Überschreiten der Einkommensgrenzen des § 5 Abs. 1 (§ 6 Abs. 3) FLAG 1967
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Abweisung eines Antrags auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe ab 06/2015, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den (Eigen-)Antrag des Beschwerdeführers (Bf.) vom auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe ab Juni 2015 ab. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, gemäß § 5 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung bestünde für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die in einem Kalenderjahr ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988) bezogen haben, das den Betrag von 10.000 € übersteigt, kein Anspruch auf die Familienbeihilfe.
Da das Einkommen des Bf. laut Einkommensteuerbescheid 2015 15.514,72 € betragen habe, werde der Antrag abgewiesen.
In seiner dagegen gerichteten Beschwerde wies der Bf. darauf hin, dass in obigem Betrag auch die "Ausgleichszulage für Frau sowie Kinderzuschuss für meine vier Kinder" inkludiert seien.
Die belangte Behörde erließ nach Durchführung von Ermittlungen eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, die es wie folgt begründete:
"Laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde bei Ihnen ein Grad der Behinderung von 50 % ab Juli 1998 bzw. von 70 % ab Juni 2012 festgestellt. Weiters wird bestätigt, dass Sie dauernd erwerbsunfähig sind, wobei die dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.
Sie bezogen bis April 2015 eine Invaliditätspension zuzüglich eines Kinderzuschusses und der Ausgleichszulage (Gesamtbetrag 1.604,40 Euro pro Monat). Seit beziehen Sie Rehabilitationsgeld iHv. 51,35 Euro netto täglich. Ihr Einkommen im betrug 8.874,00 Euro im Jahr 2014 und 15.514,72 Euro im Jahr 2015.
In Ihrer Beschwerde führen Sie aus, dass sich Ihre Lebens- und Einkommenssituation nicht geändert hätte und dass im Rehabilitationsgeld auch eine Ausgleichszulage und eine Kinderzulage enthalten seien.
Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 5 Abs.1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes bleiben das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis sowie Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse außer Betracht.
Würdigung:
Das zu versteuernde Einkommen des Kindes ist entsprechend den einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln.
Auf Grund der Einkommensdefinition in § 2 Abs. 2 EStG 1988 ist das zu versteuernde Jahreseinkommen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in folgender Weise zu ermitteln:
Jahresbruttoarbeitslohn (ohne 13. und 14. Monatsbezug) abzüglich
-der Pflichtbeiträge des Versicherten zur gesetzlichen Sozialversicherung,
-der Arbeiterkammerumlage und des Wohnbauförderungsbeitrages,
-der besonderen Pauschbeträge gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 für Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sofern ein Anspruch darauf besteht,
-des Werbungskostenpauschbetrages von 132 Euro jährlich, sofern nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden,
-des Sonderausgabenpauschbetrages von 60 Euro jährlich, sofern nicht höhere Sonderausgaben nachgewiesen werden,
-allfälliger außergewöhnlicher Belastungen (§ 34 EStG 1988) zB in Folge von Krankheit oder Behinderungen im Sinne des § 35 EStG 1988.
Die einkommensteuerfreien Bezüge bleiben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes außer Betracht. Es muss sich hiebei um Bezüge handeln, die durch inländische gesetzliche Bestimmung ausdrücklich als einkommensteuerfrei erklärt worden sind - (zB Studienbeihilfen). Nach § 3 Abs. 1 lit. f des EStG 1988 werden Ausgleichszulagen oder Ergänzungszulagen, die aufgrund sozialversicherungs- oder pensionsrechtlicher Vorschriften gewährt werden, als einkommensteuerfrei erklärt und sind demzufolge bei der Ermittlung des Einkommens nicht heranzuziehen.
Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 (SRÄG 2012) wurde das sogenannte Rehabilitationsgeld (§ 143a ASVG) eingeführt. Personen, bei denen vorübergehende Invalidität (Berufsunfähigkeit) voraussichtlich im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind, haben ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität für deren Dauer Anspruch auf Rehabilitationsgeld.
Das Rehabilitationsgeld gebührt in der Höhe des Krankengeldes, mindestens jedoch in der Höhe des Ausgleichszulagen-Einzelrichtsatzes. Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Bereich der Krankenversicherung wird anstelle einer befristeten Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension gewährt. Das Rehabilitationsgeld wird von den Krankenversicherungsträgern aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit erbracht. Da das Rehabilitationsgeld durch den Krankenversicherungsträger geleistet wird und zudem das Rehabilitationsgeld funktional als eine Fortsetzung des Krankengeldbezuges anzusehen ist, erfolgt die steuerliche Behandlung des Rehabilitationsgeldes wie jene des Krankengeldes. Gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 sind bei Auszahlung von Bezügen aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung sowie aus einer Kranken- oder Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c und e und bei Auszahlung von Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG 25% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 30 Euro täglich übersteigen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass Ihr Einkommen im Jahr 2015 in Folge der oben skizzierten Gesetzesänderungen die Grenze des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 übersteigt.
Es besteht daher kein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe. Ihre Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."
Der Bf. stellte daraufhin ohne weitere Begründung einen Vorlageantrag.
Nach Vorlage der Beschwerde informierte das Finanzamt das Bundesfinanzgericht, dass dem Bf. die (erhöhte) Familienbeihilfe gem. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ab Jänner 2017 zuerkannt wurde, da der Bf. 2017 nur mehr steuerfreie Notstandshilfe bezieht und daher die Einkommensgrenze des § 5 FLAG 1967 ab 2017 nicht mehr überschreitet.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhaltsmäßig steht aufgrund mehrerer Gutachten des Sozialministeriumservice fest, dass der Bf. voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dies bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist. Fest steht weiters, dass das zu versteuernde Einkommen des Bf. gemäß dem in Rechtskraft erwachsenen Einkommensteuerbescheid 2015 vom 15.514,72 € betragen hat.
Rechtsgrundlagen
§ 6 Abs. 3 und 5 FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung lauten:
"(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden...
(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3)."
Rechtlich folgt daraus:
1. 2015: Die Frage, ob der Bf. im Jahr 2015 ein den Betrag von 10.000 € übersteigendes Einkommen (unter Berücksichtigung der Einschleifregelung) erzielt hat, ist eine Vorfrage, die in seinem Einkommensteuerverfahren mit der Feststellung des im Jahr 2015 erzielten zu versteuernden Einkommens bereits rechtskräftig als Hauptfrage entscheiden wurde. Dieser Entscheidung kommt Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren zu (vgl. zur Bindungswirkung allgemein Ritz, BAO5, § 116 Tz 5; Stoll, BAO, 1319; s auch ).
Da die Grenzen des § 6 Abs. 3 FLAG 1967 im Jahr 2015 aufgrund des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides 2015 überschritten worden sind, besteht für dieses Jahr kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Ergänzend wird auf die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes verwiesen, deren Ausführungen ausdrücklich geteilt werden.
2. Zeiträume ab 2016: Die von der belangte Behörde ausgesprochene Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe wirkt solange fort, als sich danach die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat (s ). Ob auch 2016 die Einkommensgrenzen des § 6 Abs. 3 FLAG 1967 überschritten worden sind, steht derzeit noch nicht fest. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte dem Bf. über Antrag Familienbeihilfe zustehen.
Wie aus den nachgereichten Unterlagen des Finanzamtes hervorgeht, sind ab 2017 die Einkommensgrenzen des § 6 Abs. 3 FLAG 1967 nicht mehr überschritten, weshalb es dem Bf. ab die Familienbeihilfe (nebst Erhöhungsbetrag) gewährt hat.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da sachverhaltsmäßig feststeht, dass 2015 die Einkommensgrenzen des § 6 Abs. 3 FLAG 1967 überschritten worden sind. Die Frage des Fortwirkens des Bescheides ergibt sich aus der obigen Judikatur des VwGH.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.7100394.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at