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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.01.2018, RV/7103327/2015

Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache der Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , betreffend Abweisung des Antrags vom auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO (betreffend Familienbeihilfe für 1-9/2007) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Sohn E., ist ab Jänner 2007 gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die (bulgarische) Beschwerdeführerin (Bf.) bezieht für ihren Sohn E., geboren 1999, seit Oktober 2007 Familienbeihilfe.

Die Bf. stellte erstmals am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn beim damals zuständigen Finanzamt Wien 4/5/10. Als Einreisedatum nach Österreich wurde der angegeben, was auch als Antragsdatum gewertet wurde. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt Wien 4/5/10 wie folgt erledigt: Gewährung der Familienbeihilfe ab Oktober 2007 und Abweisung 1-9/2007 mangels Vorliegen einer Erwerbstätigkeit in Österreich. Am wurde im Finanzamt Wien 4/5/10 ein formloser Antrag auf Familienbeihilfe für E. für den Zeitraum bis gestellt und mit gleichem Schreiben ein Antrag auf Aufhebung des Abweisungsbescheides vom gemäß § 299 BAO. Ein Ergänzungsansuchen vom war wegen Urlaubsabwesenheit unzustellbar und wurde am neuerlich versendet. Die Beantwortung erfolgte am . Aufgrund eines Wohnsitzwechsels wurde der Antrag vom unerledigt am an das nunmehr zuständige Finanzamt Wien 12/13/14/Purkersdorf abgetreten. Ein neuerliches Ergänzungsersuchen vom bezüglich Krankenversicherung und Existenzmittel für 1-9/2007 blieb unbeantwortet. Dieser Antrag wurde wie folgt erledigt:

Zurückweisung des Zeitraums 11/2005 bis 12/2006 mittels Bescheid vom wegen Verjährung und Abweisung des Antrags auf Aufhebung gemäß § 299 BAO für den Zeitraum 01-09/2007 mittels Bescheid vom .

Gegen beide Bescheide wurde am fristgerecht eine Beschwerde eingebracht. Sowohl die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid als auch die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Aufhebung gemäß § 299 BAO wurden abgewiesen. Dagegen wurde am ein Vorlageantrag eingebracht.

Am zog die Bf. die Anträge auf mündliche Verhandlung und Senatsentscheidung sowie die Beschwerde betreffend den Zeitraum 11/2005 bis 12/2006 zurück.

Am richtete die Bf. folgendes Schreiben an das Bundesfinanzgericht:

"Alle Voraussetzungen für den Familienbeihilfenbezug für meinen Sohn waren im Zeitraum 01/2007 - 09/2007 erfüllt.

Eine Krankenversicherungsbestätigung für mich und meinen Sohn liegt diesem Schreiben bei.

Betr. Existenzmittel führe ich an, dass ich und mein Gatte im Jahr 2007 uns erstmalig selbständig machten mit den Firmen I.KG und KG. Die KG wurde überwiegend von mir geführt.

Da beide Firmen jung waren und das Jahr 2007 ein Rumpfwirtschaftsjahr war und aufgrund der hohen Anlauf-Betriebsausgaben erwirtschaftenen wir im Jahr 2007 bloß folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

L. EUR 5.448,87

Bf. EUR 1.914,44

Die tatsächlichen Einnahmen betrugen aber hingegen:

KG EUR 23.418,52

I.KG EUR 10.127,79

Die Feststellungserklärungen für beide Firmen für das Jahr 2007 liegen diesem Schreiben bei. Zusätzlich lege ich die Bankkontoauszüge vom Privatkonto meines Ehegatten, aus welchen Barbewegungen, welche dem Lebensunterhalt dienten, bei."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gem. § 3 Abs.1 FLAG i.Vm. § 53 FLAG sind Unionsbürger wie die Bf. österreichischen Staatsbürgern hinschtlich des Anspruches auf den Bezug von Familienbeihilfe gleich gestellt, soferne sie sich nach § 9 Niederlassungs-uns Aufenthaltsgesetz (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Demnach besteht ein uneingeschränktes Aufentshaltsrecht bis zu drei Monaten.

Bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten wird gem. § 9 NAG zur Dokumentation des Aufenthaltsrechtes auf Antrag u.a. eine Anmeldebescheinigung unter den Voraussetzungen des § 53 NAG ausgestellt.

Ab dem Vorliegen einer Anmeldebescheinigung ist das Vorliegen eines ausreichenden Versicherungsschutzes und ausreichender Existenzmittel von der Finanzbehörde nicht zu prüfen (vgl. z.B. ), sehr wohl hingegen bei nicht erwerbstätigen Antragstellern.

So regelt Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38/EG das Recht auf Aufenthalt eines Unionsbürgers über drei Monate hinaus im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates, das dann besteht, wenn er:

- 1. Arbeitnehmer oder Selbständiger ist oder 

- 2. für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt und er und seine Familienangehörigen über eine umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen.

Die Bf. war im Abweisungszeitraum 1-9/2007 nicht erwerbstätig.

Daher müssen kumulativ die Voraussetzungen lt. Pkt. 2 der o.a. Richtlinie vorliegen.

Bei ausländischen Staatsangehörigen - im vorliegenden Fall sind die Antragstellerin und das Kind EU-Bürger - genügt ein inländischer Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt im Inland für den Anspruch auf die Familienbeihilfe nicht. Vielmehr besteht nur dann Anspruch auf die Familienbeihilfe, wenn die im § 3 Abs. 1 FLAG angeführten qualifizierten Voraussetzungen vorliegen. Diese Personen haben ab nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 oder 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Für EU/EWR/Schweizer-Bürger ist - sofern der Anspruch auf die Familienbeihilfe nicht zweifelsfrei wegen einer beruflichen Tätigkeit im Sinne der VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw. ab (EG) Nr. 883/2004 gegeben ist - durch Vorlage der Anmeldebescheinigung (bzw. eines Lichtbildausweises für EWR-Bürger oder allenfalls der Dauerkarte für Familienangehörige aus Drittstaaten) der rechtmäßige Aufenthalt für den Antragsteller und das Kind nachzuweisen.

Für die Bf. als EU-Bürgerin bedeuten diese Ausführungen, dass bei einem Familienbeihilfenbezug für den Sohn E.  grundsätzlich der rechtmäßige und ständige Aufenthalt in Österreich mittels Vorlage von Anmeldebescheinigungen für die Antragstellerin selbst als auch für ihren Sohn sichergestellt sein muss.

Handelt es sich bei diesen Personen, so wie verfahrensgegenständlich bei der Bf. und ihrer Familie, um „Neu Zugezogene“ (bis rund 5 Jahre nach Einreise) und liegen die Anmeldebescheinigung nicht (komplett) vor, so ist für den Anspruch auf die Familienbeihilfe der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet (Bf. und Kind) durch Nachweis einer Krankenversicherung und von Existenzmitteln im Hinblick auf das Vorliegen des Mittelpunktes der Lebensinteressen zu prüfen.

Die Bf. hat nachweislich jene Unterlagen beigebracht, die das Vorliegen eines rechtmäßigen Aufenthaltes ihrer Familie und im speziellen ihres Sohns E.   in Österreich bescheinigen:

Die Bf. war im Streitzeitraum krankenversichert.

Mit der Vorlage  der Daten des Kontos des Ehemanns der Bf., der Versicherungsdaten,  der Bestätigung der SVA über die Mitversicherung der Bf. und ihres Sohns sowie der Erklärungen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der KG und der I.KG hat die Bf. ausreichend dokumentiert, dass sie die allgemeinen Voraussetzungen des § 9 NAG erfüllt.

Als Nachweis des ständigen Aufenthaltes in Österreich von E. legte die Bf. weiters die Schulzeugnisse ihres Sohns E. vor. Außerdem liegen  entsprechende Meldebestätigungen über den Hauptwohnsitz der Familie in Österreich/Wien ab dem Jahr 2002 vor. Damit ist der ständige bzw. rechtmäßige Aufenthalt des Kindes in Österreich im Streitzeitraum ausreichend dokumentiert.

Der Beschwerde auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Sohn E. ab Jänner 2007 kann daher stattgegeben werden.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da es im vorliegenden Fall um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geht. Die gegenständliche Rechtsfrage ist vielmehr klar aus dem Gesetz lösbar.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at