Keine Rückwirkung der Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 auf Altanträge, welche vor Inkrafttreten der Verordnung rechtmäßig gestellt wurden
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2017/13/0013. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7104621/2017 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen, GZ. BMF-010221/0165-VI/8/2016, vom , betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I) Sachverhalt und Verfahrensgang:
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Zuerkennung des pauschalen Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1 a EStG 1988. Sie sei seit an der Medizinischen Universität Wien angestellt und aus Boston/MA. USA, zugezogen, wo sie seit wohnhaft gewesen sei. Ihre derzeitige Wohnadresse laute **** , ihr Jahreseinkommen belaufe sich brutto auf 160.000 Euro.
Mit Bescheid vom wies das Bundesministerium für Finanzen den Antrag auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1 a EStG 1988 ab. Begründend wurde ausgeführt, dass § 1 Abs. 2 der Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, bestimme, dass der Antrag spätestens sechs Monate nach dem Zuzug einzubringen sei. Da die Bf. laut ihren Ausführungen am nach Österreich zugezogen sei, sei die Antragstellung daher verspätet erfolgt.
In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wendete die Bf. ein, dass der nicht ihr Zuzugszeitpunkt gewesen sei, sondern zu diesem Zeitpunkt ihr Dienstverhältnis mit der Medizinischen Universität Wien begonnen habe.
Im Zeitraum September/Oktober 2015 sei die Bf. aufgrund des Kooperationsprojektes der Medizinischen Universität Wien mit der Harvard University noch überwiegend in Boston tätig gewesen. Mit ihrem Lebensgefährten, Herrn X , habe sie in diesem Zeitraum nach einer Wohnung in Österreich gesucht. Nachdem eine Wohnung in *** gefunden worden sei, sie diese ab gemietet worden. Davor hätten die Bf. und ihr Lebensgefährte in Hotels genächtigt. Die Bf. übermittelte den Mietvertrag in der Anlage.
Nach dem Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse habe die Bf. ab ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gehabt. Sie habe den Zuzugszeitpunkt leider mit dem Beginn des Dienstverhältnisses verwechselt und daher fälschlicherweise den und nicht den als Zuzugszeitpunkt angegeben.
Der Antrag auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages sei somit rechtzeitig erfolgt.
Abschließend wurde angeführt, dass die Bf. trotz mehrfacher Versuche leider keine umfassende Auskunft vom Finanzamt hinsichtlich der Gewährung der Zuzugsbegünstigung und dmait in Zusammenhang stehender allfälliger Fristen erhalten habe.
Am legte das Bundesministerium für Finanzen die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II) Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 103 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 118/2015 lautet:
„(1) ….
(1a) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden.
(2) ….
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren betreffend die Erteilung der Zuzugsbegünstigung im Sinne des Abs. 1 und des Abs. 1a mit Verordnung zu regeln. Dabei ist auch näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ebenso kann die Verordnung den sachlichen Umfang und die Dauer von Zuzugsbegünstigungen im Sinne des Abs. 1 regeln. In dieser Verordnung kann festgelegt werden, dass die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung im Sinne des Abs. 1 in Form der Anwendung eines Durchschnittssteuersatzes, der sich aus der tatsächlichen Steuerbelastung vor dem Zuzug ergibt, erfolgt. Dieser Steuersatz darf 15% nicht unterschreiten.“
Auf Basis der Bestimmung des § 103 Abs. 3 EStG 1988, idF BGBl I Nr. 118/2015, wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Zuzugsbegünstigungen (Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 – ZBV 2016), BGBl. II Nr. 261/2016, erlassen.
§ 1 ZBV 2016 lautet:
(1) Der Bundesminister für Finanzen kann auf Antrag der zuziehenden Person die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen (§ 103 Abs. 1 EStG 1988) und einen Zuzugsfreibetrag (§ 103 Abs. 1a EStG 1988) zuerkennen. Dem Antrag ist ein Verzeichnis im Sinne des § 7 Abs. 1 samt den dazugehörigen Nachweisen beizulegen.
(2) Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach dem Zuzug einzubringen.
(3) ….
(4) ….
Die ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, wurde am im Bundesgesetzblatt kundgemacht.
Gemäß § 10 ZBV 2016 gelten folgende Schluss und Übergangsbestimmungen:
§ 10 ZBV 2016 lautet:
(1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
(2) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Zuzugsbegünstigungsverordnung, BGBl. II Nr. 102/2005, außer Kraft.
(3) Erfolgte der Zuzug vor dem , gelten folgende Übergangsbestimmungen:
1. Die gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 erforderliche Mindestvergütung gilt nicht.
2. Abweichend von § 5 erfolgt die Beseitigung der durch den Zuzug eintretenden steuerlichen Mehrbelastungen bei Personen, denen bereits eine Zuzugsbegünstigung gewährt wurde, durch Anwendung der im zuletzt ergangenen Bescheid vorgesehenen Entlastungsmethode.
3. Die Zuzugsbegünstigung ist für Zeiträume nach dem nicht zuzuerkennen, wenn die gesamte Dauer der Begünstigung 20 Jahre überschreiten würde.
4. § 6 Abs. 1 ist nicht anzuwenden.
Da im gegenständlichen Fall der Zuzug des Bf. nach dem erfolgte, kommen die Übergangsbestimmungen im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung.
Mit dem Inkrafttreten der ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, am trat die vorangegangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur näheren Bestimmung der Voraussetzungen für eine Zuzugsbegünstigung (Zuzugsbegünstigungsverordnung) , BGBl. II Nr. 102/2005, außer Kraft.
Zuzugsbegünstigungsverordnung, BGBl. II Nr. 102/2005, lautete:
Auf Grund des § 103 Abs. 3 des EStG 1988, BGBl. Nr. 400, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 8/2005, wird zur näheren Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Forschung dient und aus diesem Grunde in öffentlichem Interesse gelegen ist, verordnet:
§ 1. (1) Ein der Förderung von Forschung dienender Zuzug aus dem Ausland liegt jedenfalls dann in öffentlichem Interesse, wenn die dem zuziehenden Forscher zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare) Aufwendungen (Ausgaben) darstellen, die die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Forschungsfreibetrages im Sinn des § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 oder des § 4 Abs. 4 Z 4a EStG 1988 erfüllen.
(2) Bei Forschern, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, müssen die im Kalenderjahr der Forschung und experimentellen Entwicklung dienenden Arbeitsleistungen überwiegen.
§ 2. Diese Verordnung steht der Erteilung einer Zuzugsbegünstigung in Fällen, in denen der Zuzug aus anderen Gründen der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesen Gründen in öffentlichem Interesse gelegen ist, nicht entgegen.
Im gegenständlichen Fall hat die Bf. ihren Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 mit Eingabe vom gestellt. In ihrer Beschwerde vom bringt die Bf. vor, dass ihr Dienstverhältnis mit der Medizinischen Universität Wien am begonnen habe, ihr Zuzug nach Österreich aber erst mit der Wohnungsanmietung am erfolgt sei.
Unabhängig davon jedoch, ob die Bf. im gegenständlichen Fall nun am oder am nach Österreich zugezogen ist, kommen die Übergangsbestimmungen des § 10 ZBV 2016 hier nicht zur Anwendung, da der Zuzug der Bf. in jedem Fall nach dem erfolgte.
Im Zeitpunkt der Antragstellung () durch die Bf. war noch die Zuzugsbegünstigungsverordnung , BGBl. II Nr. 102/2005, in Kraft, welche im Gegensatz zur ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, keine Frist vorsah, innerhalb derer der Antrag auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages zu stellen ist. Auch § 103 EStG 1988 sieht keinerlei Antragsfrist vor.
Es ist zwar richtig, dass die ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, offenbar in einem gewissen Umfang Rückwirkung entfaltet (vgl. die Übergangsbestimmungen des § 10 Abs. 3 ZBV 2016), doch wird die Frage, wie „Altanträge“, welche vor dem Inkrafttreten der ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, gestellt wurden, zu behandeln sind, nicht ausdrücklich geregelt.
Da § 1 Abs. 2 iVm § 10 ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, kein Inhalt zugemessen werden kann, der bewirken würde, dass Anträge, welche vor dem Inkrafttreten der Verordnung () rechtmäßig gestellt wurden, mit dem Inkrafttreten der Verordnung aber rückwirkend als verspätet qualifiziert werden, ohne dass die Partei (§ 78 BAO) eine Möglichkeit hätte, diese Rückwirkung zu sanieren, ist § 1 Abs. 2 iVm § 10 ZBV 2016 daher verfassungs- und gesetzeskonform dahingehend auszulegen, dass Anträge betreffend Zuzüge vor dem innerhalb von sechs Monaten ab dem und Anträge für Zuzüge nach dem innerhalb von sechs Monaten ab Zuzug zu stellen sind.
Indem die belangte Behörde die Antragsfrist des § 1 Abs. 2 ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, auf einen Antrag, welcher vor Inkrafttreten der Verordnung BGBl. II Nr. 261/2016 gestellt wurde, angewendet hat, hat sie diese Rechtsvorschrift in denkunmöglicher Weise angewendet.
Der Zurückweisungsbescheid war daher aufzuheben.
C) Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da für die Frage, ob die nunmehrige Antragsfrist der ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, auf Anträge zurückwirkt, die vor Inkrafttreten der Verordnung gestellt wurden, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu finden ist, liegt eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung nach der Definition des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, sodass die Revision für zulässig erklärt wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 103 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 ZBV 2016, Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016, BGBl. II Nr. 261/2016 |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.7100513.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at