Die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer ist nur quartalsweise zulässig
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, in Adresse, vertreten durch UNICONSULT WP und STB GmbH, Bahnhofstraße 35a, 4910 Ried im Innkreis gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding (StNr. XX/XXX) vom betreffend die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für 4-10/2007, 4-10/2008, 4-10/2009, 4-10/2010 und 4-10/2011 zu Recht erkannt:
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Februar 2012 hat das Finanzamt Kraftfahrzeugsteuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2011 an Bf (in der Folge: Bf) versandt. Mit diesen erklärte der Bf (Eingang beim Finanzamt am ) für ein saisonal (jeweils April bis Oktober) verwendetes und ebenso nur in diesen Monaten in Deutschland zugelassenes offenes Fahrzeug die Kraftfahrzeugsteuer für die betroffenen Zeiträume der Jahre 2007 bis 2011.
Am brachte der Bf gegen seine Selbstberechnung und selbst erklärte Kfz-Steuer eine Beschwerde ein und beantragte eine Nichtfestsetzung der Kfz-Steuer für die jeweiligen Zeiträume.
Das Finanzamt wertete die genannte Eingabe offenbar als Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gemäß § 201 BAO, setzte mit den Bescheiden vom die Kraftfahrzeugsteuer jeweils für die Zeiträume April bis Oktober der Jahre 2007 bis 2011 fest und ging dann davon aus, dass diese Bescheide mit Berufung (jetzt Beschwerde) angefochten sind. Dies lässt sich auch der Begründung der Bescheide entnehmen.
Den Bescheiden lässt sich allerdings nicht entnehmen, aufgrund welcher Sachverhaltsfeststellungen und welcher rechtlicher Grundlagen die Steuerpflicht überhaupt entstanden sein soll.
Die NoVA für das beschwerdegegenständliche Fahrzeug wurde bereits einige Jahre zuvor (2001) abgeführt.
Über die Beschwerde wurde erwogen
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kann die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels allein dessen Unzulässigkeit nicht begründen. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ist ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (; ; ). Aus dem Schreiben des Bf geht klar hervor, dass er ein Rechtsmittel gegen die bereits bezahlte Kfz-Steuer einbringen möchte. Dies ist allerdings nur möglich, wenn hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Kfz-Steuern ein bekämpfbarer Bescheid im Wege der Festsetzung erlassen wird. Die am eingebrachte Berufung (seit Beschwerde) war daher gleichzeitig als Festsetzungsantrag zu werten.
Nach dem zum Beschwerdezeitpunkt anzuwendenden § 273 Abs. 2 BAO durfte eine Berufung nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil diese vor Beginn der Berufungsfrist, in diesem Fall noch vor dem Erlass des Bescheides, eingebracht wurde.
2. Bei den hier zu beurteilenden Bescheiden handelt es sich um Festsetzungen von Selbstberechnungsabgaben (§ 6 Abs. 3 KfzStG 1992). Dies ist nur unter den in § 201 BAO normierten Bedingungen zulässig. Diese Bestimmung lautet:
(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden,
4. wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig erweist, oder
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist, oder
2. wenn bei sinngemäßer Anwendung der §§ 303 bis 304 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag der Partei vorliegen würden.
(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.
Gemäß § 6 Abs. 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG) hat der Steuerschuldner die Steuer jeweils für ein Kalendervierteljahr selbst zu berechnen und bis zum 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf das Kalendervierteljahr zweitfolgenden Kalendermonats an das Finanzamt zu entrichten. Gemäß § 6 Abs. 4 KfzStG 1992 hat er zwar für jedes abgelaufene Kalenderjahr bis zum 31. März des darauf folgenden Kalenderjahres eine Steuererklärung über die steuerpflichtigen Kraftfahrzeuge beim Finanzamt abzugeben, eine abschließende Veranlagung ist aber nicht vorgesehen.
Der Selbstberechnungs- und Besteuerungszeitraum und damit die maßgebliche Abgabe bei der Kfz-Steuer ist deshalb das Kalendervierteljahr. Das KfzStG kennt keine Regelung, die diesen Zeitraum für den Fall verkürzt, dass die Steuerpflicht nur in einem Teil des Vierteljahres gegeben ist (anders etwa § 20 Abs. 3 UStG 1994).
Bei den bekämpften Bescheiden handelt es sich um die in einem Bescheid zusammengefasste Festsetzung mehrerer Abgaben (§ 201 Abs. 4 BAO). Das Finanzamt konkretisierte diese Abgaben mit der Angabe von Monaten, die über die dreimonatigen Vierteljahreszeiträume (Jänner bis März, April bis Juni, Juli bis September und Oktober bis Dezember) hinausgehen. Dies ist jedoch unzulässig, weil die Festsetzung einer Kfz-Steuer in dieser Form gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die selbst zu berechnende und nötigenfalls gemäß § 201 BAO festzusetzende Kfz-Steuer ist nämlich jeweils eine Vierteljahressteuer. Diese hätte – wenn zusammengefasst – in den einzelnen Jahren jeweils für den Zeitraum April bis Dezember festgesetzt werden müssen und nicht wie in den beschwerdegegenständlichen Bescheiden – April bis Oktober.
Eine zusammengefasste Festsetzung in einem Bescheid kann nur einheitlich beurteilt werden. In diesem Fall wurde über Besteuerungszeiträume abgesprochen, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Die bescheidmäßigen Festsetzungen waren deshalb aus formellen Gründen ersatzlos aufzuheben und eine inhaltliche Entscheidung über das Bestehen der Abgabepflicht hatte zu unterbleiben. Da die Aufhebung nur aus formellen Gründen zu erfolgen hat, steht dies einer - weiterhin erstmaligen - Festsetzung durch die Abgabenbehörde 1. Instanz für die gesetzlich vorgesehenen Besteuerungszeiträume nicht entgegen (keine res iudicata, vgl. ), sofern nicht Verjährung (evtl. die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben, insbesondere wenn NoVA erklärt, KFZ-Steuer aber nicht erklärt oder abgeführt wurde) eingetreten ist.
3. Weiters darf angemerkt werden, dass eine Festsetzung gemäß § 201 Abs. 1 BAO nur dann zulässig ist, wenn der Abgabepflichtige einen selbst berechneten Betrag bekannt gegeben hat oder er zumindest dazu verpflichtet gewesen wäre.
Eine Festsetzung darf nur dann erfolgen, wenn eine der in § 201 Abs. 2 und 3 BAO taxativ aufgezählten Fallkonstellationen gegeben ist. Der Unabhängige Finanzsenat hat dazu entschieden, dass das Finanzamt im Festsetzungserstbescheid zu deklarieren hat, welchen dieser Gründe es herangezogen hat (z.B. ; Ritz, BAO4, § 201 Tz 42), widrigenfalls ein solcher Bescheid aufzuheben wäre.
§ 201 Abs. 4 BAO sieht vor, dass mehrere Abgaben (hier mehrere Quartale) in einem Bescheid zusammengefasst festgesetzt werden können. Da diese Möglichkeit im Ermessen der Behörde liegt, hat sie ihre Anwendung zu begründen (; vgl. dazu Schwaiger, SWK 2010, S 695 ff).
In den beschwerdegegenständlichen Festsetzungsbescheiden wurde zwar ein vom Finanzamt für entscheidungswesentlich gehaltener Sachverhalt dargestellt, aber in keiner Weise dieser oder Elemente daraus den Fallgruppen des § 201 BAO zugeordnet oder ein Ermessen begründet (vgl. ). Auch das hätte zur Aufhebung der Bescheide führen müssen.
Gemäß § 115 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben, wobei im Übrigen auch den Bw eine erhöhte Mitwirkungs- und Beweisvorsorgepflicht trifft, da ein Sachverhalt verwirklicht worden ist, dessen Wurzeln im Ausland liegen.
Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht die Bescheidbeschwerde, wenn diese weder zurückzuweisen noch als zurückgenommen oder als gegenstandlos zu erklären ist, durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.
Hinsichtlich der Bescheide für die Zeiträume 4 bis 10 der Jahre 2007 – 2011 wurde weder der für eine Bescheiderlassung maßgebliche Sachverhalt ermittelt, noch Feststellungen dazu getroffen, auf Grund welcher rechtlichen Grundlagen die Steuerpflicht überhaupt entstanden sein soll.
Wären die Bescheide nicht schon aus rein formellen Gründen aufzuheben gewesen, wären sie aufgrund der fehlenden Ermittlungen gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufzuheben und an die Abgabenbehörde 1. Instanz zurückzuverweisen gewesen.
4. Hinsichtlich der vom Bf in der Berufung behaupteten Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist folgendes festzuhalten:
Der Grundsatz von Treu und Glauben kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zum Tragen (vgl. zusammenfassend die bei Ritz, BAO3, § 114 Tz. 7ff, referierte Rechtsprechung). So schützt der VwGH nur das Vertrauen in die Richtigkeit von Auskünften im Einzelfall (; ; ; ; ). Ein Verstoß der Abgabenbehörde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben setzt einerseits voraus, dass ein (unrechtes) Verhalten der Behörde, auf das der Abgabepflichtige vertraut hat, eindeutig und unzweifelhaft für ihn zum Ausdruck gekommen ist, und andererseits, dass der Abgabepflichtige seine Dispositionen danach eingerichtet und er als Folge hievon einen abgabenrechtlichen Nachteil erlitten hat. (; ). Das der Behörde vorgeworfene Verhalten (kein Hinweis durch die Behörde auf die KfzSt-Pflicht bei Abgabe der NoVa-Erklärung) kann keinesfalls als unrecht oder gar rechtswidrig qualifiziert werden. Die im § 113 BAO geregelte Rechtsbelehrungspflicht bezieht sich nur auf von einem Steuerpflichtigen verlangte Anleitung in Verfahrensangelegenheiten (; ; ; ). Es besteht keine Verpflichtung, zB Rechtsauskünfte über alle nur möglichen abgabenrechtlichen Konsequenzen aus dem Verhalten von Abgabepflichtigen vor Einreichung von Erklärungen zu erteilen (). Nur weil eine Behörde keine rechtlichen Hinweise auf eine eventuelle weitere steuerliche Verpflichtung gibt, kann daraus nicht eindeutig und unzweifelhaft geschlossen werden, dass keine weiteren Steuerverpflichtungen vorliegen. Überdies kann der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (; ; ). Bei der Festsetzung der Kfz-Steuern bestand weder ein derartiger Vollzugsspielraum noch wurde vom Bf eine Auskunft dahingehend verlangt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgericht ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Im gegenständlichen Fall war die Revision nicht zuzulassen, da diese nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Wie im Erkenntnis dargestellt, ist die Festsetzung für die vom Finanzamt gewählten Zeiträume nach dem Gesetzeswortlaut unzulässig und diesbezüglich existiert auch eine einheitliche Rechtsprechung des UFS bzw. des BFG.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 201 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 4 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 § 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.5101296.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at