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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.11.2016, RV/7102424/2014

Kindesmutter und Stiefvater des Kindes in Polen ansässig und beschäftigt; Von Kindsmutter geschiedener leiblicher Vater in Österreich wohnhaft und beschäftigt. Kein Anspruch auf österr. Differenzzahlung trotz überwiegender Tragung der Unterhaltskosten.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102424/2014-RS1
Laut stRSp des Verwaltungsgerichtshofs steht nach österreichischem Recht dem Beihilfenanspruch der Mutter der Kinder des Beschwerdeführers, zu deren in Polen gelegenem Haushalt der Sohn gehört, die Bestimmung des § 2 Abs 1 FLAG entgegen, wonach Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Solcherart läge aus der Sicht des nationalen Rechts ein Anwendungsfall des § 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG, Subsidiartatbestand wegen überwiegender Tragung der Unterhaltskosten vor (nochmals VwGH 2009/15/0207, VwGH 2009/13/0243). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem im Gefolge des , Romana Slanina, ergangenen Erkenntnis vom , 2009/15/0207, ausgesprochen, dass diese nationale Rechtslage durch die VO 1408/71 und VO 883/2004 keine Änderung dahingehend erfährt, dass der Mutter in diesen Fällen ein unbedingter Anspruch eingeräumt wird. Pro Monat und Kind gebührt die Familienbeihilfe nur einmal (§ 10 Abs 4 FLAG). Daran ändern die Regelungen der VO nichts. Bei einer Konstellation, wie sie dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegt, steht der Anspruch auf Familienbeihilfe - oder gegebenenfalls bloß auf eine Ausgleichszahlung nach § 4 Abs 2 FLAG - allein dem in Österreich wohnhaften Elternteil zu, wenn er im Sinne des § 2 Abs 2 FLAG überwiegend die Unterhaltskosten trägt. Das angeführte Urteil des EuGH (Rn 32) steht dem nicht entgegen, betraf dieses Urteil doch den Fall der Rückforderung von Familienbeihilfe, die an die haushaltsführende Mutter nach ihrem Wegzug aus Österreich in einen anderen EU-Mitgliedstaat für Kinder weiter gewährt worden ist, deren unterhaltspflichtiger Vater seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist (, Romana Slanina, [; ; ; ("Slanina I"); , , ; ; ("Slanina II"); ; , ]. Im Fall RV/5100454/2013 hat das BFG ausdrücklich verneint, dass die Bw bei vergleichbarer Sachlage das Recht zusteht, den grs Anspruch der Kindesväter, den sie aber aG fehlender überwiegender Unterhaltsleistung nicht geltend machen können, an sich ziehen zu können.
RV/7102424/2014-RS2
Der in Polen ansässige und beschäftigte Bf kann für ihren haushaltszugehörigen Sohn den Anspruch auf Differenzzahlung des in Österreich wohnhaften und beschäftigten Kindesvater, von dem sie geschieden ist und der die Unterhaltskosten nicht überwiegend trägt, selbst dann nicht nach Polen an sich ziehen, wenn sie die Unterhaltskosten überwiegend trägt (aA zB ; ; Revision zugelassen)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache der Beschwerdeführerin B, Polen, SVNR 0000, vertreten durch V über die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Differenzzahlung und Kinderabsetzbetrag ab März 2008 für den Sohn S, geb. 0001, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

III. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die in Polen lebende Beschwerdeführerin (Bf) beantragte mit dem amtlichen Formular Beih 38 vom rückwirkend Familienbeihilfe in Form der „Differenzzahlung“ für den Sohn für den Zeitraum bis .

Mit angefochtenem Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag ab, weil in zwischenstaatlichen Fällen, in denen ein leiblicher Elternteil mit seinem Kind und einem Stiefelternteil im gemeinsamen Haushalt lebe, der nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Elternteil nicht in die Prüfung miteinzubeziehen sei. In diesen Fällen sei daher nur die Situation des mit dem Kind lebenden leiblichen Elternteils und Stiefelternteils sowie des Kindes in Prüfung zu ziehen.

Die Bf erteilte mit Schriftsatz vom ihrem geschiedenen Ehemann  beschränkt auf die Familienbeihilfenangelegenheit für den gemeinsamen Sohn eine allgemeine Vollmacht.

In der mit Schriftsatz vom  erhobenen Berufung wurde vorgetragen, dass der Kindesvater für den Sohn jedes Jahr die Sportschule bezahlt habe. In den Sommerferien komme der Sohn zu ihm und wohne bei ihm. Im März 2013 habe der Kindesvater beim Finanzamt vorgesprochen und die Auskunft erhalten, dass der Sohn „Ausgleichsgeld“ bekäme. Für seine beiden schulpflichtigen Kinder aus zweiter Ehe bezahle das Finanzamt Ausgleichsgeld und daher sollte auch der Sohn aus erster Ehe „Ausgleichsgeld“ bekommen.

Die Berufung wies die belangte Behörde mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der anzuwendenden Normen der Unionsrechts und des nationalen Rechts wird darin ausgeführt, dass aus der Beschäftigung des leiblichen Vaters in Österreich kein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe aufgrund der VO 1408/71 und VO 883/2004 abgeleitet werden könne, da der Sohn bei der Kindesmutter und dem Stiefvater haushaltszugehörig sei.

Mit Vorlageantrag vom wurde eingewendet, dass der Sohn niemals mit dem Stiefvater zusammen gewohnt habe. Die Bf und der Sohn hätten in Warszawa, Lochowska 47/27, zusammen gewohnt. Der neue Ehemann der Bf, Ehemann2, würde an einem Ort 20 km außerhalb von Warschau wohnen. Die Wohnung Lochowska 47/27 sei die Wohnung des geschiedenen Ehemannes gewesen, die jetzt die Bf habe.

Mit Vorlagebericht vom , in dem ergänzend ausgeführt wird, dass die Bf deshalb die österreichische Familienbeihilfe beantrage, weil der Kindesvater keinen überwiegenden Unterhalt für das Kind leiste, wird die Berufung vorgelegt. Die belangte Behörde gehe aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs , davon aus, dass die Kindesmutter keinen Anspruch auf die österreichische Familienleistungen geltend machen könne.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid wird zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten. Erkennbar werden die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zuerkennung der Differenzzahlung durch Mitteilung begehrt.

Aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist folgender Sachverhalt festzustellen:

Die Bf lebt im Zeitraum 2008 bis 2011 mit dem am 0001 geborenen Sohn in Polen in einem gemeinsamen Haushalt. Sie ist in Polen seit bis laufend nichtselbständig beschäftigt und in der polnischen Sozialversicherung erfasst und bezieht für den Sohn polnische Familienleistung. Sie ist vom Kindesvater geschieden und seit mit Ehemann2 verheiratet. Der Stiefvater wohnt nicht mit der Bf und dem Sohn im gemeinsamen Haushalt in Polen, sondern etwa 20 km entfernt. Sie und der Sohn haben ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen daher in Polen. Polen ist Wohnsitz- und Beschäftigungsstaat der Bf. Der Sohn ist das gemeinsame Kind aus erste Ehe der Bf.

Die Bf war zu keinem Zeitpunkt in Österreich wohnhaft und hat in der Vergangenheit nie die österreichische Familienbehilfe für den Sohn bezogen. Auch der Sohn war nie in Österreich wohnhaft.

Der Kindesvater ist in Österreich seit Jänner 2008 durchgängig unselbständig beschäftigt und wird vom österreichischen Sozialversicherungssystem als Arbeitnehmer erfasst. Er verfügt in Österreich über einen Wohnsitz. Auch er ist eine zweite Ehe in Polen eingegangen, die aber ebenfalls geschieden wurde. Aus der zweiten Ehe hat er zwei Kinder, die in Polen leben. Die Frage seiner überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten ist auch in diesen Fällen seit der Scheidung strittig.

In den Sommerferien wohnt der Sohn bei seinem Vater in Österreich.

Der Sohn hat im Juni 2008 die Reifeprüfung bestanden und vom bis eine Hochschule – Bildungswesen im Sport (Leibeserziehung) besucht. Zwischen Reifeprüfung und Beginn der weiterführenden Ausbildung liegt etwa ein Jahr, das nicht durchgängig belegt ist. Studienerfolgsnachweise wurden vorgelegt.

Der Kindesvater bezahlt nach eigenen Angaben für den Sohn das Schulgeld für eine Sportschule in Polen. Die Bf trägt überwiegend die Unterhaltskosten für den Sohn.

Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass die Bf den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften Polens unterliegt, wird auf ihre Angaben im Antragsformular gestützt, wonach sie seit 1997 beim selben Arbeitgeber durchgehend beschäftigt ist und aus dem Umstand, dass lediglich die Differenzzahlung beantragt wurde. Eine unselbständige Beschäftigung vermittelt in Polen Anspruch auf eine vergleichbare Familienleistung.

Nachweise zur Höhe des Schulgeldes und zur faktischen Tragung dieser Kosten liegen dem Akt nicht ein. Auch wurde kein Gerichtsentscheid (Urteil, Beschluss, Vergleich) oder private Vereinbarung vorgelegt oder eine mündliche Vereinbarung zur Regelung der Unterhaltspflicht behauptet. Belege zur Erfüllung dieser Unterhaltspflicht wurden weder vorgelegt noch erhoben. Da dieser Umstand zwischen der Bf, dem Kindesvater und der belangten Behörde nicht strittig ist, wird er der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Zur Bf wurde ergänzend nach Meldedaten und Beihilfendaten in Österreich ermittelt; das Ermittlungsergebnis brachte für die Vergangenheit keinen Inlandsbezug für die Bf. Da die Bf seit 1997 in Polen unselbständig beschäftigt ist, ist ein von ihr in der Vergangenheit erworbener Familienbeihilfenanspruch in Österreich nicht anzunehmen und wurde von ihr auch nicht behauptet.

Die ungewöhnliche Wohnsituation in Polen, nämlich nicht mit ihrem zweiten Ehemann einen gemeinsamen Wohnsitz zu haben, wird von den Meldedaten in Polen getragen und erscheint ihm Hinblick auf die im Streitzeitraum absolvierte Ausbildung des Sohnes durchaus glaubhaft. Der Sohn hat lediglich für den kurzen Zeitraum bis ein Einkommen von 22.015,00 PLN erzielt, war also im Streitzeitraum noch nicht selbsterhaltungsfähig. Für die Jahre 2009, 2011 hat der Sohn keine Steuererklärungen eingereicht, also aus eigenem kein Einkommen erwirtschaftet.

Die weiteren Feststellungen ergaben sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

Streitfrage:

Fraglich ist, ob der in Polen wohnhaften und unselbständig beschäftigten und vom Kindesvater geschiedenen Bf ein Antragsrecht auf österreichische Familienbeihilfe für den gemeinsamen, ebenfalls in Polen lebenden Sohn deshalb zukommt, weil sie für den Sohn überwiegend die Unterhaltskosten trägt und der Kindesvater in Österreich unselbständig beschäftigt ist. Die Berufung stützt diesen Anspruch im Wesentlichen auf eine Diskriminierung des Sohnes aus der Sicht des Kindesvaters im Vergleich zu dessen beiden weiteren Kindern aus zweiter Ehe.

Demgegenüber vertritt die belangte Behörde die Rechtsanschauung, dass die Kindesmutter keinen Anspruch auf die österreichische Familienleistungen von der Beschäftigung des Kindesvaters in Österreich ableiten könne, und stützt ihre Ansicht auf .

Rechtsgrundlagen:

Österreichisches Recht:

Gemäß § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 in den im Beschwerdefall maßgeblichen Fassungen hatten Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. bzw 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet wurden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich war.

Gemäß § 2 Abs 3 lit a FLAG 1967 sind die Nachkommen einer Personen Kinder im Sinne dieses Abschnittes.

§ 2 Abs 2 FLAG 1967 sieht vor, dass jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht gemäß § 2a Abs 1 FLAG 1967 der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Absatz 2 leg.cit sieht vor, dass in den Fällen des Abs 1 der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten kann. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden.

Gemäß § 5 Abs 4 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichszahlung (§ 4 Abs 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

Gemäß § 4 Abs 1 FLAG 1967 haben Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 4 Abs 2 FLAG 1967 erhalten österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs 1 oder gemäß § 5 Abs 5 (nunmehr § 5 Abs 4) vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs 5, nunmehr § 5 Abs 4) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

Gemäß § 4 Abs 3 FLAG 1967 wird die Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

Gemäß § 4 Abs 4 FLAG 1967 ist die Ausgleichszahlung jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren.

§ 53 Abs 1 FLAG 1967 ordnet an, dass Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Unionsrecht:

Polen ist seit Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union.

Der Streitzeitraum umfasst die Jahre 2008 bis 2011. Für den Streitzeitraum bis April 2010 ist die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, - konsolidierte Fassung ABlEG Nr L 28 vom  -, (kurz: VO 1408/71) und für den Zeitraum ab Mai 2010 grundsätzlich die Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr L 166 vom , Berichtigung ABlEU Nr L 200 vom , (kurz: VO 883/2004) maßgebend.

Jedoch sieht die VO 883/2004 in Art 87 Abs 8 entsprechende Übergangsregelungen vor, wenn die Umsetzung der VO 883/2004 mit dazu führt, dass es im Vergleich zur VO 1408/71 zu einem Wechsel der anzuwendenden Rechtsvorschriften kommen würde: Gelten für eine Person infolge der VO 883/2004 die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates als desjenigen, der durch die VO 1408/71 bestimmt wurde, so bleiben die ursprünglich ermittelten Rechtsvorschriften so lange anwendbar, bis sich der vorliegende Sachverhalt ändert. Kommt es zu keiner Sachverhaltsänderung, sind die jeweils nach der VO 1408/71 ermittelten nationalen Rechtsvorschriften für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren ab Inkrafttreten der VO 883/2004 weiter anzuwenden.

Im vorliegenden Fall liegt im Streitzeitraum keine Änderung des Sachverhaltes vor. Somit sind auch ab Mai 2010 die Rechtsvorschriften der VO 1408/71 anzuwenden.

Verordnung (EWG) Nr 1408/71:

Nach Art 2 VO 1408/71 gilt diese Verordnung u.a. für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

Art 3 Abs 1 VO 1408/71 zufolge haben die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.

Nach Art 1 Buchstabe f sublit i VO 1408/71 wird für die Anwendung dieser Verordnung der Begriff "Familienangehöriger" wie folgt definiert:

"Jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, ... als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder als Haushaltsangehöriger angehsehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird. …"

Art 13 Abs 1 der VO 1408/71 bestimmt, dass - vorbehaltlich hier nicht in Betracht kommender Sonderbestimmungen - Personen, für die diese VO gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen, und zwar:

Art 13 Abs 2 lit a VO 1408/71 lautet:

„Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;“

Art 73 der VO 1408/71 lautet:

„Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.“

Art 76 Abs 1 der VO 1408/71 („Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen“), bestimmt:

„Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls gemäß Artikel 73 bzw 74 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrags.“

Rechtliche Beurteilung:

Aus dem von der belangten Behörde ins Treffen geführte Erkenntnis , ist für diesen Fall nichts gewonnen. In jenem Beschwerdefall war dem in Österreich beschäftigten und als Arbeitnehmer sozialversicherten Stiefvater mit ungarischer Staatsbürgerschaft deshalb die Familienbeihilfe zuzuerkennen, weil zwischen ihm und seiner Familie in Ungarn ein einheitlicher Familienwohnsitz bestand und damit Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft gegeben war. Da der Primäranspruch der Haushaltszugehärigkgeit gemäß § 2 Abs 2 S 1 FLAG 1967 erfüllt war, kam es auf die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten (Subsidiäranspruch gemäß § 2 Abs 2 S 2 FLAG 1967) gar nicht mehr an. Der Stiefvater hatte die Unterhaltskosten für den Stiefsohn getragen, weil dessen leiblicher Vater seiner Verpflichtung nicht nachgekommen war. Die belangte Behörde hatte zu Stiefkindern die Rechtsansicht vertreten, dass diese vom Anwendungsbereich der VO 1408/71 und VO 883/2004 nicht erfasst würden.

Im konkreten Fall kommt es auf den Stiefvater (2. Ehemann der Bf) des Anspruch vermittelnden Kindes nicht an, weil dieser laut Sachverhalt für den Sohn der Bf gar keinen Unterhalt leistet.

Vorliegender Fall ist anhand der vom Verwaltungsgerichtshof im Gefolge des , Romana Slanina, entwickelten Rechtsprechung zu lösen [; ; ; ("Slanina I"); , , ; ; ("Slanina II")].

Aus den Erkenntnissen VwGH 2011/16/0068 und 2009/13/0240 ergibt sich, dass von den Abgabenbehörden zunächst zu klären ist, ob die im anderen Mitgliedstaat wohnhafte Mutter in der Vergangenheit aufgrund eines Wohnsitzes in Österreich einen Anspruch (gemäß § 2 Abs 1 lit a oder b iVm § 2a FLAG 1967) erworben und allenfalls unter unionsrechtlichen Gründen beibehalten hat. Eine solcher Sachverhalt liegt nach den vom BFG ergänzend durchgeführten Ermittlungen gegenständlich nicht vor und wurde von der Bf auch nicht behauptet. Damit scheidet ein Anspruchsrecht der in Polen wohnhaften Bf auf die österreichische Familienbeihilfe aus, und zwar auch dann, wenn sie die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend getragen hat. Der Umstand, dass der von ihr geschiedene Kindesvater in Österreich unselbständig beschäftigt ist, vermittelt der Bf keinen Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe.

Bei dieser Faktenlage steht laut stRSp des Verwaltungsgerichtshofs nach österreichischem Recht dem Beihilfenanspruch der Mutter der Kinder des Beschwerdeführers, zu deren in Polen gelegenem Haushalt der Sohn gehört, die Bestimmung des § 2 Abs 1 FLAG entgegen, wonach Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Solcherart läge aus der Sicht des nationalen Rechts ein Anwendungsfall des § 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG, Subsidiartatbestand wegen überwiegender Tragung der Unterhaltskosten vor (nochmals VwGH 2009/15/0207, VwGH 2009/13/0243). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem im Gefolge des , Romana Slanina, ergangenen Erkenntnis vom , 2009/15/0207, ausgesprochen, dass diese nationale Rechtslage durch die VO 1408/71 und VO 883/2004 keine Änderung dahingehend erfährt, dass der Mutter in diesen Fällen ein unbedingter Anspruch eingeräumt wird. Pro Monat und Kind gebührt die Familienbeihilfe nur einmal (§ 10 Abs 4 FLAG). Daran ändern die Regelungen der VO nichts. Bei einer Konstellation, wie sie dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegt, steht der Anspruch auf Familienbeihilfe - oder gegebenenfalls bloß auf eine Ausgleichszahlung nach § 4 Abs 2 FLAG - allein dem in Österreich wohnhaften Elternteil zu, wenn er im Sinne des § 2 Abs 2 FLAG überwiegend die Unterhaltskosten trägt (Anm: Hervorhebung durch BFG).Das angeführte Urteil des EuGH (Rn 32) steht dem nicht entgegen, betraf dieses Urteil doch den Fall der Rückforderung von Familienbeihilfe, die an die haushaltsführende Mutter nach ihrem Wegzug aus Österreich in einen anderen EU-Mitgliedstaat für Kinder weiter gewährt worden ist, deren unterhaltspflichtiger Vater seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist (s. oben angeführte Judikatur; , ). Im Fall RV/5100454/2013 hat das BFG ausdrücklich verneint, dass die Bw bei vergleichbarer Sachlage das Recht zusteht, den grs Anspruch der Kindesväter, den sie aber aG fehlender überwiegender Unterhaltsleistung nicht geltend machen können, an sich ziehen zu können.

Mit anderen Worten gesagt, hat die im anderen Mitgliedstaat wohnhafte Mutter in solchen Fällen nur einen bedingten Anspruch, nämlich beschränkt auf den Fall, dass die im anderen Mitgliedstaat wohnhafte Mutter aufgrund eines Wohnsitzes in Österreich in der Vergangenheit einen Anspruch gemäß § 2 Abs 1 lit a oder b iVm § 2a FLAG 1967 erworben und allenfalls unter unionsrechtlichen Gründen beibehalten hat (vgl insbes VwGH 2009/13/0240). Hat sie einen solchen Anspruch beibehalten, bleibt sie Anspruchsberechtigte, solange sich die Verhältnisse nicht ändern, also insbesondere der Kindesvater im gesetzlichen Sozialversicherungssystem erfasst wird [vgl VwGH  2011/16/0189 ("Slanina II")].

Dass der Kindesvater seinen Anspruch mangels Erfüllung der überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten nicht geltend machen kann, ändert daran nichts.

Eine Auseinandersetzung mit dem Studienerfolg des Sohnes sowie eine konkrete Feststellung der gesamten tatsächlich angefallenen Unterhaltskosten konnte daher unterbleiben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a VwGG).

Die Aufzählung des Art 133 Abs 4 B-VG ist nur eine demonstrative (argumento "insbesondere"). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist auch dann anzunehmen, wenn zwar augenscheinlich eine einheitliche Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofs besteht (; ; ; ("Slanina I"); , , ; ; ("Slanina II")], diese aber im Verwaltungsgericht zu zwei gegensätzlichen Entscheidungslinien führt.

Gegenständlich war zur Falllösung die Frage zu beantworten, ob die in Polen ansässige und beschäftigte Bf für den zu ihrem Haushalt zugehörigen Sohn den dem in Österreich wohnhaften und beschäftigten geschiedenen Kindesvater grundsätzlich zustehenden Anspruch auf Differenzzahlung deshalb an sich ziehen könne, weil der Kindesvater zu den Unterhaltskosten nicht überwiegend beigetragen habe, sondern sie. Ein solches An-sich-Ziehen wurde mit gegenständlicher Entscheidung verneint.

Gestützt auf , hat sich eine zweite Judikaturlinie im BFG etabliert, wonach in solchen Fällen die Differenzzahlung der im anderen Mitgliedstaat wohnhaften Mutter zusteht. Dazu wurden mit , folgende Rechtssätze aufgestellt:

1.) Das Unionsrecht gewährleistet, dass den Familienangehörigen eines den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegenden Erwerbstätigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, die ihnen die in den anwendbaren Rechtsvorschriften des Staates der Erwerbstätigkeit vorgesehenen Familienleistungen gewährt werden (vgl. und C-312/94, Hoever und Zachow). Aus unionsrechtlicher Sicht ist daher sicherzustellen, dass die Familienbeihilfe jedenfalls auch dann gewährt wird, wenn die Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen (vgl. ).

2.) Unionsrechtlich ist die Beihilfe entweder der den Unterhalt (überwiegend) leistenden Person oder der haushaltsführenden Person zu gewähren (vgl. , Romana Slanina; , Radia Hadj Ahmed), es gebührt aber nach nationalem Recht pro Monat und Kind die Familienbeihilfe nur einmal (§ 10 Abs 4 FLAG 1967). Daran ändert das Unionsrecht nichts (vgl. ).

3.) Zwischen eigenen und aus der Stellung als Familienangehöriger abgeleiteten Rechten ist bei Ansprüchen auf Familienleistungen nicht zu unterscheiden (vgl. Csazsar in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG § 53 Rz 90 m.w.N.). Es kommt daher nicht darauf an, welcher Elternteil nach nationalem Recht leistungsberechtigt ist (vgl. , Humer). Ebenso kommt dem Umstand der Scheidung in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, auch eine geschiedene Person behält einen Anspruch auf Familienbeihilfe bei (vgl. , Romana Slanina; , Gudrun Schwemmer).

4.) Art 1 lit. f VO 1408/71 und Art 1 Abs 1 lit. i Z 1 sublit. i VO 883/2004 verweisen zur Anspruchsberechtigung auf das nationale Recht. Daher ist nach nationalem Recht die anspruchsberechtigte Person (der antragsberechtigte Elternteil) zu bestimmen. Nimmt diese ihren Anspruch nicht wahr, ergibt sich eine Antragsberechtigung einer anderen Person (des anderen Elternteils), die zum Kreis der Familienangehörigen im unionsrechtlichen Sinn zählt.

5.) Die in einem anderen Mitgliedstaat der EU arbeitende und dort im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebende Mutter ist hinsichtlich einer Differenzzahlung zur Familienbeihilfe und zum Kinderabsetzbetrag anspruchsberechtigt, wenn der Vater in Österreich berufstätig ist.

In diesem Sinn etwa auch .

Es war daher die ordentliche Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Art. 13 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
Art. 73 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
Art. 76 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 2 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
Anmerkung
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7102424.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at