Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.07.2017, RV/5100386/2017

Anspruch auf Familienbeihilfe bei Überschreiten der gesetzlichen Studiendauer iS des § 2 Abs. 1 lit j FLAG

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2738/2017 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.; Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/16/0105. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende Richterin A. und die weiteren Senatsmitglieder Richter B., C. und D. in den Beschwerdesachen Bf., über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Linz vom , betreffend einerseits die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen, sowie andererseits die Verwehrung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge, hinsichtlich des Kindes E., zu Recht erkannt: 

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom  betreffend die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen hinsichtlich des Zeitraums Oktober 2015 bis Februar 2016 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom  betreffend die Verwehrung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge hinsichtlich eines Zeitraums von März 2016 bis Mai 2016 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

A) Verfahrensablauf:

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer (kurz Bf.) die ihm für seine Tochter E. (geb. 0.0.1991) bereits gewährte Familienbeihilfe inklusive der Kinderabsetzbeträge für die Monate Oktober 2015 bis Februar 2016 in Höhe von insgesamt 1.160,50 € (FB 868,50 €, KAB 292,00 €) zurück. In der Begründung dieser Entscheidung führt die Abgabenbehörde sinngemäß unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit j FLAG aus, dass eine Verlängerung der Beihilfengewährung bis zur Vollendung des 25. Lj. dann nicht möglich sei, wenn das studierende Kind die gesetzliche Studiendauer überschreite. Habe demnach das Kind vor Vollendung seines 24. Lj. bereits ein Toleranz-, Verlängerungs- oder Verordnungssemester in Anspruch genommen befinde sich dieses nicht mehr in der gesetzlichen Studiendauer iS des § 2 Abs. 1 lit j leg cit.

Mit der gleichen Begründung wies das Finanzamt den Antrag des Bf. vom auf Weitergewährung der Beihilfe mit gesondertem Bescheid vom für den Zeitraum März 2016 bis Mai 2016 ab.

Gegen beide vorgenannten Bescheide erhob der Bf. mit dem beim Finanzamt am eingelangten Schriftsatz das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin bringt dieser zusammengefasst sinngemäß vor, dass die Abgabenbehörde den vom Gesetzgeber in § 2 Abs 1 lit j sublit cc FLAG verwendeten Begriff "gesetzliche Studiendauer" unrichtig auslege. So finde sich in der Regelung des lit k leg cit, welche ebenfalls mit BGBl 111/2010 erlassen worden sei, nicht der Verweis auf die gesetzliche Studiendauer, sondern "im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit b FLAG vorgesehenen Studiendauer". Diese Textierung sei auch in lit g, h, i und k zu finden. Dass der Gesetzgeber jene Studenten, deren Studium zumindest zehn Semester umfasse, hinsichtlich der Anspruchsdauer der Familienbeihilfe schlechter stellen wollte als andere Studierende, sei auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Demnach sei dem Begriff "gesetzliche Studiendauer" des lit j dasselbe Verständnis zugrunde zu legen wie den Ausführungen in § 2 Abs. 1 lit b FLAG. Aus diesem Grunde sei vom Finanzamt nicht nur die Rückforderung der Beihilfe zu Unrecht erfolgt, sondern dem Bf. würde für seine Tochter bis zu ihrem Studienende im Mai 2016 die Beihilfe zustehen. Die vorstehende Auslegung sei auch aus verfassungsrechtlichen Überlegungen geboten, da andernfalls eine Gleichheitswidrigkeit vorliegen würde. So habe bereits der VfGH in seiner Entscheidung vom , G6/11 u. a. dargelegt, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers stehe, die Altersgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich eingeräumt werde, nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bedeckungsmöglichkeiten hinauf- oder auch herabzusetzen, sofern er dabei sachlich vorgehe. Der Gesetzgeber wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht verhalten gewesen, eine Ausnahme nach Art des § 2 Abs. 1 lit j und des § 6 Abs. 2 lit i FLAG überhaupt vorzusehen. Wenn er eine solche dennoch verfüge, habe er diese in sich sachlich auszugestalten. Gerade die vom Finanzamt erfolgte Auslegung des § 2 Abs. 1 lit j FLAG sei unsachlich, weil sie dazu führe, dass alleine auf Grund der Wahl eines "längeren Studiums" bei Überschreiten der Mindeststudiendauer kein Beihilfenanspruch bestünde, während in einem kürzeren Studium bei gleichem Studienfortschritt weiter ein Anspruch gegeben wäre. Um nicht gegen das Differenzierungsverbot des Art. 7 B-VG zu verstoßen, müsse die zwischen "kurzen" und "langen" Studien vorgenommene Differenzierung durch wesentliche Unterschiede im Tatsächlichen sachlich gerechtfertigt sein. Derartige tatsächliche Unterschiede seien auf die Differenzierung zwischen den Fällen des § 2 Abs. 1 lit b und j leg cit nicht ersichtlich, insbesondere fehle in den Gesetzesmaterialien jegliche Begründung dieser Differenzierung. Die verfassungsrechtlichen Bedenken wären ausgeräumt, wenn im § 2 Abs. 1 lit j das Wort "erstmöglichen" vor dem Wort Abschluss und lit cc "die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird" aus dem Rechtsbestand beseitigt werden würde. Eine Bereinigung wäre auch dadurch gegeben, die gesamte Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit j FLAG aufzuheben. Abschließend beantragte der Bf. in dieser Eingabe die ersatzlose Behebung des Rückforderungsbescheides, die Abänderung des die Beihilfe verwehrenden Bescheides dahingehend, dass die Beihilfe für den Zeitraum 3/2016 bis 5/2016 gewährt werde und dass das BFG eine Entscheidung durch den Senat treffen möge. 

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab. Zusammengefasst heißt es in der Begründung dieses Bescheides im Wesentlichen, dass die gesetzliche Studiendauer des hier von der Tochter des Bf. absolvierten Studiums der Humanmedizin 12 Semester betrage. Diese Ausbildungsdauer habe E. ab Oktober 2015 überschritten. Nach den Regelungen des Studienförderungsgesetzes sei unter der vorgesehenen Studienzeit jene in Semestern definierte Zeitspanne zu verstehen, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studiums festgelegt wäre. In Ermangelung einer eigenständigen Definition des Begriffes der "gesetzlichen Studiendauer" im FLAG müsse auf jene gesetzliche Regelungen zurückgegriffen werden, welche die Dauer von Studien regeln. Laut Anlage 1 zum UniStG habe die Studiendauer für das Diplomstudium Humanmedizin an der Universität 12 Semester betragen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass bei Anwendung des § 2 Abs. 1 lit j FLAG auch etwaige Toleranz- und Verlängerungssemester wie in § 2 Abs. 1 lit b FLAG zu berücksichtigen wären, hätte dies in der Regelung des Buchstaben j auch einen entsprechenden Niederschlag gefunden. Im vorliegenden Fall habe die Tochter des Bf. die gesetzliche Mindeststudiendauer von 12 Semestern mit Ablauf September 2015 überschritten, sodass die Rückforderung für den Zeitraum Oktober 2015 bis Februar 2016 zu Recht erfolgt sei. Analog dazu sei auch der Abweisungsbescheid für den Zeitraum März bis Mai 2016 rechtmäßig ergangen.

Mit Vorlageantrag vom begehrt der Bf. eine Entscheidung durch das BFG. Am langte beim Finanzgericht eine Vorlageerinnerung gemäß § 264 Abs. 6 BAO, aufgegeben per Post am ein. 

B) Sachverhalt:     

Die Tochter des Bf. ist am 0.0.1991 geboren und legte am die Reifeprüfung ab. Mit Wintersemester 2009/2010 begann sie das Studium der Humanmedizin an der Universität und beendete dieses erfolgreich im Mai 2016. Das vorgenannte Studium dauerte nach dem anzuwendenden Studienplan 12 Semester und war in drei Studienabschnitte gegliedert, wovon der 1. Studienabschnitt zwei Semester, der 2. Studienabschnitt sechs Semester und der 3. Studienabschnitt vier Semester umfasste. Die Tochter des Bf. absolvierte den ersten und zweiten Abschnitt des Studiums in der nach dem vorgenannten Studienplan festgelegten Dauer. Das Finanzamt gewährte dem Bf. zunächst für seine zuvor genannte Tochter auch nach Ablauf der zwölf Semester mit September 2015 bis einschließlich Februar 2016 die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge.  

C) Rechtslage:

Die maßgeblichen hier relevanten Gesetzesbestimmungen lauten in der anzuwendenden Fassung auszugsweise wie folgt:

§ 2 Abs. 1 FLAG:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

...

j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

...

§ 26 FLAG:

(1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

...

§ 33 EStG (Einkommensteuergesetz):

...

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

...

D. Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen zu den Spruchpunkten I. und II:

Der unter B. angeführte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und steht auch in keinem Widerspruch zum bisherigen Vorbringen des Bf. Somit steht im gegenständlichen Verfahren fest, dass die am 0.0.1991 geborene Tochter des Bf. ihr Studium der Humanmedizin im Oktober 2009 begonnen und die Mindeststudiendauer für diese Ausbildung 12 Semester betragen hat. Der Rückforderungsbescheid des Finanzamtes umfasst einen Zeitraum von Oktober 2015 bis Februar 2016 bzw. der Abweisungsbescheid einen Zeitraum von März bis Mai 2016, somit jeweils einen Zeitabschnitt in dem die Tochter des Bf. ihr 24. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Dass für die Tochter des Bf. nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit b FLAG durch die Überschreitung der in dieser Regelung festgelegten Altersbeschränkung kein Beihilfenanspruch in den hier relevanten Zeiträumen bestand, bedarf keiner weiteren Erklärung. Der Bf. vermeint jedoch sinngemäß, dass das Finanzamt den in § 2 Abs. 1 lit j FLAG normierten Begriff "gesetzliche Studiendauer" unzutreffend ausgelegt hätte, da dieser Wortwahl dasselbe Verständnis zugrunde zu legen sei, wie dem in § 2 Abs. 1 lit b leg cit  verwendeten Begriff "vorgesehene Studiendauer" unter zusätzlicher Berücksichtigung der in dieser Regelung enthaltenen Bestimmung über Toleranzsemester.

In diesem Zusammenhang verwies bereits das Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung sinngemäß darauf, dass unter dem Begriff "gesetzliche Studiendauer" die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studiums vorgesehene Mindeststudiendauer anzusehen sei. Dies entspreche auch der Verwaltungspraxis als auch der Rechtsprechung des BFG (vgl. z.B. Erkenntnis vom , RV/7101887/2014).
In der zuletzt genannten Entscheidung führt das BFG diesbezüglich zusammengefasst aus, dass sich aus der Begründung der Regierungsvorlage zu den Abänderungen im FLAG mit BGBl 111/2010 (981 der Beilagen XXIV. GP) ableiten ließe, dass der Gesetzgeber das Erfordernis des im Einleitungssatz des § 2 Abs. 1 lit j angeführten "erstmöglichen" Abschlusses des Studiums in Verbindung mit der in sublit cc angeführten "gesetzlichen Studiendauer" - übereinstimmend somit wie in sublit bb - als Mindeststudienzeit nach den studienrechtlichen Vorschriften verstanden haben wollte. Dies fände auch dadurch Bestätigung, dass der Gesetzgeber überall dort, wo er diese Möglichkeit unter Berücksichtigung einer etwaigen Verlängerung (z.B. durch ein Toleranzsemester) ausdrücklich auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit b FLAG verwiesen hätte (so in § 2 Abs. 1 lit g, lit i, lit k, sowie § 6 Abs. 2 lit a, f, h, j FLAG).

Von dieser bereits im Erkenntnis des GZ: RV/7101887/2014 getroffenen Auslegung abzuweichen besteht insofern keine Veranlassung, da diese Interpretation auch Deckung findet mit den Ausführungen im FLAG-Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 2, Rz 77. Darin heißt es -unter Verweis auf die Bestimmungen des § 13 StudFG-, dass unter „vorgesehene Studienzeit" jene in Semestern oder Studienjahren definierte Zeitspanne zu verstehen sei, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studienabschnittes oder eines Studiums festgelegt ist. Mit dem in § 2 Abs 1 lit b 2. Satz genannten Begriff „vorgesehene Studienzeit" wird auf die gesetzliche Studiendauer bzw die „Mindeststudiendauer" eines Studiums oder des jeweiligen Studienabschnittes verwiesen. Zwar ist das BFG an Richtlinien eines Ministeriums nicht gebunden, jedoch findet sich Gleichlautendes dazu in den Durchführungsrichtlinien des BMWFJ zum FLAG (Punkt 02.01 Rz 19.1). Im Übrigen führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis v. , 93/12/0168 zur Studienrichtung Medizin aus, dass nach der in dieser Entscheidung anzuwendenden Studienordnung dieses Studium in drei Abschnitte unterteilt gewesen wäre und dabei der erste Studienabschnitt vier, der zweite drei und der dritte fünf Semester umfasst hätte. Im drittletzten Absatz dieser Entscheidung bezeichnete der VwGH diese Studiendauer explizit als "gesetzliche Studiendauer". Das BFG hat demnach keine Zweifel, dass den hier im FLAG verwendeten Begriffen der "vorgesehenen Studiendauer" und der "gesetzlichen Studiendauer" die selbe Bedeutung zukommt. An dieser Auslegung kann auch der sinngemäße Einwand des Bf. nichts ändern, dass es bei dieser Sichtweise der vom Gesetzgeber verwendeten Formulierung in § 2 Abs. 1 lit j sublit bb FLAG "die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt" nicht bedurft hätte, da bereits mit der Wortfolge "die gesetzliche Studiendauer zehn oder mehr Semester beträgt" derselbe Sinn zum Ausdruck gebracht worden wäre. Unabhängig davon ob der vom Bf. vorgebrachten verkürzten Fassung des vorgenannten sublit bb dem selben Regelungsinhalt zukommen würde, ändert dies nichts an der Tatsache, dass auf Grund der bereits obenstehenden Ausführungen der vom Gesetzgeber verwendeten Wortfolge keine andere Interpretation als die der Mindeststudiendauer zugeschrieben werden kann. Dies findet auch dadurch Bestätigung, dass auch der VfGH in seiner Entscheidung G6/11 vom zu § 2 Abs.1 lit j FLAG unter Punkt 2.3. ausführt, dass diese Ausnahmeregelung von vornherein nur Studien betrifft, bei denen die gesetzliche Studiendauer mindestens zehn Semester beträgt, ohne dabei den Zusatz bis zum erstmöglichen Studienabschluss zu erwähnen. Da somit die Regelung des § 2 Abs. lit j FLAG keinen - wie beispielhaft in lit g leg cit - Verweis auf die im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit b FLAG vorgesehenen Studiendauer enthält, erweist sich der Einwand des Bf. einer unzutreffenden Auslegung dieser Norm als nicht berechtigt. 

Des Weiteren bringt der Bf. sinngemäß vor, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 lit j FLAG gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, da vom Gesetzgeber eine sachliche Begründung dafür fehle, dass bei einem "langen Studium" bei Überschreiten der Mindeststudiendauer kein Beihilfenanspruch bestünde, während bei einem "kurzen Studium" (§ 2 Abs. 1 lit b FLAG) bei gleichbleibendem Studienfortschritt weiter ein Anspruch gegeben wäre.

Bezüglich der Herabsetzung der Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe mit BGBl 111/2010 waren bereits mehrere Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH (vgl. z.B. G6/11 vom , G28/11 ua vom ) anhängig. Dabei stellte der Verfassungsgerichtshof -wie ohnedies der Bf. in seiner Beschwerde ausführt- fest, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege, die Altersgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich eingeräumt wird, nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bedeckungsmöglichkeiten hinauf- oder auch wieder herabzusetzen, sofern er dabei sachlich vorgeht. Auch bestehe keine Verpflichtung des Gesetzgebers eine Ausnahmeregelung nach § 2 Abs. 1 lit j FLAG überhaupt vorzusehen. Werde eine solche dennoch verfügt, hat er sie in sich sachlich auszugestalten. Dem Gesetzgeber ist es gestattet einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen und von einer Durchschnittbetrachtung auszugehen. Dass dabei Härtefälle entstehen können, macht für sich allein eine Regelung nicht unsachlich. Der Gesetzgeber ist dabei auch nicht verpflichtet auf alle Fallkonstellationen einzugehen.

Das vom Bf. vorgebrachte Sachlichkeitsgebot bedeutet, dass der Gesetzgeber bei Erlassung einer Norm ohne sachlicher Rechtfertigung nicht Ungleiches gleich oder Gleiches ungleich behandeln darf. Der Bf. vermeint diesbezüglich zunächst offenbar eine gegebene Gleichheitswidrigkeit bei Vergleich der Rechtsnorm des § 2 Abs. 1 lit b FLAG mit derjenigen des lit j leg cit. In diesem Zusammenhang ist ganz allgemein darauf zu verweisen, dass bis zur Vollendung des 24. Lj. bezüglich eines etwaigen Beihilfenanspruches für ein studierendes Kind die Regelungen des § 2 Abs. 1 lit b FLAG zu beachten sind. Nach dieser Bestimmung nimmt demnach der Umstand, ob ein "kurzes" oder "langes" Studium bis zur vorgenannten Altersgrenze betrieben wird, keinen Einfluss und unterliegen alle Studierenden an einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung - mit hier nicht näher relevanten Ausnahmen wie z.B des lit h für erheblich behinderte Kinder - der selben Regelung. Erst mit Überschreiten dieser allgemeinen Altersgrenze hat eine Prüfung zu erfolgen, ob ausnahmsweise ein Verlängerungstatbestand - hier nach § 2 Abs. 1 lit j leg cit - für eine Beihilfengewährung bis höchstens zur Vollendung des 25. Lj. der studierenden Person vorliegt.

Wenn demnach der Gesetzgeber eine Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze vom vollendeten 26. Lj. auf das 24. Lj. mit der zuvorgenannten Änderung für eine Beihilfengewährung vornimmt und mit § 2 Abs. 1 lit j FLAG einen eigenen Verlängerungstatbestand - bei Vorliegen der unter sublit aa bis cc näher genannten Voraussetzungen - um ein weiteres Jahr für Studierende, welche das 24. Lj bereits überschritten haben vorsieht, so unterwirft er dieser letztgenannten Bestimmung einen anderen Sachverhalt - nämlich studierende Personen über 24 - als jener Regelung des § 2 Abs. 1 lit b FLAG, welche eine Beihilfengewährung nur bis zur Vollendung des 24. Lj. des Kindes bestimmt. In den hier zu vergleichenden Rechtsnormen werden daher ungleiche Sachverhalte erfasst und führen folglich zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Aus diesem Grund liegt keine Ungleichbehandlung beim Vergleich der Regelungen des § 2 Abs. 1 lit b mit jenen der lit j FLAG im Rechtssinn und demnach keine Rechtswidrigkeit iS des Art 7 B-VG vor (vgl. Hohenwarter/Weninger in "Die Diskriminierungsverbote im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Hrsg. Lang, Schuh, Staring, unter Punkt  1. Gleichheitsgrundsatz des österreichischen Verfassungsrechts).

Allgemein ist zu den Änderungen des FLAG mit BGBl 111/2010 darauf zu verweisen, dass als genereller Hintergrund für die Herabsetzung der Altersgrenze in den parlamentarischen Erläuterungen ausgeführt wird, dass auch im Bereich des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen Konsolidierungsmaßnahmen zu setzen seien. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung und des dem Gesetzgeber zustehenden besonders großen Gestaltungsspielraums im Beihilfenbereich kann demnach das BFG an der Regelung des lit j an sich keine Verfassungswidrigkeit erkennen, wenn dieser in der genannten Bestimmung eine Gewährung der Beihilfe für studierende Kinder über ihr 24. Lj. hinaus auf den maximalen Rahmen der gesetzlichen Mindeststudiendauer beschränkt und dabei keine zusätzlichen Verlängerungssemester (z.B. Toleranzsemester) -  wie im § 2 Abs. 1 lit b FLAG festgelegt - zulässt. Der Gesetzgeber ist weder verpflichtet, einen Beihilfeanspruch bis zum Abschluss einer Ausbildung vorzusehen, noch wäre es ihm untersagt diesen Anspruch an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen (vgl. wiederum , Pkt 2.2.1.). Dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 2 Abs. 1 lit j FLAG seinen ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hätte, kann vom BFG nicht festgestellt werden. Vielmehr führte die Anwendung der zuletzt genannten Bestimmung im gegenständlichen Fall dazu, dass das Finanzamt - obwohl die Tochter des Bf. bereits im August 2015 das 24. Lj vollendete, jedoch erst mit Ablauf September 2015 die nach den studienrechtlichen Vorschriften vorgesehene Mindeststudiendauer von 12 Semester erreichte - die Rückforderung erst beginnend mit dem Monat Oktober 2015 anordnete. Daraus eine generelle Schlechterstellung für Studierende eines "langen Studiums" abzuleiten ist demnach nicht berechtigt, da sich für ein Kind, welches ein "kurzes Studium" betreiben würde, eine maximale Gewährung bis zur Vollendung des 24. Lj. nach lit b leg cit ergeben würde.

Aus den o.a. Gründen kann demnach an der vom Finanzamt erfolgen Rückforderung (Spruchpunkt I. des gegenständlichen Erkenntnisses) keine Rechtswidrigkeit festgestellt werden. Aus den gleichen Gründen erging auch die abweisende Entscheidung über den Antrag des Bf. auf Gewährung der Beihilfe für die Monate März bis Mai 2016 (Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses) für seine genannte Tochter zu Recht.

Es war daher - wie in den Spruchpunkten I. und II. dieses Erkenntnises ausgeführt - zu entscheiden. Da auf Grund der obigen Ausführungen das BFG die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf. nicht teilt, war von der Einleitung eines Normprüfungsverfahrens durch den VfGH abzusehen.  


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Zulässigkeit einer Revision (Spruchpunkt III.):

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall sieht das BFG die aufgeworfenen Streitfragen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis , 93/12/0168) als ausreichend geklärt, wodurch eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

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