vor: Bei der Beurteilung der Abfertigung "neu" des § 67 Abs. 6 EStG 1988 gehe es um folgenden Sachverhalt: Der Dienstnehmer (hier der Bf.) habe das Dienstverhältnis, welches unter das System Abfertigung "alt" falle, aufgelöst und sei ein neues Dienstverhältnis eingegangen, welches vom System her der Abfertigung "neu" vollständig unterliege.

Zahlungen eines Arbeitgebers könnten geleistet werden, die jedoch laut Tarif zu versteuern seien, wie es in diesem Fall auch der Arbeitgeber vorgenommen habe.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt steht unbestritten fest:

Der Bf. war vom bis zum als Dienstnehmer bei der Tageszeitung XYZ beschäftigt. Durch eine Dienstnehmerkündigung hat er auf seinen gesetzlichen Abfertigungsanspruch verzichtet und wurde auch keine Abfertigung ausgezahlt (Bestätigung der Tageszeitung XYZ vom Juni 2012).

Ab war der Bf. bis zum bei der ZZZ beschäftigt.

In seinem Dienstvertrag mit der ZZZ wurde unter Punkt 4.10. vereinbart, dass der Dienstnehmer (in diesem Fall der Bf.) bei Kündigung durch den Dienstgeber oder beim Übergang in die Alterspension vom Dienstgeber eine freiwillige Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1988, deren Höhe gemäß § 42 des Kollektivvertrages für die bei österreichischen Tageszeitungen angestellten Redakteure, Redakteursaspiranten und Reporter berechnet wird, erhält. Für die Berechnung des Abfertigungsanspruches gemäß § 42 des Kollektivvertrages werden 15 Jahre Vordienstzeiten angerechnet.

Mit beendete der Bf. seine (Erwerbs)Tätigkeit bei der ZZZ.

Die AG zahlte dem Bf. einen (Brutto)Betrag in Höhe von 11.267,33 € aus, der einem festen Steuersatz (6%) unterzogen wurde (= 676,04 €).

Vom Dienstgeber, der ZZZ erhielt der Bf. laut Lohnzettel Bruttobezüge in Höhe von 215.867,54 € (Kennzahl 210), als steuerpflichtige Bezüge (Kennzahl 245) wurden in der Einkommensteuerbescheid 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 191.570,17 € veranlagt, die laut Tarif versteuert wurden. Diese Bruttobezüge enthielten eine Abfertigung in Höhe von 123.130,33 €.

Dieser Betrag ergibt sich folgendermaßen: Unter Einbeziehung der Vordienstzeiten wäre eine Abfertigung in Höhe von 134.395,33 € zu zahlen, 11.265,00 € wurde von der AG ausbezahlt, der restliche Betrag in Höhe von 123.130,33 € vom Dienstgeber. 

Laut Vorbringen des steuerlichen Vertreters sei dieser Betrag als freiwillige Abfertigung gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu versteuern.

Rechtsgrundlagen

§ 67 Abs. 6 EStG 1988 idgF lautet:

Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen sind mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Über das Ausmaß des ersten Satzes hinaus sind freiwillige Abfertigungen bei einer nachgewiesenen


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Dienstzeit von
ist ein Betrag bis zur Höhe von
3 Jahren
2/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
5 Jahren
3/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
10 Jahren
4/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
15 Jahren
6/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
20 Jahren
9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
25 Jahren
12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

mit den Steuersätzen des Abs. 1 zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß. Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Soweit die Grenzen des ersten und zweiten Satzes überschritten werden, sind solche sonstige Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Die vorstehenden Bestimmungen zu freiwilligen Abfertigungen gelten nur für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen."

Erwägungen

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren zunächst, ob das Dienstverhältnis mit der ZZZ ab dem Abfertigungssystem "neu" unterlag, sowie ob die begünstigte Besteuerung auf die an den Bf. ausbezahlte Abfertigung nach der oben zitierten Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 anzuwenden sei.

Hinsichtlich der Frage, welchem Abfertigungssystem die geleistete Zahlung unterlag, bestehen unterschiedliche Ansichten zwischen dem Bf. und der Abgabenbehörde.

Im Gegensatz zum Finanzamt vertritt der Bf. die Ansicht, dass keine Abfertigung "neu" vorliege. Es sei eine zweistufige Betrachtungsweise vorzunehmen, nämlich ob die Zahlung eindeutig der Beendigung eines Dienstverhältnisses zuzuordnen sei (Stufe 1) und ob die Zahlung jenen Zeiträumen zuzuordnen sei, für die keine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse bestehen (Stufe 2). Beide Fragen wären nach Ansicht des steuerlichen Vertreters in diesem Fall zu bejahen.

In diesem Zusammenhang ist in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1131 BlgNr 21. GP, 67 betreffend die Neuregelung des Abfertigungsrechtes Folgendes ausgeführt:

Auf freiwillige ("überhöhte") Abfertigungen, die von einer Mitarbeitervorsorgekasse ausbezahlt werden, soll § 67 Abs. 6 EStG 1988 generell nicht zur Anwendung kommen. In diesem Bereich gilt das in diesem Punkt neu gestaltete Regime des § 67 Abs. 3 EStG 1988 in Verbindung mit § 26 Z. 7 lit. d EStG 1988 (siehe Erl. zu Art 17 Z. 5).

Nach dem letzten Satz des § 67 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I 100/2002 gelten die Bestimmungen des § 67 Abs. 6 nur für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen. Diese Bestimmung soll Folgendes bewirken:

  • Wird das "alte" Abfertigungssystem für die volle Dauer des Dienstverhältnisses weiter geführt, gilt der bisherige Inhalt des § 67 Abs. 6 EStG 1988 für freiwillig bezahlte Abfertigungen unverändert weiter.

  • Wird das "alte" Abfertigungssystem für Anwartschaftszeiträume bis zu einem bestimmten Übertrittsstichtag weiter geführt und lediglich für künftige Anwartschaftszeiträume das neue System gewählt, ist § 67 Abs. 6 EStG 1988 nur insoweit anzuwenden, als sich die freiwilligen Abfertigungen auf die "alten" Anwartschaftszeiträume beziehen. Dies bedeutet unter anderem, dass für die Sprungstellen-Jahresstaffel nur derartige "alte" Anwartschaftszeiträume berücksichtigt werden dürfen.

  • Wird auf die volle Dauer des Dienstverhältnisses bereits das neue System angewendet (Option zur Anwendung des neuen Systems auch für vergangene Zeiträume, neue Dienstverhältnisse), ist der bisherige Inhalt des § 67 Abs. 6 EStG 1988 gänzlich unanwendbar.

Nach ständiger Rechtsprechung, wie das Erkenntnis des spielen Vordienstzeiten keine Rolle ("Für Arbeitsverhältnisse, die nach dem beginnen und dem BMVG unterliegen, kommt § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht zur Anwendung. Es können daher auch keine Vordienstzeiten berücksichtigt werden."). Dies betrifft insbesondere jene Arbeitnehmer, die nach dem alten Abfertigungssystem durch Selbstkündigung den Anspruch auf gesetzliche Abfertigung verloren haben und nach dem beim neuen Arbeitgeber eine freiwillige Abfertigung zur Abdeckung der "verlorenen" gesetzlichen Abfertigungsansprüche erhalten. Dabei macht es keinen Unterschied, wenn die Kündigung erst nach vertraglicher Zusicherung der Abfertigungsansprüche erfolgt (; Doralt, Einkommensteuer-Kommentar, § 67 Tz 85 2. Absatz).

Der Bf. war vom bis und ab bis Dienstnehmer bei der Tageszeitung XYZ und hat durch die Selbstkündigung auf seine ihm gesetzlich zustehende Abfertigung verzichtet.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist unbestritten, dass der Bf. sein Dienstverhältnisses bei der ZZZ im Jahr 2006 begonnen hat. Da dieses Dienstverhältnis nach dem begann und dem BMVG unterlag, ist das Abfertigungssystem "neu" anzuwenden.

Durch den Nachweis der Vordienstzeiten, die unter das alte Abfertigungsrecht fallen und für die keine Abfertigung gewährt wurde, kann der Bf. nichts für seinen Standpunkt gewinnen. Der Bf. verweist konkret auf sein Dienstverhältnis bei der Tageszeitung XYZ vom bis . Das Dienstverhältnis wurde durch Selbstkündigung des Bf. aufgelöst, was zur Folge hatte, dass damit der Anspruch auf gesetzliche Abfertigung verloren gegangen ist.

Ein Anspruch auf Auszahlung besteht nicht bei Selbstkündigung und bei verschuldeter Entlassung. Der Anspruch wird diesfalls zum nächsten Arbeitgeber "mitgenommen" (EStG, Jakom § 67 Tz 14).

Die nunmehr ausbezahlte Abfertigung ist als zusätzliche Abfertigungszahlung für Zeiträume, für die ein Anspruch gegenüber einer BV-Kasse besteht, gemäß Abs. 10, also mit dem Lohnsteuertarif zum Zeitpunkt des Zufließens, zu versteuern (EStG, Jakom § 67 Tz 15).

Die Begünstigungen des § 67 Abs. 6 EStG 1988 gelten nur für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer Betrieblichen Vorsorgekasse bestehen. Für alle Dienstverhältnisse, die nach dem beginnen und auf deren volle Dauer daher das Betriebliche Mitarbeiter- und SelbständigenvorsorgeG anzuwenden ist, ist Abs. 6 leg. cit. gänzlich unanwendbar und somit ex lege nicht für Arbeitnehmer, die nach dem eingetreten sind (; -G/07).

Von der begünstigten Besteuerung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind nur solche Bezüge erfasst, deren unmittelbare Ursache die Beendigung des Dienstverhältnisses ist. Der ehemalige Dienstgeber hat die Abfertigung aber nicht zur Auszahlung gebracht, sondern erst der neue Dienstgeber zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits eine Anwartschaft gegenüber einer MV-Kasse bestanden hat. Dem Neubeginn eines Dienstverhältnisses kommt bei § 67 Abs. 6 EStG 1988 besondere Bedeutung zu. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob jemand im Rahmen eines Vollübertrittes von alten auf das neue Abfertigungssystem übergeht und in den Genuß der Begünstigung kommt, oder wenn jemand auf Grund des neuen, späteren Beginns des Dienstverhältnisses unter die Abfertigung neu fällt. Ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch kann darin nicht gesehen werden ().

Der Bf. begann sein Dienstverhältnis bei der ZZZ bereits im "neuen" Abfertigungssystem, er hatte in diesem Dienstverhältnis keine Anwartschaften aus dem alten Abfertigungssystem. Folglich fällt er lediglich unter das neue System, wobei die Begünstigung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 für die angerechneten und ausbezahlten Vordienstzeiten zur Abfertigung nicht greift.

Demnach hat das Finanzamt zu Recht eine begünstigte Versteuerung der Abfertigung nicht durchgeführt, da im gegenständlichen Fall § 67 Abs. 6 EStG 1988 zufolge seines letzten Satzes nicht anwendbar ist.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen das Erkenntnis des BFG wird gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen, da die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage, insbesondere hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 67 Abs. 6 EStG 1988 bei Auszahlung einer Abfertigung unter Anrechnung von Vordienstzeiten anläßlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses für Zeiträume, für welche keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen, abhängt, die im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend geklärt ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102052.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at