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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.01.2018, RV/7102639/2014

Geltendmachung der Hauptwohnsitzbefreiung bei Parifizierung von Eigentumswohnungen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102639/2014-RS1
Die erstmalige Parifizierung von Eigentumswohnungen stellt keinen Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang dar. Wie bei einer Realteilung liegt eine Konkretisierung der bisherigen Miteigentumsanteile vor und das Wohnungseigentum tritt an die Stelle des bisherigen Miteigentums. Dadurch tritt die Eigentumswohnung auch in die Rechtstellung des bisherigen (anteiligen) Grundstücks ein und die Zeiten der Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz vor Begründung des Wohnungseigentums sind für die Beurteilung der Voraussetzungen der Hauptwohnsitzbefreiung gem. § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 heranzuziehen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***, ***, vertreten durch Mag. Johanna Katharina Hirtzberger, Vintax Steuerberatung, Hauptstraße 22/12, 3620 Spitz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamts Waldviertel vom , betreffend Einkommensteuer 2012, zu Recht: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Einkommensteuer für das Jahr 2012 wird mit 0,00 Euro festgestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schenkungsvertrag vom erwarb die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter je einen Hälfteanteil am Haus ***. Mit Nutzwertgutachten vom wurden die Nutzwerte der Liegenschaft festgesetzt (erstmalige Parifizierung). Mit Kaufvertrag vom erfolgte der Verkauf von Wohnung Top 2 um insgesamt 330.000,- Euro, wobei eine Anzahlung iHv 50.000,- Euro im Jahr 2010 geleistet wurde, der restliche Kaufpreis iHv 280.000,- Euro dann im Jahr 2012 entrichtet wurde.

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer der Beschwerdeführerin für das Jahr 2012 mit 5.775,00 Euro festgesetzt. Als Begründung wurde angeführt, dass die Hauptwohnsitzbefreiung hinsichtlich der Veräußerung der Liegenschaft nicht berücksichtigt werden könne, da die Beschwerdeführerin weder 2 Jahre durchgehend (von der Anschaffung bis zur Veräußerung), noch in den letzten 10 Jahren mindestens 5 Jahre durchgehend ihren Hauptwohnsitz an der gegenständlichen Adresse gehabt hätte. Gemäß den Angaben im Zentralen Melderegister sei sie zu keinem Zeitpunkt an dieser Adresse gemeldet gewesen.

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin dagegen Beschwerde und führte aus, dass sie an der Adresse der veräußerten Liegenschaft ihren Hauptwohnsitz gehabt habe. Gemäß Rz 6638 EStR könne ein Hauptwohnsitz aber unabhängig von der Meldung auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige an dem betreffenden Wohnsitz überhaupt nicht gemeldet sei. Für die Beurteilung des Hauptwohnsitzes könnten in diesem Fall unter anderem folgende Umstände herangezogen werden: Ort der Zustellung der Post und Angabe als Wohnanschrift gegenüber Behörden. Entscheidend sei, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege. Als Beweis legte die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde diverse diesbezügliche Nachweise bei. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass der Kaufpreis der Liegenschaft mit 280.000,- Euro anzusetzen sei. Eine Anzahlung in Höhe von 50.000,- Euro sei schon im September 2010 zugeflossen. Aufgrund des Zufluss-Abfluss-Prinzips seien als Bemessungsgrundlage für die Immobilienertragssteuer nur 280.000,- Euro bzw. davon die Hälfte als Anteil der Beschwerdeführerin anzusetzen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2012 für die Beschwerdeführerin nunmehr mit 4.900,- Euro festgesetzt. Als Begründung wurde angeführt, dass die in § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 vorgesehene Hauptwohnsitzbefreiung nicht berücksichtigt werden könne, da bei erstmaliger Parifizierung eines davor im Miteigentum gestandenen Objekts der Erwerb der Eigentumswohnung erst mit Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags erfolge. Die Hauptwohnsitzbefreiung würde nur dann greifen, wenn die Eigentumswohnung ab Erwerb mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz genutzt worden wäre. Dieses Erfordernis sei im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Die Einkommensteuer für das Jahr 2012 betrage daher 4.900,- Euro, da zu berücksichtigen sei, dass die Anzahlung nachweislich bereits im Jahr 2010 zugeflossen sei.

Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag gemäß § 264 Abs. 1 BAO auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Vorlagebericht vom beantragte die belangte Behörde in Abänderung ihrer bisherigen Rechtsansicht die Stattgabe der Beschwerde, da alle Voraussetzungen für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung vorlägen. Als Begründung wurde angeführt, dass die erstmalige Parifizierung einer Eigentumswohnung keinen Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang darstelle. Somit trete auch die Eigentumswohnung in die Rechtsstellung des bisherigen anteiligen Grundstücks ein. Als Zeitpunkt der Anschaffung gelte daher der Zeitpunkt der Anschaffung des Miteigentumsanteils und es würden sich die Anschaffungskosten und eine allfällige anteilige Altvermögenseigenschaft des Miteigentumsanteils in der Eigentumswohnung fortsetzen. Somit seien auch die Zeiten der Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz vor Begründung des Wohnungseigentums für die Beurteilung der Voraussetzungen der Hauptwohnsitzbefreiung heranzuziehen. Dabei sei es unbeachtlich, ob das Gebäude vor der Parifizierung als Eigenheim zu werten gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit ihrer Mutter Hälfteeigentümerin der betreffenden Liegenschaft gewesen. Im Jahr 2012 sei betreffend diese Liegenschaft eine erstmalige Parifizierung von drei Eigentumswohnungen vorgenommen worden. Die aus der Parifizierung entstandene Top 2 sei mit Kaufvertrag vom veräußert worden. Die Zeiten der Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz vor Begründung des Wohnungseigentums seien für die Beurteilung der Voraussetzungen der Hauptwohnsitzbefreiung heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin habe gemäß den vorgelegten Unterlagen ab dem Jahr 2002 ihren Lebensmittelpunkt an der Adresse der gegenständlichen Liegenschaft gehabt wodurch die durchgehende Nutzung der Wohnung über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren in den letzten 10 Jahren vor der Veräußerung gegeben sei. Im Oktober 2012 habe die Beschwerdeführerin ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen nach *** verlegt. Daher seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung gegeben.

Mit Schreiben vom zog die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat in einer mündlichen Verhandlung zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Mit Schenkungsvertrag vom erwarb die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter je einen Hälfteanteil an der gegenständlichen Liegenschaft. Mit Nutzwertgutachten vom wurden die Nutzwerte der Liegenschaft festgesetzt (erstmalige Parifizierung). Mit Kaufvertrag vom erfolgte der Verkauf von Wohnung Top 2 um insgesamt 330.000,- Euro, wobei eine Anzahlung iHv 50.000,- Euro im Jahr 2010 geleistet wurde, der restliche Kaufpreis iHv 280.000,- Euro wurde im Jahr 2012 entrichtet.

Die Beschwerdeführerin hatte von 2002 bis 2012 ihren Hauptwohnsitz an der gegenständlichen Adresse. Im Oktober 2012 verlegte die Beschwerdeführerin ihren Hauptwohnsitz nach ***.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt und wurden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Hinweise aus dem Verwaltungsakt, die an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zweifeln lassen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 2 Abs. 3 Z 7 iVm § 29 Z 1 und § 30 Abs. 1 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen der Einkommensteuer.

§ 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 sieht vor, dass Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden von der Besteuerung ausgenommen sind, wenn sie dem Veräußerer entweder ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder dem Veräußerer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird (Hauptwohnsitzbefreiung).

Unbestritten ist, dass der Verkauf des Hälfteanteils an der gegenständlichen Liegenschaft (Wohnung Top 2) durch die Beschwerdeführerin mittels Kaufvertrag vom grundsätzlich als private Grundstücksveräußerung iSd § 29 Z 1 iVm § 30 Abs. 1 EStG 1988 zu qualifizieren ist. Des weiteren wurde von der belangten Behörde aufgrund der im Verfahrensverlauf vorgelegten Nachweise auch nicht angezweifelt, dass die Beschwerdeführerin an der gegenständlichen Liegenschaft von 2002 bis zum Verkauf im Jahr 2012 ihren Hauptwohnsitz inne hatte und diesen nach dem Verkauf nach *** verlegte.

Verfahrensgegenständlich war jedoch die Frage, ob der Verkauf der gegenständlichen Wohnung Top 2 überhaupt unter die Hauptwohnsitzbefreiung gem. § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 fallen kann, da die Parifizierung der Liegenschaft erst anlässlich des Verkaufs erfolgte.

Die erstmalige Parifizierung von Eigentumswohnungen stellt keinen Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang dar. Wie bei einer Realteilung liegt eine Konkretisierung der bisherigen Miteigentumsanteile vor und das Wohnungseigentum tritt an die Stelle des bisherigen Miteigentums. Somit tritt auch die Eigentumswohnung in die Rechtstellung des bisherigen (anteiligen) Grundstücks ein.

Als Zeitpunkt der Anschaffung gilt daher der Zeitpunkt der Anschaffung des Miteigentumsanteiles und es setzen sich die Anschaffungskosten und eine allfällige anteilige Altvermögenseigenschaft des Miteigentumsanteiles in der Eigentumswohnung fort.

Somit sind auch Zeiten der Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz vor Begründung des Wohnungseigentums für die Beurteilung der Voraussetzungen der Hauptwohnsitzbefreiung heranzuziehen. Da die Beschwerdeführerin ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen über den gem. § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 erforderlichen Zeitraum an der gegenständlichen Liegenschaft innehatte, sind daher die Voraussetzungen für die Befreiung der aus der Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft erzielten Einkünfte erfüllt und die Einkommensteuer für das Jahr 2012 spruchgemäß mit 0,- Euro festzusetzen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage, ob im Falle einer Parifizierung eines Eigenheims in mehrere Wohneinheiten die Zeiten der Nutzung als Hauptwohnsitz vor der Parifizierung berücksichtigt werden können, wurde bislang nicht in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behandelt. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision liegen daher vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Herdin-Winter in BFGjournal 2018, 291
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102639.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at