Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2017, RV/2100489/2016

Unternehmereigenschaft von KöR (Kirche)

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2017/15/0024. Zurückweisung mit Beschluss vom .


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2100489/2016-RS1
Die höchstgerichtliche Rechtsprechung hat für die Vermietungstätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts (KöR) eine Untergrenze für Mietentgelte im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit abgeleitet. Das Höchstgericht hat dazu festgestellt, dass eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszinssatz oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht ausreicht, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Pfarrpfründe, vertreten durch K & E Wirtschaftstreuhand GesmbH, Hofgasse 3, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde FA Graz-Stadt vom , betreffend Nichtfestsetzungsbescheide Umsatzsteuer 2007-2010 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Fortgesetztes Verfahren zu -G/12 nach Aufhebung durch den -6 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Sachverhalt (soweit entscheidungswesentlich)

Die Beschwerdeführerin hat laut Angaben ihres steuerlichen Vertreters den Pfarrhof und das Pfarrheim, in dem sich Kindergarten, Pfarrsaal und pastorale Räume befinden, um insgesamt € 585.839,64 + 20% USt saniert. Diese Räumlichkeiten wurden ab an die Pfarrkirche X vermietet wobei von September 2007 bis Februar 2009 ein Mietfreistellungszeitraum vereinbart wurde.

Dazu liegen folgende Mietverträge vor:

- Mietvertrag betreffend pastorale Räume und Pfarrsaal im Pfarrheim: Die rund 665 m2 großen Räumlichkeiten wurden an die Pfarrkirche X vermietet. Dafür wurde ein Nettomietzins iHv 325,- Euro vereinbart. Hinsichtlich der Höhe des Mietzinses wurde ausdrücklich keine Wertsicherung vereinbart sondern festgelegt, dass der Mietzins jährlich neu anhand der Höhe der Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von 1% berechnet wird.

- Mietvertrag betreffend Kindergarten: Die Bf vermietet der Pfarrkirche X 576 m2 Räumlichkeiten zur Nutzung als Kindergarten sowie rund 55 m2 dazu gehörende sanitäre Anlagen. Als Nettomietzins wurden ursprünglich 308,- Euro inklusive Betriebskosten vereinbart. Hinsichtlich der Höhe des Mietzinses wurde ausdrücklich keine Wertsicherung vereinbart sondern festgelegt, dass der Mietzins jährlich neu anhand der Höhe der Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von 1% berechnet wird.

- Mietvertrag betreffend Pfarrhof: Die Pfarrpfründe X vermieten der Pfarrkirche X den gesamten Pfarrhof mit einer Nutzflächen von 239 m2 um monatlich 84,- Euro inklusive Betriebskosten. Hinsichtlich der Höhe des Mietzinses wurde ausdrücklich keine Wertsicherung vereinbart sondern festgelegt, dass der Mietzins jährlich neu anhand der Höhe der Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von 1% berechnet wird.

Verfahrensgang

In den USt-Erklärungen 2007 und 2008 wurden nur Vorsteuern geltend gemacht (keine Umsätze wegen Mietfreistellung), in den Umsatzsteuererklärungen 2009 - 2010 wurden Umsätze erklärt und der Abzug von Vorsteuern vorgenommen. Die Jahre 2007 und 2008 wurden erklärungsgemäß veranlagt.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung stellte das Finanzamt erstmals fest, dass die Gebäude an die Pfarrkirche X vermietet wurden. Das Finanzamt beurteilte Pfarrpfründe und Pfarrkirche wirtschaftlich betrachtet als eine Unternehmenseinheit und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens betr. die Jahre 2007 und 2008 mangels unternehmerischer Tätigkeit die angefochtenen „Nichtfestsetzungsbescheide“ 2007 bis 2010.

In der gegen die Nichtfestsetzungsbescheide erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) wandte sich die Bf. gegen die Beurteilung als wirtschaftliche Einheit und erhob nach der abweisenden Entscheidung des UFS, die auf Antrag der Referentin im Senat getroffen wurde, Beschwerde beim VwGH, der die Berufungsentscheidung des UFS wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufhob.

Für dieses Verfahren steht aufgrund des oben erwähnten Erkenntnisses des VwGH fest, dass die Bf. und die Mieterin (die Pfarrkirche X) zwei unterschiedliche Körperschaften öffentlichen Rechts (KöR) sind, die miteinander Geschäfte machen können. Strittig ist ausschließlich, ob die Miethöhe den Anforderungen des VwGH an eine unternehmerische Tätigkeit einer KöR genügt.

Im nunmehr fortgesetzten Verfahren ist daher die Befassung des Senates gem. § 272 Abs 2 Z 2 BAO nicht erforderlich, weil das BFG die Beschwerde ausschließlich anhand der Vorgaben des VwGH zu beurteilen hat.

Rechtslage

§ 2 (3) UStG 1994: Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z 12 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets

- Wasserwerke,

- Schlachthöfe,

- Anstalten zur Müllbeseitigung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen sowie

- die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.

Das BFG hat erwogen

Der VwGH hat im Beschwerdefall am , 2013/15/0224-6 zu Recht erkannt, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung für die Vermietungstätigkeit einer KöR eine Untergrenze für Mietentgelte im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit abgeleitet hat. Das BFG muss nunmehr im fortgesetzten Verfahren prüfen, ob diese Untergrenze erreicht ist.

Das Höchstgericht hat dazu unter Verweis auf die Erkenntnisse und festgestellt, dass eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszinssatz oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht ausreicht, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs 3 UStG 1994 zu begründen (-6).

Bereits mit der im Erkenntnis zitierten Entscheidung des hat das Höchstgericht festgestellt, dass die - auch vom Entlehner nach § 981 ABGB zu bestreitenden - "mit dem ordentlichen Gebrauch verbundenen Kosten" (Hinweis Würth in Rummel2, § 1090 ABGB, Rz 3) kein Entgelt für die Vermietung darstellen. Im ebenfalls zitierten Erkenntnis des nimmt das Höchstgericht explizit zur Befolgung der Umsatzsteuerrichtlinien (Tragung der Betriebskosten gem. Rz 265 „alt“) Stellung: „Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Umstand, mit den vereinbarten Mieten würden die Betriebskosten "überdeckt", ist - ausgehend von der im Zusammenhang mit der Anlegung zivilrechtlicher Maßstäbe auch von der Beschwerdeführerin als "einhellig" bezeichneten Ansicht - daher auch im Anwendungsbereich des UStG 1994 nicht geeignet, im Sinne der in der Beschwerde beschriebenen Verwaltungsmeinung zur Bejahung des Vorliegens eines Betriebes gewerblicher Art und somit zur Berechtigung der Beschwerdeführerin zum Vorsteuerabzug hinsichtlich der Kosten der Errichtung der beiden Dorfzentren zu führen“.

Die Rechtsprechung zum Zivilrecht (zB ) geht davon aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts der Annahme eines Leihvertrages (Bittleihe) dann nicht entgegensteht, wenn das geleistete Entgelt so niedrig gehalten ist, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht mehr ins Gewicht fällt (Würth in Rummel ABGB I³ § 1090 Rz 3; Binder in Schwimann ABGB³ V § 1090 Rz 34). Der Charakter einer Bittleihe wird nach ständiger Rechtsprechung nämlich dadurch nicht geändert, dass für die überlassene Sache ein "Anerkennungszins" geleistet wird (; ; ; ; ; ; ; ; ). Dabei wird im Sinn der zivilrechtlichen Rechtsprechung der Entgeltcharakter etwa ab einem Verhältnis 1 : 10 zu verneinen sein ( mit Verweis auf Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 1 MRG Rz 13 mwN; ).

Im Beschwerdefall wurde vereinbart, dass als Mietzins die Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von 1% angesetzt werden.

Damit wurde für die pastoralen Räume und den Pfarrsaal im Pfarrheim (rund 665 m2) eine Nettomiete (exklusive Betriebskosten) von 3,22 Euro (Miete inkl. BK iHv 325 Euro entspricht 101% der Betriebskosten) vereinbart.

Der Kindergarten (576 m2 + 55 m2 sanitäre Anlagen) wurde demnach um 3,05 Euro/Monat exklusive Betriebskosten vermietet (Miete inkl. BK 308,- Euro) und der Pfarrhof (239 m2) um 83 Cent exklusive Betriebskosten (Miete inkl. BK 84,- Euro).

Diese Mietentgelte sind schon nach dem allgemeinen Verständnis als „Anerkennungszins“ zu verstehen. Der Zuschlag von 1% der Betriebskosten reicht nicht aus, um eine zivilrechtliche Vermietung anzunehmen.

Eine entgeltliche Vermietung wurde vom VwGH auch für den Fall verneint, in dem geringfügige Mehreinnahmen über den Betriebskosten erzielt wurden (vgl. bzw. ).

Auch erreichen die Mietentgelte der Höhe nach bei Weitem nicht die 10% des angemessenen Mietzinses, bei deren Erreichung der OGH von einem Mietverhältnis ausgeht:

Da eine genaue Vergleichsmiete naturgemäß nicht einfach zu ermitteln ist kann nach Ansicht des BFG näherungsweise der Mietpreisspiegel des Fachverbandes der Immobilen- und Vermögenstreuhänder der WKO herangezogen werden.

Für das Jahr 2007 liegt dabei die Büroraummiete im Raum Graz-Umgebung mit einem einfachen Nutzwert bei 4,5 Euro pro m2.

Tatsächlich handelt es sich bei den vermieteten Räumlichkeiten um neu renovierte Gebäude, die wahrscheinlich einen guten (6,1 Euro) bzw. sehr guten (7,7 Euro) Nutzwert haben.

Die Räumlichkeiten werden allerdings für Veranstaltungszwecke bzw. als Kindergarten genutzt, was wiederum einen Abschlag rechtfertigt. Aus diesem Grund kann für die hier angestrebten Vergleichswerte der einfache Nutzwert herangezogen werden.

Für 665 m2 pastorale Räume wären damit laut Mietpreisspiegel bei einfachem Nutzwert mindestens 2.992,50 Euro zu zahlen. Die 3,22 Euro, die tatsächlich vereinbart wurden, machen rechnerisch etwas mehr als 0,1% der „angemessenen Miete“ aus und sind damit so weit von den vom OGH angesetzten 10% entfernt, dass sich weitere Überlegungen über die angemessene ortsübliche Miete erübrigen (würde man nur 10% der Richtwertes ansetzen so beliefe sich die Miete auch nur auf 1% des Richtwertes).

Dasselbe gilt für die 631 m2 Kindergarten, für die 2.839,50 Euro zu bezahlen wären während die Nettomiete nur 3,05 Euro ausmacht und für die 239 m2 Pfarrhof für die 1.051,60 Euro zu entrichten wären statt der vereinbarten 83 Cent.

Die Beschwerdeführerin übt durch die Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an die Pfarrkirche X keine unternehmerische Tätigkeit iSd § 2 Abs 3 UStG 1994 aus. Die Beschwerde war daher wie im Spruch ersichtlich abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde genau diese Rechtsfrage vom VwGH beantwortet sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Fuchs in AFS 2017, 94
Sedlacek/Knechtl in ecolex 2017/292
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.2100489.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at