Säumniszuschlag - Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO - lag eine vertretbare Rechtsansicht der Bf. und somit kein grobes Verschulden an der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer vor?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden V, den Richter Ri und die weiteren Senatsmitglieder B1 und B2 im Beisein der Schriftführerin E.D. in der Beschwerdesache Bf, AdresseBf, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Am Heumarkt 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , betreffend Säumniszuschlag (§ 217 Abs. 7 BAO) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der steuerlichen Vertreter Dr. D.A. und Mag. L.S. sowie des Amtsvertreters Dr. A.G. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die ersten Säumniszuschläge
von der Umsatzsteuer 2011 in Höhe von € 123.649,95,
von der Umsatzsteuer 2012 in Höhe von € 64.683,70 und
von der Umsatzsteuer 2013 in Höhe von € 19.950,31
werden jeweils auf € 0,00 herabgesetzt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Wien 1/23 gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin Bf (in der Folge kurz Bf. genannt) erste Säumniszuschläge
von der Umsatzsteuer 2011 in Höhe von € 123.649,95,
von der Umsatzsteuer 2012 in Höhe von € 64.683,70 und
von der Umsatzsteuer 2013 in Höhe von € 19.950,31
(in Summe somit in Höhe von € 208.283,96) mit der Begründung fest, dass die
Umsatzsteuer 2011 in Höhe von € 6.182.497,33 nicht spätestens bis zum , die Umsatzsteuer 2012 in Höhe von € 3.234.185,23 nicht spätestens bis zum und die Umsatzsteuer 2013 in Höhe von € 997.515,72 nicht spätestens bis zum entrichtet worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende frist- und formgerechte Beschwerde der Bf. vom , mit welcher gemäß § 217 Abs. 7 BAO die Aufhebung der Bescheide über die Festsetzung der Säumniszuschläge bzw. deren Nichtfestsetzung beantragt wird.
Zur Begründung wird zunächst zur Festsetzung der Umsatzsteuerschuld ausgeführt, die Bf. habe von verschiedenen Unternehmen Altpapier im übrigen Unionsgebiet gekauft und in der Folge weiter an Konzerngesellschaften mit Sitz in Ungarn verkauft. Das Altpapier sei dabei direkt vom ersten Lieferanten - der auch den Transport organisiert habe - im jeweiligen Mitgliedsstaat an die Endabnehmer in Ungarn geliefert worden. Folglich sei ein Reihengeschäft vorgelegen. Die Bf. habe den oa Sachverhalt auf Basis des Art. 140 MWStRL als innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft (drei Unternehmer aus drei verschiedenen Mitgliedsstaaten) behandelt und sei unter ihrer österreichischen UID-Nr. aufgetreten (aus anderen Geschäften habe die Bf. über eine ungarische Umsatzsteuer-UID verfügt). Der Wareneinkauf sei dementsprechend im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen und -Jahreserklärungen in Österreich als Dreiecksgeschäft erfasst worden.
Im vorliegenden Fall seien drei Unternehmer aus drei verschiedenen Mitgliedsstaaten an der Reihe beteiligt gewesen, weshalb gemäß den Bestimmungen der MWStRL grundsätzlich die Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte anwendbar sei und wonach bei der Bf. ein steuerfreier innergemeinschaftlicher Erwerb vorgelegen wäre. Aus dieser Bestimmung sei nicht ersichtlich, dass die umsatzsteuerrechtliche Erfassung des mittleren Unternehmers im Bestimmungsland für die Anwendung der Vereinfachungsregelung schädlich wäre. Nach der nunmehr zugänglichen Auffassung der ungarischen Finanzverwaltung sei die Vereinfachungsregelung jedoch in Ungarn nicht anwendbar, sofern der mittlere Unternehmer (die Bf.) im Bestimmungsland (Ungarn) für umsatzsteuerrechtliche Zwecke erfasst sei.
Dies sei der Bf., einer gewissenhaften und durchschnittlich sorgfältigen Unternehmerin, jedoch nicht bekannt gewesen und habe sich erst in einer kürzlich gestellten ungarischen Auskunft final ergeben. Sohin sei unter der Annahme, dass lediglich erforderlich wäre, dass drei Unternehmen mit UID-Nummern aus drei verschiedenen Mitgliedsstaaten auftreten, auf Basis der EU-MwStRL die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte irrtümlich angewendet worden.
In Ungarn wären daher im Mai 2014 diese Lieferungen für 2011-2013 korrigiert und als umsatzsteuerbare Inlandslieferungen behandelt worden. Aufgrund der Verwendung der österreichischen UID-Nr. habe die Bf. sohin gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG einen zusätzlichen (fiktiven) innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich verwirklicht, für den nach neuerer Auslegung der Finanzverwaltung kein Vorsteuerabzug zustehe (UStR 3777; die Bf. sei vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer). In den Umsatzsteuererklärungen 2011, 2012 und 2013 sei daher eine Zahllast ausgewiesen, die in der UVA Mai 2014 wieder berichtigt werde (da in diesem Zeitpunkt die Besteuerung in Ungarn nachgewiesen werden könne). In Summe ergebe sich daher keine Nachzahlung (Zahllast aus USt-Erklärungen kann mit dem Guthaben der berichtigten UVA 05/2014 verrechnet werden).
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO bestehe die Möglichkeit von der Festsetzung von Säumniszuschlägen abzusehen bzw. diese herabzusetzen, insoweit kein grobes Verschulden vorliege. Diese Vorgehensweise könne auch im Rahmen einer Beschwerde verfolgt werden (vgl. RAE, Rz 978).
Ein solches grobes Verschulden fehle jedenfalls, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliege.
Eine leichte Fahrlässigkeit liege wiederum vor, wenn ein Fehler unterläuft, der gelegentlich einem sorgfältigen Menschen auch passieren könne (vglRitz, BAO - 5. Auflage, § 217 Tz 44, ; RAE, Rz 974, ; Ellinger/lro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 217, Rz 48). Wenn Fehler unterlaufen, die gelegentlich selbst sorgfältige Menschen begehen, liegt eine nicht schädliche Fahrlässigkeit vor (Stoll, BAO, § 308, 2984 zum Verschulden).
Weiters liege kein grobes Verschulden vor, wenn der Abgabenpflichtige seine Selbstberechnung auf eine vertretbare Rechtsmeinung stütze (vgl RAE 975; Ritz, BAO - 5. Auflage, § 217 Tz 48). Die Bf. habe sich auf die EU-MWStRL zur Behandlung von Dreiecksgeschäften gestützt. Die ungarische Auslegung und die sich dadurch ergebende österreichische Behandlung wären auch für eine gewissenhafte und durchschnittlich sorgfältige österreichische Unternehmerin nicht ersichtlich gewesen.
Weiters sei die umsatzsteuerliche Behandlung mit dem ungarischen Kunden abgestimmt gewesen und auch dieser ist vom Übergang der Steuerschuld auf den Empfänger gemäß der Dreiecksregelung ausgegangen. Sohin sei nicht einmal der ungarischen Unternehmerin (welche des ungarischen Steuerrechts kundig sei) bewusst gewesen, dass solche Vorgänge in Ungarn anders zu behandeln seien, weshalb dieses Verhalten noch viel weniger einer österreichischen Unternehmerin angelastet werden könne (vgl. Ritz zu Einholung einer Rechtsauskunft, Ritz, BAO, § 217, Rz 48).
Es liege daher kein grobes Verschulden der Bf. vor.
Zum Zweck des Säumniszuschlages und des fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs brachte die Bf. weiters vor, d er Säumniszuschlag sei eine objektive Säumnisfolge und diene der rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht (vgl.Ritz, BAO - 5. Auflage, § 217 Tz 2). Der fiktive Erwerb ohne Vorsteuerabzug iSd Art 3 Abs 8 UStG bezwecke, die Besteuerung im Bestimmungsland zu gewährleisten (Ruppe/Achatz, UStG4, Art 3 Tz 35).
Da die Besteuerung des tatsächlichen innergemeinschaftlichen Erwerbs in Ungarn ohnehin bereits vorgenommen worden sei, der fiktive innergemeinschaftliche Erwerb in Österreich bereits erklärt und nach erfolgter Korrektur in Ungarn wieder rückgängig gemacht worden sei, sei ebenfalls von der Festsetzung der Säumniszuschläge abzusehen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 217 Abs. 1-5 BAO entstehe die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages grundsätzlich dann, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werde. Da das Abgabenkonto weder entsprechende Zahlungen noch sonstige Gutschriften ausweise, die eine rechtzeitige und vollständige Entrichtung der betreffenden Umsatzsteuernachforderungen 2011, 2012 und 2013 Abgaben erkennen lassen würden, seien die gegenständlichen Säumniszuschläge dem Grunde und der Höhe nach zu Recht vorgeschrieben worden.
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO seien Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliege.
Das Antragsrecht auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen setze voraus, dass den Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis treffe. Grobes Verschulden fehle, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (Ritz BAO, § 217 Tz 43, mHa )
Eine (lediglich) leichte Fahrlässigkeit liege vor, wenn ein Fehler unterlaufe, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe (Ritz BAO, § 217 Tz 44, mHa zB ).
Bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben (zB USt, LSt) sei ein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung auszuschließen, wenn der Berechnung eine vertretbare Rechtsansicht zu Grunde liege. Nehme der Abgabepflichtige oder Abfuhrpflichtige eine falsche Berechnung auf Grund einer unvertretbaren Rechtsauffassung vor, so wäre § 217 Abs. 7 BAO nur bei Vorliegen leichter Fahrlässigkeit anwendbar (RAE, Rz 975).
Grobe Fahrlässigkeit werde mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handle, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lasse (RAE, Rz 974, mHa ).
Grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO sei ebenfalls in einem Verhalten zu sehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen in ungewöhnlichem Maß verletzt worden sei.
Wesentliches Merkmal der auffallenden Sorglosigkeit sei die Voraussehbarkeit des Schadens. Wenn sich jemand über grundlegende und leicht erkennbare Vorschriften hinwegsetze und sein Handeln den Eintritt des Schadens nicht bloß als möglich, sondern als wahrscheinlich erkennen lasse ().
Aufgrund des im Schreiben vom angeführten Sachverhalts sei die Bf. vom Vorliegen der Voraussetzungen für ein Dreieckgeschäft ausgegangen. Die Bf. berufe sich im Schreiben vom auf eine Beurteilung des Sachverhalts auf Basis des Art. 140 MwStRL als innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft (drei Unternehmer aus drei verschiedenen Mitgliedstaaten). Aus dieser Bestimmung sei nicht ersichtlich, dass die umsatzsteuerrechtliche Erfassung des mittleren Unternehmens im Bestimmungsland für die Anwendung der Vereinfachungsregelung schädlich sei. Nach der nunmehr zugänglichen Auffassung der ungarischen Finanzverwaltung sei die Vereinfachungsregelung jedoch in Ungarn nicht anwendbar, sofern der mittlere Unternehmer (die Bf.) im Bestimmungsland (Ungarn) für umsatzsteuerrechtliche Zwecke erfasst sei.
Betrachte man die Voraussetzungen aus Sicht des österreichischen Erwerbers, so würde sich die Bf. durch die Inanspruchnahme der Verwaltungsvereinfachung die umsatzsteuerliche Registrierung im Bestimmungsland (hier Ungarn) ersparen. Da aus österreichischer Sicht jedoch aufgrund der bereits vorhandenen steuerlichen Registrierung im Bestimmungsland (Ungarn) dort von einem Sitz auszugehen sei, seien die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 3 lit. a UStG 1994 bzw. Art. 141 lit. a der MwSt-Systemrichtlinie 2006/112/EG nicht gegeben, da dadurch auch kein Bedarf an einer Vereinfachung bestehe.
Die Erleichterung bestünde ja darin, dass der „mittlere" Unternehmer bei Vorliegen der Voraussetzungen Registrierungs- und Erklärungspflichten im Bestimmungsmitgliedstaat vermeiden kann (Melhardt in Melhardt/Tumpel, UStG, Art.25 Rz 1)
Ein Vorliegen von einem nur minderen Grad des Versehens könne mit dem Vorbringen im Schreiben vom , dass nicht einmal der ungarischen Unternehmerin bewusst gewesen wäre, dass solche Vorgänge in Ungarn anders zu behandeln seien, weshalb dieses Verhalten noch viel weniger einer österreichischen Unternehmerin angelastet werden könne (mHa Ritz zur Einholung einer Rechtsauskunft, Ritz, BAO, § 217, Rz 48), nicht dargelegt würden.
Seitens der Bf. werde nicht dargelegt, über welchen Informations- und Wissensstand die Auskunft gebende Person verfügt habe. Im Übrigen sei nach ständiger Rechtsprechung das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (Ritz BAO, § 217, Tz 45, mHa zB ).
Da im gegenständlichen Fall die Erklärungen für die Umsatzsteuer 2011, 2012 und 2013 nicht mit der erforderlichen, zumutbaren Sorgfalt vorgenommen worden seien (einerseits liege der Sinn der Vereinfachung ja in der Vermeidung der Registrierung im Bestimmungsland; andererseits ergebe bereits eine Prüfung aus Sicht des beteiligten Staates „Österreich", dass die Voraussetzungen für ein Dreiecksgeschäft nicht vorliegen würden) und damit hinsichtlich des vorliegenden Säumnisfalles ein Verschulden vorliege, das über den minderen Grad des Versehens hinausgehe, könne auch nicht dem Beschwerdeantrag auf Abschreibung des Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO entsprochen werden.
Mit Schriftsatz vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 274 BAO) und die Entscheidung durch den Senat (§ 272 BAO).
Wesentliche Aspekte des zugrundeliegenden Sachverhaltes seien nachfolgende:
Die Bf. habe von verschiedenen Unternehmen im übrigen Unionsgebiet Altpapier eingekauft und an die Konzerngesellschaften in Ungarn weiterverkauft. Das Altpapier sei dabei direkt vom ersten Lieferanten - der auch den Transport organisierte habe - vom ersten Mitgliedsstaat nach Ungarn geliefert worden. Es sei daher ein Reihengeschäft vorgelegen. Da ab dem EU-Beitritt Ungarns 2004 drei Unternehmer aus drei verschiedenen Mitgliedsstaaten an der Reihe beteiligt gewesen seien, sei - nach Prüfung des Sachverhalts - die Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte angewendet worden.
Im Jahr 2009 sei eine umsatzsteuerliche Registrierung der Bf. in Ungarn aus anderen Gründen erfolgt. Die Dreiecksgeschäfte seien angesichts der Voraussetzungen der Mehrwertsteuerrichtlinie unverändert weitergeführt worden. Wäre man in Österreich davon ausgegangen, dass die Regelung über die Dreiecksgeschäfte durch die Registrierung in Ungarn nicht mehr einschlägig gewesen wäre, so hätte sich keine umsatzsteuerliche Konsequenz ergeben, weil die Bf. voll vorsteuerabzugsberechtigt sei und der fiktive innergemeinschaftliche Erwerb in Österreich zu einem Vorsteuerabzug im selben Zeitraum der Umsatzsteuerbelastung geführt hätte (UStR 3777). Daher wäre kein Säumniszuschlag angefallen.
Erst durch die Änderung der UStR 3777 auf Basis von EuGH-Rechtsprechung mit Wirkung am sei der Vorsteuerabzug nicht mehr möglich gewesen, wenn in Ungarn die Vereinfachungsregelung nicht Anwendung fände.
Erst im Jahr 2014 (vor der Offenlegung) habe sich in Ungarn herausgestellt, dass die Vereinfachungsregelung nach der Ansicht der ungarischen Behörde nicht anwendbar sei, da die Bf. in Ungarn umsatzsteuerlich registriert sei.
Entsprechend seien im Mai 2014 Lieferungen für 2011-2013 in Ungarn korrigiert (dh statt Dreiecksgeschäft ein innergemeinschaftlicher Erwerb der Bf. in Ungarn und eine steuerpflichtige ungarische Inlandslieferung).
Die Umsatzsteuererklärungen 2011-2013 der Bf. in Österreich seien im Rahmen der Offenlegung korrigiert worden. Gemäß Art 3 Abs. 8 UStG komme es - da das Dreiecksgeschäfts aus ungarischer Sicht plötzlich nicht mehr anwendbar gewesen sei - zu einem zusätzlichen (fiktiven) innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich bis zum Nachweis des Erwerbs in Ungarn. Der fiktive innergemeinschaftliche Erwerb in Österreich war früher unproblematisch, da die Bf. ein voll vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer sei. Nach neuer Ansicht in der österreichischen Finanzverwaltung stehe jedoch ab 2011 kein Vorsteuerabzug mehr zu (UStR 3777).
Die Offenlegung sei für die Jahre 2011, 2012 und 2013 erfolgt, welche eine Zahllast ergeben hätten. In der UVA Mai 2014 seien die fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbe wieder berichtigt worden, da in diesem Zeitpunkt die Besteuerung in Ungarn nachgewiesen hätte werden können. In Summe habe sich daher keine Nachzahlung (die USt-Zahllast aus den korrigieren Jahreserklärungen 2011, 2012 und 2013 sei mit dem Guthaben aus der UVA Mai 2014 verrechnet worden) ergeben.
Zur Begründung eines aus Sicht der Bf. nicht vorliegenden groben Verschulden und zur Möglichkeit, gemäß § 217 Abs. 7 BAO die Säumniszuschläge auf Null herabzusetzen, bringt die Bf. wie folgt vor:
Der Abgabenpflichtige habe sich bei der umsatzsteuerlichen Behandlung als Dreiecksgeschäft in Ungarn auf Art 141 der EU-MWStRL gestützt. Diese sehe - neben den anderen Voraussetzungen, die unstrittig erfüllt seien - in lit. a vor, dass „der Erwerber [= Bf.] nicht in diesem Mitgliedsstaat [vorliegend: Ungarn] niedergelassen, aber in einem anderen Mitgliedsstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst sei [vorliegend: Österreich]". Im gegenständlichen Fall sei die Bf. der Erwerber (mittlere Unternehmer). Die Bf. sei zwar - neben Österreich - auch in Ungarn steuerlich registriert. Eine Niederlassung habe die Bf. in Ungarn aber nicht, es sei lediglich eine umsatzsteuerliche Registrierung als ausländischer Unternehmer ohne Niederlassung oder Betriebsstätte erfolgt. Auf Basis des eindeutigen Wortlautes des Art. 141 sei daher die Voraussetzung für ein Dreiecksgeschäft erfüllt, da keine Niederlassung vorliege.
In der Beschwerdevorentscheidung führe die Behörde aus, dass aufgrund der steuerlichen Registrierung in Ungarn davon auszugehen sei, dass die Bf. über einen ungarischen Sitz verfüge. Dazu sei auszuführen, dass die Bf. eine österreichische GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Österreich sei. In Ungarn verfüge sie über keinen Sitz und keine Niederlassung.
Weiters führe die Behörde aus, dass bereits eine umsatzsteuerliche Registrierung schädlich sei. Diese österreichische Auslegung sei aus mehreren Gründen problematisch:
- Art 25 öUStG sei gar nicht einschlägig, da durch die Regelung nur der Fall behandelt werde, bei dem Österreich das Bestimmungsland sei (vgl Ruppe/Achatz, UStG, Art 25 BMR, Rz 1; Melhardt/Tumpel, UStG, Art 25, Rz 7).
- Weiters sei die österreichische Ansicht nicht vom Wortlaut der MWSt-RL gedeckt (siehe oben). Zudem entspreche die Auslegung der Behörde nicht dem Wortlaut des Art 25 öUStG (arg.: „der Unternehmer (Erwerber) hat keinen ... Sitz im Inland"). Siehe zB Rattinger in Achatz/Tumpel, Reihengeschäfte USt, S 64; Obermayr/Hofmann, taxlex 2015, 55; Kettisch, SWI 2015,17. Es sei bekannt, dass eine Reihe von EU-Ländern die Registrierung als unschädlich einstufen.
- Auch aus der Durchführungsverordnung zur MWStRL (DVO 282/2011) könne abgeleitet werden, dass der Begriff der Niederlassung nicht mit einer umsatzsteuerlichen Registrierung gleichlautend sei, da in Art 11 Abs. 3 festgehalten werde, dass „allein aus der Tatsache, dass eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt worden sei, nicht darauf geschlossen werden könne, dass ein Steuerpflichtiger eine feste Niederlassung habe".
Die Behörde argumentiere damit, dass aus dem Telos der Bestimmung (Vermeidung von Registrierungs- und Erklärungspflichten) ableitbar sei, dass im Fall einer Registrierung die Bestimmung nicht einschlägig sein könne. Dagegen sei einzuwenden, dass durch die Nichtaufnahme der Umsätze in die lokale Steuererklärung und idR durch die Vermeidung von temporären Umsatzsteuerbelastungen eine wesentliche Vereinfachung erreicht werden könne, die dem Ziel der Dreiecksregelung ebenfalls entspreche. Ein Widerspruch mit dem Telos der Bestimmung sei somit nicht erkennbar.
Es sei daher eine in Österreich vertretbare Rechtsansicht vorgelegen. Damit treffe die Bf. kein grobes Verschulden, da sie ihre Selbstberechnung auf eine vertretene Rechtsmeinung gestützt habe (vgl RAE 975, Ritz BAO - 5. Auflage, § 217, TZ 48).
Erst in 2014 - kurz vor der Offenlegung und nach langer Prüfung seitens der Behörde (offenbar aufgrund der Unklarheit der Rechtslage) – sei der Bf. die finale ungarische Auskunft erteilt worden, dass eine Behandlung als Dreiecksgeschäft bei umsatzsteuerlicher Registrierung in Ungarn nicht möglich wäre. Ab diesem Zeitpunkt sei die Behandlung in Ungarn sofort umgestellt und die Vergangenheit korrigiert worden. Der spätere Wechsel in Ungarn könne nicht als Verschulden der Bf. in Österreich ausgelegt werden.
Der ungarische Kunde der Bf. sei eine große Papierfabrik in Ungarn mit einer eigenen Rechnungswesen- und Steuerabteilung. Der Kunde sei in Kenntnis des gesamten Sachverhalts, insbesondere dass die Bf. 2009 in Ungarn registriert worden sei, gewesen. Die umsatzsteuerliche Behandlung als Dreiecksgeschäft (trotz Registrierung der Bf. in Ungarn aus anderen Gründen) sei auch vom ungarischen Kunden aus im Einklang mit den ungarischen Vorschriften gesehen worden. Das bedeute, auch ein dem ungarischen Steuerrecht kundiger Unternehmer habe diese Behandlung als unproblematisch gesehen (vgl Ritz zu Einholung einer Rechtsauskunft, Ritz, BAO, § 217, RZ 48). Erst durch die spätere abweichende Ansicht der Behörde habe eine Umstellung erfolgen müssen.
Erst kürzlich sei vom BMF ein Erlass veröffentlicht worden, dass eine umsatzsteuerliche Registrierung des österreichischen Erwerbers (neben Österreich) auch im Abgangsmitgliedstaat unschädlich ist (BMF- 010219/0096-VI/4/2015), was bisher anders gesehen worden sei (SWK 35/2015, 1485). Auch hier zeige sich, dass eine umsatzsteuerliche Registrierung in einem anderen Staat nicht per se schädlich sein könne und die Entwicklung sich im Fluss befinde.
Selbst wenn eine Behandlung als Dreiecksgeschäft nicht möglich sei, sei zu beachten, dass die Bf. ein voll vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer sei. In der Vergangenheit sei ein Vorsteuerabzug aus einem fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb gegeben gewesen. Auch Österreich habe einen Vorsteuerabzug zugestanden und erst später die Ansicht verschärft (UStR 3777); dh es wäre der Vorsteuerabzug gleich in 2011, 2012 und 2013 zugestanden und damit hätte sich keine Zahllast und Korrektur erst in der UVA Mai 2014 ergeben.
Die Änderung der Behördenauslegung könne dem Abgabenpflichtigen nicht als grobes Verschulden angelastet werden, umso mehr als sich erst durch das Zusammenspiel mehrerer Änderungen über einen langen Zeitraum eine (temporäre) USt-Mehrbelastung ergebe (Registrierung 2009; Änderung der UStR 3777 ab 2011 iZm Vorsteuerabzug; ungarische Rechtsansicht 2014).
Im Rahmen der auf Antrag der Bf. anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Senat des Bundesfinanzgerichtes brachte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung ergänzend vor, die zugrundeliegenden Dreiecksgeschäfte wären in selber Art und Weise bereits seit dem Jahre 2004 durchgeführt bzw. abgewickelt worden und das Unternehmen habe sich schon zum damaligen Zeitpunkt mit der Vereinfachungsbestimmung für Dreiecksgeschäfte intensiv auseinandergesetzt und die Anwendbarkeit dieser Regel für gegeben erachtet.
Im Jahr 2009 sei die steuerliche Registrierung der Bf. in Ungarn erfolgt und man habe sich im Unternehmen (Leitung des Rechnungswesens) noch einmal damit auseinandergesetzt, ob auf Basis des Art 140 der MWStRL eine Registrierung der Bf. in Ungarn für die Anwendbarkeit dieser Vereinfachungsregel hinderlich sein könnte. Aufgrund des klaren Wortlautes des Art 140 der MWStRL sei man zum Ergebnis gekommen, dass zwar eine Niederlassung, sprich Betriebsstätte der Bf. in Ungarn schädlich wäre, nicht jedoch eine steuerliche Erfassung. Eine weitere Erkundigung bei der steuerlichen Vertretung habe man aufgrund des klaren Wortlautes der Richtlinie nicht für erforderlich erachtet. Auszuführen sei, dass diese Rechtsansicht durchaus von verschiedenen EU-Staaten, insbesondere von Deutschland, gleich vertreten werde.
Die österreichische Finanzverwaltung interpretiere diese Richtlinienbestimmung aufgrund des Sinn und Zweckes der Vereinfachungsbestimmung abweichend, wobei es durchaus auch in Österreich abweichende Literaturmeinungen gebe (Verweis auf Beschwerdevorbringen).
Ein grobes Verschulden der Bf. werde daher entschieden in Abrede gestellt, weil diese aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt hat.
Die Auskunft der ungarischen Steuerverwaltung sei aus pragmatischen bzw. ökonomischen Erwägungen nicht bekämpft worden.
Anlass für das Auskunftsersuchen der Bf. an die ungarische Steuerverwaltung sei ein von der steuerlichen Vertretung durchgeführter Umsatzsteuer-Workshops ca. zu Beginn des Jahres 2014 gewesen. Im Rahmen dieses Workshops sei auch vorgetragen worden, dass in manchen Mitgliedsstaaten die steuerliche Registrierung des Mittleren in der Kette im Bestimmungsmitgliedstaat der Waren als schädlich erachtet werde. Obwohl die steuerliche Vertretung damals noch die Rechtsansicht der Bf. für unbedenklich erachtet habe, sei die Auskunft der ungarischen Steuerverwaltung in der Folge überraschend abweichend zur bisherigen Vorgangsweise gekommen. Daraufhin wären durch die Bf. aus Eigeninitiative berichtigte Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2011 bis 2013 abgegeben worden,welche zu den gegenständlichen Säumniszuschlägen geführt hätten.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Gemäß Art 3 Abs. 8 UStG wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß.
Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass die Umsatzsteuervorauszahlungen der Jahre 2011-2013 in der den gegenständlichen Säumniszuschlägen zugrundegelegten Höhe nicht zeitgerecht entrichtet und daher die gegenständlichen Säumniszuschläge dem Grunde nach zu Recht verhängt wurden.
Zwischen den Streitparteien herrscht Uneinigkeit darüber, ob die Bf. an der Säumnis ein grobes Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO trifft, das der beantragten Abschreibung (Festsetzung der Säumniszuschläge mit € 0,00) entgegenstehen würde.
Das Bundesfinanzgericht geht dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Die Bf., ein österreichisches Unternehmen ohne Niederlassung - jedoch mit steuerlicher Registrierung - in Ungarn hat in den streitgegenständlichen Jahren 2011-2013 (wie auch in Vorjahren) von verschiedenen Unternehmen unter Verwendung ihrer österreichischen UID-Nr. Altpapier im übrigen Gemeinschaftsgebiet erworben und dieses in der Folge weiter an Konzerngesellschaften mit Sitz in Ungarn verkauft, wobei die Lieferanten des Altpapiers angewiesen wurden, die Ware direkt an die Abnehmer der Bf. nach Ungarn zu versenden.
Die Bf. ist dabei (nach ihrem Vorbringen seit jeher) vom Vorliegen der Vereinfachungsbestimmung des Dreiecksgeschäftes ausgegangen, und zwar dass ihr innergemeinschaftlicher Erwerb in Ungarn steuerfrei gestellt sei und die Steuerschuld für ihre Inlandslieferung in Ungarn auf die ungarischen Abnehmer übergehen würde.
Aufgrund einer im Jahr 2014 eingeholten Auskunft der ungarischen Behörde ist nach ungarischem Recht die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte wegen der (aus anderen Gründen im Jahr 2009) in Ungarn erfolgten steuerlichen Registrierung der Bf. nicht anwendbar.
Die Bf. hat daher in Anwendung der Reihengeschäftsregel (innergemeinschaftlicher Erwerb mit Vorsteuerabzug und anschließende steuerpflichtige Inlandslieferung) im Mai 2014 diese Lieferungen für 2011-2013 gegenüber der ungarischen Steuerverwaltung korrigiert. Aufgrund der Verwendung der österreichischen UID-Nr. hat die Bf. gemäß Art. 3 Abs. 8 Binnenmarktregelung einen zusätzlichen (fiktiven) innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich verwirklicht, für den kein Vorsteuerabzug zusteht (UStR 3777, basierend auf und Rs C-539/08, X und Facet BV/Facet Trading BV).
In den Umsatzsteuererklärungen 2011, 2012 und 2013 mussten daher seitens der Bf. in Befolgung der Rechtsansicht der ungarischen Behörde Zahllasten ausgewiesen werden, die die hier in Rede stehenden Säumniszuschläge auslösten, die aber dann in der Umsatzsteuervoranmeldung Mai 2014 in selber Höhe wieder berichtigt wurden, da zu diesem Zeitpunkt die Besteuerung in Ungarn nachgewiesen werden konnte (Art. 3 Abs. 8 letzter Satz UStG - BMR).
Die zentrale Frage des gegenständlichen Falles liegt darin, ob die Bf. in den Jahren 2011-2013 grob fahrlässig gehandelt hat, wenn sie bei der umsatzsteuerlichen Behandlung dieser Altpapierlieferungen nach/in Ungarn von der Anwendbarkeit der Vereinfachungsbestimmung für Dreiecksgeschäfte ausgegangen ist und sie deshalb ein grobes Verschulden an der verspäteten Entrichtung Umsatzvorauszahlungen der Jahre 2011-2013 (die nach der Rechtsmeinung der Bf. in den Umsatzsteuerjahreserklärungen dieser Jahre nicht offen zu legen waren) trifft.
Grobes Verschulden liegt vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren ist. Von leichter Fahrlässigkeit ist auszugehen, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt.
Grobes Verschulden fehlt daher, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt.
Bei Selbstbemessungsabgaben ist in der Regel grobes Verschulden dann auszuschließen, wenn der Fehlberechnung eine vertretbare Rechtsansicht zu Grunde gelegt wurde. Selbst bei Zugrundelegung einer unvertretbaren Rechtsansicht ist die Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit schädlich (Ritz, BAO5, § 217 Tz 48).
Die Bf. wendet zum Nichtvorliegen eines groben Verschuldens ein, sie habe sich bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der hier zugrunde liegenden Altpapierlieferung als Dreiecksgeschäft in Ungarn auf Art 141 der EU-MWStRL gestützt. Diese sehe - neben den anderen Voraussetzungen, die unstrittig erfüllt seien - in lit. a vor, dass der Erwerber (= Bf.) nicht in diesem Mitgliedsstaat (vorliegend: Ungarn) niedergelassen sei.
Art 141 der EU-MWStRL lautet wie folgt:
Jeder Mitgliedstaat trifft besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Artikel 40 als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) der Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht in diesem Mitgliedstaat niedergelassen ist, aber in einem anderen Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;
b) der Erwerb von Gegenständen erfolgt für die Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände durch den unter Buchstabe a genannten Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat;
c) die auf diese Weise von dem Steuerpflichtigen im Sinne von Buchstabe a erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, unmittelbar an die Person versandt oder befördert, an die er die anschließende Lieferung bewirkt;
d) Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem betreffenden Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;
e) der Empfänger der Lieferung im Sinne des Buchstaben d ist gemäß Artikel 197 als Schuldner der Steuer für die Lieferung bestimmt worden, die von dem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Steuer geschuldet wird.
Der erkennende Senat des Bundesfinanzgerichtes stimmt dem Beschwerdeargument der Bf. zu, dass ihre bis zum Einlangen der ungarischen Behörde vertretene Rechtsansicht, die Anwendung der Vereinfachungsregelung des Dreiecksgeschäftes sei für sie (als mittlerer Unternehmer in der Kette) für die zugrundeliegenden Altpapierlieferungen trotz steuerlicher Registrierung in Ungarn möglich, eine vertretbare und dem Art. 141 der EU-MWStRL nicht widersprechende Rechtsansicht gewesen ist. Dies deswegen, weil Art. 141 der EU-MWStRL in der lit. a eindeutig auf das Nichtvorliegen einer festen Niederlassung und nicht auf eine steuerliche Registrierung im Bestimmungsmitgliedstaat der Ware abstellt. Nach dem glaubhaften und unwiderlegten Vorbringen der Bf. hatte sie in den hier relevanten Jahren 2011-2013 keine feste Niederlassung in Ungarn, weswegen die Ausführungen der Abgabenbehörde in der Beschwerdvorentscheidung, bereits aus der vorhandenen steuerlichen Registrierung im Bestimmungsland (Ungarn) sei dort von einem Sitz der Bf. auszugehen, vom Bundesfinanzgericht nicht geteilt werden können, zumal (wie die Bf. zutreffend vorbringt) aus einer steuerlichen Registrierung und der Erteilung einer ungarischen Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer nicht darauf geschlossen werden kann, dass die Bf. in Ungarn eine feste Niederlassung hat.
Das Bundesfinanzgericht ist daher zum Ergebnis gelangt, dass die Bf. im gegenständlichen Fall an der Unrichtigkeit der Selbstberechung und in der Folge an der (teilweisen) Säumnis bei der Abfuhr der Umsatzsteuervorauszahlungen 2011-2013 kein grobes Verschulden trifft und ihre umsatzsteuerliche Behandlung dieser Dreiecksgeschäfte jedenfalls auf einer vertretbaren, wenn auch nicht der Ansicht der ungarischen Steuerverwaltung entsprechenden Rechtsansicht beruhte. Dabei darf im gegenständlichen Fall auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich dabei um eine komplexe rechtliche Problematik handelt, die auch unter Steuerexperten und von den jeweiligen nationalen Steuerverwaltungen nicht einheitlich beurteilt wird.
Auch kann im gegenständlichen Fall bei der Verschuldensbeurteilung nicht ganz außer Betracht bleiben, dass Empfänger der Lieferungen der Bf. jeweils ein ungarisches Unternehmen mit im ungarischen Steuerrecht kundigen Mitarbeitern (laut Beschwerdevorbringen mit eigener Steuerabteilung) war, das die Rechnungen der Bf. (ohne ungarische Umsatzsteuer) so akzeptiert hat und offenkundig gemäß der Dreieckgeschäftsregel auch den Steuerschuldübergang erklärt hat.
Für eine auffallende Sorglosigkeit der Bf. und die Annahme einer auffälligen Sorglosigkeit bieten daher die Verfahrensergebnisse keinerlei Anhaltspunkte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.
Das gegenständliche Erkenntnis weicht nicht von der Rechtsprechung des VwGH ab und hatte auch die Klärungen von Sachverhaltsfragen im Einzelfall (Verschuldensbeurteilung im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO) und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7105622.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at