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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.09.2016, RV/2100819/2014

Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO trotz Kenntnis der Partei vom Wiederaufnahmsgrund (Zeitungszusteller - Zahlungen an Vertreter und Fahrtkosten)

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2016/15/0036. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache X, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamts Graz -Stadt vom  betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2010 zu Recht erkannt: 

1) Die Beschwerde wird, soweit sie das Jahr 2002 betrifft, als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt, soweit er über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2002 abspricht, unverändert.

2) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2003 bis 2007 wird abgewiesen.

3) Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2009 abspricht, aufgehoben.

4) Der Beschwerde wird, soweit sie die Jahre 2008 und 2010 betrifft, Folge gegeben.
Das Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2008 und 2010 wird gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO wiederaufgenommen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Zeitungszusteller sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Auf Grund von Mitteilungen gemäß § 109a EStG 1988 erließ das Finanzamt am Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005. Mit diesen Bescheiden wurde Einkommensteuer in Höhe von 0,- Euro (2002), -8,25 Euro (2003), 1.483,39 Euro (2004) bzw. -6,02 Euro (2005) festgesetzt. Für das Jahr 2004 erhob der Bf. Berufung mit der Begründung, er habe in diesem Jahr einen Betrag in Höhe von 3.926 Euro an A überwiesen, der ihn zeitweise vertreten habe. Die entsprechenden (neun) Überweisungsbelege legte der Bf. vor. Das Finanzamt gab der Berufung Folge und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2004 mit 0,- Euro fest.

Am brachte der Bf. anlässlich einer persönlichen Vorsprache beim Finanzamt einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 2003, 2004 und 2005 mit der Begründung ein, ihm seien (weitere) Aufwendungen für die Tätigkeit von Vertretern erwachsen, die bei der Veranlagung der Einkommensteuer bis dahin nicht berücksichtigt worden seien. Im Einzelnen gab der Bf. an, er habe im Jahr 2003 3.500 Euro an B, im Jahr 2004 (weitere) 4.260 Euro an C und im Jahr 2005 2.700 Euro ebenfalls an C in bar gezahlt. Für jedes dieser Jahre legte der Bf. eine mit dem Datum 31. Dezember des jeweiligen Jahres und der Unterschrift der genannten Person versehene Bestätigung über den Erhalt der Zahlung vor. Der Wiederaufnahmsantrag wurde vom Finanzamt zwar entgegengenommen, in der Folge jedoch nicht bearbeitet.

Am erließ das Finanzamt Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2010. Die Einkommensteuer wurde für jedes dieser Jahre mit 0,- Euro festgesetzt.

Am stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 2002 bis 2008 und 2010 mit der Begründung, auf Grund der in den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre festgestellten Höhe seiner Einkünfte seien ihm Sozialversicherungsbeiträge vorgeschrieben worden. Er habe jedoch nicht Einkünfte in der festgestellten Höhe erzielt, weil die Zahlungen, die er an diverse Vertreter geleistet habe, nicht berücksichtigt worden seien. Ebenso unberücksichtigt geblieben seien die in den Jahren 2008 und 2010 angefallenen Fahrtkosten. Im Einzelnen gab der Bf. an, im Jahr 2002 2.650,50 Euro an D, im Jahr 2006 2.340,45 Euro an E, im Jahr 2007 913,35 Euro ebenfalls an E, im Jahr 2008 1.850 Euro an F und im Jahr 2010 835,45 Euro wiederum an E, jeweils in bar, bezahlt zu haben. Für die Jahre 2003 bis 2005 legte der Bf. dieselben Bestätigungen, die er bereits seinem am eingebrachten Wiederaufnahmsantrag beigelegt hatte, nochmals vor. Auch für die Jahre 2002, 2006 bis 2008 und 2010 legte der Bf. entsprechende, mit dem Datum Dezember des jeweiligen Jahres und der Unterschrift der genannten Personen versehene Bestätigungen über den Erhalt der Zahlungen vor. Für die Jahre 2008 und 2010 machte der Bf. zusätzlich Kilometergelder in Höhe von jeweils 570 Euro als Betriebsausgaben geltend.

Eine Abfrage des Finanzamts beim Zentralen Melderegister ergab, dass die vom Bf. genannten Personen, die ihn nach seinen Angaben bei seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller vertreten hatten, (bis auf wenige Ausnahmen) in den jeweiligen Jahren an den vom Bf. angegebenen Adressen gemeldet waren (in einem Fall war die genannte Person im Jahr der angegebenen Vertretungstätigkeit noch in G und erst in einem späteren Jahr an der in H angegebenen Adresse gemeldet; in einem weiteren Fall war die Hausnummer nicht zutreffend). Ein schriftliches Auskunftsersuchen konnte jedoch nur an B gerichtet werden, weil alle anderen Personen im Jahr 2013 keine Meldeadressen in Österreich mehr hatten. B bestätigte gegenüber dem Finanzamt, den Bf. in der Zeit von Anfang Jänner bis Ende Mai und von Anfang November bis Ende Dezember des Jahres 2003 fast täglich vertreten zu haben.

Mit Bescheid vom wurde der Wiederaufnahmsantrag vom mit der Begründung zurückgewiesen, er sei verspätet eingebracht worden, weil der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO (in der bis geltenden Fassung) binnen einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufnahmsgrundes einzubringen sei und dem Bf. die ihm erwachsenen Aufwendungen nachweislich schon länger bekannt seien. Ergänzend wurde dem Bf. mitgeteilt, dass das Finanzamt bezweifle, dass der Bf. die behaupteten Zahlungen tatsächlich geleistet habe, weil die Bestätigungen über die erhaltenen Zahlungen alle ident abgefasst seien und die auf den Zahlungsbestätigungen aufscheinenden Adressen mit jenen aus dem Zentralen Melderegister teilweise nicht übereinstimmen würden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung (nunmehr: Beschwerde) beantragte der Bf. nochmals, die Verfahren betreffend Einkommensteuer wiederaufzunehmen und die von ihm vorgelegten Unterlagen zu berücksichtigen. Da er die Landwirtschaftliche Fachschule in K besucht habe, habe er nicht die volle Zeit für die Zustellung der Zeitungen zur Verfügung gehabt. Ein Teil seiner Tätigkeit sei daher von den Vertretern übernommen worden.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt den Bf., Bestätigungen über den Besuch der landwirtschaftlichen Fachschule K unter genauer Aufschlüsselung der Zeiten, in denen er die Schule besucht habe sowie der schulfreien Zeiten vorzulegen.

Da dieser Vorhalt nicht beantwortet wurde, ersuchte das Finanzamt den Bf. mit Vorhalt vom nochmals, die entsprechenden Schulbesuchsbestätigungen vorzulegen. Weiters ersuchte das Finanzamt den Bf. in Zusammenhang mit den geltend gemachten Fahrtkosten die Fahrtenbücher vorzulegen und bekannt zu geben, ob der Bf. seinen Privat-PKW benutzt habe. Der Bf. wurde auch ersucht, allenfalls mit seinen Vertretern abgeschlossene Werkverträge sowie die Zahlungsbelege für die Provisionen vorzulegen. Abschließend wurde er ersucht, bekannt zu geben, ob er auch im Jahr 2009 Ausgaben als Zeitungszusteller gehabt habe.

Da auch dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, erging am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. In der Begründung dieses Bescheides führte das Finanzamt ua. aus, die vorgelegten Vertretungsbestätigungen seien alle wörtlich gleich abgefasst und fast gleich formatiert, was bereits Zweifel an deren Glaubwürdigkeit aufkommen lasse. Darüber hinaus seien diese Bestätigungen alle mit 31. Dezember eines Jahres datiert, was die Frage aufwerfe, warum die Ausgaben nicht bereits im jeweiligen Veranlagungsjahr geltend gemacht worden seien. Es entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, sich „pünktlich“ am Ende jedes Jahres eine Bestätigung über den Erhalt einer Zahlung ausstellen zu lassen. Im Jahr 2004 sei der Bf. nach seinen Angaben ua. von C vertreten worden. Dieser sei an der vom Bf. angegebenen Adresse laut Zentralem Melderegister jedoch nie gemeldet gewesen. Die vom Bf. vorgelegten Bestätigungen seien nach Ansicht des Finanzamts als Nachweis für das Vorliegen von Betriebsausgaben daher nicht ausreichend. Zahlungsbelege seien nur für die an A im Jahr 2004 in Höhe von 3.926 Euro geleisteten Zahlungen vorgelegt worden. Diese Zahlungen seien ohnedies bereits berücksichtigt worden. Bestätigungen über den Besuch der Landwirtschaftlichen Fachschule K habe der Bf. nicht vorgelegt. Laut Homepage dauere die Ausbildung an dieser Schule drei Jahre. Es sei daher nicht glaubwürdig, dass sich der Bf. wegen des Besuchs dieser Schule während eines Zeitraums von neun Jahren (2002 bis 2010) vertreten lassen habe müssen. Die für die Vertretungen geleisteten Zahlungen betragen nach den Angaben des Bf. jeweils rund ein Drittel bis zur Hälfte des vom Bf. für seine Tätigkeit als Zeitungszusteller vereinnahmten Entgelts. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass die Tätigkeit, die der Bf. vertraglich übernommen habe, jedes Jahr zu einem Drittel bis zur Hälfte von jemand anderem ausgeführt worden sein soll. Die Angaben des Bf. hinsichtlich seiner Vertretungskosten seien daher insgesamt nicht glaubwürdig, weshalb die Wiederaufnahme der Verfahren zu Recht versagt worden sei. Hinsichtlich der geltend gemachten Fahrtkosten (Kilometergelder für die Jahre 2008 und 2010 in Höhe von jeweils 570 Euro) seien trotz des Vorhalts vom keine Nachweise, Belege oder näheren Erklärungen nachgereicht worden. Es sei daher nicht glaubwürdig, dass in den genannten Jahren (dem Grunde nach) Fahrtkosten angefallen seien. Hinsichtlich des Jahres 2002 sei die Wiederaufnahme des Verfahrens auch deshalb nicht mehr möglich, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung () die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren bereits abgelaufen gewesen sei.

Im Vorlageantrag machte der Bf. zur Frage, warum er Vertreter benötigt habe, die folgenden Angaben bzw. legte die folgenden Bestätigungen vor: - von bis Besuch der Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst am Landeskrankenhaus – Universitätsklinikum H. Austritt auf Grund des schlechten gesundheitlichen Zustandes, der bis Herbst 2003 dauerte. - Jahreszeugnis der Landwirtschaftlichen Handelsschule K für das Schuljahr 2003/2004 - Besuch der zweiten Klasse der Landwirtschaftlichen Handelsschule K von bis - Abschlusszeugnis der dreijährigen land- und forstwirtschaftlichen Fachschule L; Schulbesuch von bis - Facharbeiterbrief der land- und forstwirtschaftlichen Lehrlings- und Fachausbildungsstätte M vom - Dienstverhältnis bei Gemüsebau N von bis . Zu den geltend gemachten Kilometergeldern brachte der Bf. vor, dass er für die Jahre 2002 bis 2007 keine Fahrtkosten geltend gemacht habe, weil er dazu noch keine Informationen gehabt habe. Erst im Jahr 2008 habe er aus dem Internet erfahren, dass man „eine Summe von maximal 570 Euro geltend machen“ könne, selbst wenn man mehr Kilometer gefahren sei. Er sei als Zeitungszusteller täglich immer mindestens zehn Kilometer gefahren. Die Bestätigungen (für die Zahlungen an seine Vertreter) habe er ebenfalls im Internet entdeckt und diese – bis auf die Beträge und das Datum – wörtlich übernommen. Die Bestätigungen seien somit erst „zustande gekommen“ nachdem er erfahren habe, dass man sie braucht. Die meisten Vertreter seien Studenten oder Asylwerber, die öfter umziehen bzw. nicht immer dort wohnen, wo sie gemeldet seien. Diese Personen dürften die Tätigkeit als Zeitungszusteller oft nicht vertraglich ausführen oder seien dazu nicht bereit. Dennoch hätten die Zeitungsunternehmen keine Einwände, wenn diese Personengruppe tatsächlich tätig werde.

In einem ergänzenden Schreiben zu diesen Ausführungen führte der Arbeitgeber des Bf. aus, der Bf. arbeite bereits seit mehreren Jahren auf dem von ihm als Senior geführten Betrieb. Da der Bf. sehr fleißig und verlässlich sei, glaube er, dass er hinsichtlich der Bekanntgabe seiner Vertreter, die während seiner Ausbildungszeit für ihn gearbeitet haben, wahrheitsgetreue Angaben gemacht habe. Zum Schulbesuch des Bf. führte er aus, dass er selbst die Landwirtschaftsschule P abgeschlossen und die Facharbeiter- und Meisterprüfung gemacht habe, dass er aber keinen Landwirt kenne, der so viele außerschulische Kurse, die teilweise auch in den Ferien stattfinden, absolviert habe wie der Bf. Zum laufenden Ermittlungsverfahren (Vorhalt des Finanzamts vom ) brachte er vor, dass ihm der Bf. schon vor zwei Jahren die Sache so geschildert habe, dass der zuständige Finanzbeamte gesagt habe, der Bf. brauche dem Finanzamt seine Ausgaben nicht bekannt geben, weil das Einkommen des Bf. ohnedies so gering sei, dass keine Einkommensteuer anfalle. Auf der Grundlage der Einkommensteuerbescheide seien dem Bf. im Lauf der Jahre jedoch Sozialversicherungsbeiträge von über 9.000 Euro vorgeschrieben worden. Zutreffend sei, dass der Bf. den Vorhalt vom nicht fristgerecht beantwortet habe. Der Grund sei, dass der Bf. in dieser Zeit täglich neun Stunden gearbeitet habe und die Post daher nicht abholen können habe.

In einer Stellungnahme vom zu den ergänzenden Ausführungen des Bf. gab das Finanzamt an, dass nicht mehr bezweifelt werde, dass der Bf. eine Landwirtschaftsschule besucht habe und daher vereinzelt Vertretungstätigkeiten stattgefunden haben. Das Finanzamt sei jedoch weiterhin der Ansicht, dass es sich bei den Vertretungsbestätigungen um Gefälligkeitsbestätigungen handle und Vertretungstätigkeiten, wenn überhaupt, dann nicht in dem genannten Ausmaß und nicht gegen die Bezahlung eines so hohen Entgelts stattgefunden haben. Die Konstruktion mit den (angeblichen) Vertretungen sei auch erst nach dem Bekanntwerden des Überschreitens der Beitragsgrenzen für die Sozialversicherung gewählt worden. Auch der Bf. bestreite nicht, dass das der Grund für die Wiederaufnahmsanträge gewesen sei. Das Finanzamt vertrete nach wie vor die Ansicht, dass es jeder Lebenserfahrung widerspreche, dass jemand vertraglich eine Tätigkeit übernimmt, die dann zu einem großen Teil von anderen geleistet werde. Ebenso unrealistisch sei es, dass Geldbeträge in einer Höhe von 2.000 Euro bis 4.000 Euro in bar übergeben werden. Das Finanzamt vertritt daher weiterhin die Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorliegen.

Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurden dem Bf. diese Stellungnahme des Finanzamts sowie die Aktenvermerke vom und vom zur Kenntnis gebracht. Dem Bf. wurde weiters vorgehalten, dass das Bundesfinanzgericht auf Grund der Ausführungen des Finanzamts davon ausgehe, dass der Bf. für die folgenden Jahre einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer gestellt habe:
am für die Jahre 2003, 2004 und 2005;
am für die Jahre 2002, 2006, 2007, 2008 und 2010.
Für das Jahr 2009 sei kein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt worden.

In Zusammenhang mit den Honoraren, die der Bf. in den genannten Jahren als Zeitungszusteller erhalten habe, wurde er ersucht, die Verträge, die er mit den Zeitschriftenverlagen abgeschlossen habe, vorzulegen und - soweit dies aus den Verträgen nicht ohnedies ersichtlich sei - bekannt zu geben, für welche genauen Zeiträume er zur Zeitungszustellung (vertraglich) verpflichtet gewesen sei und, wie die Honorare, die er als Zeitungszusteller in den einzelnen Jahren erhalten habe, ermittelt worden seien (Sei er zB pro Tag bezahlt worden? Wenn ja, in welcher Höhe?).

Dem Bf. wurde in der Folge mitgeteilt, dass das Bundesfinanzgericht auf Grund der sehr unterschiedlichen Höhe der Honorare, die er in den Jahren 2002 bis 2010 erhalten habe, davon ausgehe, dass er in den genannten Jahren nicht durchgehend als Zeitungszusteller tätig gewesen sei und es sich bei den ihm laut Einkommensteuerbescheiden zugerechneten Honoraren ohnedies nur um jene handle, die er für die Zeiten erhalten habe, in denen er selbst als Zeitungszusteller tätig gewesen sei. Laut Stellungnahme des Finanzamts vom habe der Bf. anlässlich einer persönlichen Vorsprache am angegeben, dass seine Vertreter im Jahr 2009 nicht von ihm, sondern von seinem Auftraggeber bezahlt worden seien, weshalb ihm im Jahr 2009 keine Kosten für Vertretungstätigkeiten entstanden seien. Der Bf. wurde daher gefragt, warum seine Vertreter im Jahr 2009 von seinem Auftraggeber, in den übrigen Jahren aber von ihm bezahlt worden seien.

In Zusammenhang mit den vom Bf. vorgelegten Bestätigungen betreffend die an seine Vertreter geleisteten Zahlungen wurde er ersucht, bekannt zu geben, wie er die Beträge, die er an die einzelnen Personen – seinen Angaben nach - bezahlt habe, ermittelt habe (Erfolgte die Bezahlung der Vertreter zB pro Tag? Wenn ja, in welcher Höhe?). Da der Bf. die Bestätigungen nach seinen Angaben zum Teil erst Jahre später (als er gewusst habe, dass er solche Bestätigungen überhaupt brauche) erstellt habe, wurde er ersucht, bekannt zu geben, woher er zu diesem Zeitpunkt noch gewusst habe, welchen Betrag er in welchem Jahr an wen in bar bezahlt habe. Der Bf. wurde ersucht, allenfalls vorhandene Aufzeichnungen in diesem Zusammenhang vorzulegen.

In Zusammenhang mit den für die Jahre 2008 und 2010 geltend gemachten Fahrtkosten wurde der Bf. für den Fall, dass er mit einem eigenen PKW gefahren sei, ersucht, nachzuweisen, dass in den Jahren 2008 und 2010 ein PKW auf ihn zugelassen gewesen sei. Ein allenfalls geführtes Fahrtenbuch sei vorzulegen. Wenn er kein Fahrtenbuch geführt habe, seien die Fahrtkosten zu schätzen. Zu diesem Zweck sei nachzuweisen, an wie vielen Tagen des jeweiligen Jahres der Bf. als Zeitungszusteller tätig gewesen sei und welche Strecken er dabei zurückgelegt habe. Der vom Bf. geltend gemachte (Pauschal-)Betrag sei für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom gab der Bf. an, den ersten Vertrag für seinen Zustellbezirk im Dezember 2001 abgeschlossen zu haben. Von diesem Vertrag habe er keine Kopie mehr. Den nunmehrigen Vertrag habe er am abgeschlossen. Von diesem Vertrag legte er der Vorhaltsbeantwortung eine Kopie bei. Weiters gab der Bf. bekannt, die jährliche Honorarsumme für die Zeitungszustellung habe sich als Summe aus den unterschiedlich hohen Monatsbeträgen ergeben. Im Jahr 2009 seien ihm keine Vertretungskosten entstanden, weil er keine Vertreter finden können habe. Die Höhe der an die Vertreter geleisteten Zahlungen seien anhand des Vertretungsausmaßes ermittelt worden. Die für die Ermittlung dieser Beträge notwendigen Aufzeichnungen habe er nur bis zur Ausstellung der Zahlungsbestätigungen für das jeweilige Vertretungsjahr aufbewahrt. Die Bestätigungen für die Steuerberechnung seien jedoch erst Jahre später erstellt worden. Bei den für die Jahre 2008 und 2010 geltend gemachten Fahrtkosten handle es sich nicht um PKW-Kosten, sondern um Fahrradkosten. Er sei – abzüglich der Zeiten, in denen er sich vertreten lassen habe – das ganze Jahr über mindestens zehn Kilometer pro Tag gefahren. Im Zeitraum von September 2003 bis Jänner 2007 habe er die Zeitungszustellung jedoch mit PKWs durchgeführt, die auf seinen Namen zugelassen gewesen seien. Die diesbezüglichen Fahrtkosten habe er bisher noch nicht geltend gemacht, weil die Beitragsgrenze für die Sozialversicherung bereits nach Abzug der Vertretungskosten unterschritten werde. Auch mit den PKWs sei er - abzüglich der Zeiten, in denen er sich vertreten lassen habe – das ganze Jahr über mindestens zehn Kilometer pro Tag gefahren. Abschließend führte der Bf. aus, er habe sich in allen Jahren rund ein bis zwei Monate gegen Honorare vertreten lassen müssen, um seine schulischen Ausbildungen abzuschließen, weil er im Krankenstand gewesen sei oder Heimatbesuche gemacht habe. Vertretungen für die Nachtzustellung der Zeitungen seien sehr häufig und in diesem Beruf üblich.

In einem ergänzenden Schreiben zu dieser Vorhaltsbeantwortung führte der Seniorchef des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem der Bf. beschäftigt ist, aus, er zweifle in keiner Weise an den Angaben des Bf., den er als einen sehr ehrlichen Menschen kennen gelernt habe. Bei den ursprünglichen Erklärungen seien sicherlich Fehler passiert, die jedoch darauf zurückzuführen seien, dass der Bf. die Sprache erst lernen müssen habe und mit den Gesetzen und Abgaben nicht vertraut gewesen sei. Beim Finanzamt sei dem Bf. zunächst erklärt worden, er brauche in seinen Steuererklärungen keine Absetzposten geltend machen, weil er auf Grund der geringen Höhe seines Einkommens ohnehin nicht steuerpflichtig sei. Dass er mit seinem Einkommen die Grenze für die Sozialversicherungspflicht überschreite, sei ihm jedoch nicht gesagt worden. Nunmehr – nach so vielen Jahren – seien die Fragen, die an den Bf. gestellt werden, aber sehr schwer zu beantworten. Der Bf. habe eine Frau und drei Kinder, gehe einer regelmäßigen Arbeit nach und zahle pünktlich seine Steuern und Versicherungsbeiträge. Auf Grund dieses laufenden Verfahrens sei er psychisch bereits sehr angegriffen. Er ersuche daher, den Angaben des Bf. Glauben zu schenken und die geltend gemachten Aufwendungen steuerlich zu berücksichtigen.

Der Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom , die Vorhaltsbeantwortung des Bf. vom und das ergänzende Schreiben des Arbeitgebers des Bf. wurden dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht. In einer schriftlichen Stellungnahme vom führte das Finanzamt aus, dass nach wie vor die Ansicht vertreten werde, dass die Vertretungstätigkeiten des Bf. nicht hinreichend nachgewiesen worden seien. Zu den vom Bf. geltend gemachten Fahrtkosten führte das Finanzamt aus, dass eine Schätzung der Kosten für die berufliche Nutzung eines privaten Fahrrades grundsätzlich möglich sei. Dabei könnten jene Kilometersätze herangezogen werden, die die Reisegebührenvorschrift 1995 für eine Fahrradnutzung für die ersten fünf Kilometer vorsehe. Das seien 0,24 Euro pro Kilometer für die Jahre 2008 und 2010. Die Schätzung durch den Ansatz dieser Kilometergelder sei für die genannten Jahre – bezogen auf die durchschnittlichen Anschaffungskosten – nach Ansicht des Finanzamts jedoch mit 480 Euro (und nicht wie vom Bf. beantragt mit 570 Euro) im Jahr begrenzt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:

Der Bf. erzielte in den Streitjahren ua. Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Zeitungszusteller. Auf Grund von Mitteilungen gemäß § 109a EStG 1988 erließ das Finanzamt am Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005. Gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 erhob der Bf. Berufung mit der Begründung, er habe einen Betrag in Höhe von 3.926 Euro an eine (namentlich genannte) Person überwiesen, die ihn zeitweise vertreten habe. Da die entsprechenden Überweisungen vom Bf. nachgewiesen wurden, gab das Finanzamt der Berufung Folge.

Am brachte der Bf. anlässlich einer persönlichen Vorsprache beim Finanzamt einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 2003, 2004 und 2005 mit der Begründung ein, ihm seien (weitere) Aufwendungen für die Tätigkeit von Vertretern erwachsen, die bei der Veranlagung der Einkommensteuer bis dahin noch nicht berücksichtigt worden seien. Der Wiederaufnahmsantrag wurde vom Finanzamt zwar entgegengenommen, in der Folge jedoch nicht bearbeitet.

Am erließ das Finanzamt Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2010. Die Einkommensteuer wurde für jedes dieser Jahre mit 0,- Euro festgesetzt.

Am stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 2002 bis 2008 und 2010 mit der Begründung, auf Grund der in den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre festgesetzten Höhe seiner Einkünfte seien ihm Sozialversicherungsbeiträge vorgeschrieben worden. Bei der Veranlagung der Einkommensteuer seien jedoch weder die Zahlungen, die er an diverse Vertreter geleistet habe noch die in den Jahren 2008 und 2010 angefallenen Fahrtkosten berücksichtigt worden.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Wiederaufnahmsantrag  für die Jahre 2002 bis 2010 mit der Begründung zurück, er sei verspätet eingebracht worden, weil ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO (in der bis geltenden Fassung) binnen einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufnahmsgrundes einzubringen sei und dem Bf. die Aufwendungen nachweislich schon länger bekannt seien. Ergänzend wurde dem Bf. mitgeteilt, das Finanzamt bezweifle, dass der Bf. die behaupteten Zahlungen tatsächlich geleistet habe, weil die Bestätigungen über die erhaltenen Zahlungen alle ident abgefasst seien und die auf den Zahlungsbestätigungen aufscheinenden Adressen mit jenen aus dem Zentralen Melderegister teilweise nicht übereinstimmten.

Strittig ist somit, ob der Bf. die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2010 rechtzeitig beantragte (bzw. ob für das Jahr 2009 ein solcher Antrag überhaupt gestellt wurde) und ob Wiederaufnahmsgründe vorliegen.

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO (in der ab geltenden Fassung FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013) kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 2 BAO idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, hat der Wiederaufnahmsantrag zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

Gemäß § 304 BAO idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist.

Rechtliche Würdigung:

1) Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsanträge

Das FVwGG 2012 hat für Wiederaufnahmsanträge die Dreimonatsfrist beseitigt. Ab ist die neue Rechtslage – auch im Bescheidbeschwerdeverfahren – anzuwenden. Der Antrag auf Wiederaufnahme kann gemäß § 303 iVm § 304 BAO idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, bis zum Eintritt der Verjährung eingebracht werden.

Welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, hängt von der Art des betroffenen Bescheides ab. Da im gegenständlichen Fall die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer beantragt wurde, beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO iVm § 208 BAO fünf Jahre, beginnend mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Gemäß § 209 BAO verlängert sich diese Frist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen gesetzt werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt jedoch spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs.

Die Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2005 wurde mit Bescheiden vom festgesetzt. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2003, 2004 und 2005 wurde (erstmals) am gestellt. Dieser Antrag, über den vom Finanzamt erst mit Bescheid vom entschieden wurde, wurde für diese drei Jahre somit rechtzeitig eingebracht.

Mit Eingabe vom wurde beantragt, auch die Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2002, 2006, 2007, 2008 und 2010 wiederaufzunehmen. Der Wiederaufnahmsantrag betreffend die Jahre 2003, 2004 und 2005 wurde wiederholt.

Da der Wiederaufnahmsantrag für das Jahr 2002 erst mehr als zehn Jahre nach der Entstehung des Abgabenanspruchs für dieses Jahr und damit zu einem Zeitpunkt als das Recht, die Einkommensteuer für das Jahr 2002 festzusetzen, bereits verjährt war, gestellt wurde, wurde der Wiederaufnahmsantrag für dieses Jahr vom Finanzamt zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt daher, soweit er das Jahr 2002 betrifft, unverändert.

Die Wiederaufnahmsanträge für die Jahre 2006, 2007, 2008 und 2010 wurden hingegen rechtzeitig eingebracht.

Für das Jahr 2009 wurde, wie die Ermittlungen ergaben, überhaupt kein Wiederaufnahmsantrag gestellt. Der angefochtene Bescheid ist daher, soweit er das Jahr 2009 betrifft, (ersatzlos) aufzuheben.

2) Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen

Für die Jahre, für die ein fristgerechter Wiederaufnahmsantrag gestellt wurde, ist zu prüfen, ob geeignete Wiederaufnahmsgründe vorliegen.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist – wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 – die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im abgeschlossenen Verfahren bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).

Hinsichtlich des Neuhervorkommens von Tatsachen oder Beweismitteln ist nach herrschender Lehre nur der Kenntnisstand der Abgabenbehörde im jeweiligen (abgeschlossenen) Verfahren maßgebend, nicht hingegen, ob diese Umstände auch der Partei bereits bekannt waren (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl., § 303 Tz 47, sowie Ritz, ÖStZ 2014/692, 437; Rzeszut, Wiederaufnahme auf Antrag – Hervorkommen von neuen Tatsachen aus Sicht der Partei? SWK 2014, 1273, sowie Rzeszut, SWK 2015, 634, zu ). Der Partei sind diese Umstände in der Regel bekannt, sie unterlässt nur deren Geltendmachung, weil sie zB auf die Richtigkeit der Rechtsauskunft eines Finanzamts oder auf eine Erlassmeinung vertraut. Ob ein von der Partei dennoch gestellter Wiederaufnahmsantrag zu bewilligen ist, ist im Rahmen der Ermessensübung zu entscheiden, bei der auch zu berücksichtigen ist, ob sich ein Abgabepflichtiger redlich verhalten hat (vgl. dazu nochmals Rzeszut, SWK 2014, 1273).

Gemäß § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmsantrag ua. die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten. Der Wiederaufnahmswerber ist hinsichtlich des Vorliegens von Wiederaufnahmsgründen behauptungs- und beweispflichtig.

Der Bf. brachte als Wiederaufnahmsgrund vor, ihm seien im Streitzeitraum Aufwendungen für die Tätigkeit von Vertretern sowie Fahrtkosten erwachsen, die bei der Veranlagung der Einkommensteuer noch nicht berücksichtigt worden seien. Die Beschäftigung von Vertretern sei erforderlich gewesen, weil er auf Grund der Absolvierung mehrerer Ausbildungen (ua. an einer landwirtschaftlichen Fachschule) und auf Grund einer nichtselbständigen Tätigkeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb die Tätigkeit als Zeitungszusteller nicht immer selbst ausüben können habe. Darüber hinaus habe er die Vertreter im Krankheitsfall und während seiner Heimatbesuche gebraucht.

Die Absolvierung mehrerer Ausbildungen konnte der Bf. durch die Vorlage von Schulbesuchsbestätigungen und Zeugnissen nachweisen. Unbestritten ist auch, dass der Bf. im Streitzeitraum in einem landwirtschaftlichen Betrieb nichtselbständig tätig war.

Hinsichtlich der Bezahlung der Vertreter gab der Bf. an, im Jahr 2003 3.500 Euro an B, im Jahr 2004 3.926 Euro an A und weitere 4.260 Euro an C, im Jahr 2005 2.700 Euro ebenfalls an C, im Jahr 2006 2.340,45 Euro an E, im Jahr 2007 913,35 Euro ebenfalls an E, im Jahr 2008 1.850 Euro an F und im Jahr 2010 835,45 Euro wiederum an E, jeweils in bar, bezahlt zu haben. Nur für die Zahlungen an A im Jahr 2004 legte der Bf. Überweisungsbelege vor. Diese Zahlungen wurden vom Finanzamt bei der Veranlagung der Einkommensteuer als Ausgaben berücksichtigt. Als Nachweis für alle anderen Zahlungen legte der Bf. lediglich gleichlautende Bestätigungen, datiert mit 31. Dezember des jeweiligen Jahres, vor, wonach die genannten Personen die von ihm angegebenen Beträge erhalten haben.

Eine Abfrage des Finanzamts beim Zentralen Melderegister ergab, dass die vom Bf. genannten Personen - bis auf wenige Ausnahmen - in den jeweiligen Jahren an den vom Bf. angegebenen Adressen gemeldet waren (in einem Fall war die genannte Person im Jahr der angegebenen Vertretungstätigkeit noch in G und erst in einem späteren Jahr an der in H angegebenen Adresse gemeldet; in einem weiteren Fall war die Hausnummer nicht korrekt). Ein schriftliches Auskunftsersuchen konnte vom Finanzamt jedoch nur an B gerichtet werden, weil alle anderen Personen im Zeitpunkt der Abfrage durch das Finanzamt (im Jahr 2013) keine Meldeadressen in Österreich mehr hatten. B bestätigte gegenüber dem Finanzamt, den Bf. in der Zeit von Anfang Jänner bis Ende Mai und von Anfang November bis Ende Dezember des Jahres 2003 fast täglich vertreten zu haben.

Dem Einwand des Finanzamts, die vom Bf. angegebenen Adressen seien nicht in allen Fällen korrekt gewesen, entgegnete der Bf., bei den von ihm genannten Personen handle es sich um Studenten oder Asylwerber, die nicht immer dort wohnen, wo sie gemeldet seien. Dem Einwand, es sei unglaubwürdig, dass der Bf. Zahlungen in Höhe von mehreren Tausend Euro in bar geleistet habe sowie den Ausführungen, das Finanzamt zweifle an der Echtheit der Zahlungsbestätigungen, weil diese alle gleichlautend und jeweils erst am Ende des betreffenden Jahres ausgestellt worden seien, entgegnete der Bf. lediglich, er habe die Zahlungsbestätigungen erst erstellt, als er gewusst habe, dass er diese für das Finanzamt brauchen werde. Den Inhalt der Zahlungsbestätigungen habe er einer Vorlage aus dem Internet entnommen und nur die jeweiligen Namen und Beträge eingesetzt.

Die Frage des Bundesfinanzgerichtes, wie der Bf. die Beträge, die er – seinen Angaben nach – an seine Vertreter bezahlt habe, ermittelt habe (seien die Vertreter zB pro Tag bezahlt worden; wenn ja, in welcher Höhe), beantwortete der Bf. lediglich mit dem Hinweis, die Beträge seien „anhand des Vertretungsausmaßes“ ermittelt worden. Da der Bf. die dem Finanzamt vorgelegten Bestätigungen unbestrittenermaßen erst zu einem Zeitpunkt erstellte, als er wusste, dass er solche Bestätigungen brauche, wurde er auch gefragt, woher er zu diesem Zeitpunkt noch gewusst habe, welchen Betrag er an wen bezahlt habe. Diese Frage beantwortete der Bf. überhaupt nicht. Der Aufforderung, allenfalls vorhandene Aufzeichnungen über die ausbezahlten Beträge vorzulegen, entgegnete der Bf., die für die Ermittlung dieser Beträge notwendigen Aufzeichnungen habe er nur bis zur Ausstellung der Zahlungsbestätigungen für das jeweilige Vertretungsjahr aufbewahrt.

Aus den Angaben des Bf. geht somit weder hervor, wann der Bf. die dem Finanzamt vorgelegten Bestätigungen tatsächlich erstellte noch wie der Bf. die jeweiligen Beträge ermittelte. Da der Bf. seinen Angaben zufolge die Bestätigungen erst zu einem Zeitpunkt erstellte als er bereits wusste, dass er solche Bestätigungen zur Vorlage beim Finanzamt braucht, ist davon auszugehen, dass dies erst in den Jahren 2009 bzw. 2013 der Fall war. Da der Bf. keine Angaben darüber machte, wie er in diesen Jahren die in den Bestätigungen genannten Beträge ermittelte, bestehen erhebliche Zweifel darüber, ob der Bf. die behaupteten Beträge tatsächlich an die genannten Personen ausbezahlte.

Es bestehen jedoch nicht nur Zweifel hinsichtlich der Höhe der geleisteten Zahlungen, sondern auch darüber, ob überhaupt Zahlungen an die genannten Personen erfolgten. Dass der Bf. im Streitzeitraum eine landwirtschaftliche Fachschule sowie mehrere Fortbildungskurse besuchte und in einem landwirtschaftlichen Betrieb nichtselbständig tätig war, ist zwar als erwiesen anzusehen, auffallend ist jedoch, dass die Einkünfte, die der Bf. in diesem Zeitraum als Zeitungszusteller erzielte, sehr unterschiedlich hoch waren. Sie betrugen in den Jahren 2003 bis 2008 und 2010 zwischen 4.894,78 Euro im Jahr 2007 und 11.865,14 Euro im Jahr 2004. Es ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes daher davon auszugehen, dass es sich bei den Honoraren des Bf., die bei der Veranlagung der Einkommensteuer der Streitjahre erfasst wurden, ohnedies nur um jene Honorare handelt, die der Bf. für Zeiträume erhielt, in denen er selbst als Zeitungszusteller tätig war. Einem diesbezüglichen Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes widersprach der Bf. nicht. Da der Bf. die Frage, wie die Honorare, die er als Zeitungszusteller erhalten habe, ermittelt worden seien (ob er zB pro Tag bezahlt worden sei und wenn ja, in welcher Höhe), lediglich mit dem Hinweis beantwortete, die Honorarsumme habe sich „als Summe aus den unterschiedlich hohen Monatsbeträgen“ ergeben, ist eine nähere Überprüfung dieser Schlussfolgerung nicht möglich. Auch aus dem vom Bf. vorgelegten Vertrag, den er im Jahr 2003 mit einem Zeitungsverlag abgeschlossen hatte, geht über die Höhe der dem Bf. für seine Tätigkeit als Zeitungszusteller zustehenden Honorare nichts hervor.

Das Vorbringen des Bf., er habe von den dem Finanzamt bekannt gegebenen Honoraren als Zeitungszusteller Zahlungen an Vertreter geleistet, kann daher nicht als erwiesen angesehen werden. Die (behaupteten) Zahlungen an diverse Vertreter stellen daher keinen geeigneten Wiederaufnahmsgrund dar. Daran ändert auch die dem Finanzamt gegenüber abgegebene Erklärung des B, er habe den in der Zahlungsbestätigung genannten Betrag erhalten, nichts, weil diese Angabe angesichts des übrigen Ermittlungsergebnisses als bloße Gefälligkeitsbestätigung anzusehen ist.

Für die Jahre 2008 und 2010 machte der Bf. in den Beilagen zum Wiederaufnahmsantrag vom neben Vertretungshonoraren auch Fahrtkosten in Höhe von jeweils 570 Euro als Betriebsausgaben geltend. In der Vorhaltsbeantwortung vom gab der Bf. dazu an, es handle sich dabei nicht um PKW-Kosten, sondern um Fahrradkosten. Er sei an den Tagen, an denen er als Zeitungszusteller tätig gewesen sei, mindestens zehn Kilometer pro Tag gefahren.

Dass dem Bf. in den genannten Jahren Kosten im Zusammenhang mit der Nutzung eines Fahrrades erwachsen sind, ist dem Grunde nach glaubwürdig. Da der Bf. keine exakten Angaben über das Ausmaß der Nutzung machte, ist die Höhe der Aufwendungen zu schätzen. Nach dem Vorbringen des Finanzamts kann in den Streitjahren für die Nutzung eines Fahrrades ein Kilometersatz von 0,24 Euro herangezogen werden, wobei der Jahresbetrag nach Ansicht des Finanzamts jedoch mit 480 Euro begrenzt ist. Diese Kosten wurden bei der Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 2008 und 2010 bisher noch nicht berücksichtigt. Für diese beiden Jahre liegen daher Wiederaufnahmsgründe im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO vor.

In der Vorhaltsbeantwortung vom brachte der Bf. erstmals vor, ihm seien auch in den Jahren 2003 bis 2007 Fahrtkosten, und zwar auf Grund der Nutzung von PKWs, erwachsen. Abgesehen davon, dass der Bf. nicht bekannt gab, in welcher Höhe ihm derartige Kosten erwachsen seien, erbrachte er auch keinen Nachweis dafür, dass im Streitzeitraum PKWs auf ihn zugelassen waren, obwohl er im Vorhalt vom ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass ein solcher Nachweis im Fall der Geltendmachung von PKW-Kosten erforderlich ist. Das Vorbringen des Bf., auch in den Jahren 2003 bis 2007 seien Fahrtkosten angefallen, die bisher vom Finanzamt noch nicht berücksichtigt worden seien, kann daher nicht als erwiesen angesehen werden. Für die Jahre 2003 bis 2007 liegen somit keine geeigneten Wiederaufnahmsgründe vor.

3) Ermessen

Die Verfügung der Wiederaufnahme liegt im Ermessen. Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zwecks der Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis, weshalb bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit zu geben ist (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl., § 303 Tz 67, sowie die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Wiederaufnahmen sind in der Regel nicht zu verfügen bzw. zu bewilligen, wenn die steuerlichen Auswirkungen nur geringfügig sind. In Ausnahmefällen kann es aber sachgerecht sein, eine Wiederaufnahme, die sich steuerlich nur geringfügig auswirkt, wegen ihrer Auswirkungen in anderen Bereichen dennoch zu verfügen. Das ist zB der Fall, wenn der betreffende Einkommensteuerbescheid für die Beitragsgrundlage der Sozialversicherung von Bedeutung ist (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl., § 303 Tz 71 und 78).

Im vorliegenden Fall wirkt sich die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2008 und 2010 zwar nicht auf die Höhe der festzusetzenden Einkommensteuer, wohl aber auf die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer und damit auch auf die Höhe der Beitragsgrundlage für die Sozialversicherung des Bf. aus. Auch die Höhe der im wiederaufzunehmenden Verfahren zu berücksichtigenden Fahrtaufwendungen spricht für die Bewilligung der Wiederaufnahme, weil deren Höhe in Relation zur Höhe der Einkünfte des Bf. nicht als bloß geringfügig anzusehen ist. Für die Bewilligung der Wiederaufnahme spricht darüber hinaus, dass dem Bf. vom Finanzamt zunächst mitgeteilt worden war, er brauche seine Betriebsausgaben nicht bekannt zu geben, weil diese an der Höhe der festzusetzenden Einkommensteuer nichts änderten und dem Bf. nicht bekannt war, dass die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer auch für die Ermittlung der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge von Bedeutung ist.

4) Beschränkung auf die Verfügung der Wiederaufnahme

Gemäß § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Das gilt jedoch nur dann, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

Da das Bundesfinanzgericht zur erstmaligen Erlassung eines Einkommensteuerbescheides nicht zuständig ist, ist mit diesem Erkenntnis lediglich die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Jahre 2008 und 2010 zu verfügen (vgl. dazu auch ).

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen das vorliegende Erkenntnis ist eine Revision zulässig, weil zur Frage, ob die Kenntnis der Partei von im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht vorgebrachten Tatsachen und Beweismitteln einer antragsgebundenen Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 idF FVwGG 2012 entgegensteht, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt und diese Frage vom Bundesfinanzgericht bisher nicht einheitlich entschieden wurde (vgl. dazu nochmals ; entgegenstehend zB , und ).

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Ritz, BAO, 5. Aufl., § 303, Tz 47
Ritz, BAO, 5. Aufl., § 303, Tz 67
Ritz, BAO, 5. Aufl., § 303, Tz 71 und 78
Ritz, ÖStZ 2014/692, 437
Rzeszut, SWK 2014, 1273
Rzeszut, SWK 2015, 634
Zitiert/besprochen in
Brugger/Marchgraber in ÖStZ 2017/651
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.2100819.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at