Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2017, RV/7101104/2016

Liegenschaftserwerb des verbleibenden Gesellschafter durch Anwachsung nach § 142 UGB infolge Todes des anderen Gesellschafters

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7101104/2016-RS1
wie RV/0535-G/11-RS1
Scheidet aus einer OG oder KG, die nur aus zwei Gesellschaftern besteht, einer der Gesellschafter aus und macht der andere das ihm - sei es durch Gesetz (§ 142 UGB), sei es durch Vertrag - eingeräumte Recht auf Übernahme des Unternehmens geltend, so geht das u. a. an einem Grundstück bestehende Gesamthandeigentum der Gesellschaft in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters über (vgl. , verstärkter Senat, , und ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache des Herrn BF, ADR, vertreten durch RA, ADR2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr*** betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Verfahrensablauf

Herr X und Herr BF (der nunmehrige Beschwerdeführer, kurz Bf.) waren unbeschränkt haftende Gesellschafter der X & BF OG (eingetragen im Firmenbuch zu FN***, kurz GESELLSCHAFT).

Am **.** 2010 ist Herr X verstorben. Zu diesem Zeitpunkt war die GESELLSCHAFT Eigentümerin von 1001/7615 Anteilen der Liegenschaft EZ**KG**.

Der zuletzt zum zu EWAZ*** festgestellte Einheitswert für diese Liegenschaftsanteile beträgt (umgerechnet) € 58.848,79 (€ 447.664,66 : 7615 x 1001).

Punkt XI des Gesellschaftsvertrages lautet wie Folgt:

"Mit dem Tod eines Gesellschafters kommt es nicht zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zu einer Fortführung durch den verbleibenden Gesellschafter. Die Gesellschaftsanteile sollen direkt dem jeweils nicht verstorbenen Gesellschafter zukommen. In diesem Fall verpflichtet sich der verbleibende Gesellschafter den jeweiligen Erben des verstorbenen Gesellschafters den halben Wert der Gesellschaft zum Stichtag (entspricht dem Todestag des Gesellschafters) zu bezahlen. Diese Summe wird in 10 gleichen Teilen, jeweils am 31.12. des entsprechenden Jahres fällig und ist somit dieser Betrag ohne Verzinsung bzw. Wertsicherung binnen 10 Jahren an die Erben zu bezahlen."

Auf Grund eines Sachverständigengutachtens wurde der an Frau WITWE als Alleinerbin nach Herrn X zu bezahlende Abfindungsbetrag mit € 25.130,00 festgelegt. Bei der Ermittlung des Unternehmenswertes setzte der Gutachter für die Liegenschaftsanteile einen Verkehrswert iHv € 250.000,00 an.

Mit Antrag an das Firmenbuch vom erklärte der Bf. nach Anwachsung des Gesellschaftsanteiles künftighin das Unternehmen gemäß § 142 UGB im nicht protokollierten Umfang als Einzelunternehmen fortzuführen und ersuchte um Löschung der GESELLSCHAFT. Mit Beschluss vom bewilligte das Firmenbuchgericht die Löschung der GESELLSCHAFT und trug die Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch den Bf. im Firmenbuch ein.

Abgabenerklärung und Ermittlungen des Finanzamtes

Mit Grunderwerbsteuerklärung vom zeigte der Notar NOTAR dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (kurz FA) an, dass zwischen der GESELLSCHAFT und dem Bf. am ein grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang, für den am die Steuerschuld entstanden sei, verwirklicht worden sei. Bei den Daten zur Bemessungsgrundlage wurde eingetragen: "Wert nicht ermittelbar" und ein Betrag iHv € 175.538,00.

Über entsprechende Aufforderung übermittelte der Bf. dem FA mit Schriftsatz vom folgende Unterlagen:
- Notariatsakt vom (Annahmeerklärung des Bf. betreffend Anteile an der ****GmbH).
- Gesellschaftsvertrag der GESELLSCHAFT in der letztgültigen Fassung vor der Anwachsung
- Jahresabschlüsse der GESELLSCHAFT zum Jahresende 2009, 2010 und 2011
- Beleg zum Verkehrswert der Liegenschaft EZ**KG**.

Mit weiterem Schriftsatz vom übersandte der Bf. dem FA Auszüge des Gutachtens des Sachverständigen SV über die Anteile des X an der GESELLSCHAFT.

Da die Frage nach der Höhe des Abfindungsbetrages vom Bf. nicht beantwortet wurde, wandte sich das FA an die Erbin des Mitgesellschafters, die dem FA mit Schreiben vom mitteilte, dass der halbe Wert der GESELLSCHAFT per € 25.129,50 betragen habe.

Grunderwerbsteuerbescheid

Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom setzte das FA gegenüber dem Bf. Grunderwerbsteuer iHv € 8.418,09 (3,5% der Gegenleistung iHv € 240.516,90) fest. Die gesonderte Bescheidbegründung enthält nach den Sachverhaltsfeststellungen ua. folgende Ausführungen:

"2. Abgabenrechtliche Würdigung:

Scheidet aus einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden OHG (OG) oder KG ein Gesellschafter aus und übernimmt der verbleibende Gesellschafter das Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven unter Ausschluss der Liquidation (§ 142 UGB), so geht das Gesamthandeigentum am Gesellschaftsvermögen in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters im Wege der Anwachsung über, und der Vorgang ist, da er sich kraft Gesetzes vollzieht, nach § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG steuerpflichtig.

Die liquidationslose Übernahme einer OHG (OG) oder KG nach § 142 UGB durch einen der Gesellschafter bewirkt die Beendigung der Gesellschaft; der übernehmende Gesellschafter erwirbt daher nicht Anteile an der nicht mehr bestehenden Gesellschaft, sondern Alleineigenturn an den bisher zum Gesellschaftsvermögen gehörenden, im Miteigentum der bisherigen Gesellschafter stehenden Grundstücke (vgl. Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, TZ 306 a ff. zu § 5 GrEStG 1987). Es liegt daher ein unmittelbarer Liegenschaftserwerb des übernehmenden vom ausscheidenden Gesellschafter vor ( Zl. 16/0981/80 und vom , Zl. 84/16/0155).

Die GrESt für den Erwerb der Liegenschaft der Gesellschat durch den Übernehmer, ist wie folgt zu berechnen:
Die Gesamtgegenleistung setzt sich zusammen:
.) aus der Leistung bzw. Abfindung an den ausscheidenden Gesellschafter bzw. dessen Erben
.) aus den übernommenen Verbindlichkeiten der Gesellschafter
.) und den eigenen Gesellschaftsrechten, die durch die Auflösung der Gesellschaft untergehen
1. Festes oder Fixkapital
2. Variables Kapital
3. Anteilige stille Reserven (Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und aufgewerteten Verkehrs-/Teilwerten)

Nach dem Verhältnis des gesamten erworbenen Vermögens zum Wert der Grundstücke ist die Gesamtgegenleistung aufzuteilen (vgl. Zl. 25/73).

Dabei ist der 1. Teil des BewG. anzuwenden: Liegenschaften sind mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert), das bewegliche Anlagevermögen ist mit dem Teilwert i. S. d § 12 BewG anstelle der Buchwerte, anzusetzen. Daher sind bei den abnutzbaren Anlagegütern die Anschaffungs- und Herstellungskosten, vermindert um die Absetzung für Abnutzung gem. § 7 EStG 1988, sofern dieser Wert nicht weniger als 15 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten beträgt, für die Berechnung heranzuziehen. Auf der Passivseite sind die echten Schulden (ohne aufschiebend bedingte Lasten etc...) zu errechnen.

3. Gemeiner Wert (Verkehrswert) der Liegenschaft:

Der gemeine Wert der Liegenschaft beträgt laut Gutachten vom , erstellt mit Stichtag von SV, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverstäindiger, € 250.000,00.

4. Halber Unternehmenswert der X & BF OG:

Der halbe Unternehmenswert der X & BF OG beträgt laut Gutachten vom , erstellt mit Stichtag von SV, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, € 25.129,50.

5. Berechnung der Steuer:

gem. § 7 Abs. 1 GrEStG: € 240.516,90 x 3,5 % = € 8.418,09

Die genaue Berechnung ist der Beilage zu entnehmen, die einen integrierenden Bestandteil dieser Bescheidbegründung darstellt."

Die Beilage enthält folgende Berechnung:


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Bewertung des Unternehmensanteils nach I. Teil BewG
Aktiva zum
248.875,81
Passiva zum
248.875,81
- Buchwert der Grundstücke
-215.055,71
- Kapital
-29.423,34
+ Verkehrswert der Grundstücke
250.000,00
- ½ RSt. für Rechts- u. Beratungskosten
-762,50
- Buchwert Büromaschinen EDV Anlagen
-0,01
+ Teilwert Büromaschinen, EDV Anlagen
118,38
- Buchwert Fahrzeuge
-0,01
+ Teilwert Fahrzeuge
2.275,37
+ Geringwertige Wirtschaftsgüter
91,44
Aktiva n. I. Teil BewG:
286.305,27
Passiva n. I. Teil BewG:
218.689,97
Reinvermögen
67.615,30
- Kapitalkonto
-29.423,34
Unterschiedsbetrag
38.191,96
anteiliger Unterschiedsbetrag 50%
19.095,98
+ variables Kapital (eigene Gesellschaftsrechte)
12.529,57
+ ½ RSt. für Rechts- u. Beratungskosten
762,50
+ übern. Verbindlichkeiten lt. Pkt C. und D. Passiva
217.927,47
+ Abfindungsbetrag
25.129,50
gesamte Gegenleistung
275.445,02

Beschwerde

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass § 5 GrEStG nichts zu entnehmen sei, dass seine Anwendung auf den vorliegenden Fall rechtfertige könne. Dies sei unter dem Gesichtspunkt verständlich, dass das Gesamthandeigentum der Komplementäre und der OG an einer Liegenschaft in einem Fall wie dem vorliegenden zu einem Gesamthandeigentum von weniger (oder nur einem) Eigentümer werde.
Es liegt sohin keine Eigentumsübertragung vor, da die OG nach wie vor grundbücherlicher Eigentümer sei und könne der Bf. auch nicht per analogiam als Erwerber von Eigentum angesehen werden.
Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass die Erben nach dem verstorbenen Komplementär gemäß §§ 137, 138 UGB abzufinden waren; diese Abfindung sei nicht als Gegenleistung für Übertragung von Rechten zu bewerten, sondern bloß als "fiktiver Liqudationserlös", da ja Liquidation nicht stattfinde.

Das Gutachten des SV vom 5. Juli 20010 errechne den Wert der Anteile des X an der GESELLSCHAFT mit € 25.130,00. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Gegenleistung von € 240.516,90 sei daher völlig irrational.

Der Bf. habe bereits im bisherigen Verfahren auf Fälle verwiesen, die seine Rechtsansicht stützen. In den Fällen zu ErfNr**** und ****** seien Bescheide ohne Grunderwerbsteuerbvorschreibung ergangen, obwohl dort grundbücherliche Eigentumsänderungen bzw.- berichtigungen gemäß § 137 GBG vorzunehmen waren; derartiges finde vorliegendenfalls nicht einmal statt.

Der Bf. beantrage daher den angefochtenen Bescheid aufzuheben bzw. mit dem Ausspruch abzuändern, dass der zur Gebührenanzeige gebrachte Vorgang keine Grunderwerbsteuer bewirke.

Beschwerdevorentscheidung

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerde Folgendes entgegen gehalten:

"Die gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom eingebrachte Beschwerde geht überhaupt nicht auf die ausführliche gesonderte Bescheidbegründung ein.
Angeführt wird im Punkt 1. der Beschwerde der Punkt XI des Gesellschaftsvertrages. Dort heißt es, wie auch in der Bescheidbegründung bereits ausgeführt: "Mit dem Tod eines Gesellschafters kommt es nicht zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zu einer Fortführung durch den verbleibenden Gesellschafter. Die Gesellschaftsanteile sollen direkt dem jeweils nicht verstorbenen Gesellschafter zukommen. In diesem Fall verpflichtet sich der verbleibende Gesellschafter den jeweiligen Erben des verstorbenen Gesellschafters den halben Wert der Gesellschaft zum Stichtag (Todestag) zu bezahlen."
Mit dieser sogenannten "Todfallskiausel" hat der überlebende Gesellschafter auf Grund des Geseilschaftsvertrages das Recht auf Übernahme des Unternehmens und ist verpflichtet, das Auseinandersetzungsguthaben/die vereinbarte Abfindung der Erbin auszuzahlen. Das Eigentum am Gesellschaftsvermögen geht aus dem Gesamthandeigentum der Gesellschaft in das Alleineigentum des Übernehmers über. Der Vorgang ist nach § 1 Abs.1 Z 2 GrEStG steuerpflichtig. Die Bemessungsgrundlage wurde ebenfalls in der Bescheidbegründung exakt angeführt. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Gegenleistung bzw der entsprechenden Werte wurden in der Beschwerde keine Einwände vorgebracht.
Im Punkt 2. der Beschwerde wurden Aussagen zu § 142 UGB gemacht.
Im Punkt 3. wird vorgebracht, dass nach dem Wortlaut des § 5 GrEStG dieser im vorliegenden Fall nicht angewendet werden könne. Es lege keine Eigentumsübertragung vor, da die OG weiter grundbücherlicher Eigentümer sei. Daran ändere auch der an die Erbin ausbezahlte Abfindungsbetrag nichts.
Mit diesen Ausführungen kann der Bf überhaupt nichts für sich gewinnen.
Gem. § 142 UGB erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsverrnögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf Herrn BF über. Dies schreibt der Bf selbst in seiner Beschwerde und auch das Finanzamt in seiner Bescheidbegründung. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Gegenleistung werden keine Ausführungen gemacht, nur dass die Gegenleistung irrational sei.
Zur Gegenleistung siehe . In der Bescheidbegründung sind die einzelnen Positionen der Gegenleistung genau angeführt.
Weiters siehe dazu auch Fellner, Kommentar zur Grunderwerbsteuer, § 5 Rz 143a.
Beurteilt kann nur der vorliegende Fall werden. Zu den angeführten Erf.Nr. ist der Sachverhalt nicht bekannt, daher kann auch eine Erledigung nicht beurteilt werden."

Vorlageantrag

Im Vorlageantrag rügte der Bf., dass sich die BVE nicht mit dem ihm wesentlich erscheinenden Beschwerdepunkt, dass durch den dem Verfahren zugrundliegenden Vorgang das vormalige Gesamthandeigentum der beiden Komplementäre und der OG auf das Eigentum des Bf. reduziert worden sei,. Dies sei in dem vom Bf. zitierten Verfahren ErfNr**** auch richtig erkannt worden.

Auch diesem Verfahren sei der Vorgang zugrunde gelegen, dass durch das Ausscheiden eines Komplementärs und dessen Zustimmungserklärung das Eigentum des anderen Komplementärs ob einer Liegenschaft anstelle der OG einzuverleiben war. Der Standpunkt Fellners in seinem Kommentar zur Grunderwerbsteuer sei bekannt, ebenso auch der Standpunkt des OGH (insbesondre im Zusammenhang mit der Judikatur zu § 136 GBG; Der Denkansatz Fellners, der von der Übernahme des Gesamthandeigentums durch den verbleibenden Gesellschafter spreche, sei schon durch die Wortwahl widerlegt, da das Gesamthandeigentum nicht übernommen sondern auf seinen wesentlichen Bestandteil zurückgeführt werde.

Wenn auch der Begriff des Gesamthandeigentums dem österreichischen Recht an sich unbekannt sei, so besteh doch Klarheit über die Art dieser Eigentumsgestaltung, zumal die gesetzlichen Bestimmungen über die Gütergemeinschaft zur Definition des Begriffes dienen können. Danach sei wohl Gesamthandeigentum jene durch Gesetz oder Vereinbarung herbeigeführte Gestaltung des Miteigentums bei der keine Bruchteile ausgewiesen sind und die Eigentümer nur gemeinsam Verfügungen treffen dürfen.

Die im vorliegenden Fall an die Erben des anderen Komplementärs erbrachten Leistungen seinen daher nicht Gegenleistungen für die Übertragung von Eigentum oder Teilen davon, sondern als Ausgleich für die erlangte alleinige Verfügungsmacht über das seinerzeitige Gesamthandeigentum zu werten.

Dafür allerdings sehe das Grunderwerbsteuergesetz keine Steuerpflicht vor.

Vorlage der Beschwerde ans BFG

Bei der Vorlage der Beschwerde an Bundesfinanzgericht gab das FA noch folgende Stellungnahme zur Beschwerde ab (die auch dem Bf. übermittelt wurde):

"Die Übernahme des Unternehmens aufgrund der Todfallsklausel ist ein Erwerbsvorgang aufgrund des § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG (). Die Anwachsung ist ein entgeltlicher Vorgang; die Grunderwerbsteuer ist daher aus der Gegenleistung zu entrichten ( 84/16/0155, , 88/16/0105). Die Gegenleistung besteht in dem, was der ausscheidende Gesellschafter bzw. seine Erben bei der Auseinandersetzung zu erhalten haben, das ist das Auseinandersetzungsguthaben ferner die Verbindlichkeiten, die der verbleibende Gesellschafter in seine Zahlungspflicht zu übernehmen hat und der Wert seiner eigenen Gesellschaftsrechte ( 2008/16/0126, , 88/16/0105, , 93/16/0139)."

II. Rechtslage und Erwägungen

Im Beschwerdefall sind die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), BGBl 1987/309 noch in der Fassung vor BGBl I 2014/36 (in Geltung ab ), anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer ua. folgende Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:
Z 1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet;
Z 2. der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist; ...

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987 sind von der Besteuerung ausgenommen:

"unentgeltliche Erwerbe von Vermögen gemäß lit a, wenn ein Grunderwerbsteuertatbestand verwirklicht wird und die Steuer nach § 4 Abs. 2 Z 1 oder Z 4 zu berechnen ist, nach Maßgabe der lit b und c bis zu einem Wert von 365.000 Euro (Freibetrag), sofern der Erwerber eine natürliche Person ist …

lit a) Zum Vermögen zählen nur

- Betriebe und Teilbetriebe, die der Einkunftserzielung gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 dienen;

- Grundstücke, die der Mitunternehmerschaft von einem Mitunternehmer zur Nutzung überlassen sind (Sonderbetriebsvermögen), wenn diese gemeinsam mit Mitunternehmeranteilen zugewendet werden und der Übergeber im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld mindestens zu einem Viertel unmittelbar am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist. ..."

Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.

Nach § 4 Abs. 2 GrEStG ist die Steuer vom Wert des Grundstückes (= dreifacher Einheitswert) zu berechnen:
Z 1. wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden, nicht zu ermitteln oder die Gegenleistung geringer als der Wert des Grundstückes ist;

Z 4. beim Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder in Erfüllung eines Pflichtteilsanspruches, wenn die Leistung an Erfüllungs Statt vor Beendigung des Abhandlungsverfahrens vereinbart wird.

Gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG ist Gegenleistung
bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen,

Zur Gegenleistung gehören gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG
1. Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt,
2. Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, ausgenommen dauernde Lasten.

Nach § 5 Abs. 3 GrEStG sind der Gegenleistung hinzuzurechnen
1. Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß sie auf den Erwerb des Grundstückes verzichten,
2. Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überläßt.

Gemäß § 105 UGB ist eine offene Gesellschaft eine unter eigener Firma geführte Gesellschaft, bei der die Gesellschafter gesamthandschaftlich verbunden sind und bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist. Die offene Gesellschaft ist rechtsfähig. Ihr gehören mindestens zwei Gesellschafter an.

Gemäß § 131 Z. 4 UGB wird die offene Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt.

§ 142 UGB lautet wie Folgt:

"(1) Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen geht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über.

(2) Der ausscheidende Gesellschafter ist in sinngemäßer Anwendung der §§ 137 und 138 abzufinden."

Verwirklichung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorganges

Aufgrund der zuerkannten Rechtsfähigkeit kommt der OG im Rechtsleben eine gewisse Selbständigkeit zu, das Gesellschaftsvermögen der OG ist sachenrechtlich daher nach Maßgabe des Handelsrechts- Änderungsgesetzes nicht den Gesellschaftern, sondern der OG selbst zuzurechnen. Die Gesellschaft ist somit Eigentümerin der Einlagen und sonstigen Vermögensgegenständen, die sie erworben hat. Zufolge der Rechtsfähigkeit der OG kommt der Personengesellschaft nach dem Zivilrecht die Stellung eines Rechtsträgers zu. Hinsichtlich der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücke wird daher die OG im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.

Ungeachtet der Rechtsfähigkeit der OG anerkennt § 105 UGB aber den Fortbestand der wesentlichen Merkmale der Gesamthand. Damit bleibt der Grundsatz erhalten, dass eine Verfügung über den Gegenstand der Teilhabe an der Gesamthand nur gemeinschaftlich möglich ist. Daraus ergibt sich, dass die Verfügung des Gesellschafters über seinen Gesellschaftsanteil, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, nur mit Zustimmung aller Gesellschafter möglich ist (§ 124 Abs. 1 UGB). Diese gesetzliche Vinkulierung entspricht dem Prinzip der gesamthänderischen Bindung und ist die Folge des engen Vertrauensverhältnisses, das die durch die OG begründete Arbeits- und Haftungsgemeinschaft unter den Gesellschaftern erfordert (vgl. Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Tz 2/122 und Tz 2/598). Wenn aber als Folge der Rechtsfähigkeit der OG das Gesellschaftsvermögen sachenrechtlich der Gesellschaft zugeordnet ist, wobei das Vermögen der OG im Gesamthandeigentum der Gesellschafter steht, darf hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens die Gesellschaft nicht mit ihren Gesellschaftern gleichgesetzt werden, vielmehr sind das Gesellschaftsvermögen und das Vermögen der Gesellschafter voneinander streng zu trennen (sogenannte Trennungsprinzip).

An dem der Gesellschaft als Rechtsträger zugeordneten Gesamthandvermögen sind die Gesellschafter nur mittelbar über ihre Mitgliedschaft beteiligt. An den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden einzelnen Objekten (und damit auch an den beschwerdegegenständlichen Liegenschaftsanteilen) haben die Gesellschafter keinerlei Anteil. Die so gegebene, nur mittelbare Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft besteht unabhängig vom Kapitalanteil der Gesellschafter, insbesondere also unabhängig von einer Beteiligung der Gesellschafter am Auseinandersetzungsguthaben(vgl. dazu unter Hinweis auf Fischer in Boruttau/Egly/Siglach, GrEStG 13 Rz 39 zu § 1 dGrEStG mit zahlreichen Hinweisen auf die BFH- Judikatur).

Durch das Ausscheiden eines von zwei Gesellschaftern aus der OG oder KG geht das Unternehmen ohne Liquidation mit seinen Aktiven und Passiven auf den verbleibenden Gesellschafter über. Das bisherige Gesamthandeigentum an der Gesellschaft wird dadurch Eigentum in der Hand des Übernehmers. Dies führt zu einer Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers im Wege der Anwachsung. Dies gilt auch für Liegenschaftseigentum, weshalb es in diesem Fall keines besonderen Übertragungsaktes bedarf (vgl. , wbl. 2007, 196). Scheidet somit aus einer solchen Gesellschaft, die nur aus zwei Gesellschaftern besteht, einer der Gesellschafter aus und macht der andere das ihm - sei es durch Gesetz (§ 142 HGB aF), sei es durch Vertrag - eingeräumte Recht auf Übernahme des Unternehmens geltend, so geht das u. a. an einem Grundstück bestehende Gesamthandeigentum der Gesellschaft in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters über (vgl. , verstärkter Senat, , und ).

Da hier zwei verschiedene Rechtsträger einander gegenüberstehen, bildet diese Übernahme einen Erwerbsvorgang iSd GrEStG; da sie sich aufgrund des Gesetzes vollzieht, erfüllt sie den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987, wonach der Erwerb des Eigentums der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist (vgl. u.a.).

Auch im Falle, dass es sich beim ausgeschiedenen Komplementär um einen reinen Arbeitsgesellschafter gehandelt hat, bewirkt die Übernahme gemäß § 142 UGB, dass sich das bisherige im Gesamthandeigentum stehende Gesellschaftsvermögen in Alleineigentum des Übernehmers verwandelt. An dem der Gesellschaft zugeordnetem Gesellschaftsvermögen sind die Gesellschafter nur mittelbar über ihre Mitgliedschaft beteiligt. An den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden einzelnen Objekten haben die Gesellschafter keinerlei Anteil. Die so gegebene nur mittelbare Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft besteht unabhängig vom Kapitalanteil der Gesellschafter, insbesondere also unabhängig von einer Beteiligung der Gesellschafter am Auseinandersetzungsergebnis. Von dieser mittelbaren Beteiligung am ungequotelten gemeinsamen Vermögen aller Gesellschafter kann keiner der Gesellschafter ausgenommen werden (vgl. mit zahlreichen Judikatur- und Literaturhinweisen; die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde vom abgelehnt).

Die Gesellschaft als Rechtsträger von Gesamthandeigentum darf in dieser Eigenschaft nicht mit ihren Gesellschaftern gleichgesetzt werden. Das Gesellschaftsvermögen und das Vermögen der Gesellschafter sind voneinander streng zu trennen - sog. Trennungsprinzip (vgl. dort zitierte Judikatur und Literatur). Die KG/OG als Eigentümerin der Grundstücke (dokumentiert im Grundbuch) ist eine von den Gesellschaftern zu unterscheidende und selbständige Rechtspersönlichkeit, dh. der Erwerb der Liegenschaften durch den verbleibenden Gesellschafter im Zuge der Anwachsung nach § 142 UGB erfolgte nicht vom ausscheidenden Gesellschafter der KG/OG, sondern vielmehr von Seiten der KG/OG als eigenständigem Rechtsträger (vgl. ).

Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters, so übernimmt der überlebende Gesellschafter das Unternehmen nach § 142 UGB. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine solche Vereinbarung, so wird die Gesellschaft gemäß § 131 Z 4 UGB durch diesen Tod aufgelöst. Ist der verbliebene Gesellschafter zugleich Alleinerbe, so erwirbt er den Anteil des Verstorbenen kraft Erbrechtes, was gleichfalls unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG fällt. Der Unterschied besteht lediglich insofern, als beim Erwerb durch den verbleibenden Gesellschafter als Alleinerbe oder in Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen das "Firmengrundstück" nicht von der (nicht mehr bestehenden) Gesellschaft, sondern unmittelbar vom verstorbenen Gesellschafter auf den Überlebenden übergeht (vgl. unter Hinweis auf ; ).

Im gegenständlichen Fall enthält der Gesellschaftsvertrag eine Regelung für den Fall des Todes eines Gesellschafters und ging das Gesellschaftsvermögen gemäß § 142 UGB an den Bf. als verbleibenden Gesellschafter, dem keine erbrechtlichen Ansprüche zustanden, über. Da im Todeszeitpunkt zum Vermögen der GESELLSCHAFT ua. inländische Liegenschaftsanteile gehörten hat der Bf. kraft Gesetzes als Gesamtrechtsnachfolger das Eigentum an den Liegenschaftsanteilen erworben, ohne dass es eines Übertragungsaktes bedurft hätte. Dabei ist es unerheblich, dass nach wie vor die GESELLSCHAFT im Grundbuch eingetragen ist. Dieser Eigentumserwerb kraft Gesetzes verwirklicht nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG.

Ermittlung der Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage

Bei Ausscheiden eines Gesellschafters einer Personengesellschaft des Unternehmensrechts, die nur aus zwei Personen besteht, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Grunderwerbsteuer von der Gegenleistung nach § 4 Abs. 1 GrEStG zu errechnen ( und dort zitierte Rechtsprechung).

Der Wert der Gegenleistung bemisst sich im Falle einer Geschäftsübernahme nach § 142 UGB nach dem Wert der Gesamtabfindung des ausscheidenden Gesellschafters bzw. dessen Erben zuzüglich des Wertes der Gesellschaftsschulden und des Wertes des bisherigen Gesellschaftsanteils des übernehmenden Gesellschafters (vgl. ; ). Die Gesamtgegenleistung ist im Verhältnis des Grundstückes zu den sonstigen Aktiva prozentuell auf das Grundstück entfallend zu besteuern (vgl. ).

Die seitens des Finanzamtes angewendete Methode der Ermittlung der Gegenleistung, entspricht somit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und besteht kein Anlass, von dieser abzugehen. Hinsichtlich der Wertansätze folgte das Finanzamt den Angaben des Bf. und wurden auch in der Beschwerde keine Einwände gegen die der Berechnung der Gegenleistung zu Grunde gelegten Beträge erhoben.

Da im Falle der Anwachsung nach § 142 UGB die Grunderwerbsteuer von der Gegenleistung zu berechnen ist, kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 2 GrEStG in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I 52/2009 nicht der Freibetrag für unentgeltliche Betriebsübertragungen gewährt werden (vgl. -I/10).

Die Bescheidbeschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

III. Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die getroffene Entscheidung folgte in rechtlicher Hinsicht der oben dargestellten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Hirschler/Sulz/Oberkleiner in BFGjournal 2021, 17
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7101104.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at