Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 06.12.2016, RV/4100290/2012

Können Aufwendungen für Massage- und damit zusammenhängende Fahrtkosten ohne vorliegende ärztliche Verordnung im zu beurteilenden Einzelfall als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende Ri und die weiteren Senatsmitglieder Mag. A, Mag. B und C,  
in Gegenwart der Schriftführerin D,

in der Beschwerdesache Bf, Adr1, vertreten durch   Stb, Adr2, 
über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 des FA E vom ,
in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2009 wird in Höhe von Euro  -- 446,01 festgesetzt, bisher war vorgeschrieben -- 79,55. Die Berechnung der Abgabe ist dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen, welches einen Spruchbestandteil bildet.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

A) Folgendes ergibt sich aus der Aktenlage:

1.) Der Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz Bf.) flossen im Streitjahr 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus nicht selbständiger Arbeit zu.
 

2.) Im Jahr 2002 erlitt die Bf. einen Riss der Patellasehne.
Mit a mtsärztlicher Bestätigung vom 11.11.2003 wurde für die Bf. aufgrund von seit 2002 bestehender Kniegelenkschmerzen bei Zustand nach Patellafraktur und Knorpeltransplantation das Ausmaß der Behinderung mit 25% festgestellt.
 

3.) Neben diversen Werbungskosten und Sonderausgaben beantragte die Bf. im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 2009 den Ansatz eines Betrages von Euro 3.451,22 für Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt [KZ 476].

Großteils handelt es sich um Apothekenrechnungen für "Medikamente, Heilmittelchen und Kräuter", weiters um Aufwendungen für Physiotherapien, Massagen, Brille, Sonderheilmittel sowie Kosmetikprodukte und Nahrungsergänzungsmittel.
 

4.) Im streitgegenständlich bekämpften Einkommensteuerbescheid für 2009 vom berücksichtigte das Finanzamt Aufwendungen für Krankheitskosten ohne Selbstbehalt im Ausmaß von Euro 597,58 [KZ 476] und den Betrag von Euro 2.522,89 als mit Selbstbehalt zu berücksichtigende Aufwendungen [KZ 730]. Aufwendungen aufgrund von an Gatten und Sohn gerichteten Honorarnoten wurden nicht berücksichtigt .
Das Finanzamt begründete:

"... von den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen wurde ein Teil in Höhe von Euro 597,58 ( Orthomol, Arthro, Arthrobene, sowie ärztlich verordnete Physiotherapien und orthopädische Behandlungen) der bestätigten Behinderung im Zusammenhang mit der Knieverletzung zugeordnet. Der Restbetrag von Euro 2.522,89 einschließlich der Sehbehelfe, der nicht ärztlich verordneten Massagen, der Behandlungskosten Ihres Sohnes, sowie der Nahrungsergänzungsmittel und Rechnungen ohne Artikelbezeichnungen wurde unter den Krankheitskosten mit Selbstbehalt berücksichtigt . Reine Körperpflegemittel konnten keine Berücksichtigung finden."

5.) In der fristgerecht erhobenen Berufung vom korrigierte bzw. ergänzte der steuerliche Vertreter die Aufteilung der begehrten Krankheitskosten im Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung (dargestellt in den Spalten 1 – 3 der nachfolgenden Tabelle) wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2009
 
Laut Bf. In Euro
Zusätzliche Berücksichtigung durch FA in der Beschwerde- vorentscheidung
Anmerkung
16.11.
F , Masseur, Massagen
470,00
0
 
 
Fahrten 10 x 45 km x 0,42
378,00
0
 
02.11.
Apotheke, Medikamente
26,50
0
Avene Ystheal+CR,   
05.11.
Apotheke
67,91
 
Orthomol, im Erstbescheid b erücksichtigt
22.06.
Apotheke, Medikamente  
119,30
 
davon 49,90 für Arthrobene im Erstbescheid berücksichtigt, verschiedene Sonderheilmittel,
27.05.
Apotheke, Medikamente 5,60
24,40
18,80
Rheumatropfen Basenpulver
24.03.
Apotheke
16,15
0
Basenpulver, Magnowell plus
08.01.
Apotheke
45,85
0
Kosmetik, Körperpflege
 
Bei der GKK eingereichte Behandlungskosten :
 
 
 
 
Honorarnote Dris G, lautend auf Gatten
372,00  
0
 
 
Honorarnote Physiotherapie, Erstattungsbetrag
350,00 153,30
  
196,70 im Erstbescheid bereits berücksichtigt
 
Honorarnote Dris G vom , Akupunktur Erstattungsbetrag
184,00   36,92
147,08
in BVE berücksichtigt
 
Honorarnote, Physiotherapie, Erstattungsbetrag
350,00 153,30
  
196,70 im Erstbescheid bereits berücksichtigt
 
Honorarnote Facharzt, Zuweisung Physiotherapie
35,00 14,52
  
20,48 im Erstbescheid bereits berücksichtigt
 
Honorarnote Facharzt, Erstattungsbetrag
80,00 14,10
  
65,90  im Erstbescheid bereits berücksichtigt


Angemerkt wird, dass in den Honorarnoten des Physiotherapeuten neben dem Datum als Behandlungsleistung "Physiotherapie à 30 Minuten" aufscheint. In den ärztlichen Verordnungen hierfür wird als Diagnose "retropatellare Arthrose, Grad IV, sowie Zustand nach Knorpeltransplantation rechts angegeben.
 

6.) Der Vorhaltsbeantwortung vom war eine ärztliche Bestätigung der Hausärztin vom beigefügt, wonach bei der Bf. nach einer Patellafraktur rechts ein ausgeprägter Knorpelschaden mit deutlicher Bewegungseinschränkung (25%ige Behinderung laut Amtsarzt) und verminderter Belastbarkeit vorliegt. Für den Erhalt der mühsam erarbeiteten Mobilität und der Arbeitsfähigkeit muss die Bf. regelmäßig physiotherapeutisch behandelt werden. Zur Optimierung dieser Behandlung benötigt sie regelmäßige Akupressurmassagen, welche Fehl- und Schonhaltungen korrigiert , Muskel- und Faserverkürzungen lockert und lokal zu einer besseren Durchblutung führt.
Beide Behandlungsmethoden sollen kombiniert werden und sind bei der Bf. absolut notwendig.
 

7.) Mittels Berufungsvorentscheidung vom fanden Aufwendungen im Ausmaß von Euro 165,88 (Honorarnote Dris G vom für Akupunktur  [147,08], sowie für Rheumatropfen [Euro 18,80] ) als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zusätzliche Berücksichtigung.
 

8.) Mit Schreiben vom stellte der   steuerliche Vertreter unter Wiedergabe der seinerzeitigen Berufungsbegründung einen Vorlageantrag .
Das Finanzamt legte die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat unter Verweis darauf, dass die seitens des Finanzamtes vorgenommene Aufteilung der als außergewöhnliche Belastung begehrten Aufwendungen in solche mit bzw. ohne Selbstbehalt strittig ist, vor.

9.) Im Rechtsmittelverfahren wurden der nachfolgend dargestellte Abrechnungsbeleg hinsichtlich der begehrten – noch strittigen –  Kosten der nicht "ärztlich verordneten" Massagen laut Beleg des Masseurs F vom sowie die nachfolgend dargestellte "Bestätigung" übermittelt:

- Abrechnungsbeleg:
 

"Frau .......

10 Teilmassagen kombiniert   ................................  Euro  391,67
20 % Mwst .....................................................................     
Euro   78,33

                                                                                              Euro 470,00

- Bestätigung:

"...Massagepraxis ......                                                 24.07.2013

Frau .....

Betreff:            Behandlung rechtes Knie

Diagnose:       Knorpelaufbau rechtes Knie

Behandlung:   Teilmassage Beine, speziell rechtes Knie mit Akupressur und Friktionen

Frau ... ist bei mir seit ihrer Knieoperation (Knorpelwiederaufbau) in meiner Praxis in Behandlung. Es ist bei ihr wichtig die gesamte Beinmuskulatur und das Iliosakralgelenk zu lockern. Die Beinmuskulatur ist aufgrund der starken Atropie des Quadriceps Femoris immer im Hypertonus, in weiterer Folge ist eine Streckung des Beins nie vollständig möglich. In der Folge treten immer wieder Blockaden im Iliosakralgelenk auf, ausgelöst durch die Schonbelastung des rechten Beines.
......."


Der genannte Masseur betreibt laut einer Internetrecherche am angegebenen Standort eine Akupunktmassage- u Massagepraxis und besteht seit die Berechtigung zur Ausübung der Tätigkeit als Heilmasseur.

10.) Auf die vorgelegten Unterlagen bezugnehmend führte das   Finanzamt in der Stellungnahme vom aus, dass aufgrund der allgemeinen Leistungsbeschreibung  "Teilmassagen kombiniert" im Abrechnungsbeleg nicht hinreichend nachgewiesen wurde, dass es sich im Hinblick auf die Behinderung um eine medizinisch notwendige Maßnahme handelte. Denn genau so, wie es möglich sei, dass eine Akupressurmassage des Beines durchgeführt wurde, wäre es auch möglich gewesen, dass z.B. lediglich eine Rückenmassage erfolgt  ist.
Mit der im Nachhinein ausgestellten Bestätigung des Heilmasseurs bzw. des ärztlichen Attests der Allgemeinmedizinerin ist es der Bf. mangels Vorlage einer im Vorhinein ausgestellten ärztlichen Verordnung nicht gelungen einen einwandfreien Nachweis einer durch die Behinderung bedingten zwangsläufigen und notwendigen "Massage Behandlung" des Knies zu erbringen. Dies auch angesichts des Umstandes, dass die Physiotherapien auf Basis einer im Vorhinein ausgestellten ärztlichen Verordnung stattfanden und Kostenersätze des Sozialversicherungsträgers erfolgten.

11.) Im Zuge der mündlichen Verhandlung schränkte der steuerliche Vertreter sein Begehren auf die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Massagekosten samt Fahrtkosten und jener Kosten, die bereits in der Berufungsvorentscheidung zusätzliche Berücksichtigung gefunden hatten, als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt ein.
Er verwies auf die bisherigen Ausführungen und ergänzte, dass bei der Bf.im Zuge eines Arbeitsunfalles im Jahr 2002 ein Riss der Patellasehne erfolgte. Seitdem kann das rechte Bein nicht vollständig abgebogen werden und treten ständige Schmerzen auf.
Im Jahr 2009 wurde deswegen vorab für die Akupressurmassagen keine ärztliche Verordnung eingeholt, weil der Bf. vermittelt worden war, dass es seitens des Sozialversicherungsträgers keinen Ersatz gebe. Seit dem Jahre 2012 stellt die konsultierte Ärztin jedoch immer eine ärztliche Verordnung an den Heilmasseur aus, obwohl hierfür eine Kassenleistung nach wie vor nicht erfolgt.
Eine Kopie der Überweisung vom wurde zur Einsicht vorgelegt und zu den Akten genommen.
Der Bestätigung Dris G vom zufolge, ist neben den physiotherapeutischen Behandlungen auch eine Kombination mit den Akupressurmassagen für eine Verbesserung des Zustandes absolut notwendig.

Die Vertreterin des Finanzamtes verwies auf die Ausführungen im Vorlagebericht und im Schreiben vom und insbesondere darauf, dass die strittigen Massageleistungen ohne vorherige ärztliche Verordnung erfolgten und im Abrechnungsbeleg bloß 10 "Teilmassagen kombiniert" angeführt sind. Diese Leistungsbeschreibung sei als so allgemein zu beurteilen, dass hiervon durchaus andere Massagen umfasst werden könnten, und eine Abgrenzung zu jenen Aufwendungen, die bloß das allgemeine Befinden verbessern, schwierig erscheine.

Der steuerliche Vertreter beantragte die Stattgabe der Beschwerde unter Hinweis darauf, dass die Anerkennung nicht an dem Umstand scheitern könne, dass der ursprüngliche Abrechnungsbeleg lediglich 10 Teilmassagen ausweist, wenn danach eine entsprechende detaillierte Beschreibung erfolgte.

B) Über die Beschwerde wurde erwogen:


1.) Voran zu stellen ist, dass die eingebrachte Berufung nunmehr gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen ist.

2.) Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

Im Zuge eines Arbeitsunfalls erfolgte bei der   Bf. im Jahr 2002 der Riss der Patellasehne im rechten Knie.
Mit amtsärztlicher Bestätigung vom 11.11.2003 wurde für die Bf. aufgrund von seit 2002 bestehender Kniegelenkschmerzen bei Zustand nach Patellafraktur und Knorpeltransplantation das Ausmaß der Behinderung mit 25% festgestellt.
Wegen der ständig bestehenden Beschwerden bzw. Schmerzen im Knie wurden der Bf. wiederholt (auch im Streitjahr zwei Mal) Physiotherapien ärztlich verordnet, wofür der Sozialversicherungsträger teilweise Kostenersätze leistete.
Zusätzlich unterzog sich die Bf. einer Akupunkturbehandlung bei einer Ärztin für Allgemeinmedizin und erfolgte eine Akupressurbehandlung des rechten Knies in Kombination mit Teilmassagen der Beine durch einen Heilmasseur ohne vorherige ärztliche Verordnung, wobei dieser für "10 Teilmassagen kombiniert" die begehrten Aufwendungen in Höhe von Euro 470,00 in Rechnung stellte.

In der ärztlichen Bestätigung der Hausärztin vom wird attestiert, dass für den Erhalt der Mobilität und Arbeitsfähigkeit nicht nur regelmäßig physiotherapeutisch Behandlungen erforderlich sind, sondern dass eine Kombination mit regelmäßigen Akupressurmassagen zur Korrektur der Fehl- und Schonhaltungen  sowie zur Lockerung der Muskel- und Faserverkürzungen erforderlich ist.

Laut Bestätigung des Heilmasseurs vom nahm dieser eine Teilmassage der Beine, speziell rechtes Knie mit Akupressur und Friktionen vor. Die Bf. ist bei ihm seit ihrer Knieoperation (Knorpelwiederaufbau) in Behandlung zur Lockerung der gesamten Beinmuskulatur und des Iliosakralgelenks, da sich die Beinmuskulatur aufgrund der starken Atropie des Quadriceps Femoris immer im Hypertonus befindet und eine Streckung des Beins nie vollständig möglich ist.

Das Finanzamt hat die strittigen Aufwendungen für die Masseur- und Fahrtkosten bisher als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt qualifiziert (vgl. Begründung des Einkommensteuerbescheides sowie Stellungnahme vom ).

3.) Strittig ist (noch) die Berücksichtigung der bisher als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt qualifizierten Aufwendungen für die Masseur- und Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt.
 

4.) Rechtsgrundlagen:

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 normiert, dass bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen sind. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Laut § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Für gewisse Aufwendungen erlaubt § 34 Abs. 6 EStG einen Abzug auch ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes. Die zu § 34 Abs. 6 EStG ergangene Verordnung des BMF nennt in § 4 nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung als neben dem Pflegegeld voll abzugsfähig.
Hat ein Abgabepflichtiger Aufwendungen durch seine eigene körperliche oder geistige Behinderung, für welche eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 25% festgestellt wurde, sind derartige Kosten nach dieser Verordnung ohne Kürzung um Pflegegeldbezüge zu berücksichtigen, soweit die Ausgaben nachgewiesen werden.

Entsprechend § 35 Abs.  1 EStG ist die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit  (= Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung nachzuweisen.

Liegt eine amtsärztlich festgestellte körperliche Behinderung vor und weist der Steuerpflichtige eindeutig nach bzw. macht glaubhaft, dass die geltend gemachten Krankheitskosten in direktem Zusammenhang mit der Behinderung stehen, so sind die betreffenden Krankheitskosten ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes anzuerkennen.

5.) Erwägungen

Nach Lehre und Rechtsprechung erwachsen Kosten der eigenen Erkrankung aus tatsächlichen Gründen dem Grunde nach zwangsläufig und sind nach allgemeiner Rechtsauffassung als außergewöhnlich im o.a. Sinne zu beurteilen.

Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert.

Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglich machen einer Krankheit dienen, nicht abzugsfähig sind hingegen Aufwendungen für Maßnahmen der Krankheitsprävention oder von Maßnahmen, die der Verbesserung des Allgemeinzustandes oder der Erhaltung der Gesundheit dienen.

Die in § 34 EStG geforderte Zwangsläufigkeit setzt in Bezug auf Krankheits- bzw. Behinderungskosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand in dem Sinn voraus und dass ohne Anwendung der Maßnahmen ernsthafte gesundheitliche Nachteile eintreten oder sich zumindest abzeichnen. Für Krankheitskosten fordert der VwGH deshalb, dass diese Maßnahmen tatsächlich Erfolg versprechend zur Behandlung oder zumindest zur Linderung einer konkret existenten Krankheit beitragen.

Voraussetzung für Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ist, dass die zwangsläufig erwachsen sind, wovon ausgegangen wird, wenn deren medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78; Renner, SWK 2011, 28 ff).

Die Verwaltung geht nun grundsätzlich davon aus, dass ein Nachweis in Form einer vor Beginn der Heilbehandlung ausgestellten ärztlichen Verordnung zu erbringen ist.

Es ist dem Finanzamt grundsätzlich beizupflichten, dass mit einer außerhalb eines ärztlichen Behandlungsplanes stehenden, bloßen ärztlichen Empfehlung - insbesondere, wenn sie erst nachträglich erstellt wird - den o.a. Anforderungen an die Nachweisführung bei Krankheits- oder Behinderungskosten für gewöhnlich nicht entsprochen wird. Dies gilt insbesondere für von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbare Kosten.

§ 34 EStG gibt für die Form des Nachweises keine Beweisregeln vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

Der erforderliche Nachweis kann durch eine ärztliche Bestätigung erbracht werden, denn eine Einschränkung dieses Nachweises auf eine „ärztliche Verordnung der Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes“ oder die (teilweise) Übernahme der Kosten durch die Sozialversicherung erscheint in dieser pauschalen Form streitgegenständlich im hier zu entscheidenden Einzelfall als zu eng (vgl. auch BFG RV/1100626/2014, ).

Entscheidend wird vielmehr sein, ob die Behandlung medizinisch indiziert ist und die Akupressurbehandlung mit der Behinderung in ursächlichem Zusammenhang steht und dieser Nachweis als erbracht angesehen werden kann.

Aus der Sicht des erkennenden Senates ist diese Nachweisführung durch die Bf. aus nachstehenden Überlegungen als gelungen anzusehen.

Nicht nur, dass unstrittig eine körperliche Beeinträchtigung vorliegt, wurde auch ein Ausmaß der Behinderung mit 25% für diese bereits mit Bestätigung vom amtsärztlich festgestellt.

Das Erfordernis von therapeutischen und sonstigen Maßnahmen wird durch die wiederholt vorgenommenen (ärztlich verordneten) Physiotherapien sowie auch beispielsweise durch die Vornahme von Akupunkturbehandlungen dokumentiert.
Die medizinische Indikation der strittigen Akupressurbehandlungen zur Korrektur von Fehl- und Schonhaltungen, die infolge des Patellasehnenrisses bestehen, ergibt sich aus dem Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin vom . Dass diese Bestätigung im Nachhinein erstellt und vorgelegt wurde, ändert nichts an der seit bereits 2002 bestehenden Krankheit und der offenkundigen Notwendigkeit diese zu therapieren. Auch in einer amtsärztlichen Bestätigung wird oftmals bestätigt, dass die körperliche Beeinträchtigung seit einem weiter zurückliegenden Zeitpunkt besteht.

Ist die medizinische Indikation der Akupressurbehandlungen als nachgewiesen anzusehen, ist zu untersuchen, ob auch der Nachweis dahingehend, dass die im Abrechnungsbeleg als "Teilmassagen kombiniert" bezeichneten Behandlungen mit der amtsärztlich festgestellten körperlichen Behinderung in direktem Zusammenhang stehen, als beigebracht anzusehen ist.
Wenn das Finanzamt den Zusammenhang der im vorgelegten Abrechnungsbeleg vom als "kombinierte Teilmassagen" beschriebenen Behandlung mit der festgestellten Behinderung verneint, weil diese allgemeine Leistungsbeschreibung auch eine Interpretation dahingehend zulasse, dass nicht nur eine Akupressurmassage des Beines durchgeführt wurde, sondern dass auch nur eine Rückenmassage erfolgt sein könne, ist diese Ansicht vorab nicht gänzlich von der Hand zu weisen.
Allerdings kann der mit Schreiben vom detailliert erfolgten Leistungsbeschreibung, wonach eine "Teilmassage Beine, speziell rechtes Knie mit Akupressur und Friktionen" vorgenommen wurde, nicht alleine aufgrund des Umstandes, dass diese später ausgestellt wurde, jegliche Beweiskraft abgesprochen werden. Denn die im Abrechnungsbeleg angeführte Leistungsbeschreibung von "Teilmassagen kombiniert" spricht schon dafür, dass "Teilmassagen in kombinierter Form" erfolgten, nämlich in der dargestellten Form als Kombination von Teilmassagen (der Beine) und Akupressur unter Friktion des rechten Knies, und weniger dafür, dass eine Rückenmassage in Kombination mit einer Beinmassage oder nur eine Rückenmassage erfolgte. In diesem Fall wäre einerseits die Anführung von "Teil"Massage und andererseits von "kombiniert" nicht nachvollziehbar.

Dass die angesprochene Behandlungen zur Korrektur der Fehlhaltungen sowie zu einer Lockerung der Beinmuskulatur und des Iliosakralgelenkes und damit zu einer Verbesserung der Krankheit bzw. einer Linderung der Schmerzen führten, wird nicht in Frage zu stellen sein.

Die Erklärung des steuerlichen Vertreters im Zuge der mündliche Verhandlung zum weiteren seitens des Finanzamtes gegen eine Anerkennung vorgebrachten Einwandes, dass im Gegensatz zu den strittigen Aufwendungen die Physiotherapien auf Basis einer im Vorhinein ausgestellten ärztlichen Verordnung stattfanden und Kostenersätze des Sozialversicherungsträgers erfolgten und dies bezüglich der strittigen Behandlung nicht erfolgte, nämlich dass sich die Bf. angesichts des damaligen Informationsstandes, wonach in keinem Fall Kostenersätze geleistet werden würden, - auch in Unkenntnis der steuerrechtlichen Folgen -  nicht um eine vorherige ärztliche Verordnung bemüht hatte, was aber seit dem Jahr 2012 erfolgt, ist logisch nachvollziehbar.

Laut der nunmehr übergebenen Kopie erfolgt die Zuweisung an den Heilmasseur aufgrund der bestehenden Knieprobleme durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin, sodass der Zusammenhang der Behandlung mit der festgestellten körperlichen Behinderung attestiert ist.

Auf Basis dieser Ausführungen ist – entgegen der Ansicht des Finanzamtes - der Bf. der Nachweis gelungen, dass die strittigen Aufwendungen mit der festgestellten Behinderung in ursächlichem Zusammenhang stehen.

Als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt sind daher zusätzlich zu den bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom seitens des Finanzamtes berücksichtigten Aufwendungen im Ausmaß von Euro 165,88 (Honorarnote Dris G vom für Akupunktur  [147,08], sowie für Rheumatropfen [Euro 18,80] ) die Aufwendungen für die Akupressurmassagen (Euro 470,00) und die mit diesen in ursächlichem Zusammenhang stehenden Fahrtkosten (Euro 378,00), in Summe demnach Euro 1.611,46, zu berücksichtigen.

C. Zulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die ordentliche Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt
Kosten eines Heilmasseurs ohne ärztliche Verordnung
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.4100290.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at