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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 01.07.2016, RV/7102338/2015

Sofortiger Vorsteuerabzug iZm Herstellungskosten bei Liegenschaften: Beweis bzw. Glaubhaftmachung der Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen umsatzsteuerpflichtigen Vermietung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102338/2015-RS1
Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die ab (BGBl I 22/2012) normierte Einschränkung der Optionsmöglichkeit: "Der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 und Z 17 ist nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat diese Voraussetzung nachzuweisen."
Folgerechtssätze
RV/7102338/2015-RS1
wie RV/2100790/2012-RS1
Für den Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes 1994 erfordert die Abziehbarkeit von Vorsteuern im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Vermietungstätigkeit noch vor deren Beginn damit ein Vorbringen des Steuerpflichtigen, mit welchem er Sachverhalte darlegt, bei deren Würdigung am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung wahrscheinlicher als der Fall einer steuerbefreiten Vermietung oder der Fall des Unterbleibens einer Vermietung ist (). Dasselbe gilt auch für die Abziehbarkeit von Vorsteuern im Zusammenhang mit einer beabsichtigten umsatzsteuerpflichtigen Grundstücksveräußerung.
RV/7102338/2015-RS2
wie RV/2100790/2012-RS2
In zeitlicher Hinsicht muss die Absicht der (zukünftigen) steuerpflichtigen Vermietung oder steuerpflichtigen Veräußerung des Grundstückes für den Veranlagungszeitraum der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges erweislich sein. Absichten oder Handlungen in späteren Veranlagungszeiträumen bleiben - abgesehen von einer möglichen Indizwirkung - für den Veranlagungszeitraum der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges ohne Belang.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. vertreten durch Appellator Steuerberatungs GmbH, Schenkenstraße 4/6. Stock, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für den Monat April 2014, vertreten durch Mag. Regina Osojnik, in Beisein der Schriftführerin FOI Ingrid Pavlik, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Berechnung:

Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen:

1.505,32 € x 20% = 301,06 €

Vorsteuern bisher 276,40 € zuzüglich 129.000 € = 129.276,40 €

Gutschrift daher 128.975,34 €.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bei der beschwerdeführenden Bf. fand eine die Umsatzsteuer für den Monat April 2014 umfassende Außenprüfung statt. Dem darüber gemäß § 150 BAO erstellten Bericht ist Folgendes zu entnehmen:

"Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 6 Abs. 1 Z 16 iVm § 6 Abs. 2 UStG 1994

Das geprüfte Unternehmen ... hat mit Kaufvertrag vom das ehemalige "Kaufhaus E." in A. gekauft.

Das Gebäude soll laut Auskunft der steuerlichen Vertretung nach erfolgter Großsanierung Mitte/Ende 2015 an diverse Handelsunternehmen und Dienstleister steuerpflichtig vermietet werden.

Bis dato gibt es 20%-ige Mieterlöse aus der Vermietung eines einzigen Geschäftslokales an die X- AG sowie von 27 Garagenplätzen. Die restlichen Flächen (ca. 5.500 m²) werden derzeit umgebaut und saniert.

Folgende Vorsteuerbeträge wurden in der UVA für April 2014 geltend gemacht:...

(Nettobetrag insgesamt 645.000,00 €, Vorsteuern 129.000,00 €).

Für die Berücksichtigung von Vorsteuern reicht die bloße Erklärung, ein zu sanierendes Geschäftsgebäude künftig vermieten zu wollen, nicht aus. Vielmehr muss die Absicht der zukünftigen Vermietung in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden haben. Diese Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelt. Auch nach dem EuGH hat die Abgabenverwaltung objektive Nachweise für die erklärte Vermietungsabsicht zu verlangen.

Nach dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 wurde bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken die Möglichkeit, nach § 6 Abs. 2 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z. 16 UStG zu verzichten, insoweit eingeschränkt, als der Vermieter/Verpächter davon nur Gebrauch machen kann, "soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen". Dementsprechend hat der Vermieter Nachweise (siehe RZ 900 UStR) zu führen, wie zB verbindliche Vorverträge, konkrete Verhandlungen bzw. Vereinbarungen samt Absicht steuerpflichtige Einnahmen zu erzielen, Betrauung der Mietersuche an eine Immobilientreuhandgesellschaft samt Absichtserklärung über die Steuerpflicht zu führen, sodass der Mieter - wie im konkreten Fall für die Anmietung von Büros und Geschäftsräumlichkeiten - die gesetzlichen Voraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt. Die Neuregelung ist auf Miet- und Pachtverhältnisse anzuwenden, die nach dem beginnen. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern die faktische Begründung des Miet- bzw. Pachtverhältnisses‚ somit die tatsächliche Innutzungsnahme des Gebäude(-teils).
Nachdem im konkreten Fall keine über die Absichtserklärung hinausgehenden konkreten Handlungen gesetzt wurden, der Betriebsprüfung keine bindenden Miet- bzw. Vorverträge und andere, konkrete Nachweise zum gegenwärtigen Stadium vorlagen, konnte die geltend gemachte Vorsteuer iHv EUR 129.000,00 im Voranmeldungszeitraum April 2014 nicht gewährt werden.
Ausdrücklich hinzugefügt wird jedoch, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen - 1.) die
Räumlichkeiten werden vermietet und 2.) die Mieter tätigen tatsächlich keine unecht steuerfreien Umsätze - die Vorsteuern zum maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zu gewähren sind."

Die steuerliche Vertreterin brachte in der dagegen gerichteten Beschwerde Folgendes vor:

"Wie bereits in der Stellungnahme zur USO-Prüfung 04/2014, die bei der Schlussbesprechung vom persönlich übergeben wurde, sowie im Schreiben mit ergänzenden Beweismitteln vom erläutert (siehe Anlage 1+2), sind wir der Rechtsansicht, dass gem. § 6 Abs. 2 UStG ausgelegt durch die UStR 2000, RZ 900 unserer Klientin, ... , bereits laufend, vor der tatsächlichen Ausübung der Umsatzsteueroption gem. § 6 Abs. 2 UStG, der Vorsteuerabzug zusteht."

Die Stellungnahme lautet wie folgt:

"Die Bf. ist mit Übergabetermin lt. Kaufvertrag vom Eigentümerin von 61.950 Anteilen (von insgesamt 137.665) des „E. A.", Liegenschaft Y. Zu diesem Liegenschaftsanteil gehört Geschäftslokalfläche, welche sich vom Erdgeschoß bis ins 2. Obergeschoß erstreckt, sowie Garagenplätze, und befindet sich in einem Kaufhaus. Auf Grund der langen Leerstehung konnte die Geschäftslokalfläche nicht bei Kauf vermietet werden, sondern wird im Vorfeld eine Großsanierung vorgenommen. Dieses Umbauprojekt des E.-Kaufhauses in A. dient der Aufwertung der A-er Stadteinfahrt und soll die Kaufkraft in A. verstärken. Gedacht ist ein Mix aus Geschäftsbüros, Dienstleistern und Fachhandelsunternehmen.

Da die geplanten Mieter alle Unternehmer mit Umsatzsteuerpflicht sind, ist kalkuliert, dass von der Umsatzsteueroption gem. § 6 Abs. 2 UStG iVm § 6 Abs. 1 Z 16 UStG Gebrauch gemacht wird (siehe Anlage 1). In Hinblick auf diese umsatzsteuerpflichtige Vermietung wird im Zuge der Umbauarbeiten bereits die dafür anfallende Vorsteuer in Abzug gebracht. Dies ist gem. UStR 2000, RZ 900 zulässig, wenn nach außen hin dargelegt und klar bestimmt werden kann, dass bei Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze im Zeitpunkt des Bezuges der Vorleistung die Wahrscheinlichkeit einer steuerpflichtigen Behandlung mit größerer Sicherheit anzunehmen war, als der Fall einer steuerfreien Behandlung.

Es wird nicht erst auf den Voranmeldungs- (Veranlagungs-)Zeitraum des tatsächlichen Erzielens eines Vermietungsumsatzes abgestellt. Die Darlegung kann nicht nur durch Vorvereinbarungen sondern auch durch andere Umstände erfolgen. Geplant ist die Fertigstellung der Umbauarbeiten bis Mitte/Ende 2015. Auf Grund dieser langem Zeitspanne sind im Moment noch keine Vorverträge bzw. Mietverträge geschlossen, sondern erst erste Gespräche und Verhandlungen mit potenziellen Mietern geführt worden. Es ist unseres Erachtens unzulässig, den Vorsteuerabzug von der Vorlage von Dokumenten abhängig zu machen, die der Natur der Sache nach noch gar nicht existieren können.

Nach allgemeinem Erfahrungsgut kann u.E. davon ausgegangen werden, dass in einem Kaufhaus mit Geschäftslokalen (normalen Handelsbetrieben) und Büros umsatzsteuerpflichtige Unternehmen als Bestandnehmer auftreten. Weiters wurde in der Projektkalkulation, welche gemeinsam mit der Bank für die Beurteilung der Finanzierung ausgearbeitet wurde, von einer Vermietung ausgegangen, in der zu 100% auf Umsatzsteuer optiert wird. Die bereits vermietete Fläche ist, wie Sie der Zinsliste entnehmen können (siehe Anlage 2), umsatzsteuerpflichtig vermietet. Alle Parameter deuten auf eine zweifelsfrei umsatzsteuerpflichtige Vermietung nach dem Umbau hin.

Wenn somit von Beginn der Investitionstätigkeit an die folgende steuerpflichtige Vermietung aufgrund der Räumlichkeiten mit ziemlicher Sicherheit feststeht, steht dem Unternehmer auch der sofortige Vorsteuerabzug zu (, entnommen aus Bürgler, Spezialfragen zur Umsatzsteuer, Haunhold/Kovar/Schuch/Wahrlich, Immobilienbesteuerung 3. Auflage Wien 2013).

Aus diesem Grund, es steht aufgrund des Sachverhaltes bereits jetzt fest, dass mit Umsatzsteuer vermietet wird, steht unserer Klientin, der Bf., bereits laufend, vor der tatsächlichen Ausübung der Umsatzsteueroption gem. § 6 Abs. 2 UStG, der Vorsteuerabzug zu.

Wir ersuchen Sie daher um Anerkennung des Vorsteuerabzuges."

Einem weiteren Schreiben (vom ) ist ferner Folgendes zu entnehmen:

"Bezugnehmend auf die Schlussbesprechung vom im Zusammenhang mit der USO-Prüfung für den Zeitraum 04/2014 möchten wir schriftlich festhalten, dass wir Ihnen ergänzende Beweismittel für eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung der Liegenschaft ... angeboten haben und Sie dies abgelehnt haben, da Ihrer Ansicht nach nur Vorverträge ein ausreichendes Beweismittel für eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung darstellen, obwohl in den UStR 2000, RZ 900 steht 'wenn er darlegen kann (zB durch entsprechende Vorvereinbarungen mit zukünftigen Mietern oder anhand anderer über eine bloße Absichtserklärung hinausgehende Umstände), dass im Zeitpunkt des Bezuges der Vorleistung die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung mit größerer Sicherheit anzunehmen war.'

Da wir aus diesem Grund Ihre Rechtsansicht nicht teilen, möchten wir Ihnen namens und auftrags unserer oben rubrizierten Klientin die uns ergänzenden Beweismittel für eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung übermitteln. Wie bereits besprochen, handelt es sich bei der Liegenschaft Y um ein Kaufhaus. Zu diesem Liegenschaftsanteil gehört Geschäftslokalfläche, welche sich vom Erdgeschoß bis ins 2. Obergeschoß erstreckt, sowie Garagenplätze. Anbei übermitteln wir Ihnen eine Aufstellung mit der Flächenübersicht pro Top sowie dem geplanten Mieter. Die Gesamtfläche soll an zwei Großmieter mit Umsatzsteuer vermietet werden, wie Sie den beigelegten Angeboten entnehmen können (Anlage 2+3). C. wird ein Restaurant und hat als solches umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Die D. ist im Bereich der Unternehmensberatung, Coaching und Erwachsenenbildung (zB. ECDL-Führerschein) tätig und erzielt nach Auskunft des Vermittlers umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Dies ist auch daran zu erkennen, dass dieses Unternehmen eine UID-Nummer hat.

Aus diesem Grund steht bereits jetzt mit großer Sicherheit fest, dass mit Umsatzsteuer vermietet wird und unserer Klientin, ... , steht bereits laufend, vor der tatsächlichen Ausübung der Umsatzsteueroption gem. § 6 Abs. 2 UStG, der Vorsteuerabzug zu.

Wir ersuchen Sie daher um Anerkennung des Vorsteuerabzuges."

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:

"Das Unternehmen Bf. hat mit dem Kaufvertrag vom das ehemalige „Kaufhaus E.“ in A. gekauft, mit der Absicht diese nach einer umfassenden Sanierung als Geschäftslokale und Büros an umsatzsteuerpflichtige Unternehmen weiterzuvermieten. Grundstücksumsätze sind grundsätzlich gem. § 6 Abs 1 Z 9 lit a UStG 1994 ebenso wie Vermietungsumsätze gem. § 6 Abs 1 Z 16 UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit.

Nach § 6 Abs 2 UStG 1994 kann ein Unternehmer einen Umsatz, der nach § 6 Abs 1 Z 16 UStG 1994 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln. Bei dieser Option zur Steuerpflicht kommt der Normalsteuersalz zur Anwendung. Voraussetzung dafür ist gem. § 6 Abs 2 UStG 1994, dass der Mieter diesen Grundstücksteil nahezu ausschließlich (d.h. zu mindestens 95%) für Umsätze verwendet, die dessen Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht ausschließen, wobei dies für jeden Grundstücksteil gesondert zu prüfen ist (vergl. UStR, RZ 899a ff). Beabsichtigt der Vermieter im Hinblick auf eine von ihm vorzunehmende Option bereits vor der Ausführung des Umsatzes den Vorsteuerabzug in Anspruch zu nehmen, ist dies nur dann möglich, wenn er darlegen kann, dass im Zeitpunkt des Bezuges der Vorleistung die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung mit größerer Sicherheit anzunehmen war als der Fall einer steuerbefreiten Vermietung oder der Fall des Unterbleibens einer Vermietung (vergl. UStR, RZ 900 ff). Bei der Nutzungsüberlassung von Grundstücken ist die Vermietungsabsicht und damit die Inanspruchnahme der Steuerpflicht somit durch entsprechende Nachweise wie durch Vorvereinbarungen mit zukünftigen Mietern oder anhand anderer über eine bloße Absichtserklärung hinausgehender Umstände, zu belegen. Eine bloße Interessensbekundung wie im gegenständlichen Fall reicht hierfür nicht aus.

Da die Option zur Umsatzsteuer gem. § 6 Abs. 2 UStG 1994 nur unter der Voraussetzung ausgeübt werden kann, dass der Mieter diesen Grundstücksteil zu mindestens zu 95% für Umsätze verwendet, die seine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht ausschließen, kann für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum mangels feststehender Mieter, nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für die Option zur Umsatzsteuer erfüllt sind. Da im Zeitpunkt der Vorleistungen ein Mieter nicht feststeht und die Möglichkeit gegeben ist, dass ein zukünftiger Mieter den Gebäudeteil für Umsätze verwendet, die zum Vorsteuerausschluss führen (Bank, Versicherung, Kleinunternehmer, Arzt, Versicherungsvertreter etc.) und damit die Option zur Umsatzsteuer gem. § 6 Abs. 2 UStG 1994 ausgeschlossen wäre, ist für den Zeitraum 04/2014 ein Vorsteuerabzug nicht möglich.

Stellt sich jedoch in einem späteren Zeitpunkt heraus, dass der zukünftige Umsatz anders zu beurteilen ist, so ist der Vorsteuerabzug für eine Leistung dieses Veranlagungszeitraumes nach der neuen Beurteilung zu gewähren. Hinsichtlich des bis dahin unterbliebenen Vorsteuerabzuges tritt bereits zu diesem Zeitpunkt der nach außen hin erkennbaren, klar bestimmten und verbindlichen Absichtsänderung eine Änderung der Verhältnisse iSd des § 12 Abs 11 UStG 1994 ein ().
Die zwei im Rahmen der Beschwerde eingebrachten Mietanbote und Mietverträge (datiert mit Jänner sowie März 2015) führen zu keiner anderslautenden Entscheidung, da diese mit dem Beginn der Planungs- und der ersten Umbauarbeiten nicht vorlagen."

Der dagegen eingebrachte Vorlageantrag ist wie folgt begründet:

"Die Bf. ist mit Übergabetermin lt. Kaufvertrag vom Eigentümerin von 61.950 Anteilen (von insgesamt 137.665) des "E. A.", Liegenschaft Y. Zu diesem Liegenschaftsanteil gehört Geschäftslokalfläche, welche sich vom Erdgeschoß bis ins 2. Obergeschoß erstreckt, sowie Garagenplätze, und befindet sich in einem Kaufhaus. Auf Grund der langen Leerstehung konnte die Geschäftslokalfläche nicht bei Kauf vermietet werden, sondern wird im Vorfeld eine Großsanierung vorgenommen. Dieses Umbauprojekt des E.-Kaufhauses in A. dient der Aufwertung der A-er Stadteinfahrt und soll die Kaufkraft in A. verstärken. Gedacht ist ein Mix aus Geschäftsbüros, Dienstleistern und Fachhandelsunternehmen.

Da die geplanten Mieter alle Unternehmer mit Umsatzsteuerpflicht sind, ist kalkuliert, dass von der Umsatzsteueroption gem. § 6 Abs. 2 UStG iVm § 6 Abs. 1 Z 16 UStG zur Gänze Gebrauch gemacht wird. In Hinblick auf diese umsatzsteuerpflichtige Vermietung wird im Zuge der Umbauarbeiten bereits die dafür anfallende Vorsteuer in Abzug gebracht. Dies ist gem. UStR 2000, RZ 900 zulässig, wenn nach außen hin dargelegt und klar bestimmt werden kann, dass bei Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze im Zeitpunkt des Bezuges der Vorleistung die Wahrscheinlichkeit einer steuerpflichtigen Behandlung mit größerer Sicherheit anzunehmen war, als der Fall einer steuerfreien Behandlung.

Es wird nicht erst auf den Voranmeldungs- (Veranlagungs-)Zeitraum des tatsächlichen Erzielens eines Vermietungsumsatzes abgestellt. Die Darlegung kann nicht nur durch Vorvereinbarungen sondern auch durch andere Umstände erfolgen. Geplant ist die Fertigstellung der Umbauarbeiten bis Ende 2015.

Nach allgemeinem Erfahrungsgut kann u.E. davon ausgegangen werden, dass in einem Kaufhaus mit Geschäftslokalen (normalen Handelsbetrieben) und Büros umsatzsteuerpflichtige Unternehmen als Bestandnehmer auftreten. Weiters wurde in der Projektkalkulation, welche gemeinsam mit der Bank für die Beurteilung der Finanzierung ausgearbeitet wurde, von einer Vermietung ausgegangen, in der zu 100% auf Umsatzsteuer optiert wird. Die bereits im April 2014 vermietete Fläche ist umsatzsteuerpflichtig vermietet.

Alle Parameter deuten auf eine zweifelsfrei umsatzsteuerpflichtige Vermietung nach dem Umbau hin.

Wenn somit von Beginn der Investitionstätigkeit an die folgende steuerpflichtige Vermietung aufgrund der Räumlichkeiten mit ziemlicher Sicherheit feststeht, steht dem Unternehmer auch der sofortige Vorsteuerabzug zu ( entnommen aus Bürgler, Spezialfragen zur Umsatzsteuer, Haunhold/Kovar/Schuch/Wabrlich, Immobilienbesteuerung 3. Auflage Wien 2013).

Im Rahmen des Verfahrens wurden im Jänner und März 2015 die bereits abgeschlossenen Mietverträge vom und vom , welche unter Ausübung der Umsatzsteueroption gem. § 6 Abs. 2 UStG abgeschlossen wurden, dem Finanzamt übermittelt.

Diese Dokumente bestätigen die Aussage, dass von Anfang an geplant war, die Geschäftsflächen mit Umsatzsteuer zu vermieten. Daher steht bzw. stand unserer Klientin, der KRG RS 2 GmbH 8c Co KG, bereits laufend, vor der tatsächlichen Ausübung der Umsatzsteueroption gem. § 6 Abs. 2 UStG, der Vorsteuerabzug zu.

Wir ersuchen Sie daher um Anerkennung des Vorsteuerabzuges ab April 2014."

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde Folgendes vorgebracht:

"Mag. Fritsch legt bei der heutigen mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz vor, aus dem sich der Sachverhalt sowie die rechtliche Ansicht der Beschwerdeführerin ergibt. Er händigt ein Exemplar auch der Vertreterin der Amtspartei aus.

Dieser Schriftsatz wird zum Akt genommen.

Amtsvertreterin:

Betreffend die Ausführungen des steuerlichen Vertreters zu § 295a BAO verweise ich auf die hier anwendbare Bestimmung des § 12 Abs 11 UStG, die als Spezialbestimmung meiner Ansicht nach dieser Regelung der BAO vorgeht.

Was die materielle Seite der Beschwerde betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass durch das 1. Stabilitätsgesetz mit Wirkung eine massive Änderung der Rechtslage eingetreten ist. War es früher so, dass der Unternehmer relativ frei entscheiden konnte, ob er die Option gemäß § 6 Abs. 2 beansprucht, ist nunmehr weitere Voraussetzung hierfür, dass der Mieter selbst weitaus überwiegend Umsätze ausführt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Aus diesem Grund ist meiner Ansicht nach die bisherige Judikatur des VwGH zur Wahrscheinlichkeit der steuerpflichtigen Vermietung nur sehr bedingt anwendbar, da nunmehr der Unternehmer daran gebunden ist, dass der Mieter diese Voraussetzungen erfüllt.

Wenn weiters der steuerliche Vertreter ausgeführt hat, dass bereits einmal ein Arzt als Mieter abgelehnt worden ist, so möchte ich darauf hinweisen, dass in der Betriebsanlagengenehmigung sehr wohl die Rede war, dass auch ein Teil des Objektes als gemeinschaftliche Ärztepraxis vermietet werden sollte. Steht dem Vermieter diesfalls kein Vorsteuerabzug zu, so wird sich dieser Umstand darin niederschlagen, dass er eine höhere Miete vom Mieter verlangen wird, um den Vorsteuerverlust abzufangen.

Mag. Fritsch:

Rein wirtschaftlich wäre es zwar möglich, die Differenz aus dem Vorsteuerverlust in der Miete unterzubringen, allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dies aus Liquiditätsgründen de facto nicht möglich wäre. Die Bank weigert sich nämlich, auch die Umsatzsteuer mitzufinanzieren, weshalb geplant war und auch geplant ist, Vermietungen ausschließlich an Unternehmer vorzunehmen, die selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

Ich verweise nochmals darauf, dass es keinesfalls - auch dies im Streitzeitraum April 2014 - wahrscheinlich war, dass die Beschwerdeführerin Vermietungen an Unternehmer tätigt, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Ich möchte nochmals betonen, dass die Bank die Umsatzsteuerdifferenz nicht finanziert hätte, womit das Immobilienprojekt wohl zum Scheitern verurteilt gewesen wäre."

Das in der Verhandlung vorgelegte "Excerpt Äußerung in mündlicher Verhandlung am " lautet:

"1. Sachverhalt

  • Objekt war ursprünglich „Kaufhaus E.“ ...

  • Zivilrechtlich im Wohnungseigentum mit schwierigem WE-Vertrag

  • Eng formulierte Betriebsanlagengenehmigung räumt WE-Gemeinschaft starke Mitspracherechte ein

  • Funktionsträger B. in vielen Gesellschaften in geschäftlichem Kontakt mit Bank

  • vormaliger Eigentümer in Konkurs finanziert von Bank; diese kauft aus Versteigerung, weil kein ausreichender Bieter

  • Bank verkauft der Beschwerdeführerin und finanziert selbst weiter;

  • Eigentümergruppe zahlt ca. € 1,5 Mio Eigenmittelsurrogate ein

  • bei Finanzierung Absprache Bf. mit Bank, dass nur ustpflichtig vermietet wird und somit nur netto finanziert wird

    • Beweis 1: bereits vorgelegte Kalkulation für Bank

    • Beweis 2: Interner Kreditantrag Bank anlässlich späterer Beantragung USt-Finanzierung durch Bf.

  • diese baut um und will ursprünglich Rohflächen vermieten, damit die Mieter die Ausstattung mitbestimmen können

  • dieses Konzept stößt in A. auf wenig Gegenliebe

  • deshalb doch Komplettumbau, was aber massive Verzögerungen bedeutet

  • weiter Verzögerung durch USOP 4/2014, weil Vorsteuer logischerweise nicht mitfinanziert und dies enorme Liquiditätsprobleme bringt

  • Herbst 2015 Ablehnung der in Aussicht befindlichen Gastronomiemieter durch eine WE-Versammlung

  • Vermietung von ca. 2/3 der Fläche an Fitnesscenter und ustpflichtiges Wettbüro Beginn 2016 (1 Mietvertrag in Abschluss, 1 Angebot angenommen)

2. Gang des Verwaltungsverfahrens

  • USOP 4/2014: Feststellung Nichtabzugsfähigkeit Vorsteuer verbal ausdrücklich begründet

  • mit falscher Rechtsmeinung: „Wenn Sie tatsächlich mit USt vermieten, dann bekommen Sie die Vorsteuer; vorher nicht.“

  • Später laufend Stattgabe der Vorsteuerbeträge nach Offenlegung und Übermittlung weiterer Beweise

  • AP 2014 erachtet den Nachweis in 1/2016 als zu 100% erbracht, will aber sämtliche Vorsteuerbeträge seit Beginn bis 12/2015 feststellen (SZ!) und dann die Vorsteuer zu 100% in 1/2016 gewähren

3. Mehrwertsteuersystemrichtlinie

  • Art. 167: Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Ausführens der Vorleistung

  • Art. 176 (2): Stillstandsklausel: es dürfen nur diejenigen Vorsteuerausschlüsse beibehalten werden, die am bereits Rechtslage waren

4. Umsetzung Mehrwertsteuersystemrichtlinie durch UStG 1994: Auslegung
desselbigen durch die UStR 2000 Rz 900 basierend auf UFS und VWGH-Judikatur

  • wird als bekannt vorausgesetzt und nicht mehr wiederholt

5. Subsumption

  • Rechtsfrage, ob der Nachweis wirklich nur mit dem abgeschlossenen Mietvertrag geführt werden kann, ist durch VWGH abschließend beantwortet: NEIN.

  • Dies gilt auch in der Rechtslage ab 1. StabG 2012, weil der Vorsteuerabzug in Folge der Stillstandsklausel nicht eingeschränkt werden darf.

  • Normiert ein Staat derart strenge Nachweise, dass der Vorsteuerabzug wie hier de facto Jahre nach hinten geschoben wird, dann verstößt dies gegen Art. 163 und 176 MwStSyst-RL

  • Der Wille des Steuerzahlers, aus Wirtschaftlichkeits- und Liquiditätsgründen nur mit USt zu vermieten, muss anerkannt werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass er dies immer geplant hat und auch tatsächlich umsetzt.

  • Aktueller Vermietungsstand ca. 2/3, hievon alle mit USt

  • Aktuelle Angebote ohne USt alle nicht abgeschlossen

  • Prima Facie Beweis (typisierende Betrachtungsweise): Die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Kaufhaus an Geschäftsleute mit USt vermietet wird, ist objektiv wesentlich höher, als umgekehrt.

  • Wenn der tatsächlichen Vermietung im Jahr 2016 wirklich derart Bedeutung für den Vorsteuerabzug 4/2014 zukommt, dann muss die tatsächliche Vermietung mit USt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 295a BAO darstellen. Dies wird in eventu für die Vorsteuer 4/2014 beantragt.

  • Wird die Entscheidung zur UVA 4/2014 zeitlich erst nach tatsächlicher Vermietung mit USt getroffen (Entscheidung — Vermietung 1. Hälfte 2016), so ist in diesem Lichte und in diesem Ausmaß eine Verweigerung des Vorsteuerabzuges für 4/2014 u.E. jedenfalls unzulässig.

Beilagen:

1 Photo über künftigen Zustand
2 Plan über Lage in A.
3 Flächenübersicht m² auf Basis Einreichung (m² Stockwerke)
4 Plan Objekt (4 Seiten)
5 ursprüngliche Kreditkalkulation
6 interner Kreditantrag Bank auf Finanzierung der USt nach USOP
7 Ausdruck Literatur Rattinger in Melhart / Tumpel 2. Auflage"

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht nimmt es als erwiesen an, dass im Streitzeitraum die Absicht bestanden hat, den vollen Vorsteuerabzug zu lukrieren und daher das in Rede stehende Gebäude nur an Mieter zu vermieten, die das Mietobjekt nahezu ausschließlich für Umsätze verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Diese Annahme gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

Glaubwürdig ist insbesondere die zum Zwecke der Finanzierung vorgelegte Aufstellung, derzufolge die Umsatzsteuer in die Kalkulation nicht einbezogen war. Auch schon aufgrund der beträchtlichen Investitionssumme würde eine (teilweise) Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer bedeuten, dass es erst in einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Zeitraum möglich wäre, durch eine (auch keineswegs mit Gewissheit erzielbare) höhere Miete die Vorsteuerdifferenz auszugleichen.

Dem Umstand, dass bislang rund 2/3 der Nutzfläche tatsächlich an vorsteuerabzugsberechtigte Mieter vermietet wurde, kommt dabei Indizwirkung zu.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Dem Erkenntnis des , ist zu dem auch hier vorliegenden Problemkreis zu entnehmen:

"Nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind nach § 12 Abs. 3 UStG 1994 u.a. die Steuer für die Lieferungen und die Einfuhr von Gegenständen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, und die Steuer für sonstige Leistungen, soweit der Unternehmer diese sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch nimmt.

Maßgeblich für den Vorsteuerabzug sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Leistungsbezuges (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0237). Ein Vorsteuerabzug ist für einen einem Unternehmer gelieferten Gegenstand oder eine einem Unternehmer erbrachte Dienstleistung im Regelfall bereits zulässig, wenn die Ausführung eines Umsatzes erst beabsichtigt ist, und setzt nicht voraus, dass der Unternehmer damit einen Umsatz bereits ausgeführt hat oder ausführt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0070, mwN). Der Zusammenhang mit zukünftigen Umsätzen genügt, und zwar auch dann, wenn es zur Ausführung der Umsätze in der Folge nicht kommt (vergebliche Vorbereitungshandlungen, "erfolgloser Unternehmer"; vgl. Ruppe, UStG³, § 12 Tz 82, mit Hinweis auf das , "INZO", Slg. I-857; zum Vorsteuerabzug bei "verlorenem Aufwand" oder Fehlinvestitionen vgl. weiters z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2000/13/0041, VwSlg. 7986/F, und vom , 2006/15/0020).

Ändern sich bei einem Gegenstand nachträglich die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse, sind nach § 12 Abs. 10 bis 12 UStG 1994 entsprechende Korrekturmaßnahmen vorzunehmen.

Nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 sind die Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 von der Umsatzsteuer befreit.

Nach § 6 Abs. 2 erster Satz UStG 1994 kann der Unternehmer u.a. einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a, Z 16 oder Z 17 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln.

Mit (rückwirkender) Wirksamkeit ab den Veranlagungszeiträumen, die im Kalenderjahr 1998 enden, wurde im § 6 Abs. 2 UStG 1994 mit dem AbgÄG 1998, BGBl I Nr. 28/1999, ein Unterabsatz angefügt, der folgenden Wortlaut hat:

"Behandelt ein Unternehmer einen nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig, so kann eine bis dahin vom Vorsteuerabzug ausgeschlossene Steuer (§ 12 Abs. 3) oder eine zu berichtigende Vorsteuer (§ 12 Abs. 10 bis 12) frühestens für den Voranmeldungszeitraum abgezogen werden, in dem der Unternehmer den Umsatz als steuerpflichtig behandelt."

Aus den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a iVm § 12 Abs. 3 Z. 1 und 2 UStG 1994 resultiert eine so genannte unechte Steuerbefreiung der Grundstücksumsätze. Durch die in § 6 Abs. 2 UStG 1994 geschaffene Option ist es dem Steuerpflichtigen allerdings möglich, solche Umsätze trotzdem als steuerpflichtig zu behandeln und dadurch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu erlangen.

Zu der sich aus den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Z 16 iVm § 12 Abs. 3 Z 1 und 2 UStG 1994 ergebenden unechten Steuerbefreiung für Vermietungsumsätze, für die ebenfalls im ersten Satz des § 6 Abs. 2 UStG 1994 eine Option zur Steuerpflicht vorgesehen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2002/13/0063 bis 0065, ausgeführt, dass für den Fall einer künftigen Vermietung die Vorsteuerausschlussbestimmung nicht zur Anwendung kommt, wenn bei Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung wahrscheinlicher ist als der Fall einer steuerbefreiten Vermietung oder der Fall des Unterbleibens einer Vermietung. Dass die Steuerpflicht der aus der künftigen Vermietung erwirtschafteten Umsätze zusätzlich noch der Option des vermietenden Steuerpflichtigen im Sinne des § 6 Abs. 2 UStG 1994 bedarf, gebietet für die Beurteilung der Abziehbarkeit geltend gemachter Vorsteuern keine andere Lösung. Auch die Frage, ob vom Gebrauch der im § 6 Abs. 2 UStG 1994 eingeräumten Möglichkeit durch den künftigen Vermieter auszugehen ist, muss (wie schon die Frage, ob überhaupt vermietet werden wird) mit der Wahl jener Möglichkeit beantwortet werden, die den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich hat.

Ausgehend vom Wortlaut der Optionsbestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz UStG 1994, in den mit dem BudgetbegleitG 1998, BGBl I Nr. 79/1998, auch die Grundstücksumsätze betreffende Bestimmung des Abs. 1 Z 9 lit. a leg. cit. einbezogen wurde, ist die Vorsteuerabzugsberechtigung in Hinblick auf einen beabsichtigten Grundstücksumsatz nicht anders zu behandeln als der Fall einer in Aussicht genommenen Vermietung. In beiden Fällen steht demnach bei nachweislicher Absicht der Option zur Steuerpflicht der Vorsteuerabzug entsprechend der Bestimmung des § 12 Abs. 1 UStG 1994 (sofort) zu, sodass auch die Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 3 UStG 1994 nicht zum Tragen kommt."

Ab (BGBl I 22/2012) wurde die Optionsmöglichkeit in § 6 Abs. 2 UStG 1994 eingeschränkt: "Der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 und Z 17 ist nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat diese Voraussetzung nachzuweisen."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen hierzu aus:

"Durch diese Maßnahme wird die Möglichkeit, bei der Erbringung von Leistungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 und 17 auf die Steuerbefreiung zu verzichten, insoweit eingeschränkt, als dieses Recht nur dann zusteht, wenn der Leistungsempfänger das Grundstück nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
Die Neuregelung führt zu einer größeren Steuergerechtigkeit und zur Gleichstellung aller Unternehmer, die wegen der Erzielung unecht steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind. Weiters wird durch diese Neuregelung die Option zur Steuerpflicht auch in solchen Fällen ausgeschlossen, in denen der Leistungsempfänger eine nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Körperschaft des öffentlichen Rechts (KöR) ist.
Errichtet ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ein Betriebsgebäude, steht ihm für die Errichtungskosten kein Vorsteuerabzug zu. Bisher konnte durch die Vorschaltung einer Errichtungsgesellschaft, die das Gebäude zehn Jahre steuerpflichtig an diesen Unternehmer vermietete, für die gesamten Errichtungskosten der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Durch die Möglichkeit der Rückoption zur Steuerbefreiung konnte die Errichtungsgesellschaft nach zehn Jahren das Gebäude unecht steuerbefreit vermieten oder verkaufen, ohne dass es einer Berichtigung des zunächst geltend gemachten Vorsteuerabzugs bedurfte. Dadurch wurde regelmäßig nur ein Teil des Vorsteuerabzugs aus den Errichtungskosten durch die zehnjährige steuerpflichtige Vermietung ausgeglichen. Diese Fälle widersprechen im Ergebnis dem unionsrechtlich vorgegebenen Grundsatz, dass weder Privatpersonen noch unecht befreiten Unternehmern ein Vorsteuerabzug zusteht.
Ziel der Option zur Steuerpflicht für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist, eine Kumulation der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette zu vermeiden, wenn die Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Diesem Ziel wird durch die nunmehrige Regelung weiterhin entsprochen.
Soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, kann auf die Steuerbefreiung hinsichtlich dieses Grundstücks bzw. Grundstücksteils weiterhin verzichtet werden.
Eine nahezu ausschließliche Verwendung ist anzunehmen, wenn die auf den Mietzins für das Grundstück bzw. für den Grundstücksteil entfallende Umsatzsteuer höchstens zu 5% vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen wäre (Bagatellgrenze).
Will der leistende Unternehmer im Hinblick auf die von ihm auszuübende Option bereits vor der Ausführung des Umsatzes den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, ist dies nur dann möglich, wenn er darlegen kann (zB durch entsprechende Vorvereinbarungen mit zukünftigen Mietern oder anhand anderer über eine bloße Absichtserklärung hinausgehender Umstände), dass im Zeitpunkt des Bezugs der Vorleistung die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung mit größerer Sicherheit anzunehmen ist als der Fall einer steuerfreien Vermietung ()."

Auch für die Frage, ob eine steuerpflichtige oder eine steuerfreie Vermietung geplant ist, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - der obigen Judikatur und den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl I 22/2012 folgend - entscheidend, ob im Zeitpunkt des Bezugs der Vorleistung die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung mit größerer Sicherheit anzunehmen ist als der Fall einer steuerfreien Vermietung.

Das Bundesfinanzgericht teilt in diesem Zusammenhang nicht die Meinung der Amtspartei, derzufolge die bisherige Judikatur des VwGH zur Wahrscheinlichkeit der steuerpflichtigen Vermietung nach der durch das 1. Stabilitätsgesetz geschaffenen Rechtslage nur sehr bedingt anwendbar sein soll. Dem Unternehmer steht es nämlich frei, mit potentiellen Mietern, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, eben keinen Mietvertrag abzuschließen. Diese Entscheidung ist daher ebenso wie die Ausübung der Option nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 der freien Disposition des Unternehmers überlassen.

Für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung entscheidend können - wie das Finanzamt richtig ausführt - entsprechende Vorvereinbarungen mit zukünftigen Mietern sein, aber auch andere über eine bloße Absichtserklärung hinausgehender Umstände. Hierzu zählen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch solche Umstände, bei denen die Vermietung an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer gegen jede betriebswirtschaftlich geprägte Vernunft wäre. Hiervon wird regelmäßig auszugehen sein, wenn die Vorsteuerbeträge, die sonst verlorengehen würden, so hoch sind, dass die Mietdifferenz, die von einem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Mieter verlangt werden würde, so groß wäre, dass sie am Markt regelmäßig nicht erzielt werden könnte. Auch die von der Bf. vorgebrachte unmögliche oder doch wesentlich erschwerte Finanzierung der Vorsteuerdifferenz stellt einen derartigen Umstand dar.

Schließlich hat zwar für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eine ex-ante-Betrachtung stattzufinden; der Umstand allerdings, dass zum jetzigen Zeitpunkt bereits 2/3 der Nutzfläche vermietet sind, und dies ausschließlich an vorsteuerabzugsberechtigte Mieter, stellt ein Indiz dar, das auf eine bereits im Streitzeitraum bestehende diesbezügliche Absicht schließen lässt.

Dem widerspricht auch nicht die vom Finanzamt ins Treffen geführte Betriebsanlagengenehmigung in Hinblick auf die mögliche Vermietung an eine Praxisgemeinschaft, da das entsprechende Verfahren vor einer endgültigen Entscheidung über die tatsächliche Nutzungsart erfolgt ist.

Verwiesen sei abschließend auf die auch von der Bf. zur Stützung ihrer Rechtsansicht herangezogene Kommentarmeinung Rattinger in Melhardt/Tumpel, UStG, 2. Aufl. 2015, § 6 Rz 510:

"Der Vorsteuerabzug ist bereits in Zeiträumen vor der tatsächlichen Erzielung von Umsätzen möglich, wenn der Unternehmer nachweislich die Ausübung der Option beabsichtigt. Die Frage, ob vom Gebrauch der Optionsmöglichkeit durch den künftigen Vermieter auszugehen ist, muss (wie schon die Frage, ob überhaupt vermietet werden wird) mit der Wahl jener Möglichkeit beantwortet werden, die den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich hat (). Bei der Beurteilung des Vorsteuerabzugs ist jeder Veranlagungs­zeitraum für sich zu betrachten. Kommt es noch vor Erzielung der Umsätze zu einer (nachweislichen) Absichts­änderung, ist der Vorsteuerabzug für den laufenden und die folgenden Veranlagungszeiträume nach den neuen Verhältnissen zu gewähren. Der Nachweis wird mE durch objektive, nach außen hin in Erscheinung tretende Umstände zu führen sein, wie zB Business-Pläne, Marktauftritt, Zeitungsinserate usw. Hinsichtlich der bereits vergangenen Zeiträume kommt es bereits im Zeitpunkt der Absichts­änderung und nicht erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Erzielens von Umsätzen zur Vorsteuer­korrektur nach § 12 Abs 11 (Rz 901 UStR mit Verweis auf ). Auch für den Anwendungsbereich des 1. StabG gilt für den Vorsteuerabzug die Wahrscheinlichkeitsabwägung. Kann der Vermieter belegen, dass die stpfl Vermietung eine höhere Wahrscheinlichkeit für sich hat (zB weil der Vermieter sich aus objektiv belegbaren wirtschaftlichen Überlegungen dazu entschlossen hat, nur an Mieter zu vermieten, bei welchen die Option zur StPfl ausgeübt werden kann), so steht der Vorsteuerabzug zu."

Da der Beschwerde schon aus diesen Gründen stattzugeben war, braucht nicht mehr überprüft werden, ob im konkreten Fall die Bestimmung des § 295a BAO anwendbar sein könnte, wobei das Bundesfinanzgericht in diesem Punkt allerdings die Meinung des Finanzamtes teilt, wonach § 12 Abs. 11 UStG 1994 als Spezialbestimmung dieser Norm vorgeht (sh. auch ).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Judikatur des VwGH zum Vorliegen der Wahrscheinlichkeit einer steuerpflichtigen Vermietung nicht auch für die Rechtslage nach dem 1. StabG 2012 gelten soll. Ob diese Wahrscheinlichkeit tatsächlich gegeben ist, wurde vom Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung beurteilt, weshalb diesbezüglich keine Rechts-, sondern eine Sachfrage gegeben ist.

Wien, am

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