Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.05.2016, RV/1100626/2014

Aufwendungen für eine alternativmedizinische Krebsbehandlung als außergewöhnliche Belastung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1100626/2014-RS1
Kosten für eine alternativmedizinische Behandlung (hier: betreffend Krebs mit Metastasenbildung) durch einen deutschen Heilpraktiker sind insoweit außergewöhnliche Belastungen, als diese Kosten medizinisch indiziert sind. Ob eine solche medizinische Indikation vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2013 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der neu festgesetzten Einkommensteuer 2013 sind dem im Anhang beigefügten Abgabenberechnungsblatt, das einen Teil des Spruches dieser Entscheidung bildet, zu entnehmen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer machte im Rahmen des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2013 u.a. Krankheitskosten in Höhe von 8.197,65 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend.

Auf ein Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom mit der Aufforderung, sämtliche Krankheitskosten mittels einer Aufstellung und den entsprechenden Rechnungs- und Zahlungsbelegen nachzuweisen und bei physikalischen Behandlungen, Kuraufenthalten und alternativen Heilbehandlungen eine  Arztüberweisung oder eine Genehmigung der Sozialversicherung beizulegen, legte der Bf. Rechnungen für ärztliche und heilpraktikerkundliche Untersuchungen und Medikamente im Rahmen einer Krebsbehandlung vor.

Dazu legte er einen ärztlichen Befund vom über eine Magnetresonanzuntersuchung bei, wonach der Bf. an ossär und lymphogen metastasiertem Prostatakrebs erkrankt sei.

Ferner legte er ein Schreiben des behandelnden Heilpraktikers HB. in W. in Deutschland vom vor, mit dem dieser bestätigte, zur Behandlung der Krebserkrankung des Bf. folgende Medikamente zur laufenden Einnahme verordnet zu haben:


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Wobe Mucos Nem
Vitamin B1
Innovazym
Vitamin B12 Hevert + Folsäure
Vitamin B Complex
Amanita Phalloides D2
Armanita Phalloides D2
Unizink Inj.
Sulforaphan Kapseln 120 Stück
Cefasel 300
Symbiolact. Comp. Beutel
Landenberger Immun Unfusion
Symbioflor 1 Suspension
Landenberger Onko Infusion
Jodid 200 Hexal Tabletten
Pacorbin Vitamin C Infusion
Labo Life 2LC1N Kapseln
Amanita Phalloides D4 Globuli
Bor 3mg 120 Kapslen
Amp. Selenarell
Glutation Kapseln 500mg
Amp. Thymorell
Vitamin B6 Hevert
Amp. Zinkorell

Die einzelnen Kosten der Krebsbehandlung wurden in nachfolgender Aufstellung konkret wie folgt angegeben:


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Datum
Herkunft
Medikament
Preis lt. Rechnung (Euro)
I.
 
90,00
Bodensee Apotheke
Diverse
403,76
HB.
Amp. Selenarell
23,40
HB.
Amp. Zinkorell
12,40
HB.
Amp. Thymorell
239,60
Clessinsche Apotheke
Soft-Zellin Alkoholtupfer
7,85
Fidelis Apotheke
Div. Injektionsnadeln
13,00
Morinda
Noni
499,00
Remedia
Amanita Phalloides D4 Globuli
12,10
Walgau Apotheke
Selen
9.60
Walgau Apotheke
Symbioflor und Symbiolact
50,35
Walgau Apotheke
Wobe Mucos Nem
143.10
Synlab Labor München
Werte
135,82
MVZ Institut
Stuhlprobe
53,15
Morinda
Noni
499,00
HB.
Untersuchungen
138,07
Biogena
Bor 3mg 120 Kapseln
21,80
Famaline
Labo Life 2LC1N Kapseln
193,56
Bahnhof Apotheke
Jodid 200 Hexal Tabletten
6,62
Morinda
Noni
499,00
Bio Apotheke
Wobe Mucos Nem
203,56
Walgau Apotheke
Pascorbin Vit. C Infusion
190.17
Bodfeld Apotheke
Innovacym
118,32
Walgau Apotheke
Pamorelin 11,25 mg
5,30
Walgau Apotheke
Calcidural 500 mg
5,30
Apotheke Echenheimer Turm
Glutation Kapseln 500 mg
580,70
Viktoria Apotheke
Landenberger Onko Infusion
420,00
I.
 
90,00
Viktoria Apotheke
Landenberger Immun Infusion
495,00
Walgau Apotheke
Kochsalzlösung
25,40
Walgau Apotheke
Vitamin B12 Hevert  Folsäure
16,20
Walgau Apotheke
Vitamin B1
6,05
Walgau Apotheke
Vitamin B6 Hevert
5,05
Walgau Apotheke
Cefasel 300
80,00
Walgau Apotheke
Unizink Inj.
50,80
Famaline
Labo Life 2LC1N Kapseln
129,04
Walgau Apotheke
Amanita Phalloides D2
227,15
Walgau Apotheke
Kochsalzlösung 250 ml
25,40
Famaline
Labo Life 2LC1N Kapseln
129,00
Walgau Apotheke
Vtamin B12 Hevert + Folsäure
16,20
Walgau Apotheke
Vitamin B1
6,05
Walgau Apotheke
Vitamin B6 Hevert
5,05
Morinda
Noni
499,00
Apotheke Eschenheimer Tor
Glutation Kapseln 500 mg
580,70
Bodfeld Apotheke
Wobe Mucos Nem
114,98
Bodfeld Apotheke
Innovacym
57,58
Biogena
Bor 3mg 120 Kapseln
21,80
Walgau Apotheke
Pamorelin 11,25mg
5,30
Morinda
Noni
499,00
Farmaline
Labo Life 2LC1N Kapseln
129,00
Bio Apotheke
Jodid 200 Hexal Tabletten, Wobe Mucos Tabletten
115,61
Bio Apotheke
Symbiolact Beutel, Suspension
173,00
Walgau Apotheke
Amanita Phalloides D2
116,30
Gesamt
 
 
8.197,65

Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2013 vom lediglich ebenfalls mit Rechnungen nachgewiesene Kosten für eine Zahnbehandlung und die Anschaffung einer Brille in Höhe von 525,85 Euro als außergewöhnliche Belastungen (die allerdings aufgrund eines Selbstbehaltes in derselben Höhe steuerlich ohne Auswirkung blieben), nicht aber die Kosten für die Krebsbehandlung in Höhe von 8.197,65 Euro. Zur Begründung gab es an, Kosten einer alternativen Selbsterhaltung ohne Vorlage einer ärztlichen Verordnung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes seien nicht als außergewöhnlichen Belastungen abzugsfähig. Der Bf. habe die durch die Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit weder durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen noch seien von der Krankenkassa Kostenersätze gewährt worden.

Die am gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom mit derselben Begründung wie im Erstbescheid ab.

Mit dem Vorlageantrag vom legte der Bf. ein Schreiben eines im Inland tätigen Arztes der Allgemeinmedizin, Dr. M. S., vom vor, worin dieser bestätigte, dass beim Bf. eine maligne Erkrankung mit ungewisser Prognose vorliege, welche nicht unwesentlich durch zusätzliche immunkräftigende  Maßnahmen durch die von HB. laut Verordnung vom verordneten Medikamente verbessert werden könnte. Aus medizinischer Sicht seien diese alternativen Medikamentengaben zu befürworten.

In einer Stellungnahme zum Vorlageantrag bemerkte das Finanzamt, die nachträglich vorgelegte Arztempfehlung sei keine ärztliche Verordnung und stellte den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.  

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Streitfrage

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Kosten für eine Krebsbehandlung des Bf. als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind.

Sachverhalt

Dabei geht das Bundesfinanzgericht von folgendem Sacherhalt aus:

Der Bf. ist an Prostatakrebs mit Metastasenbildung erkrankt. Zur Behandlung dieser Krankheit hat er die Praxis von HB. in W. in Deutschland aufgesucht. HB. ist ein in Deutschland anerkannter Heilpraktiker und Schmerztherapeut und Beisitzer im Prüfungsausschuss "Heilpraktikerprüfungen" beim Gesundheitsamt München Land. Praxisschwerpunkte sind die Immunmodulation, Schmerztherapie und Stoffwechsel (vgl. dazu die Homepage von HB., www. hb..de).

Die Behandlung des Bf. durch HB. bestand, wie sich aus der Medikamentenliste und der Bestätigung des Allgemeinmediziners Dr. S. ergibt, im Wesentlichen in einer das Immunsystem stärkenden Therapie.

Der größte Teil der geltend gemachten Aufwendungen für die Krebsbehandlung, und zwar 5.266,98 Euro, stand in Zusammenhang mit Untersuchungen durch HB. oder von diesem verordneten Medikamenten. Die übrigen Kosten entfielen auf eine Behandlung durch Med. Univ. Dr. I. (180,00 Euro), für Kochsalzlösungen (50,80 Euro), Calcidural und 2x Pamorelin (je 5,30 Euro), Nonisäfte (2.495,00 Euro) sowie Untersuchungen durch das MVZ Institut (53,15 Euro) und das Lynlab Labor München (135,82 Euro).

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Die Absetzung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ist in § 34 EStG 1988 geregelt. Dieser lautet auszugsweise:

§ 34

(1) Bei der Ermittlung der Einkommen (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen haben:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, wenn sie höher ist als jene, die die Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung berücksichtigt wesentlich die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von


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höchstens 7.300 Euro
6%
mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro
8%
mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro
10%
mehr als 36.400 Euro
12%

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt,
- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag
- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der Ehe(Partner) Einkünfte im Sinne der § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt
- für jedes Kind (§ 106).

Als Kinder im Sinne des § 106 EStG gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nac h § 33 Abs. 3 EStG zusteht.

Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich. Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (vgl. z.B. ).

Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen. Nicht absetzbar sind Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78, mit den dort zitierten hg. Erkenntnissen), weil in diesen Fällen keine oder keine unmittelbare Verbindung zwischen den Aufwendungen und einer Krankheit besteht

Absetzbar sind v.a. Arzt- und Krankenhaushonorare, Aufwendungen für Medikamente einschließlich medizinisch verordneter homöopathische Präparate und Aufwendungen für Heilbehelfe (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78).

Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches Personal (z.B. Physiotherapeuten) werden von der Verwaltung nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt werden. Im Falle einer Behandlung durch eine Person, die nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften nicht zur Heilbehandlung befugt ist, kann eine außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn durch ein ärztliches Gutachten nachgewiesen wird, dass die Behandlung aus medizinischen Gründen zur Heilung oder Linderung der Krankheit erforderlich ist. Erfolgt eine Behandlung durch einen im Ausland anerkannten Heilpraktiker, stellen die Behandlungskosten eine außergewöhnliche Belastung dar (vgl. LStR 2002, Rz 902).

Nach der Lehre wird heute keine Priorität schulmedizinischer Methoden mehr vertreten. Auch Aufwendungen für Maßnahmen der Alternativmedizin sind daher nicht grundsätzlich von der Anerkennung der damit aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Voraussetzung ist aber, dass sie zwangsläufig erwachsen sind, wovon ausgegangen wird, wenn deren medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78; Renner, SWK 2011, 28 ff) .

Sinn der Forderung nach einer Notwendigkeit von Krankheitskosten ist es, diese Kosten von Kosten für die Lebensführung abzugrenzen. Dabei ist eine typisierende Betrachtung anzustellen. Denn natürlich sind auch Krankheitskosten insofern freiwillig, als sie durch eine Entscheidung des Erkrankten erfolgen und aufgrund dessen Entscheidung auch unterbleiben könnten. Es geht daher vielmehr darum, ob eine Behandlung und die dadurch entstehenden Kosten aus Sicht der Allgemeinheit als notwendig erscheint.

Ein solcher Nachweis kann durch eine ärztliche Bestätigung erbracht werden. Eine Einschränkung dieses Nachweises auf eine „ärztliche Verordnung der Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes“ oder die (teilweise) Übernahme der Kosten durch die Sozialversicherung erscheint in dieser pauschalen Form aber als zu eng. Entscheidend kann vielmehr nur sein, ob eine Behandlung medizinisch indiziert ist und die damit verbundenen Kosten sich damit von Kosten der privaten Lebensführung abgrenzen. Ob eine solche medizinische Indikation vorliegt, ist im Einzelfall zu untersuchen.

Krebs ist eine Krankheit, die eine existentielle Ausnahmesituation darstellt, da sie in der Regel lebensbedrohlich ist. Wer an Krebs erkrankt, tut alles, um diese Krankheit zu besiegen. Dass bei einer solchen Krankheit die Stärkung des Immunsystems eine sinnvolle Maßnahme ist, um die Heilungschancen des Patienten zu erhöhen, steht für das Bundesfinanzgericht außer Zweifel. Auch wenn eine solche immunstärkende Behandlung lediglich begleitend zur eigentlichen Krebsbehandlungen wie Operation oder Chemotherapie hinzutritt, ist die medizinische Indikation derselben unzweifelhaft gegeben (vgl. dazu auch Renner, SWK 2011, S 28 ff., zur Absetzbarkeit von Kosten für eine immunbiologische Krebstherapie sowie BFH , VI R 11/09).

Im Beschwerdefall wurde diese medizinische Indikation zudem von einem Arzt der Allgemeinmedizin bestätigt. Dass die Bestätigung erst im Nachhinein vorgelegt wurde, ändert nichts daran, dass die vom Heilpraktiker verordnete Medikamentenabgabe aus medizinischer Sicht befürwortet wurde. Auch der Umstand, dass es sich bei der die alternative Heilbehandlung durchführenden Person nicht um einen Arzt, sondern um einen im Inland nicht zur Heilbehandlung befugten Heilpraktiker handelt, schadet der grundsätzlichen Anerkennung der in Rede stehenden Kosten als außergewöhnliche Belastung nicht. HB. ist in Deutschland als Heilpraktiker zugelassen. Wer in Deutschland eine solche Zulassung bekommt, ist nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) zur Ausübung der Heilkunde befugt. Erfolgt eine Behandlung durch eine solche Person, stellen die Behandlungskosten auch nach der derzeit geltenden Verwaltungspraxis eine außergewöhnliche Belastung dar (vgl. LStR 2002, Rz 902).

Daher ist im Beschwerdefall die medizinische Indikation der von HB. durchgeführten Behandlung bzw. der von diesem im Rahmen dieser Behandlung verordneten Medikamente erwiesen und sind die dafür aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Liegt eine medizinische Indikation von Medikamenten vor, ist  es nicht mehr Aufgabe des Gerichtes, über die Wirksamkeit, Wirkungslosigkeit oder Schädlichkeit der verordneten Produkte zu befinden (vgl. -G/06).

Von den übrigen in der Kostenaufstellung enthaltenen, aber nicht von HB. laut Verordnung verordneten Aufwendungen oder von diesem durchgeführte Behandlungen sind die Kosten laut Honorarnote des Med. univ. Dr. Rudolf I., die Kosten für die physologische Kochsalzlösung - eine Infusionslösung, die Natriumchlorid enthält und v.a. als Trägerlösung für andere Medikamente verwendet wird, ferner die Kosten für Calicidural- und  Pamorelintabletten und die Kosten für die Untersuchungen durch das MVZ Institut und das Synlab Labor München als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, da auch bei diesen Maßnahmen ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Krebsbehandlung bzw. eine medizinische Indikation erkennbar ist.

Anders sind die Kosten für die Noni Produkte (2.495,00 Euro) beurteilen. Bei diesen Produkten ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Krebserkrankung nicht erkennbar. Zum Noni-Produkt, einem Saft aus der indischen Baumfrucht Noni, führt Wikipedia aus, dass die EU den Noni-Saft zwar als Novel-Food zugelassen, in einem im Dezember 2002 veröffentlichten Schreiben des wirtschaftlichen Gremiums für Lebensmittel der EU aber festgehalten hat, dass es keinerlei Beweise für eine gesundheitsfördernde Wirkung des Noni-Saftes gebe, die über die anderer Fruchtsäfte hinausgehe. Der Vertrieb sei daher unter der Auflage zugelassen worden, dass das Produkt nicht mit gesundheitsfördernder Wirkung beworben werden dürfe (vgl. dazu den Eintrag unter dem Stichwort „Noni“ in Wikipedia „https://de.wikipedia.org/wiki/Noni“). A uch der Unabhängige Finanzsenat hat in mehreren Entscheidungen die medizinische Indikation von Kosten für Noni-Produkte mit dem Hinweis verneint, dass es keine wissenschaftlich gesicherten Belege über deren Wirkungsweise gebe (vgl. RV 0462-L/11; -G/06).

Von den geltend gemachten Kosten für die Krebsbehandlung in Höhe von 8.197,65 Euro sind daher 5.702,65 Euro als zwangsläufig erwachsen anzuerkennen.

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bf. belasten diese Kosten aber nur, insoweit sie den Selbstbehalt laut § 34 Abs. 4 EStG übersteigen.

Das für den Selbstbehalt maßgebende Einkommen des Bf. betrug im Jahr 2013 46.478,37 Euro. Bei diesem Einkommen beträgt der Selbstbehalt 12%. Dieser Prozentsatz vermindert sich um 2 Prozentpunkte auf 10%, weil die Ehegattin des Bf. für die beiden gemeinsamen Kinder Katharina und Alexander im Jahr 2013 gemeinsam mit der Familienbeihilfe den Kinderabsetzbetrag ausbezahlt bekam und daher zwei Kinder im Sinne des § 106 EStG vorhanden waren, für welche sich der Selbstbehalt um je einen Prozentpunkt verminderte. Der Selbsbehalt beträgt daher 4.647,84 Euro. 

Als außergewöhnliche Belastung aus der Krebsbehandlung sind daher mit 1.054,81 Euro anzuerkennen. Dazu kommen die bereits im angefochtenen Bescheid anerkannten Kosten für die Zahnbehandlung und die Anschaffung einer Brille in Höhe von 525,85 Euro.

Die von den Einkünften abzuziehende außergewöhnliche Belastung beträgt daher insgesamt 1.580,66 Euro.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob Kosten für eine alternativmedizinische Krebsbehandlung bei einem im Ausland zugelassenen Heilpraktiker, die nicht Teil eines ärztlichen Behandlungsplanes ist, als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind, liegt keine höchstgerichtliche Rechstprechung vor. Diese Frage ist daher von grundsätzlicher Bedeutung und ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof somit zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
UFS, RV/0427-G/06
Doralt, EStG, 11. Auflage, § 34 Tz 78.
SWK 2011, 28 ff.
LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 902
UFS, RV/0462-L/11
Zitiert/besprochen in
Schantl in BFGjournal 2017, 96
Stöger-Frank in BFGjournal 2020, 36
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.1100626.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at