Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 25.06.2017, RV/7103224/2011

Vorsoll ist kein Spruchbestandteil des Umsatzsteuerbescheides.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch StV., hinsichtlich der Beschwerden gegen die Bescheide der belangten Behörde FA FFF.  betreffend Umsatzsteuer 2004 (Bescheid vom ) und Umsatzsteuer 2005 (Bescheid vom ) beschlossen: 

Die Beschwerden werden gemäß § 260 Abs. 1 lit a Bundesabgabenordnung (BAO) idgF  zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe
 

Nach Auflösung des unabhängigen Finanzsenates zum (Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG) ging die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren auf das Bundesfinanzgericht über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am bei dem unabhängigen Finanzsenat anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Im folgenden Text wird die der neuen Rechtslage entsprechende Terminologie verwendet.

Strittig ist, ob das Vorsoll anfechtbarer Spruchbestandteil ist.

Das Finanzamt (FA) führte im Vorlagebericht im Zuge der Beschwerdevorlage an das Bundesfinanzgericht (BFG) aus wie folgt:

„Streitpunkte: „Vorsoll" ist kein Spruchbestandteil und somit nicht anfechtbar.

Auf und UFS-Entscheidung vom , GZ RV/2913-W/09 wird verwiesen.

Bezughabende Norm

§ 198 Abs 2 BAO.“

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erhob gegen die gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide Beschwerden mit folgender Begründung:
Jahr 2004: „Es wurde von der Firma jedes Monat ordnungsgemäß und fristgerecht eine gesamte Vorauszahlung über € 11.295,98 für die Umsatzsteuer 2004 geleistet. Diese wurde vom FA auch verbucht. Es ergab sich durch verschiedene Um -und Ausbuchungen im Resultat bei der Umsatzsteuererklärung 2004 eine Nachforderung von € 1.113,80. Das FA gibt im Umsatzsteuerbescheid 2004 eine Vorauszahlung von € 9.355,28 an, wohingegen nachweislich eine Vorauszahlung von € 11.295,98 geleistet wurde. Die Bf. bittet daher Ihre angegebene Abgabennachforderung über € 3.054,50 neu zu berechnen und um eine Korrektur.“

Jahr 2005: Die Bf. führte aus, es sei unrichtig, dass für die Monate August und November 2005 keine Umsatzsteuer entrichtet worden sei (Kopien der Zahlungsbelege wurden beigelegt), woraus die Unrichtigkeit der Buchungen des Finanzamtes ersichtlich sei.

Das Finanzamt erließ abweisende Beschwerdevorentscheidungen für 2004 sowie 2005 gem. § 276 BAO mit folgender Begründung:

„Gem. § 198 Abs 2 BAO zählen bei einem Abgabenbescheid der Bescheidadressat, die Art u. Höhe der Abgaben, der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit u. die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zum Bescheidspruch. Das sogenannte "Vorsoll" selbst, d.h. das Resultat der zwischen Abgabepflichtigen und dem Finanzamt unterjährig durchgeführten Verrechnungen, wie vorausbezahlter Umsatzsteuern u. geltend gemachter Gutschriften aus Vorsteuerüberhängen, sowie Erläuterungen im Bescheid über die Höhe des daraus resultierenden Nachforderungsbetrages stellen dagegen keinen Spruchbestandteil innerhalb des Umsatzsteuerbescheides dar u. enthalten damit auch keinen Abspruch über Parteienrechte. Folglich können diese Teile des Bescheides, die nicht dem Spruch ange­hören, auch nicht in Rechtskraft erwachsen, u. sind daher auch nicht anfechtbar.

HINWEIS für 2004: Für die Monate Oktober u. Dezember 2004 wurde keine Umsatzsteuer mit Verrechnungsweisung entrichtet.

HINWEIS für 2005: Für die Monate August und November 2005 wurde keine Umsatzsteuer mit Verrechnungsweisung entrichtet.“

In der Beschwerdevorentscheidung betreffend 2004 wurde noch ausgeführt wie folgt: Weiters wird darauf hingewiesen, dass, da der Umsatz € 100.000,- übersteigt, monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben sind.“

Die Bf. stellte Anträge auf Vorlage der Beschwerden gegen die gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide an die II. Instanz (Vorlageanträge) und begründete diese folgendermaßen:
Begründung betreffend 2004: „Es wurde von der Bf. ordnungsgemäß die Umsatzsteuererklärung für 2004 abgegeben. Aus dem Abschluss ergab sich eine Nachforderung von € 1.113,80. In der Bescheidausfertigung ergab sich eine andere Nachforderung, und über die wurde wie in der Rechtsbelehrung auch vorgesehen fristgerecht Beschwerde eingelegt. Wie die Bf. schon in der Ausführung vom erwähnt hat, hat die Firma ordnungsgemäß ihre monatliche Umsatzsteuer pünktlich abgeführt, auch für die Monate Oktober und Dezember 2004 (Kopien der Zahlungen liegen im Anhang ), und es wurde festgestellt, dass die Firma eine Nachzahlung zu leisten hat. Im FA-Bescheid ist bei der Ausführung der bisher vorgeschriebenen Umsatzsteuer ein Fehler, denn es wurden nicht € 9.355.28 sondern € 11.295,98 geleistet.“

Begründung des Vorlageantrages für 2005:
„Es ist unrichtig dass für die Monate August und November 2005 keine Umsatzsteuer entrichtet wurde (im Anhang „Kopien“ über die Zahlungen); woraus das FA auch ersehen kann, es wurde seitens des FA falsch gebucht“.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Wurde gegen einen Bescheid bis zum Ablauf des zulässigerweise Berufung erhoben, gilt diese Berufung, wenn sie noch nicht erledigt wurde, als rechtzeitig erhobene Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 3 VwGbk-ÜG Anm. 6).

Sachverhalt

In beiden Beschwerdejahren behauptet die Bf. höhere Zahlungen betreffend Umsatzsteuer getätigt zu haben,  als das jeweilige Vorsoll in den beschwerdeanhängigen Bescheiden ergibt.

Rechtsnormen: § 198 Bundesabgabenordnung (BAO) idgF:

(1) Soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.

(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit.

Erwägungen:

Gem. § 198 Abs 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Das Vorsoll gehört nicht zu den aufgezählten Bescheidmerkmalen laut leg cit und kann auch nicht bekämpft werden.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO idgF ist eine Beschwerde mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Beschwerde ist u.a. dann gegeben, wenn sie sich nicht gegen den Spruch eines Bescheides richtet. Nur der Spruch des Bescheides erzielt eine normative Wirkung und ist der Rechtskraft fähig; daher kann auch nur der Spruch eines Bescheides angefochten werden (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Band 3, S 2787).

§ 198 Abs. 2 BAO lautet: Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit.

Mit Erkenntnis vom , 2001/14/0203, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass das Vorsoll eines Umsatzsteuerbescheides nicht dem Spruch desselben zuzuordnen ist. Wörtlich hat er ausgeführt: Der angefochtene Bescheid geht davon aus, dass Teile des Spruches der gemäß § 200 Abs. 2 BAO erlassenen Umsatzsteuerbescheide ..., mit denen inhaltlich die vorläufigen Umsatzsteuerbescheide übernommen worden sind, unrichtig sind, und zwar der Ausspruch über die Differenz zwischen dem "Vorsoll" und der Abgabenhöhe. Dies sei darauf zurückzuführen, dass das Finanzamt den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Worte "bisher war vorgeschrieben" oder "... ergibt sich eine Nachforderung" der in Rede stehenden Bescheidteile erkennen lassen, dass diese Teile nicht zum Spruch des Bescheides gehören. Der Aussage über das Vorsoll und die Differenz zwischen dem "Vorsoll" und der Abgabenhöhe kommt jedenfalls dann ausschließlich Informationscharakter zu, wenn für diese Differenz keine Fälligkeit festgesetzt wird. Dieser Teil der Bescheide bringt in einem solchen Fall keinen normativen Willen der Behörde zum Ausdruck. Im Übrigen erwähnt auch § 198 Abs. 2 BAO das "Vorsoll" nicht."

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt demnach die Rechtsmeinung, dass die Aufzählung der Spruchbestandteile durch § 198 Abs. 2 BAO taxativ ist und daher im Bereich der Selbstbemessungsabgaben wie der Umsatzsteuer das auf den dem Finanzamt bekannt gegebenen Verrechnungsweisungen bzw. eingezahlten Beträgen des Steuerpflichtigen beruhende "Vorsoll" nicht Spruchbestandteil ist.

Im gegenständlichen Fall wird weder in den Beschwerden noch in den Vorlageanträgen gegen einen Spruchbestandteil der beiden streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide ein Einwand vorgebracht, sondern es wird seitens der Bf. lediglich argumentiert, dass die von ihr getätigten Zahlungen beide Beschwerdejahre betreffend höher gewesen seien als unter „bisher vorgeschriebene Umsatzsteuer“ im jeweiligen beschwerdeanhängigen Umsatzsteuerbescheid angeführt ist.

Die gegen die gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide erhobenen Beschwerden sind einzig wegen der nach Meinung der Bf. unrichtigen Position: "Bisher vorgeschriebene Umsatzsteuer ….€" eingebracht worden und folglich nicht geeignet, eine Änderung des Spruches der gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide herbeizuführen. Eine (etwaige) Richtigstellung von Fehlbuchungen bleibt ohne jeden Einfluss auf die Bescheidpositionen: Summe Umsatzsteuer, Gesamtbetrag der Vorsteuern und Zahllast (und damit auch der festgesetzten Umsatzsteuer).

Damit ist nach den oben wiedergegebenen rechtlichen Ausführungen kein Spruchbestandteil der gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide mit Beschwerde bekämpft worden. Folglich wären die Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen gewesen, was das Finanzamt nicht durchgeführt hat, und damit die Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004  und die Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005  jeweils mit Rechtswidrigkeit belastet hat. Die Beschwerden  sind aber auch dann zurückzuweisen, wenn sich die Abgabenbehörde (hier: erster Instanz) trotz Vorliegens eines Zurückweisungsgrundes irrtümlich in Rechtsmittelverfahren eingelassen hat und diese fortführt (, Slg. 3306/F).

Die Worte "Bisher vorgeschriebene Umsatzsteuer" oder "... Abgabennachforderung" der in Rede stehenden Bescheidteile lassen überdies erkennen, dass diese Teile nicht zum Spruch des Bescheides bzw. der gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide gehören. Der Aussage über das Vorsoll und die Differenz zwischen dem "Vorsoll"(„bisher vorgeschriebene Umsatzsteuer“) laut Umsatzsteuerbescheid 2004 Euro 9.355,28 und laut Umsatzsteuerbescheid 2005 Euro 14.735,94 und der jeweiligen Abgabenhöhe kommt jedenfalls dann ausschließlich Informationscharakter zu, wenn für diese Differenz, wie dies in den beschwerdegegenständlichen Bescheiden betreffend Umsatzsteuer 2004 und Umsatzsteuer 2005 der Fall ist, keine Fälligkeit festgesetzt wird. Dieser Teil der Bescheide bringt in einem solchen Fall keinen normativen Willen der Behörde zum Ausdruck. Im Übrigen erwähnt auch § 198 Abs 2 BAO das "Vorsoll" nicht.

Eine Beschwerde, die sich ausschließlich gegen die Position: Bisher vorgeschriebene Umsatzsteuer richtet, die nicht zum Spruchbestandteil eines Umsatzsteuerbescheides zählt, ist als unzulässig zurückzuweisen. Die gegenständlichen Beschwerden sind nicht geeignet, eine Änderung des jeweiligen  Bescheid(spruch)es herbeizuführen. Aus vorstehend angeführten Gründen erweisen sich die gegen die hier beschwerdeanhängigen Umsatzsteuerbescheide erhobenen Beschwerden im Sinne des § 260 BAO idgF als nicht zulässig.

Nichtzulassung der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die gegenständliche Beschwerdesache keine Rechtsfrage darstellt, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zukommt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7103224.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at