Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.09.2017, RV/7400149/2014

Einsatzgebühr gemäß §§ 28 und 29 WRKG - Beweiswürdigung in Bezug auf die den Rettungseinsatz verursachende Person

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R über die Beschwerde des Bf, Gasse 21/9, Wien, vertreten durch RA GmbH, Adresse, vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 70, vom , MA 70 - TZ: GZ betreffend Vorschreibung der Einsatzgebühren gemäß §§ 28 und 29 des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetztes - WRKG, LGBl. für Wien Nr. 39/2004, und der zum Zeitpunkt des Einsatzes gültigen Gebührenordnung, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 52/12, iZm § 210 BAO, für die am erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes, zu Recht erkannt: 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Angefochtener Bescheid

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 70 (MA 70), vom , MA 70-TZ: GZ (AS 17), wurde dem Beschwerdeführer (Bf.) für die am erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes  eine Gebühr von € 598,00 vorgeschrieben.

2. Beschwerde

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. durch seinen rechtsanwaltlichen Vertreter mit Schriftsatz vom Beschwerde (AS 28), im Wesentlichen mit der Begründung, der Einsatz der Wiener Rettung könne nicht für ihn stattgefunden haben. Die Behörde stütze sich für ihre Forderung auf eine Aktnotiz der Sicherheitswache sowie auf ein Einsatzprotokoll der Wiener Rettung. Zur Aktnotiz sei festzuhalten, dass der Bf. seiner Erinnerung nach nicht vor seinem Wohnhaus geschlafen habe. Vielmehr habe ihn die Sicherheitswache aufgehalten, als er das Wohnhaus zunächst durch die Tür 21 betreten habe, um seine Post zu holen. Als er das Wohnhaus durch Tür 23 betreten wollte, um zum Aufzug zu gelangen, sei er von der Sicherheitswache aufgehalten worden, welche ihn aufgefordert habe Auskunft zu geben, weswegen er von Tür zu Tür gehe. Der Bf. habe die Sicherheitswache aufgeklärt, dass er in diesem Haus wohne, jedoch habe diese darauf bestanden, ihn bis zur Wohnungstür zu geleiten. Nachdem der Bf. aufgesperrt habe, habe die Sicherheitswache seine Ausweisdaten notiert und den Einsatzort verlassen. Festzuhalten sei desbezüglich, dass die in der Aktnotiz aufscheinenden Ausweisdaten unrichtig seien.

Weder aus der Aktnotiz der Sicherheitswache noch aus dem erinnerlichen Geschehen des Bf. sei ersichtlich, weswegen ein Einsatz der Wiener Rettung notwendig gewesen wäre. In der Aktnotiz der Sicherheitswache werde sogar explizit festgehalten: „Intervention des RD Y 5, Dnr. 867, war nicht notwendig“.

Es sei daher eindeutig auszuschließen, dass die Rettung verständigt wurde, da keine Notwendigkeit gegeben gewesen sei.

Aus dem Einsatzprotokoll der Wiener Rettung gingen keinerlei Daten hervor, welche belegen, dass dieser Einsatz für den Bf. stattgefunden habe und sei aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten davon auszugehen, dass es sich um zwei von einander unabhängige Einsätze gehandelt  habe. Der Bf. habe darüber hinaus an jenem Abend keinerlei Kontakt zu einer Rettungseinheit gehabt und hätte daher eine Intervention/Untersuchung oder einen Krankentransport weder annehmen noch ablehnen können.

Auch werde im Einsatzprotokoll der Wiener Rettung angegeben, dass der Patient „verletzt“ gewesen sei, was von der Aktnotiz der Sicherheitswache nicht bestätigt werde. Auch könne die im selben Haushalt wohnhafte Lebensgefährtin bestätigen, dass der Bf. in jener Nacht keine Verletzungen erlitten habe. Der Einsatz der Wiener Rettung könne daher nicht für den Bf. stattgefunden haben.

Auch aus dem Schreiben der Wiener Rettung vom , demzufolge die persönlichen Daten des Bf. seitens der Polizei beauskunftet worden seien, gehe hervor, dass nicht feststehe, dass tatsächlich der Bf. den Rettungseinsatz verursacht habe. 

Es sei anhand der Unstimmigkeiten zwischen den die Kostenforderung begründenden Unterlagen sowie den Zweifeln der Wiener Rettung und der ausdrücklichen Notiz der Sicherheitswache, dass ein Rettungseinsatz für den Bf. nicht notwendig gewesen sei jedenfalls nicht möglich, die Kosten dieses Rettungseinsatzes dem Bf. aufzubürden.

3. Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (AS 36) wies die MA 70 die Beschwerde unter Hinweis auf die §§ 28 bis 30 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz (WRKG) mit folgender Begründung ab:

„…In gegenständlicher Angelegenheit wurde die Gebührenübernahme seitens der Wiener Gebietskrankenkasse mit der Begründung abgelehnt, dass kein Transport in eine Krankenanstalt erfolgt ist und in Folge dessen, aus dortiger Sicht keine medizinische Notwendigkeit für einen Rettungseinsatz bestanden habe.

Auf die Entscheidung der Wiener Gebietskrankenkasse, die Übernahme der Einsatzgebühren abzulehnen, hat die Magistratsabteilung 70 keinen Einfluss. Es kann jedoch durch den Beschwerdeführer der Versuch unternommen werden, sich seinerseits an die Wiener Gebietskrankenkasse zu wenden und eine nachträgliche Übernahme der Gebühren zu erwirken.

Da seitens der Einsatzkräfte der Berufsrettung Wien keine Personalien des Patienten dokumentiert werden konnten, wurden diese mittels Anfrage beim zuständigen Landespolizeikommissariat Wien, Polizeikommissariat X, in Erfahrung gebracht.

Dem Antwortschreiben der Polizei kann ausschließlich der Beschwerdeführer als Patient entnommen werden. Ein Hinweis auf eine zweite Person, für welche seitens der Wiener Polizei parallel zur Hilfeleistung für Herrn [Name Bf.], die Wiener Berufsrettung verständigt wurde, geht aus dem Bericht nicht hervor. Zudem entsprechen das angeführte Fahrzeug RD Y 5 sowie die Angabe der Dienstnummer (Dnr. 867), welche in Verbindung mit den Personaldaten des Herrn [Name Bf.] bekanntgegeben wurden, den Einsatzdaten der Berufsrettung Wien zu gegenständlichem Rettungseinsatz.

Die Anforderung der Wiener Berufsrettung wird durch das Einsatzprotokoll der Magistratsabteilung 70 sowie dem Polizeibericht bestätigt. Den Protokollen zu Folge, war zwar keine medizinische Hilfeleistung (Intervention) der Einsatzkräfte erforderlich, muss hinsichtlich Zahlungspflicht jedoch auf die §§ 28 und 29 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz – WRKG hingewiesen werden….“

4. Vorlageantrag

Im Vorlageantrag vom (AS 38) wird das bisherige Beschwerdevorbringen wiederholt und weiterhin die angebliche Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes bestritten. Eingewendet wird, dass diese von der Behörde auch nicht nachgewiesen werden könne („…Es ist anhand der zahlreichen Unstimmigkeiten zwischen den Unterlagen, welche die Kostenforderung laut der Behörde begründen sollen sowie den offensichtlichen eigenen Zweifeln der Wiener Rettung und der ausdrücklichen Notiz der Sicherheitswache, dass ein Rettungseinsatz für Herrn [Name Bf.] nicht notwendig war jedenfalls mangels Legitimität der Rechnungslegung nicht möglich, die Kosten dieses Rettungseinsatzes dem Bf. aufzubürden…“).

Als Zeugin wurde die in der Wohnung anwesende Lebensgefährtin des Bf. namhaft gemacht, welche bestätigen könne, dass der Bf. in jener Nacht keine Verletzungen erlitten habe.

5. Beschwerdevorlage

In der Beschwerdevorlage an das Bundesfinanzgericht vom gab die MA 70 folgende Stellungnahme ab:

„…Richtig ist, dass im Zuge des Rettungseinsatzes keine Daten des Patienten protokolliert werden konnten. Allerdings stellt dies im Rettungsdienst keine Seltenheit dar, da einerseits die medizinische Versorgung im Vordergrund zu stehen hat und andererseits nicht jene Möglichkeiten bei der Aufnahme der Personalien gegeben sind, wie beispielsweise der Sicherheitswache.

Eine Verletzung des Patienten wurde weder durch die Wiener Berufsrettung noch die Polizei protokolliert und können auch sonst keine unterschiedlichen Sachverhalte zwischen den Darstellungen der Wiener Polizei bzw. der Berufsrettung Wien festgestellt werden.

Es erscheint zudem nicht einleuchtend, warum dem Einsatzrapport der Polizei, zu einem stark betrunkenen Mann, welcher vor seinem Wohnhaus eingeschlafen war, die Daten einer unbeteiligten Person hinzugefügt werden sollten, welche lediglich das Wohnhaus durch eine Nebenstiege betreten hat, um die Post zu holen. Wobei dies um 02:30 Uhr sehr wohl als ungewöhnlich angesehen werden kann?!

Dem Ersuchen um Übersendung einer Kopie des Führerscheins wurde nicht nachgekommen.

Der Vermerk, dass die Intervention des RD Y nicht notwendig war, dokumentiert ausschließlich, dass letztlich keine medizinische Behandlung erforderlich war. Dies hat auf die Zahlungspflicht gemäß § 29 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz — WRKG, allerdings keine Relevanz. Dass der Rettungsdienst verständigt wurde, steht aus ha. Sicht außer Zweifel.

Bezugnehmend auf das beanstandete Antwortschreiben, dass „den derzeitigen Informationen zu Folge von Herrn [Name Bf.] als Patienten ausgegangen werden muss“, wäre auch eine sonstige Formulierung möglich gewesen. Beispielsweise, dass es sich beim Patienten aufgrund der durchgeführten Erhebungen, mit Sicherheit um Herrn [Name Bf.] gehandelt habe.

Aus Sicht der Magistratsabteilung 70 liegt daher die Zahlungspflicht gemäß den bezugnehmenden Rechtsnormen, in der vorgeschriebenen Gebührenhöhe, beim Beschwerdeführer.“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird aufgrund der Aktenlage als erwiesen angenommen:

Am erfolgte durch Sicherheitswachebeamte um 02:30 eine Notfallmeldung bei der Wiener Berufsrettung, nachdem der Bf. betrunken auf dem Boden vor seinem Wohnhaus schlafend angetroffen wurde. Bei Eintreffen des Einsatzfahrzeuges in Wien, Gasse 23 fanden die Sanitäter die Sicherheitswache bei dem in alkoholisiertem Zustand auf dem Boden liegenden Bf. vor. Nachdem der Bf. von den Sanitätern angesprochen wurde, stand er auf, verweigerte allerdings den Transport in ein Krankenhaus und wurde daraufhin von der Sicherheitswache in seine Wohnung begleitet, wo seine Personalien aufgenommen wurden, welche in weiterer Folge an die MA 70 weitergeleitet wurden.

Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem Einsatzprotokoll der MA 70 vom  (AS2) im Zusammenhalt mit den polizeilichen Feststellungen über den Einsatz (Kopie Tagesrapport – AS 7).

Dem Einsatzprotokoll sind diesbezüglich u.a. folgende Eintragungen zu entnehmen:

„….

Spalte Patient:

Name unbekannt, männlich, ca 30J, Wien, Gasse 21/9, Kostenträger n. erhebbar

Spalte Anamnese

Anamnese/Notfallgeschehen:

„Pat. am Boden liegend angetroffen. SW anwesend. Nach ansprechen stand Pat. auf
 
--> SW begleitet ihn nach Hause nachdem uns Pat. den Transport ins KH mehrmals verweigerte --> Übergabe an SW“

…“

Mit Schreiben vom (AS 8) ersuchte die MA 70 unter Bezugnahme auf Einsatzzeit und Einsatzort sowie Dienstnummer eines der beim Einsatz anwesenden Sicherheitswachebeamten das Polizeikommissariat Margareten um Übersendung der Patientendaten sowie einer Kopie des Tagesrapportes.

Folgende Rückmeldung der Polizei langte daraufhin am bei der MA 70 ein:

SPG Erste Allgemeine Hilfeleistung (EAH) – Erste Allgemeine Hilfeleistung (EAH) (325)

, 02:35 Uhr bis , 02:56 Uhr

LLZ E/5: Gasse 21, stark betrunkener Mann ist vor seinem Wohnhaus eingeschlafen, Intervention des RD Y 5, Dnr. 867 war nicht notwendig, uEB brachten den Mann in seine Wohnung

NameBf, 1980/Wien geb., Wien., Gasse 21/9 wh., öFS Nr.: *******/BPD Wien am

Name1, Name2, Name3“

In der Beschwerde und im Vorlageantrag vermeint der rechtsanwaltliche Vertreter des Bf. Unstimmigkeiten bzw. Ungereimtheiten mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass der Einsatz der Wiener Rettung nicht für den Bf. stattgefunden haben kann.

Ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO), ist unter sorgfältiger Berücksichtigung der Verfahrensergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen. Bei der "freien" Beweiswürdigung sind die Kriterien wie allgemeine Lebenserfahrung, Einhaltung der logischen Denkgesetze und Einblicke in Naturzusammenhänge zu beachten (Stoll, BAO-Kommentar, 1778f). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; Ritz, BAO5, § 167, Tz 8). 

Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Für das BFG bestehen bezüglich der Identität jener Person, zu der die Wiener Polizei am um 02:30 Uhr die Wiener Berufsrettung nach Wien, Gasse 23 berufen hat, aus folgenden Gründen keine Zweifel daran, dass es sich bei der den Rettungseinsatz verursachenden Person um den Bf. gehandelt hat:

Die Tatsache, dass die von Sicherheitswache sowie Rettungsdienst vorgefundene und auf dem Boden liegende Person nicht unerheblich alkoholisiert war, ergibt sich eindeutig aus der Aktennotiz der Sicherheitswache, wenn dort festgehalten wird, ein „stark betrunkenen Mann ist vor seinem Wohnhaus eingeschlafen“. Die Alkoholisierung wird vom Bf. auch gar nicht in Abrede gestellt, denn weder im Schreiben des Anwaltes vom noch in der Beschwerde oder im Vorlageantrag wird bestritten, dass der Bf. am zum fraglichen Zeitpunkt alkoholisiert war. Dem Einsatzprotokoll der Rettung ist zu entnehmen, dass es sich bei der auf dem Boden liegend angetroffenen Person um einen ca. 30-jährigen Mann handelt. Diese Altersangabe steht durchaus im Einklang mit dem Geburtsjahr des Bf (1980).  

Auch wenn im Einsatzprotokoll der MA 70 keine Daten des Bf. enthalten sind, sondern diese von der Sicherheitswache erst nachträglich - nämlich nachdem die Rettung den Einsatzort wieder verlassen hat und der Bf. bis zu seiner Wohnung begleitet wurde – erhoben und in weiterer Folge der MA 70 bekanntgegeben wurden, gibt es für das BFG keine Zweifel daran, dass die Rettung zum Bf. und nicht zu einer anderen Person gerufen wurden. Es bestehen nämlich weder Anhaltspunkte dafür, dass gerade zur fraglichen Zeit am Einsatzort noch ein weiterer Einsatz der Sicherheitswache und der Rettung stattgefunden hat, noch dass es zu einer Verwechslung der persönlichen Daten des Bf. mit einer unbekannten Person gekommen ist.

Die Erinnerung des Bf. an die Geschehnisse  am ist unter dem Aspekt seiner Alkoholisierung zu beurteilen. Es entspricht durchaus der Lebenserfahrung, dass die subjektive Wahrnehmung eines Alkoholisierten nicht unbedingt mit der Realität in Einklang steht und sein Gedächtnis  - im gegenständlichen Fall etwa hinsichtlich des Rettungseinsatzes bzw. des Kontaktes zum Rettungspersonal - Lücken aufweist.

Dem Beschwerdeeinwand, in der Aktnotiz der Sicherheitswache werde explizit festgehalten, dass eine Intervention der Rettung nicht notwendig war, und es daher auszuschließen sei, dass die Rettung verständigt wurde, da keine Notwendigkeit gegeben war, ist in diesem Zusammenhang Folgendes zu entgegnen:

Sind Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen gegenwärtig gefährdet oder steht eine solche Gefährdung unmittelbar bevor, so trifft die Sicherheitsbehörden nach § 19 Sicherheitspolizeigesetz die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht, sofern die Abwehr der Gefährdung nach der Rechtsordnung einer Verwaltungsbehörde aufgetragen ist oder zum Hilfs- und Rettungswesen oder zur Feuerpolizei gehört.

Ergibt sich bei der Gefahrenerforschung durch die Sicherheitsbehörden, dass es sich um einen Notfallpatienten handelt, der medizinische Hilfe benötigt, so ist unverzüglich die Rettung zu verständigen.

Die Vorgehensweise der Sicherheitswache, bei Auffinden einer auf dem Boden liegenden Person, nach entsprechender Einstufung der Notfallsituation, unverzüglich die Rettung oder den Notarzt zu alarmieren, stellt sich als "klassischer" Einsatzablauf dar.

Wesentlich ist dabei, dass der den Anruf entgegennehmende Mitarbeiter der Rettung im Falle einer Notfallmeldung durch die Sicherheitswache mit gutem Grund davon ausgehen kann, dass die Voraussetzungen des § 1 Z 1 WRKG vorliegen. Wenn nach Eintreffen der Rettung, die noch dazu den Bf. noch immer am Boden liegend vorgefunden hat, deren Erstbefundung ergibt, dass keine medizinische Behandlung erforderlich ist und überdies der Patient von sich aus den Transport in ein Krankenhaus verweigert, kann das im Nachhinein nicht dahingehend ausgelegt werden, dass im gegenständlichen Fall keine Notwendigkeit gegeben war, die Rettung zu verständigen. Der in der Beschwerde bzw. im Vorlageantrag ins Treffen geführte Vermerk, dass die Intervention des RD Y nicht notwendig war, dokumentiert nämlich ausschließlich, dass letztlich keine medizinische Behandlung erforderlich war, nicht jedoch, dass keine Notwendigkeit bestand, die Rettung zu verständigen.

Den weiteren Einwendungen des Bf., im Einsatzprotokoll sei angegeben, dass der Patient „verletzt“ gewesen sei, was von der Aktnotiz der Sicherheitswache nicht bestätigt werde, ist zu entgegnen:

Festzuhalten ist zunächst, dass das Einsatzprotokoll der Rettung ebensowenig eine Aussage über eine (angebliche) Verletzung enthält wie die der MA 70 übermittelte Aktnotiz der Sicherheitswache. Der vom Bf. angedeutete Widerspruch ist daher für das BFG nicht ersichtlich.

Lediglich im Auskunftsersuchen der MA 70 vom („Patientenname unbekannt, geb.“) an das Polizeikommissariat Margareten scheint folgender Satz (wörtlich) auf:

„Obgenannter Patient, wohnhaft in Wien, Gasse. 21/9 wurde am 21-06-2013, 02:30Uhr in Wien, Gasse 23 verletzt und am Berufungsort belassen.

…….“

Das BFG geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass es sich bei dieser Behördenanfrage lediglich um ein standardisiertes Schreiben mit vorgegebenen Formulierungen handelt, zumal es – wie auch im Vorlagebericht der MA 70 nachvollziehbar dargestellt wurde – im Rettungsdienst keine Seltenheit darstellt, dass im Zuge eines Rettungseinsatzes keine Daten protokolliert werden, weil einerseits die medizinische Versorgung im Vordergrund zu stehen hat und andererseits der Sicherheitswache andere Möglichkeiten zu Aufnahme der Personalien zur Verfügung stehen.

Nachdem daher aufgrund der Beweislage auch das BFG nicht davon ausgeht, dass sich der Bf. am Verletzungen zugezogen hat, erübrigt sich diesbezüglich eine zeugenschaftliche Befragung seiner Lebensgefährtin.

Rechtlich folgt daraus:

§ 1 des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes (WRKG) normiert die Aufgaben eines Rettungsdienstes. Nach dessen Z 1 ist Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder erhebliche Verletzung erlitten haben, erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern oder ärztlicher Hilfe zuzuführen.

§ 28 WRKG lautet: 

"(1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt. 

 (2) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann von der Einhebung der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden. 

(3) Der Gemeinderat wird ermächtigt, sofern eine solche Ermächtigung nicht ohnedies bundesgesetzlich eingeräumt ist, die Gebühren in einer Gebührenordnung festzusetzen. Eine Gebührenordnung kann bis zu einem Monat rückwirkend erlassen werden. 

(4) In der Gebührenordnung sind für jede einzelne Art oder eine Mehrheit ähnlicher Arten einer Inanspruchnahme Gebühren vorzusehen. Diese Gebühren sind nach den mit der Inanspruchnahme üblicherweise verbundenen Kosten, insbesondere nach Anzahl der gefahrenen Kilometer, nach Anzahl und Art des eingesetzten Personals sowie nach Art und Dauer des Einsatzes abzustufen. Insoweit es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung des Ausmaßes der Gebühren zweckmäßig ist, sind diese für bestimmte Arten der Inanspruchnahme oder Teile davon in Pauschbeträgen festzusetzen. 

(5) Die Höhe der Gebühren ist unter Zugrundelegung der sich in einem Kalenderjahr voraussichtlich ergebenden Zahl von Einsätzen und des auf ein Kalenderjahr entfallenden Gesamtaufwandes derart festzusetzen, dass die Summe der zur Einhebung gelangenden Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb des öffentlichen Rettungsdienstes sowie für die Verzinsung und Tilgung der Anlagekosten nicht übersteigt. 

(6) Für Einsätze außerhalb Wiens können unter Berücksichtigung des sich daraus ergebenden Mehraufwandes Zuschläge pro gefahrenen Kilometer festgesetzt werden. 

(7) Die Gebührenordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen.

§ 29 WRKG lautet auszugsweise: 

"(1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte. 

(2) Bei Zahlungsunfähigkeit des Gebührenschuldners haften für die Entrichtung der Gebühr nach Abs. 1 Personen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht. Ist die Verletzung oder Gesundheitsstörung, die zu einer Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes geführt hat, auf ein Ereignis zurückzuführen, für das zufolge gesetzlicher Vorschrift ein Dritter einzustehen hat, haftet dieser bis zur Höhe der noch unbeglichenen Gebühr. 

(3) Unbeschadet eintretender Straffolgen und privatrechtlicher Schadenersatzpflicht sind Gebührenschuldner die Personen, die einen vergeblichen Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes veranlassen, obwohl kein Anlass für einen Einsatz besteht. 

[...]" 

§ 30 WRKG lautet:

 (1) Mit Zustimmung der Stadt Wien können die hierfür in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger oder mit deren Einvernehmen der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten. Nach Abgabe dieser Erklärung sind die Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter allein die Gebührenpflichtigen (-schuldner).

(2) Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter im Einzelfall angibt, dass mangels eines ihm (ihr) gegenüber bestehenden Anspruches auf Kostenübernahme seine (ihre) Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die gebühr dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 Abs. 1 vorzuschreiben."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu den im Wesentlichen mit den zitierten Bestimmungen des WRKG inhaltlich übereinstimmenden Bestimmungen der §§ 1, 5 und 6 des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/1965 (Wr RKrBefG) erkannt, dass es für die Entstehung der Gebührenschuld nicht allein darauf ankommt, ob der Einsatz ursprünglich medizinisch erforderlich war, sondern ob das Vorliegen der Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes der Person, für die die Rettung gerufen wurde, mit gutem Grund hatte angenommen werden können, wobei diese Annahme bei jenem Mitarbeiter des Rettungsdienstes bestanden haben musste, der die Anforderung (betreffend des Rettungseinsatzes) entgegen genommen hat (vgl. bspw. ).

Auf Basis der zuvor geschilderten Sachlage - Vorfinden einer auf dem Boden liegenden Person - konnte der die Anforderung des Rettungsdienstes durch die Polizei entgegennehmende Mitarbeiter durchaus von der medizinischen Notwendigkeit des Einsatzes ausgehen. Für das BFG steht aus vorstehenden Erwägungen aufgrund der Beweislage auch fest, dass der Bf. erwiesenermaßen derjenige gewesen ist, der den Rettungseinsatz am verursacht  hat und ihm aufgrund  obiger Rechtslage als Gebührenschuldner im Sinne des § 29 WRKG die Einsatzgebühr zu Recht vorgeschrieben wurde, nachdem die Wiener Gebietskrankenkasse die Übernahme der Kosten wegen Alkoholisierung abgelehnt hat.

Die Beschwerde war daher aus vorstehenden Gründen als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, wann eine Einsatzgebühr nach dem WRKG vorzuschreiben ist, wurde durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt (zB ). Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen und liegt somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor. Die Revision ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 166 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 28 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
§ 29 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
§ 30 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7400149.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at